Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der ontologische Gottesbeweis nach Anselm
3. Der ontologische Gottesbeweis nach René Descartes
4. Das Problem am ontologischen Gottesbeweis
4.1. Descartes' frühe Kritiker
4.2. Erste Antwort auf die Einwände im Sinne Descartes'
4.3. Der Vorwurf des Zirkels bei Röd und dessen Lösungsversuch
5. Henning Tegtmeyer: Eine endgültige Lösung für Descartes?
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
"Jeder, der ernstlich Philosoph werden möchte, muß sich 'einmal im Leben' auf sich selbst zurückziehen und in sich den Umsturz aller ihm bisher geltenden Wissenschaften und ihren Neubau versuchen."[1]
Das Streben nach fundierter Gewissheit in der Philosophie mithilfe einer Methode des radikalen Zweifels bildete das Fundament der Decartesschen Arbeit. In sechs Kapiteln seiner "Meditationes de Prima Philosophia" erarbeitet er, was wir wirklich als wahr annehmen können und liefert einen Ansatz, welcher apriorisch auskommen soll.
Zwei seiner Meditationen kommen mit der Ausarbeitung der Gottesbeweise eine eminente Wichtigkeit zu. Sie verkörpern neben dem "Cogito" Grundlage für folgende aber auch vorangegangene Urteile Descartes'. Wie das möglich ist, soll sich durch meine Ausführungen in dieser Arbeit als Nebenprodukt zeigen. Die philosophische Debatte über Gott ist seit einigen Jahren wiedereröffnet und aktueller denn je und schon Theodor w. Adorno wusste, dass "wohl eine jede Philosophie um den ontologischen Gottesbeweis [kreise]"[2]. Auf diese Form des Beweises soll sich diese Arbeit konzentrieren. Bereits Anselm von Canterbury verschrieb sich dem Versuch, das Dasein Gottes zu beweisen, indem er "ihn" als das vollkommenste Wesen, über das nichts Größeres gedacht werden kann, beschrieb[3]. Auch Descartes entwirft einen ontologischen Gottesbeweis, welchen ich in dieser Arbeit zu prüfen ersuche. Inwiefern kann sein Gottesbeweis unbezweifelbar sein?
Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, muss natürlich zunächst der Descartessche Beweis näher beleuchtet und auf bereits bekannte Kritiken eingegangen werden. Da "Ich denke, also bin ich" den introspektiven Ausgangspunkt seines Denkens verkörpert, wird auch die Bedeutung dieses Ausspruchs im Sinne des Gottesbeweises Zuwendung finden. Ein Vergleich zu Anselm soll einem besseren Verständnis hinsichtlich der Entwicklung des Beweises dienen. Können wir überhaupt von einem Beweis im ursprünglichen Wortsinne sprechen?
Um Descartes' Erkenntnisse bewerten zu können, werde ich nicht nur eigene Gedankengänge, sondern auch die anderer Autoren einbeziehen. Zur Prüfüng des Gottesbeweises werde ich für eine gründliche Bewertung primär Henning Tegtmeyer mit seiner Ausarbeitung zu "Gott, Geist, Vernunft" und Wolfgang Röd anführen, welche neben den Meditationen von Descartes als literarische Grundlage dienen werden.
