Der Freie Wille. Fakt oder Illusion?


Seminararbeit, 2017

17 Seiten, Note: 14,0


Leseprobe


Inhalt:

1 Einleitung

2 Der Freie Wille
2.1 Definition
2.2 Rechtslage

3 Determinismus und Vertreter des Freien Willen
3.1 De libero arbitrio
3.2 Der Determinismus
3.3 Entfaltung der Meinung Augustinus
3.3.1 Gnadenwahl Gottes
3.3.2 Ursprung des Bösen
3.4 Kritik an Pelagius
3.4.1 Das Problem der (Un-)Freiheit
3.4.2 Die Erbsünde

4 Wissenschaft als Gegenspieler des Freien Willen
4.1 Versuche des Wissenschaftlers Benjamin Libet

5 Fazit

6 Abbildungsverzeichnis

7 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

„Weil ich das will.“- einer der wohl wichtigsten Sätze der modernen Zeit. Es sind nur vier Worte, sie machen aber viel aus. Stellt man sich jedoch vor, wie oft man im Alltag von der Außenwelt, sei es der Familien-, Freundes- oder Arbeitskreis, beeinflusst wird, stellt sich einem schnell die Frage, ob es diesen Freien Willen tatsächlich gibt. „Das Problem der Willensfreiheit [wurde bereits von der] griechischen und römischen Philosophie, sowie im Buddhismus und in der christlichen und islamischen Theologie behandelt“[1]. Das hat zur Folge, dass sich verschiedene Meinungen und Ansichten bilden, die sich widersprechen. Unzählige Kulturen, die sich bezüglich eines Themas auf eine Position manifestieren, zu dem es keine richtige oder falsche Antwort gibt, ziehen den Konflikt dieses Problems mit sich. Die Freiheit des Willens ist noch nicht bestätigt worden, da sich, wie häufig bei philosophischen Problemen der Gegenwart, Religion und Wissenschaft nicht einig sind. Die Frage nach der Herkunft der Überzeugung, der Freie Wille sei real, lässt sich bis heute nicht beantworten, jedoch stellte Wolf Singer[2] folgende Theorie auf:

„Eltern bedeuten den Kleinen fortwährend, sie sollten dies tun und jenes

lassen, weil andernfalls […] Konsequenzen einträten. Diese Verweise […]

erzwingen den Schluss, man könne auch anders und müsse nur wollen.“[3]

So wird Kindern unterbewusst bereits früh beigebracht, sie können sich gegen die Normen und für ihren eigenen Willen entscheiden. Wichtig dabei ist, dass nicht jedem Kind die gleichen pädagogischen Werte beigebracht werden, was dazu führt, dass vielen, jedoch nicht allen, die Wahl für oder gegen den Willen ermöglicht wird.

Doch nicht nur als Kind steht man der Entscheidung für, bzw. gegen etwas bevor. Jeder Mensch, der sich mindestens eine entscheidende Frage im Leben stellen musste, tut dies mit seinem Willen, richtig?

Auch ich teste öfter, z.B. bei schulischen Angelegenheiten, meinen Willen: soll ich die Eigenschaften eines Moleküls, mit dem ich höchstwahrscheinlich niemals in Kontakt treten werde, auswendig lernen, weil ich das will oder muss. So kommt man schnell zur Annahme, die Antworten auf Entscheidungsfragen seien nicht zu beantworten, weil die Zukunft bereits klar ist: ich werde die Eigenschaften lernen müssen, da ich morgen eine Klausur schreiben werde.

Das Ziel der Arbeit ist es, unter Berücksichtigung der Sichtweise beider Seiten: Religion und Wissenschaft, den Freien Willen zu beweisen oder zu widerlegen.

Dabei wird häufiger die Sichtweise Wolf Singers integriert, da er als Vertreter der Wissenschaft viele Punkte satirisch und argumentativ hinterfragt.

2 Der Freie Wille

In diesem Teil der Arbeit wird erörtert, was genau der Freie Wille ist und wo er vorkommt. Diesen Begriff auf jeden Teil der Erde zu beziehen, macht wenig Sinn, da politische, gesellschaftliche und soziale Faktoren eine wichtige Rolle spielen, weshalb sich das Folgende ausschließlich auf Deutschland beziehen wird.

