Arbeitsmoral und Kriminalisierung


Seminararbeit, 2001

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis und Gliederungsübersicht

2 Einleitung
2.1 Fragestellung
2.2 Gang der Darstellung
2.3 Quellen

3 Hauptteil
3.1 Die Tücken der Betrachtungsebenen:
3.2 Vorüberlegungen zum Moralbegriff
3.2.1 Versuch einer Etymologie und Systematik der Moral
3.2.2 Moral als soziales Phänomen
3.2.3 Moral und Religion
3.2.4 Arbeitsmoral als Sub-Moral ?
3.3 Arbeitsmoral als Ziel der Berufsbildung
3.3.1 Ausgangspunkt:
3.3.2 Fragestellung und Vorgehen der Studie von Mariak/Kluge:
3.3.3 Anmerkungen zur Begrifflichkeit
3.3.4 Abweichendes Verhalten in Berufsschule und Betrieb
3.3.4.1 Berufsschule
3.3.4.2 Betriebliche Ausbildung
3.3.5 Bewertung

4 Schluss

5 Literaturverzeichnis

2 Einleitung

2.1 Fragestellung

Die Frage nach den Wechselbeziehungen, insbesondere den Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen Arbeitslosigkeit und Kriminalität hat in Zeiten wirtschaftlichen Abschwunges und hoher Arbeitslosigkeit an Brisanz gewonnen. Dabei ist keineswegs geklärt, ob ein empirisch erfassbarer Zusammenhang überhaupt besteht[1] und welche Drittvariablen ggf. in diesen hineinwirken. Ein skizzenhafter Aufriss über die Problematik von Albrecht offenbart die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Herangehensweisen ebenso wie deren Unzulänglichkeiten[2] und legt nahe, dass die Frage nach einem direkten Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Kriminalität im Grunde falsch gestellt ist. Die Herausforderung ist demnach eine Veränderung des Blickwinkels bei gleichzeitiger kontinuierlicher Reflektion der ursprünglichen Fragestellung.

Diese Arbeit ist ein Versuch, über die Frage nach der Natur der Arbeitsmoral einen neuen Zugang zu dem Fragenkomplex Arbeitslosigkeit – Kriminalität zu eröffnen. Dabei begegnet sie oben genannter Herausforderung auf zweierlei Weise: Zum einen gilt es, sich ein allgemeines Bild vom sozialwissenschaftlichen Gehalt des weiten Moralbegriffes zu machen und ein Problembewusstsein für den Begriff der Arbeitsmoral als Kernstück der Betrachtung zu entwickeln. Zum anderen ist auf die konkrete Rolle der Arbeitsmoral im gesellschaftlichen Zusammenhang abzustellen. Schließlich bedarf es eines Instrumentariums, um diese Trennung zwischen begrifflicher Abstrahierung und sachlicher Präzisierung aufrechtzuerhalten, ohne die Frage nach Arbeitslosigkeit und Kriminalität aus den Augen zu verlieren. Zu diesem Zweck scheint es angezeigt, die Betrachtungsebenen selbst zum Gegenstand kritischer Betrachtung zu machen.

2.2 Gang der Darstellung

Nach einem einleitenden Aufriss über die Betrachtungsebenen folgen zunächst einige allgemeine Bemerkungen über den Begriff der Moral und seine soziologische Relevanz. Anschließend soll ausgehend von der protestantischen Ethik“ (Weber) der im folgenden maßgebliche Begriff der Arbeitsmoral historisch unterfüttert werden. Die Frage, ob, inwiefern, weshalb und in welchem Ausmaß Arbeitsmoral als Ziel der Berufsbildung betrachtet werden kann, ist schließlich anhand konkreter Befunde zu diskutieren. Eine abschließende Bemerkung, die vor allem die Aufgabe hat, die einzelnen Erkenntnisse mit Blick auf die Leitfrage nach dem Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Kriminalität zusammenzufassen, rundet die Darstellung ab.