2. Der ontologische Beweis nach Anselm von Canterbury
Die Urform des ontologischen Gottesbeweises findet sich wohl bei dem Theologen und Philosophen Anselm von Canterbury. Wie schon in der Einleitung erwähnt, glaubt Anselm, Gott sei etwas, "worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann."[4] Diese Aussage markiert den Beginn seiner Beweisführung. Damit schuf Anselm eine VorausSetzung für seine weitere Vorgehens weise, da zunächst geklärt wurde, was Gott überhaupt ist und es sich schwer bestreiten lässt, dass dieses "maius" auch von den Kritikern des Gottesbeweises gedacht wird.[5] Dennoch handelt es sich hier um sein Bild von Gott und es bleibt fraglich, dass er dieses auf jede Person übertragen kann. Anselm spricht dabei auch von glauben. Für Anselm steht der Glaube über der Vernunft: Die reallogische Vernunft muss aufgehoben werden, um die Vernunft aus dem Glauben heraus zu gewinnen.[6] Seine Beweisführung scheint sich ganz allein auf den Glauben an Gott zu stützen, sie stellt die Voraussetzung des Schlusses dar, denn ohne den Glauben ist es nicht möglich, selbigen zu erkennen. Somit ist das Denken an sich nicht verantwortlich für die Erleuchtung. Anselms Glaube an einen Gott sorgte dafür, dass die Vernunft ins Zweifeln gerät bis hin zur Aufhebung ihres Denkens. Durch diese Aufhebung kann eine Art erneuerte Vernunft entstehen, die dem Glauben, der sie schließlich dort hingeführt hat, angemessen ist und der Glaube wird wissender Glaube, durch den die Vernunfteinsicht in das Dasein Gottes erst möglich wird.[7]
Das sich im Inneren des gläubigen Menschen befindliche Wissen (welches sich auf keinen Gegenstand draußen bezieht) soll selbst das Dasein Gottes beweisen.[8] Man kann dies als Funktion einer Grenze verstehen und diese Grenze ist selbst das Höchste, also Gott. Das Dasein Gottes schließt nun also das Sein mit ein.
Kopper[9] kritisiert am Beispiel eines Gemäldes, dass das Größte, nur das ist was ich bewusst erfassen kann. Ich kann mir zwar etwas vorstellen, aber dieses ist dennoch wahrer, wenn ich es bewusst wahrnehme. Nach Anselm kann dieses Bewussthaben dem Menschen dann zukommen, wenn er Gott recht denkt, aber die Voraussetzung war, dass das Wissen der Existenz Gottes nicht im Bewussthaben eines äußeren Gegenstandes sein sollte.
Der Unterschied zu Descartes liegt in der Selbstvergewisserung des Ichs und der Begründung der Wirklichkeitserkenntnis. Außerdem versucht Descartes, einen Beweis im Unendlichen selbst zu beginnen und nicht das Unendliche aus der Negation des Endlichen zu begreifen, was nach Hegel einen Mangel darstellen würde.[10]
3. Der ontologische Gottesbeweis nach René Descartes
Im Gegensatz zu Anselm verzichtet Descartes auf die empirische Annahme; seine Beweisführung folgt (zunächst) rein apriorisch. Der Beweis der Existenz Gottes stellt für seine Betrachtungen eine Notwendigkeit dar, um die Gewissheit der klaren und distinkten Erkenntnis abzusichern, denn in seinen Meditationen stellt er Gründe fest, warum an allem zu zweifeln sei. Er schafft damit eine vorurteilsfreie Grundlage für weitere Überlegungen. Schließlich erhält er in seinen Überlegungen eine gesicherte Erkenntnis, nämlich, dass er existieren muss, da er denkt und zweifelt. Weiterhin soll bewiesen werden, dass "alles, was wir klar und deutlich einsehen, wahr sei"[11]