2.1 Definition

Wenn man sich vorstellt, wie stark man von Medien, Freunden, Verwandten, etc. beeinflusst wird, stellt man sich die Frage, ob es den Freien Willen überhaupt gibt. Bevor man das allerdings macht, muss man verstehen, was dieser bedeutet.

Außerdem muss man sich zu augenführen, dass es keine einheitliche Definition für diesen Ausdruck gibt, jedoch kann man grundsätzlich Folgendes behaupten:

Die Willensfreiheit ist die „Fähigkeit, bei verschiedenen Wahlmöglichkeiten eine bewusste Entscheidung treffen zu können“.[4]

2.2 Rechtslage

„Dem Schutz der Menschenwürde liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichem Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in

Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten.“[5]

Der Freie Wille ist also im Grundgesetz verankert. Der Staat geht folglich von einer Existenz dessen aus, was auch dazu führt, dass dieser automatisch Grundlage des Gesetzbuches ist.

„Bemerkenswert ist nun, dass wir trotz aller Überzeugung, frei zu sein, […] im Urteil über andere zwischen freien und unfreien Akten unterscheiden. Für erstere sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, für letzteres fordern wir Nachsicht“[6]

Nach Singer sei eine unfreie Tat also nach heutiger Definition eine Ausrede, um der Verantwortung, der man im Normalfall begegnen sollte, zu umgehen. So sei der Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit jener, dass die Folgen der Unfreiheit legitim und nicht verwerflich sind.

3 Determinismus und Vertreter des Freien Willen

Dieser Abschnitt, bestehend aus einer breitgefächerten Begriffserläuterung des Determinismus und der Auseinandersetzung mit der Meinung des Philosophen Augustinus, ist der Hauptteil der Arbeit. In diesem werden sowohl Ansichten der Befürworter des Freien Willen, als auch die der Gegenspieler beschrieben.

3.1 De libero arbitrio

Wie bereits angeführt, beschäftigten sich bereits verschiedenste Philosophen mit dem Problem der Willensfreiheit, unter ihnen der Theologe Augustinus. Er wurde am 13. November 354 in Tagaste, einer Stadt im heutigen Algerien, geboren. Dort lebte er, bis er zum Studieren nach Karthago zog. Mit dreißig Jahren heiratete er ein zwölfjähriges Mädchen wegen ihres Geldes.[7] Augustinus war bekannt für seine Kritik, die er an anderen Philosophen ausübte. Diese Kritik spiegelt sich in seiner Buchreihe de libero arbitrio (dt.: der Freie Wille) wieder. Er gab verschiedene Gründe an, warum er diese verfasste. Er sah die Wichtigkeit des Willens bereits im Menschen; seiner Meinung nach gehört der Wille zu „den drei Vermögen, die den menschlichen Geist […] überhaupt konstituieren: memoria [dt.: das Gedächtnis], intelligentia [dt.: die Intelligenz], voluntas [dt.: der Wille]“.[8]

Die Buchreihe besteht aus drei Schriften. Die erste versucht zu beweisen, dass die Freiheit des Willens existiert. Diese wurde, im Gegensatz zu den anderen zwei Schriften, vor seiner Rückkehr aus Afrika nach Rom verfasst. Das zweite Werk erläutert, warum die Ursache aller schlechten Dinge die ist, dass sich die Menschen von Gott abwenden. In jenem wird Augustinus‘ starke Zuneigung zur Religion und Gott klar, da er dort öfters behauptet, jedes Geschöpf Gottes könne nur gut sein. In seiner letzten Schrift versucht er diejenigen zu überzeugen, die nach dem Lesen der ersten zwei Bänder seine Sichtweise noch immer nicht teilen.[9]

3.2 Der Determinismus

Da das Thema noch heute aktuell ist, ist es wichtig zu erwähnen, dass bis vor wenigen Jahren die meisten Menschen glaubten, dass alles was passiert, bereits vorherbestimmt wurde. Der Begriff Schicksal solle nicht existieren, da das menschliche Geschöpf bis auf das kleinste Detail genau programmiert wurde. Die Individualität, die in der heutigen Gesellschaft so wichtig scheint, verliert ihre Bedeutung. Das Prinzip des Determinismus beruht genau auf diesem Konzept. Im 18. Jahrhundert stellte Newton diese Theorie durch seine Beschreibung der Zustandsänderung auf: sollte man zu jedem Zeitpunkt jede Bewegung aller Atome kennen, könnte man theoretisch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft errechnen.[10] Der Determinismus lehnt die Freiheit des Willens demnach ab.

