Die französische Phantastik des 19. Jahrhunderts wurde beträchtlich von E.T.A. Hoffmann beeinflusst und geprägt, so auch George Sand. Als zentrales Thema in Hoffmanns Werk tritt das Augenmotiv oft in Erscheinung. Auch im conte fantastique von George Sand „La Fée aux gros yeux“ hat das Sehen und der Blick eine wesentliche Bedeutung. Ich möchte hier einen Vergleic h zwischen der Novelle Hoffmanns „Der Sandmann“ und Sands „La Fée aux gros yeux“ versuchen, weil in beiden Geschichten die Augen und das Sehen als Hauptmotive auftreten und erstere Erzählung eine besondere literaturhistorische Rolle zukommt, besonders nachdem Freud anhand des „Sandmann“ seine Theorie über das Unheimliche verfasste. Wie ähnelt bzw. unterscheidet sich „La Fée aux grox yeux“ von Hoffmanns Novelle hinsichtlich dieses Motivs? Kann man Freuds psychoanalytische Interpretation des Sandmanns auch auf Sands conte anwenden? Dies sind die Fragestellungen, die ich in folgender Arbeit zu beantworten versuche.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1. „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann
2. Das Unheimliche und die Psychoanalyse
2.1. Freuds psychoanalytische Interpretation des Unheimlichen
2.2. Das Unheimliche bei „La Fée aux gros yeux“ – ein psychoanalytischer Ansatz
3. Hysterie als Bedrohung durch den Mann – eine feministische Interpretation
4. Das Sehen als Realitätswahrnehmung nach Platon
5. Der Gebrauch von optischen Geräten
Schlusswort
Résumé
Bibliographie
Einleitung:
Die französische Phantastik des 19. Jahrhunderts wurde beträchtlich von E.T.A. Hoffmann beeinflusst und geprägt, so auch George Sand. Als zentrales Thema in Hoffmanns Werk tritt das Augenmotiv oft in Erscheinung. Auch im conte fantastique von George Sand „La Fée aux gros yeux“ hat das Sehen und der Blick eine wesentliche Bedeutung. Ich möchte hier einen Vergleich zwischen der Novelle Hoffmanns „Der Sandmann“ und Sands „La Fée aux gros yeux“ versuchen, weil in beiden Geschichten die Augen und das Sehen als Hauptmotive auftreten und erstere Erzählung eine besondere literaturhistorische Rolle zukommt, besonders nachdem Freud anhand des „Sandmann“ seine Theorie über das Unheimliche verfasste.
Wie ähnelt bzw. unterscheidet sich „La Fée aux grox yeux“ von Hoffmanns Novelle hinsichtlich dieses Motivs? Kann man Freuds psychoanalytische Interpretation des Sandmanns auch auf Sands conte anwenden? Dies sind die Fragestellungen, die ich in folgender Arbeit zu beantworten versuche.
1. „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann:
E.T.A. Hoffmann (1776-1822), dessen Werke 1828 ins Französische übersetzt wurden, kann neben Edgar Allan Poe als Wegbereiter der französischen Phantastik angesehen werden[1] und wurde als Vorbild für das neue Genre der contes fantastiques genommen.[2]
Das Auge ist ein zentrales Motiv bei Hoffmann, der dessen Bedeutung im Vergleich zur klassischen Literatur veränderte. Stand früher das Sehorgan für das Erkennen reiner Gefühle, die von der gesellschaftlichen Konvention nicht verfälscht sind, übernimmt es bei ihm unterschiedliche Funktionen:
Es dient nicht nur der beschreibenden Darstellung von Personen, sondern wird auch in Schilderungen lebendiger Bilder und ausgetauschter Blicke tief bedeutsam und findet Eingang in literarische Darstellungen des bösen Auges und unheilvollen Blickes. (Hädrich, Anthropologie E.T.A. Hoffmanns, S. 85f.)
Das Motiv des Auges und auch optischer Geräte nahm großen Einfluss auf die französische Phantastik und wurde von einigen wichtigen Autoren des 19. Jahrhunderts wie z.B. Balzac, Gautier, Mérimée, Villiers, Barbey d´Aurevilly übernommen (vgl. Hädrich, Anthropologie E.T.A. Hoffmanns, S. 82-87).