Um festzustellen, ob Dinge außerhalb seiner existieren, muss er zuerst die verworrenen Vorstellungen von den deutlichen extrahieren.[12] Zwar kann er sich Dinge, welche außer ihm existieren, willkürlich denken, doch sind sie Descartes zufolge nicht ausgedacht, sie besitzen vielmehr eine eigene, unveränderliche Natur. Am Beispiel des Dreiecks macht uns Descartes diese Annahme deutlich: Selbst, wenn er sich diese geometrische Figur bildhaft vorstellt, so gibt es diese möglicherweise nur in seinem Denken. Trotzdem hat das Dreieck eine bestimmte Form, ein Wesen. Diese ist "unveränderlich und ewig, nicht von [ihm] erdichtet, nicht von [seinem] Geist abhängig."[13] Aus dieser Annahme will er nun seinen Gottesbeweis gewinnen, denn er kann die Vorstellung eines Dinges aus seinem Denken entnehmen und alles, was er klar and deutlich zu einem Ding gehörig erkennt, gehört auch wirklich zu diesem.[14] Der Begriff der Klarheit und Deutlichkeit stellt eines der zwei Kriterien bei Descartes dar, auf welche es im Sinne einer Kritik seines Beweises noch einzugehen gilt. Descartes hat eine Vorstellung von Gott als vollkommen Seiendes inne (ähnlich wie bei Anselm), welche ebenso präsent ist wie jene irgendeiner Gestalt oder Zahl. Ebenso klar und deutlich ist zu erkennen, dass zu Gottes Natur eine aktuale und ewige Existenz gehört.[15] Es folgt das bekannte Sophisma in seiner Ausarbeitung: Er könnte sich natürlich auch Gott als nicht existent denken, doch hier ergibt sich für Descartes ein Widerspruch: Gott, als das vollkommen Seiende, die Existenz, also eine Vollkommenheit, abzusprechen. Genauso widersprüchlich sei es, einen Berg zu denken, dem das Tal fehlt. Man kann also das Wesen Gottes ebenso wenig von seiner Existenz trennen (analog dem Wesen des Dreiecks von der Größe seiner Innenwinkelsumme), obwohl dies noch lange nicht bedeutet, dass so ein Berg inklusive Tal tatsächlich vorhanden ist. Nur weil man diesen denken kann, scheint noch nicht zu folgen, dass Gott existiert, weil man ihn denkt. Das bildlich gedachte Flügelpferd ist auch noch kein Beweis für dessen Existenz und so ist doch denkbar, dass man die Existenz Gott nur andichtet.[16] Doch hier macht Descartes einen entscheidenden Kniff in seiner Beweisführung: Es lässt sich zwar nicht auf die Existenz von Berg und Tal schließen, bloß weil der Berg nicht ohne Tal gedacht werden kann, jedoch sind Berg und Tal untrennbar miteinander vereint. Da Gott immer existierend gedacht wird, wie auch schon Anselm feststellte, sind Existenz und Gott unabdingbar miteinander verschmolzen.
Zusammenfassend lässt sich der Gottesbeweis folgendermaßen einbetten:
(1) Ich zweifle cm der Wahrheit vieler meiner Überzeugungen.
(2) Ich denke.
(3) Ich existiere als ein denkendes Wesen.
(4) Ich bin eine denkende Substanz.
(5) Ich erkenne, dass ich unvollkommen bin.
(6) Ich habe eine Idee von geistiger Vollkommenheit.
(7) Jede Idee hat eine Ursache.
(8) Die Idee geistiger Vollkommenheit kann nur von einem vollkommenen geistigen Wesen verursacht sein.
(9) Die Idee geistiger Vollkommenheit kann nur von Gott verursacht worden sein.
(10) Gott existiert.
(11) Über das, was ich klar und deutlich als wahr oder falsch einsehe, kann ich nicht irren.
(12) Ich kann einige meiner Überzeugungen als wahr auszeichnen, wenn ich ihren Gehalt klar und deutlich erfasse.
(13) Der Gedanke, dass Gott aus sich heraus und damit notwendig existiert, ist klar und deutlich.