2.3 Quellen

Für den Begriffs- und Grundlagenteil der Arbeit erwiesen sich naturgemäß vor allem Schriften der praktischen Philosophie und der frühen Soziologie als fruchtbar. Die Aufsätze von Mill (Religionsphilosophie) und Höffe (Rechtsphilosophie) bilden die Grundlage für eine Skizze des allgemeinen Moralbegriffes, dessen soziologische Relevanz v.a. mittels der mahnenden Abhandlung von Kunstreich/Lindenberg zur moralischen Ökonomie der Straftat zu umreißen versucht wurde. Diese sozialwissenschaftliche Unterfütterung erforderte allerdings auch, die Ausführungen von Kunstreich/Lindenberg einer gewissen polemischen Dogmatik zu entkleiden.

Für die Anmerkungen zur protestantischen Ethik wurde bewusst lediglich Sekundärliteratur herangezogen, um einer allzu ausufernden Darstellung vorzubeugen. Hier ist v.a. der Aufsatz von dem Sozialhistoriker Kaufhold zu erwähnen, dessen akkurate und klare Darstellung die Strukturen in Webers Theorie zu erkennen halfen, ohne sie durch zu kleinräumige Betrachtung zu banalisieren.

Die Betrachtung der konkreten Verwirklichung von Arbeitsmoral / -tugenden im Ausbildungsprozess stützt sich ausschließlich auf die umfassende Studie von Mariak/Kluge, in welcher Detailreichtum mit umfassender Reflektion auf erhellende Weise verknüpft sind.

3 Hauptteil

3.1 Die Tücken der Betrachtungsebenen:

Seit jeher treibt die Menschen und allen voran die Gelehrten ein Hang, Regelmäßigkeiten im scheinbar Unregelmäßigen zu entdecken, Unberechenbares berechenbar zu machen, sei es, um spontanen Widrigkeiten mit Abwehrstrategien begegnen zu können, sei es, um das kosmische Prinzip, den Weltsinn, zu erschließen. Wenn auch der erkenntnistheoretische Satz, die Erlangung objektiver Erkenntnis über das Wesen der Dinge sei unmöglich, als anerkannt zu gelten hat, ist doch die Akribie in der Suche nach Regelmäßigkeiten ungebrochen[3]. So ist bei der folgenden Unterscheidung von Betrachtungsebenen stets zu berücksichtigen, dass es sich keineswegs um eine Differenzierung handelt, die im Wesen der Dinge selbst verankert ist, sondern vielmehr um eine theoretisch-positive Stütze von Denkerhand.

Bei der Betrachtung von Arbeitsmoral ebenso wie von Arbeitslosigkeit und Kriminalität scheint die grundsätzliche Unterscheidung einer Makroebene und einer Mikroebene sinnvoll, um die genannten Phänomene als gesellschaftliche und individuelle in den Blick zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass durch diese theoretische Trennung zwischen Individuum und Gesellschaft jene Dimensionen von Arbeitsmoral, Arbeitslosigkeit und Kriminalität, die weniger im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft begründet sind als viel mehr in gewissen Interdependenzketten zwischen Individuen oder Gruppen von Individuen, von vornherein vernachlässigt werden[4]. Mehr noch: das gewählte System von Betrachtungsebenen hindert auch eine nachträgliche Integration „figurationistischer“ Blickwinkel (Elias)[5]. Die Zuweisung einer Art Mesoebene allein würde dem figurationistischen Ansatz jedenfalls nicht gerecht.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob jenseits der Makroebene eine weitere Meta- oder Diskursebene zu berücksichtigen ist, die gleichsam die Betrachtung selbst zum Gegenstand der Beobachtung macht. Dies scheint aus mehrerlei Gründen problematisch: Erstens lässt sich die Diskursebene zur Makroebene nicht abgrenzen, ohne dass eine der beiden maßgeblich ihrer Bedeutung beschnitten würde, zweitens ist kritisch zu hinterfragen, ob es sich nicht schlicht um eine Mode moderner soft-sciences handelt, die intersubjektive Gültigkeit ihrer Erkenntnisse zunehmend in Frage zu stellen bzw. sie methodisch abzusichern[6]. Drittens ist zu prüfen, ob das vollmundige Versprechen, die Diskursebene helfe, aus einem Denkgefängnis (bspw. dem der protestantischen Ethik) auszubrechen, eingelöst werden kann oder ob nicht vielmehr die Erkenntnis, dass ein solches Denkgefängnis besteht, bereits den Endpunkt menschlicher Erkenntnisfähigkeit darstellt. In diesem Falle könnte man aus dem Denkgefängnis nicht ausbrechen, gerade weil es sich um ein Denkgefängnis handelt und umgekehrt: könnte man ausbrechen, so handelte es sich nicht um ein Denkgefängnis...