Die mit dem Freien Willen zusammenhängende Emotion ist ein Zustand, der vom Menschen selbst ausgelöst wird und abhängig von der gegenwärtigen Situation ist. Doch der Mensch ist bekanntlich Sklave seines Gehirns; demnach können die Emotionen nicht vom Menschen selber ausgelöst werden. Doch diese sind wichtig für das Überleben, da sie das Verhalten eines jeden steuern. Sollte also alles, so auch die Emotionen, kein Produkt des eigenen Willen, sondern etwa des Determinismus sein, müsse die „persönliche Verantwortung eine Illusion“[11] sein. Menschen, die an das Prinzip des Determinismus glauben, besitzen den „Geist […] der Maschine“[12], da diese nach maschinellen Grundsätzen handeln; die Moral geht verloren, da es keinen Unterschied macht, ob man gut oder schlecht handelt. Sollte man eine gute Tat vollbringen wollen, würde diese von selbst kommen, da das Schicksal nicht in der eigenen Hand liegt.

In genau diesem Punkt sehen viele Leute ein Problem, das sogenannte Problem der Vereinbarkeit, welches in Abbildung I zusammengefasst dargestellt wird. Gegenüber des Determinismus steht der Inkompatibilismus. Da dieser der Meinung ist, die Zukunft sei nicht vorhersehbar und somit der Wille frei, ist er unvereinbar mit dem Determinismus; daher kommt der Name des Problems. Neben dem Inkompatibilismus steht der Kompatibilismus, welcher behauptet, die Zukunft sei vorhersehbar und der Wille somit unfrei. Dieses Prinzip weist dasselbe Muster des Determinismus auf. So kann man behaupten, der Kompatibilismus und der Determinismus seien vereinbar. [13]

Interessant ist es auch, die Meinung des Kompatibilisten zu betrachten, der die Wissenschaft in dem Punkt vorantreibt.

„Da wir, was tierische Gehirne betrifft, keinen Anlass haben zu bezweifeln, dass alles Verhalten auf Hirnfunktionen beruht und somit den deterministischen Gesetzen physiko-chemischer Prozesse unterworfen ist, muss die Behauptung […] auch auf den Menschen zutreffen.“[14]

Wissenschaftlich wurde das deterministische Funktionssystem der Tiere bereits bewiesen und Singer sieht daher kein Problem, dieses auch auf die Menschen zu übertragen.

3.3 Entfaltung der Meinung Augustinus

Augustinus selbst war Inkompatibilist. Das lag vor allem daran, dass er strenggläubiger Christ war, der von der Existenz Gottes überzeugt war, was die meisten Deterministen nicht von sich behaupten würden. Wie man aus seiner Biographie lesen kann, änderte er öfters seine Meinung zum Thema libero arbitrio. Dies liegt nicht nur daran, dass er seine Bücher in großen Zeitabständen verfasste, sondern möglicherweise auch daran, dass er oft reiste.[15]

3.3.1 Gnadenwahl Gottes

Eines seiner meistdiskutierten Thesen ist die der Gnadenwahl Gottes. Diese behauptet, dass der Freie Wille ein Geschenk Gottes ist. Doch das Paradoxe dieser Behauptung ist, dass sich nur jene, die den Freien Willen besitzen, zwischen gut und böse entscheiden dürfen. Das Böse liegt also in der Hand der guten Menschen.[16] Zusammengefasst ist es also anhand dieser Basis nicht möglich, zu behaupten, der Wille sei frei.

Auch dies wurde dem mittlerweile zum Bischof ernannten Augustinus mit 72 Jahren klar. Er war nun der Meinung, dass die Gnadenwahl Gottes unabhängig von der Einstellung des Menschen sei.[17] Jedoch steht für ihn fest, dass das Höchsterreichbare, wonach der Mensch streben kann, der gute Wille sei, denn was solle einem ein Wille nützen, wenn man ihn nicht für Gutes einsetzen kann? Augustinus stellte fest, dass Leute, die den Freien Willen besitzen, diesen für Schlechtes benutzen können. Das begründet er mit Folgendem: Diejenigen, die sich an das staatliche Gesetz halten, aber nicht etwa an Gottes Wort, verfallen dem Bösen.[18]