(14) Gott existiert aus sich heraus und damit notwendig.[17]
4. Das Problem am ontologischen Gottesbeweis
4.1. Descartes' frühe Kritiker
Bereits seine ersten Kritiker, unter ihnen Catenas, wussten einige von Descartes Schlüssen zu hinterfragen, wobei Descartes jene auszuräumen versuchte. Catenas verwendet den Einwand des Thomas von Aquin gegen Anselm und wendet diesen auf den ontologischen Gottesbeweis von Descartes an. Obwohl es noch im zweiten Kapitel schwierig erschien, das Argument des Anselm anzugreifen, schafft Thomas eine Kritik zumindest einer Lesart dessen:
Selbst wenn man zugibt, daß das höchstvollkommene Seiende allein schon in seinem Namen die Existenz herbeiführt, folgt gleichwohl noch nicht, daß ebendiese Existenz in der dinglichen Natur aktuell etwas ist, sondern lediglich, daß mit diesem Begriff eines höchsten Seienden der Begriff der Existenz untrennbar verbunden ist. Daraus dürfen Sie nicht folgern, daß die Existenz Gottes aktuell etwas ist, wenn Sie nicht voraussetzen, daß jenes höchste Seiende aktuell existiert: dann nämlich beinhaltet es aktuell sowohl alle Vollkommenheiten als auch die reale Existenz.[18]
Er exemplifiziert diesen Einwand mittels der Wortverbindung eines existierenden Löwen, durch dessen Begriff die Aussage, dass jeder existierende Löwe existiert, wahr ist. Das bedeutet, sollte einer der beiden Teile der Wortverbindung entfernt werden, wird natürlich auch die Wortverbindung nicht ebendiese sein und somit verlangt die Erkenntnis Gottes nicht notwendig, dass es einen der beiden Elemente dieses Zusammengesetzten gibt. Folglich muss eine Voraussetzung sein, dass es das höchste Seiende gibt.[19]
Ein weiterer Kritikpunkt, der von Mersenne angesprochen und später auch von Leibniz aufgenommen wurde, ist der Vorwurf der Unvollständigkeit des Beweises, da sich aus Descartes' Argument nicht schließen lässt, dass Gott faktisch existiert, sondern lediglich, dass Gott existieren muss, sofern seine Natur möglich ist, beziehungsweise sie keinen Widerspruch in sich birgt. Laut Mersenne ist es also möglich aus der gründlichen Untersuchung der Natur Gottes, zu schließen, dass es zur Natur Gottes gehört, zu existieren. Jedoch folgt daraus noch nicht, dass Gott tatsächlich existiert, wie auch schon Catenas bemerkte, nur wenn die zuvor genannte Prämisse wahr ist. Diese Bemerkung führt dann aber zu dem Argument, dass Gott existiert, wenn es nicht in sich widersprüchlich ist, dass es ihn gibt und es weist keine Widersprüche auf, dass er existiert.[20] Dieser Untersatz sei aber "strittig [...], denn die Gegner behaupten entweder, seine Wahrheit zu bezweifeln, oder sie bestreiten ihn ganz."[21]
Schließlich formuiert auch Gassendi einen Einwand, welcher sich auf die Eigenschaft eines Objektes bezieht; Existenz stelle keine dar. Sie ist eine notwendige Bedingung dafür, dass einem Objekt überhaupt Eigenschaften zugeschrieben werden können. Ganz speziell meint er hiermit solche, die zu den sogenannten Vollkommenheiten gehören: "Die Existenz ist selbstverständlich weder bei Gott noch bei irgendeinem anderen Ding eine Vollkommenheit, sondern sie ist das, ohne das es keine Vollkommenheiten gibt."[22]
4.2. Erste Antwort auf die Einwände im Sinne Descartes'
Auf die im letzten Kapitel genannten Einwände konnte Descartes bereits persönlich eingehen. Gassendis These, "Existenz ist kein Prädikat"[23], lässt sich auf zwei verschiedene Arten verstehen. Descartes zumindest entgegnet ihm mit dem Verständnis der Aussage im klassischen Sinne, mit dem ein Gegenstand von anderen abgegrenzt werden kann, indem er auf den üblichen Sprachgebrauch verweist. Demnach kann Existenz eine Eigenschaft werden. Denn man könne "den Namen der Eigenschaft für jedes beliebige Attribut gebrauchen bzw. für alles, was einem Ding präzidiert werden kann - und genau so sollte er hier durchgängig gebraucht werden."[24]
Im Gegensatz dazu weicht Descartes der Kritik des Catenas in gewissem Maße aus, da er den Begriff des "existierenden Löwen" missachtet und verweist auf die Möglichkeit, sich einen Löwen, der nicht existent ist, denken zu können. Dabei wird deutlich, dass er hier vom einfach Begriff des Löwen spricht.[25] Ebenso reagiert Descartes auf Mersennes Kritikpunkt. Er geht davon aus, dass die Natur Gottes nach seiner Beschreibung möglich sei, da es uns klar und deutlich ersichtlich ist. Hier findet sich auch sein Kriterium der Klarheit und Deutlichkeit wieder, das im folgenden Einwand noch genauere Beachtung finden soll. Er verdeutlicht seine Aussage am Beispiel des Menschen: Wenn es zu seiner Natur gehört, ein Lebewesen zu sein, so kann man schließen, dass der Mensch ein Lebewesen ist, also kann ich auch von Gott sagen, dass er existiert, da es zu seiner Natur gehört. Da Descartes die Natur Gottes so beschrieben hat, dass er nur voraussetzen und ihr zugehörig erkennen kann, was er klar und deutlich erfasst, kann die Widersprüchlichkeit nicht nachgewiesen werden. Im anderen Falle (eine andere Einbildung der Natur Gottes) wäre es möglich, dann auch alles andere zurückzunehmen, was vom Menschen erkannt wurde.[26] Einerseits fällt an dieser Formulierung auf, dass Descartes das, was er selbst klar und deutlich zu erkennen meint, nun auf alle Menschen ausweitet. Außerdem steht sich hier auch die Frage nach der Bedeutung des von ihm in den Meditationen erschaffenen Täuscherdämons und dessen Möglichkeit, Einsichten, Erkenntnisse usw. zu verfälschen.