In der Erzählung Hoffmanns „Der Sandmann“, die Anfang des letzten Jahrhunderts von Freud in seiner Arbeit über „Das Unheimliche“ analysiert wurde, ist das Auge das Hauptmotiv der Geschichte. Nathanael glaubt als Kind, dass der Advokat Coppelius der Sandmann ist, der den Kindern, die nicht zu Bett gehen möchten, eine handvoll Sand in die Augen wirft, so dass diese herausplatzen. Als er entdeckt, dass Coppelius gemeinsam mit seinem Vater alchemistische Versuche durchführt, will der Advokat ihm die Augen herausreißen, Nathanael wird jedoch durch Bitten des Vaters befreit. Daraufhin fällt Nathanael in eine schwere Krankheit. Später stirbt sein Vater bei einer Explosion während der Experimente. Als Student trifft Nathanael auf den Optiker Coppola, den er für Coppelius hält. Später, nachdem er davon überzeugt wurde, dass es sich nicht um Coppelius handelt, kauft er ein Perspektiv von ihm. Sieht er durch dieses durch, erscheint ihm die wortkarge und dümmlich wirkende Tochter seines Professors Spalanzani, Olimpia, lebendig und wunderschön, und er verliebt sich in sie. Als er jedoch bei einer Auseinandersetzung zwischen Coppola und Spalanzani entdeckt, dass Olimpia ein Automat ist, fällt er in einen Wahnsinnsanfall und versucht, Spalanzani zu erwürgen. Zu Hause von seiner Mutter und seiner Verlobten Clara wieder gesund geheilt, versucht er bei einem Spaziergang mit Clara auf einen Turm, diese umzubringen, nachdem er durch das Perspektiv sah, durch das ihm Claras Augen tot erscheinen, und er verfällt neuerlich in den Wahnsinn. Clara kann gerettet werden und Nathanael stürzt sich vom Turm.[3]
2. Das Unheimliche und die Psychoanalyse:
2.1. Freuds psychoanalytische Interpretation des Unheimlichen:
1919 wurde in der Zeitschrift „Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf Geisteswissenschaften“ „Das Unheimliche“ von Freud publiziert (vgl. Eisner, Theorien phantastischer Literatur, S. 46), in dem er dieses Phänomen sowohl in der Alltagswelt als auch in der Literatur untersucht. Der Artikel untersucht verschiedene Aspekte des Unheimlichen, hier soll uns aber nur seine psychoanalytische Interpretation der Novelle „Der Sandmann“ interessieren, der er einen Großteil seines Aufsatzes widmet. Freud sieht die Angst vor dem Verlust der Augen als Kastrationsangst:
Hingegen mahnt uns die psychoanalytische Erfahrung daran, daß es eine schreckliche Kinderangst ist, die Augen zu beschädigen oder zu verlieren. Vielen Erwachsenen ist diese Ängstlichkeit verblieben [...]. Das Studium der Träume, der Phantasien und Mythen hat uns dann gelehrt, daß die Angst um die Augen, die Angst zu erblinden, häufig genug ein Ersatz für die Kastrationsangst ist. Auch die Selbstblendung des mythischen Verbrechers Ödipus ist nur eine Ermäßigung für die Strafe der Kastration, [...].[4]
[...]
[1] Vgl. Sandra Eisner, Theorien und Praktiken phantastischer Literatur im französischen und hispanoamerika-nischen Sprachraum (Diplomarbeit, Universität Wien, 2003), S. 23.
[2] Vgl. Aurélie Hädrich, Die Anthropologie E.T.A. Hoffmanns und ihre Rezeption in der europäischen Literatur im 19. Jahrhundert: Eine Untersuchung insbesondere für Frankreich, Russland und den englischsprachigen Raum, mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert (Wien: Peter Lang, 2001), S. 12.
[3] E.T.A. Hoffmann, „Der Sandmann“, in: Walter Müller-Seidel (Hg.), Fantasie- und Nachtstü>
[4] Sigmund Freud, „Das Unheimliche“, in: Anna Freud (Hg.), Gesammelte Werke, 12 (Frankfurt a. Main: Fischer, 1986), SS. 229-268, hier S. 243.
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