3.3.2 Ursprung des Bösen

„Immer wieder haben Menschen versucht, auf die Frage nach der Herkunft des Schlechten oder gar des Bösen eine Antwort zu finden, und immer wieder ist dabei die Frage nach der Freiheit der Entscheidung des Willens berührt worden. [In seinen drei Büchern] ist […] Augustinus den genannten Fragen nachgegangen.“[19]

Augustinus war sehr überzeugt von Gott und dürfte somit dessen Absichten niemals infrage stellen. Stattdessen suchte er einen anderen Grund für das Böse, außer den, dass der gottgegebene Wille die Menschen zum Schlechten bringt. Er war lange Zeit in der Sekte der Manichäer, dessen Weltbild besagt, dass der Ursprung des Bösen in der Natur läge.[20] Gott, der eben diese Natur erschuf, sei also schuld am Bösen. Doch dadurch, dass Augustinus bewiesen hat, dass die Gnadenwahl Gottes unabhängig von gut und böse geschieht, verneint er dieses Bild und schützt den Ruf Gottes.

3.4 Kritik an Pelagius

Etwa zehn Jahre, nachdem er das manichäische Weltbild widerlegte, kritisierte er den Philosophen Pelagius.[21] In der Arbeit werden zwei seiner Kritikpunkte erläutert.

3.4.1 Das Problem der (Un-)Freiheit

Ein Punkt, den Augustinus an Pelagius kritisierte, ist das Problem der Freiheit, bzw. Unfreiheit, welches in Abbildung II tabellarisch dargestellt ist. Pelagius war der Meinung, dass die Leute, die sich Gott zuwenden und sich gegen ihren eigenen Willen entscheiden, unfrei sind, während die Leute, die sich gegen Gott, und somit für ihren Willen entscheiden, frei sind. Als religiöser Mann kann Augustinus dies nicht ohne weiteres hinnehmen und versucht, diese Aussagen zu widerlegen, indem er behauptet, dass Gott ausschließlich gute Willensentschlüsse im Menschen auslöst und man damit, dass man sich für ihn entscheidet, gar nicht anders kann, als sich dadurch auch für das Gute zu entscheiden.[22] Allerdings wird den Leuten, die sich gegen Gott entscheiden, dies nicht garantiert.

Wolf Singer wiederum sieht keinen Unterschied zwischen der Freiheit bzw. Unfreiheit, da diese irreal und nicht fassbar sind.

„der Abwägungsprozess selbst beruht natürlich in beiden Fällen [der freien und unfreien Entscheidung] auf neuronalen Prozessen und folgt somit in beiden Szenarien deterministischen Naturgesetzen.“[23]

Außerdem erklärt er im weiteren Verlauf, warum er das behauptet. Jede Entscheidung ist, ob nun bewusst oder unterbewusst, eine Abfolge von „neuronalen Mechanismen“[24], die durch Zahlen und Variablen der Erfahrung und Intuition bestimmt wird.

3.4.2 Die Erbsünde

Der wohl wichtigste Punkt, den Augustinus an Pelagius kritisiert, ist der Punkt der Erbsünde. Der Mensch sei gut geboren worden, so Augustinus. Doch, wenn dies tatsächlich so wäre, fragt man sich bei längeren Nachdenken, warum dann Adam die Sünde begangen und den Apfel angebissen hat, denn er hatte, wie alle anderen Menschen auch, nur das in sich, was Gott ihm gab, doch das würde das Christentum komplett neu aufrollen, da Gott somit beschuldigt wird, das Böse verbreitet zu haben. Als religiöser Mann suchte Augustinus also nach einer möglichen Erklärung für dieses geschehen, die er daraufhin auch fand: Adam soll einen freien Willen gehabt haben, der allerdings nicht gut war. An seiner Sünde sei also nur sein arbitrio, sein Wille schuld und nicht etwa Gott. Pelagius‘ Thesen wurden also alle durch Augustinus kritisiert und durch einen Grund versucht zu widerlegen.[25] Durch seine aufgestellten Thesen wird außerdem klar, dass Pelagius ein Inkompatibilist und somit Gegenspieler des Determinismus war.

Um seine Aussage zu bekräftigen, fügte Augustinus noch hinzu, dass jeder Mensch nach Adam früher oder später dem Bösen verfallen wird, bis ein Erlöser kommt, um das Gute im Menschen hervorzurufen. Diese Theorie wird als „Sündenfall“ bezeichnet.