4.3. Der Vorwurf des Zirkels bei Röd und dessen Lösungsversuch
Da auf die Einwände seiner frühen Kritiker nur kurz im Zuge dieser Hausarbeit eingegangen wurde, soll nun der wohl problematischste und bekannteste analysiert werden. In Wolfgang Röds Ausarbeitung "le cercle cartésien" finden sich die Einwände der frühen Kritiker in detaillierter Form zusammen.
Für Descartes ist alles, was ich klar und deutlich zur Natur eines Dinges erkenne, auch objektiv gültig und gehört zwingend zu dieser Sache.[27] Dieses Kriterium soll aber nicht nur zum Existenzbeweis Gottes hinführen, sondern ist, wie in der fünften Meditation deutlich wird, auch von diesem abhängig. Damit äußert sich, was auch Röd ausarbeitet und Descartes' frühe Kritiker bereits andeuteten: Der Verdacht des "Circulus vitiosus".[28] Eine objektiv gültige Erkenntnis kann demnach zu keiner Zeit erreicht werden, wenn nicht vorher die Existenz Gottes erwiesen ist. Wie schon im letzten Kapitel angedeutet wurde, kann Descartes diesem Vorwurf nicht wirklich entkommen; Er versucht dies, indem er seinen zuvor vorherrschenden Zweifel auf die erinnerte Gewissheit reduziert und abstreitet, ihn auf die "aktuale Evidenz ausgedehnt zu haben".[29] Wenn diese Annahme stimmen würde, könnte man den Schwierigkeiten seines Beweises nur allzu leicht entgehen, jedoch präsentieren sich einige Stellen, die sich auf den deus malignus, dem Täuscherdämon, berufen: Selbst noch so leicht zu erkennende Aussagen, wie 2+3=5 werden vom metaphysischen Zweifel befallen. Der aufgestellte Zweifel hat den Zweck, alle zuvor als objektiv geltende Vorstellungen und Erkenntnisse (auch die klaren und deutlichen) in Frage zu stellen. Nachdem aber die Voraussetzung des Cogito geschaffen war, musste eine Möglichkeit der objektiven Erkenntnis zurückgewonnen werden. Descartes' Zweifel selbst stellt Bedingung für seine erste Gewissheit ("Ich bin") dar und dafür musste er jede objektive Gewissheit außer Acht lassen. Somit ist, zumindest im metaphysischen Sinne, der Zweifel ursprünglich universal.[30]
Wir wollen also versuchen, dem Zirkelproblem und der damit einhergehenden fehlenden Objektivität der Erkenntnis entgegenzutreten.