In den folgenden Ausführungen wird des öfteren auf die Konzepte der Mikro- und Makroebene Rückgriff genommen, die Diskursebene jedoch dort hilfsweise herangezogen, wo sie zum Erhellen eines bestimmten Punktes fruchtbar erscheint.

3.2 Vorüberlegungen zum Moralbegriff

3.2.1 Versuch einer Etymologie und Systematik der Moral

Der Begriff „Moral“ entstammt dem lateinischen „mos“ (fem., Gen.: „moris“), hier vermutlich dem Plural „mores“[7] (Sitten, Gesittung, Denkart). Bemerkenswert ist zunächst, dass „mos“ im Singular neben „Sitte“ und „Brauch“ auch die Bedeutung „Mode“ umfasste. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass bereits dem Begriff der Moral ein dispositives Element innewohne. Dies ist vor dem Hintergrund der Kernbedeutung und mit Blick auf die häufige Phrase der „mores maiorum“ („die Bräuche der Ahnen“) zu verneinen. Stattdessen wird deutlich, dass unser Moralbegriff eine ausprägte Traditionsvorstellung enthält.

Indes hat die Ethik als Wissenschaft von der Moral den Moralbegriff so stark theoretisch überformt und gewandelt, dass eine systematische Betrachtung der Moral den Begriff eher zu erhellen verspricht. Höffe unterscheidet zunächst die positive Moral von der nichtpositiven. Während die positive Moral in Gestalt von Brauch, Sitte und Ethos einen „Komplex der Verhaltensregelung“ verkörpere, aus dem sich das Recht, gleichsam als institutionalisierte Moral herauslöse[8], differenziere sich die nichtpositive Moral in Fragen des guten und gelungenen Lebens (eudämonistische Moral) und des freien Willens (autonome Moral) aus[9]. In dieser Skizze einer moralischen Systematik zeigt sich bereits das grundlegende Spannungsfeld zwischen einer „Könnensethik“ und einer „Sollensethik“ (Höffe), angelegt in der nichtpositiven Moral. Dies ist letztlich auch der Kernkonflikt jeglicher Verhaltensregelung mithin jener der positiven Moral selbst. Für die folgende Erörterung bleibt festzuhalten: Moral reproduziert sich durch Tradition, ihr verhaltensregelnder Aspekt impliziert die Kollision von Freiheit (Können) und Unfreiheit (Sollen).

[...]


[1] „consensus of doubt“, vgl. Chiricos.

[2] Albrecht, S.138ff.

[3] Diekmann, S.40f.

[4] Elias, S.140ff.

[5] Ebendort.

[6] Ein Beispiel aus den Kulturwissenschaften: Schüttpelz, S.274 ff.

[7] dtv- Lexikon, Stichwort „Moral“.

[8] Höffe, S.25.

[9] Derselbe, S.27.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Arbeitsmoral und Kriminalisierung
Hochschule
Universität Bremen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Arbeitslosigkeit und Kriminalität
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V42501
ISBN (eBook)
9783638405188
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit gibt theoretisch und methodologisch informiert einen Einblick in Arbeitsmoral und sog. "Sekundärtugenden" als Ziel beruflicher Bildung.
Schlagworte
Arbeitsmoral, Kriminalisierung, Arbeitslosigkeit, Kriminalität
Arbeit zitieren
Alexander-Kenneth Nagel (Autor:in), 2001, Arbeitsmoral und Kriminalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42501

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