4 Wissenschaft als Gegenspieler des Freien Willen

Auch bis heute gibt es keine stichfesten Beweise gegen die Existenz des Freien Willen, da bis vor vierzig Jahren niemand daran dachte, diesen zu widerlegen. Daher war der Versuch der Wissenschaftler umso überraschender, als dies ermöglicht wurde.

4.1 Versuche des Wissenschaftlers Benjamin Libet

Benjamin Libet versuchte dies in den 80er Jahren, indem er die Gehirnaktivität verschiedener Personen untersuchte. Der Versuchsaufbau sah wie folgt aus: Den Versuchspersonen sagte er, sie sollen einen Finger krümmen, sobald sie den Wunsch dazu verspürten. Gleichzeitig waren sie an einem EEG (Gerät zum Messen der Gehirnaktivität) und einem EMG (Gerät zum Messen der Muskelaktivität)[26] angeschlossen. Das dient dazu, die Gehirnströmung mit der Handlung verbinden zu können. Ferner sollten sich die Menschen anhand einer Uhr, die ihnen zur Verfügung gestellt wurde, merken, zu welchem Zeitpunkt genau sie den Drang zum Krümmen des Fingers bemerkten.

Das Ergebnis dieses Experimentes, das in Abbildung III als Zeitstrahl dargestellt wird, war für viele Wissenschaftler ein Durchbruch: Der Drang, den Finger zu bewegen, verspürten die Versuchspersonen etwa 0,2 Sekunden vor der eigentlichen Handlung. Tatsächlich aber wurde die Bereitschaft dazu etwa 0,5 bis 0,7 Sekunden vorher durch das EEG gemessen.[27]

„Offenbar beginnt das Gehirn schon 0,5 Sekunden, bevor der Versuchsperson ihre Entscheidung bewusst wird, mit der Vorbereitung der Fingerbewegung. Dies ist jedoch nur verständlich, wenn man annimmt, dass die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt schon getroffen ist.“[28]

Libets Experiment stellt die Selbstständigkeit des menschlichen Gehirns dar und begeistert die Wissenschaftler noch bis heute.

5 Fazit

Der Freie Wille wurde damals also nicht hinterfragt, weil die Mittel dazu fehlten. Andererseits wurde dieser auch als Vorwand genommen, um beispielsweise das Böse zu erklären. Bereits in der Antike beschäftigten sich, neben Augustinus in seiner Buchreihe libero arbitrio, noch viele andere Philosophen und Theologen mit dem Thema und gingen von der Existenz des Freien Willen aus. Seit Newton glauben aber immer mehr Menschen deterministisch. Möglicherweise war er ein Impuls für die Wissenschaft, seiner Theorie nachzugehen. Darauf folgte das Hinterfragen, das den Menschen bereits in der Aufklärung beigebracht wurde. So kann man feststellen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis jemand wie Benjamin Libet gegen den Strom schwimmt und mithilfe seines neurobiologischen Experiments den Freien Willen zu widerlegen versucht.

Wie man mit dem Ergebnis umgehen soll, ist eine Frage der Interpretation. Auch Wolf Singer interpretiert den Freien Willen für sich und für die Wissenschaft wie folgt.

„Es gibt also nachvollziehbare Gründe, warum wir zwischen unbewussten und bewussten Abwägungsprozessen unterscheiden und letztere als unserem freien Willen unterworfen wahrnehmen, auch wenn in beiden Fällen der Entscheidungsprozess selbst auf deterministischen neuronalen Prozessen beruht.“[29]

Die Menschen suchen also einen Grund für unerklärliche Ereignisse. Das sei verständlich, so Singer, aber schlussendlich sei, seiner Meinung nach, alles ein Produkt des deterministisch gesteuerten Gehirns.

Nichtsdestotrotz kann man auf die Frage, ob der Freie Wille Fakt oder Illusion ist, als neutrale Person keine richtige Antwort liefern. Menschen machen manche Sachen, weil sie das wollen, doch mit eben diesem Willen sind viele Denkprozesse verbunden, die man als deterministisch deuten kann.