Röd bietet uns hier einen ersten Ansatz: Seiner Meinung nach kann man Descartes nicht vom Vorwurf einer schlechten Logik freisprechen, solange man seine Gottesbeweise isoliert betrachtet. Für ihn gibt es also nur eine Möglichkeit: Die Gottesgewissheit müsste ebenso wie das Cogito als Daseinsgewissheit und nicht als Beziehungsgewissheit verstanden werden. Allerdings kann die Aussage "Gott existiert" nicht deduktiv erschlossen werden, da sie "als Ausdruck einer Existenzgewissheit außerhalb jedes logisch-deduktiven Nexus [stünde]."[31] Die Frage, ob sich solch eine Auffassung der Gottesgewissheit mit der Descartesschen Metaphysik vereinen lässt, muss Röd vorerst verneinen, zumindest wenn man vom diskursiven Charakter der Gotteserkenntnis ausgeht.
Als weitere Schwierigkeit stellt sich die Abhängigkeit der kausalen Beweise in der dritten Meditation von der Annahme in Meditation fünf, die notwendig zu denkende erste Ursache existiere auch ebenso notwendig, dar. Descartes versucht zwar, die objektive Gültigkeit des Kausalprinzips auf das Cogito ergo sum zurückzuführen, scheitert aber, da sich die Endlichkeit des Ich zu einer Abhängigkeit des Ich verschiebt. Dadurch kann das Kausalprinzip nicht begründet werden. Röd räumt dabei ein, es sei Descartes zu Gute zu halten, dass er nach alter philosophischer Tradition "endlich" und "abhängig von der ersten Ursache" nicht begrifflich unterscheidet. Trotzdem ist die Begründung Descartes', das Endliche sei die Negation des Unendlichen (das höchst vollkommen Seiende kann also nicht aus meiner Endlichkeit heraus erschlossen werden) nicht möglich, wenn eine objektiv gültige Kausalität vorausgesetzt wird, da sich so erneut das Problem des Zirkels auftut.[32]
[...]
[1] Husserl über Descartes: Husserl, Edmund; Elisabeth ströker. Cartesianische Meditationen.Hamburg: Felix Meiner Verlag 2012, s. 4
[2] Adorno (1966): 378, in Bromand, Joachim; Kreis, Guido (Hrsg.): Gottesbeweise von Anselm bis Gödel. Berlin: Suhrkamp 2016, s. 9
[3] Regenbogen, Arnim; Meyer, Uwe (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg: Meiner 2013, s. 270
[4] Kopper, Joachim. "Bemerkungen zum Anselmischen Gottesbeweise". Zeitschrift für Philosophische Forschung, 9.2, 1955, s. 303
[5] ottmann, Henning. "Anselms Ontologischer Gottesbeweis". Hegel-Jahrbuch, 2005.1, 2003, s. 57
[6] Vgl. Kopper 1955, s. 303
[7] Vgl. Ebd., S.302
[8] Vgl. Kopper, 1955, s. 303
[9] 1955, s. 303
[10] Vgl. ottmann, 2003, s. 57ff.
[11] Descartes, René: Meditationes de Prima Philosophia.Meditationen über die Erste Philosophie. Lateinisch/Deutsch. Stuttgart: Reclam, 2012, s. 59
[12] Vgl. Ebd.,s. 161
[13] Ebd., s. 163
[14] Vgl. Ebd., s. 165
[15] Vgl. Ebd.
[16] Vgl. Ebd., s. 167
[17] Tegtmeyer, Henning: Gott, Geist, Vernunft. Prinzipien und Probleme der Natürlichen Theologie. Thübingen: Mohr Siebeck 2013, s. 180
[18] Bromand et al. (Hrsg.), 2016, s. 109
[19] Vgl. Ebd., S.148
[20] Vgl. Ebd., s. 153
[21] Ebd., s. 110
[22] Ebd., s. 111
[23] Bromand et al (Hrsg.), 2016, s. 110
[24] Ebd., s. 111
[25] Vgl. Ebd., s. 109
[26] Vgl. Ebd., s. 154f.
[27] Röd, Wolfgang. Zur Problematik der Gotteserkenntnis bei Descartes. Archiv für Geschichte der Philosophie, 1961, s. 129
[28] Ebd.
[29] Ebd., s. 130
[30] Vgl. Ebd., s. 130f.
[31] Ebd.,s. 132
[32] Vgl. Ebd., s. 134f.