Libets Experiment zeigt die Möglichkeit auf das Nichtexistieren des Freien Willen, doch das ist kein stichfester Beweis; die Forscher sind durch dieses jedoch angetrieben worden, weiter zu forschen, bis sie den Determinismus bewiesen haben.

Bis dies geschieht, wird der Großteil der Menschen an den Freien Willen glauben, um sich das Phänomen der menschlichen Entscheidung erklären zu können.

6 Abbildungsverzeichnis

Abb. I Das Problem der Vereinbarkeit, Samimi

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. II Pelagius‘ Definition der Freiheit, bzw. Unfreiheit, Samimi

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. III Ergebnis: Libet Experiment, Samimi

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7 Quellenverzeichnis

Literatur:

[1] An der Heiden u. Schneider (2007): Hat der Mensch einen freien Willen? Die Antworten der großen Philosophen, Stuttgart.

[2] Beckermann, Ansgar (2005): „Biologie und Freiheit. Zeigen die neueren Ergebnisse der Neurobiologie, dass wir keinen freien Willen haben?“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 111-124.

[3] Cremona, Carlo: Augustinus, Eine Biographie, Zürich, 1988.

[4] Kahnert, Klaus (2007): Augustinus: De libero arbitrio – Über die freie Willensentscheidung ; in: An der Heiden u. Schneider (Hg.), Hat der Mensch einen freien Willen? Die Antworten der großen Philosophen, Stuttgart.

[5] Klimesch, Wolfgang (2005): „Verantwortung und Persönlichkeit aus psychobiologischer Sicht“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 125-134.

[6] Neumann, Waltraud Maria: Die Stellung des Gottesbeweises in Augustins ‚De libero arbitrio‘, Hildesheim, 1986.

[7] Singer, Wolf (2005): „Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung – Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 135-160.

Internet:

Barnert, Silvia et al.: Determinismus, in Spektrum, Heidelberg, 1998, URL: http://www.spektrum.de/lexikon/physik/determinismus/2942, Zugriff: 01.11.2017.

Beckermann u. Pfleiderer: Haben wir einen freien Willen ?, in: Philosophie verständlich, 2005, URL: http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit, Zugriff: 01.11.2017.

Hypno-Institut, Das Libet Experiment oder Wer trifft die Entscheidung, Bremen, 2016, URL: https://hypno-institut.com/das-libet-experiment-oder-wer-trifft-die-entscheidung/, Zugriff: 01.11.2017.

Munzinger Verlag: Wolf Singer, Ravensburg, 2017, URL: https://www.munzinger.de/search/portrait/Wolf+Singer/0/24972.html, Zugriff: 01.11.2017.

Ölkers, Jürgen: Humanismus und Reformation: das Problem der Willensfreiheit, Auszug einer Vorlesung im Wintersemester 1999-2000, Zürich, URL: www.epb.uni-hamburg.de/erzwiss/lohmann/Lehre/Wint3-4/.../oelkers-freier-wille.doc, Zugriff: 01.11.2017.

Rodorf, Alfred: Bundesverfassungsgericht über die Menschenwürde, Entscheid in Lissabon von 2009, URL: http://www.rodorf.de/04_staatsr/gr_02.htm, Zugriff 01.11.2017.

Roth, Gerhard: Der Geist aus der Maschine, aus dem Bereich Neurobiologie, 2012, URL: http://www.tagesspiegel.de/wissen/neurobiologie-der-geist-aus-der-maschine/6907160.html, Zugriff: 01.11.2017.

Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (Hg.): Freier Wille, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille, Zugriff: 01.11.2017.

Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (Hg.): Pelagius, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Pelagius_(Theologe), Zugriff: 01.11.2017.

[...]


[1] An der Heiden u. Schneider: Hat der Mensch einen freien Willen? Die Antworten der großen Philosophen, Stuttgart, 2007, 11.

[2] Wolf Singer (*9.März 1943 in München) ist ein deutscher Hirnforscher und Kompatibilist (vgl. S. 7). Nach Beendigung seines Medizinstudiums bildete er sich durch ein Physiologie Studium weiter. Bis heute ist er ein Gegenspieler des Freien Willen. (vgl. Munzinger Verlag: Wolf Singer, Ravensburg, 2017, URL: https://www.munzinger.de/search/portrait/Wolf+Singer/0/24972.html, Zugriff: 01.11.2017).

[3] Singer, Wolf (2005): „Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung – Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 135-160, hier 149.

[4] Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (Hg.): Freier Wille, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille, Zugriff: 01.11.2017.

[5] Rodorf, Alfred: Bundesverfassungsgericht über die Menschenwürde, Entscheid in Lissabon von 2009, URL: http://www.rodorf.de/04_staatsr/gr_02.htm, Zugriff 01.11.2017.

[6] Singer (2005), 135-160, hier 150.

[7] Vgl. Cremona, Carlo: Augustinus, Eine Biographie, Zürich, 1988, 11-15.

[8] Neumann, Waltraud Maria: Die Stellung des Gottesbeweises in Augustins ‚De libero arbitrio‘, Hildesheim, 1986, 9-10.

[9] Vgl. Kahnert, Klaus (2007): Augustinus: De libero arbitrio – Über die freie Willensentscheidung ; in: An der Heiden u. Schneider (Hg.), Hat der Mensch einen freien Willen? Die Antworten der großen Philosophen, Stuttgart, 2007, 87-98, hier 91-92.

[10] Vgl. Barnert, Silvia et al.: Determinismus, in Spektrum, Heidelberg, 1998, URL: http://www.spektrum.de/lexikon/physik/determinismus/2942, Zugriff: 01.11.2017.

[11] Klimesch, Wolfgang (2005): „Verantwortung und Persönlichkeit aus psychobiologischer Sicht“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 125-134, hier 126.

[12] Roth, Gerhard: Der Geist aus der Maschine, aus dem Bereich Neurobiologie, 2012, URL: http://www.tagesspiegel.de/wissen/neurobiologie-der-geist-aus-der-maschine/6907160.html, Zugriff: 01.11.2017.

[13] Vgl. Beckermann u. Pfleiderer: Haben wir einen freien Willen ?, in: Philosophie verständlich, 2005, URL: http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit, Zugriff: 01.11.2017.

[14] Singer (2005), 135-160, hier 140.

[15] Vgl. Cremona (1988), 123.

[16] Vgl. Neumann (1986), 57.

[17] Vgl. Kahnert (2007), 87-98, hier 94.

[18] Vgl. Kahnert (2007), 87-98, hier 91.

[19] Neumann (1986), Vorbemerkung.

[20] Vgl. Kahnert (2007), 90.

[21] Pelagius war ein Theologe aus Großbritannien, der etwa 350n.Chr. geboren wurde. (vgl. Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (Hg.): Pelagius, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Pelagius_(Theologe), Zugriff: 01.11.2017).

[22] Vgl. Ölkers, Jürgen: Humanismus und Reformation: das Problem der Willensfreiheit, Auszug einer Vorlesung im Wintersemester 1999-2000, Zürich, URL: www.epb.uni-hamburg.de/erzwiss/lohmann/Lehre/Wint3-4/.../oelkers-freier-wille.doc, Zugriff: 01.11.2017.

[23] Singer (2005), 135-160, hier 151-152.

[24] Singer (2005), 135-160, hier 152.

[25] Vgl. Ölkers: Humanismus und Reformation: das Problem der Willensfreiheit, URL: www.epb.uni-hamburg.de/erzwiss/lohmann/Lehre/Wint3-4/.../oelkers-freier-wille.doc, Zugriff: 01.11.2017.

[26] Vgl. Hypno-Institut, Das Libet Experiment oder Wer trifft die Entscheidung, Bremen, 2016, URL: https://hypno-institut.com/das-libet-experiment-oder-wer-trifft-die-entscheidung/, Zugriff: 01.11.2017.

[27] Vgl. Beckermann, Ansgar (2005): „Biologie und Freiheit. Zeigen die neueren Ergebnisse der Neurobiologie, dass wir keinen freien Willen haben?“; in: Schmidinger u. Sedmak (Hg.), Der Mensch – ein freies Wesen?, Darmstadt, 111-124, hier 112.

[28] Beckermann (2005), 111-124, hier 111-112.

[29] Singer (2005), 135-160, hier 157.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Freie Wille. Fakt oder Illusion?
Note
14,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
17
Katalognummer
V424415
ISBN (eBook)
9783668699540
ISBN (Buch)
9783668699557
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
freie, wille, fakt, illusion
Arbeit zitieren
Saha Samimi (Autor:in), 2017, Der Freie Wille. Fakt oder Illusion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/424415

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Freie Wille. Fakt oder Illusion?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden