Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung und Themenstellung
2. Romantikkritik Heines anhand des Gedichts ״Ich steh auf des Berges Spitze“
2.1 Das Buch der Lieder - Entstehung und Bedeutung
2.2 Das Volkslied
2.3 Das Vogelmotiv
2.4 Ironie, Humor und Kontrastästhetik
3. Schluss
4. Literaturverzeichnis
1. Einführung und Themenstellung
Heinrich Heine veröffentlichte das Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ erstmals 1823 in einer selbständig stehenden Ausgabe des Lyrischen Intermezzos[1]. Erst später wurde es auch Teil des ״Buch[es] der Lieder“. Das ״Buch der Lieder“ spielt in Heines dichterischen Wirken eine große Rolle. Als Zusammenstellung mehrerer Zyklen bringt es neue Erkenntnisse und Bedeutungen in die einzelnen Gedichte. Mit dem ״Buch der Lieder“ fängt Heine an, seine Rolle als ״Überwinder“ und ״Vollender“[2] der Romantik einzunehmen. Heine verwendet das Grundmodell des Volksliedes um seine Gedanken auszudrücken. Das Volkslied ermöglicht ihm die bestehende Romantisierungs-Kultur aufzugreifen. Für Heine sind Volkslieder aufgrund ihrer Einfachheit so ״rein und so klar“[3]. Sie bieten einen Rahmen für seine von der Ironie geprägten Gedichte. So entstehen Volkslieder, die nur in der Form dem Volkslied entsprechen, nicht aber im Inhalt. Seiner Ironie verleiht er Ausdruck indem er sich Z.B. des Vogelmotives bedient und es am Ende seines Gedichts parodiert. Außerdem benutzt er bestehende Topoi der Romantik um sie am Ende umzubrechen. Zu diesen bestehenden Topoi gehören Z.B. der sentimentale, weite Ausblick und der Lindenbaum. Generell ״zerstört [Heine] den Traum zugunsten der gemeinen Wirklichkeit“[4]. Seine Romantikkritik äußert sich vor allem in diesem Nutzen und parodieren romantischer Motive und Merkmale.
Ziel dieser Arbeit ist es, die romantikkritischen Merkmale des Gedichtes ״Ich steh auf des Berges Spitze“ herauszuarbeiten. Zuerst wird auf die Besonderheiten des Buches der Lieder eingegangen und danach die Epoche der Romantik kurz Umrissen. Folgend wird das Volkslied erörtert, um anschließend das Vogelmotiv näher zu erleuchten. Das Vogelmotiv wiederum beinhaltet eine Interpretation des Gedichtes sowie eine Zusammenstellung der romantischen Topoi innerhalb des Gedichtes. Zum Schluss wird noch einmal ein kurzer Abriss zur Ironie allgemein gegeben und Heines Nutzung jener herausgestellt.
Die Schwierigkeiten einer solchen Interpretation und Analyse von Heines Gedicht bestehen vor allem im Unvoreingenommen sein. Wurde schon einmal ein Gedicht von Heine mit seinem typischen ironischen Umbruch gelesen, wird hinter jedem Wort eine ironische Bedeutung vermutet. Das führt zu einem überdramatisieren jener romantikkritischen Merkmale. Dieses Problem außer Acht lassend, wird hier eine Zusammenstellung der romantikkritischen Merkmale Heines am Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ gegeben.
2. Romantikkritik Heines anhand des Gedichts ״Ich steh auf des Berges Spitze“
Die Romantikkritik Heines wird in seinen Werken Ausdruck verliehen[5]. So finden wir Aspekte der Romantikkritik auch schon im ״Buch der Lieder“ wieder. Dazu wird hier zunächst einmal die Entstehung und die Bedeutung des ״Buch[es] der Lieder“ aufgeführt. Dies soll zeigen, dass das Buch der Lieder als ganzer Zyklus das Gedicht in ein anderes Licht rückt. So werden Z.B. sich wiederholende Motive noch mehr verspottet[6]. Außerdem ist das ״Buch der Lieder“ ein bedeutendes Werk Heines[7]. Im Aufbau und in der Umsetzung von Heines Volksliedern ist die Romantikkritik ebenso wiederzufmden. So benutzt Heine das Grundmodell des Volkslieds um daraufhin mithilfe des Inhalts jenes Modell aufzubre- chen[8]. Weiter ist die Romantikkritik natürlich auch im Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ erkennbar. Hier tauchen romantische Merkmale auf, die am Ende durch die Verspottung des Vogelmotivs mit umgebrochen werden.
2.1 Das Buch der Lieder - Entstehung und Bedeutung
Heine wurde am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf geboren[9]. Schon 1815/16 entstanden bereits die ersten Gedichte, die später im ersten Zyklus des Buches der Lieder aufgenommen wurden. Das Buch der Lieder erschien am 18.10.1822[10]. Es enthält den ״Anfang und Ende seines lyrischen Jugendlebens“[11]. Heine befand sich im Entstehungszeitraum des Gedichtbandes in einem bedeutenden Lebensabschnitt. Das ״Buch der Lieder“ entstand in seinen Düsseldorfer Jahren nach Abschluss seines Studiums und nach seiner Taufe. Heine versuchte damals seine Position innerhalb der deutschen Restaurationsgesellschaft zu finden. Mit dem ״Buch der Lieder“ begann Heine seine Position einzunehmen[12]. Der Entstehungszeitraum umfasst die Jahre seines dichterischen Wirkens zwischen 1815/16-1826/27. Im ״Buch der Lieder“ sind, bis auf sieben Gedichte, keine neuen Veröffentlichungen enthalten. Es ist eine Zusammenstellung verschiedener Sammlungen, die mehrere Zyklen um- fasst[13]. Inhaltlich werden in seinem Werk mehrere Themengebiete behandelt. Von den ״Nacht- und Gespensterstücken“ der ״Traumbilder“ bis zu den Nordseegeschichten, bei denen das homerische Thema ״erobert“ wird[14]. Dabei bilden die ״kleinen, maliziös-sentimen- talen Lieder“ des ״Lyrischen Intermezzo[s]“ und der ״Heimkehr“, das Zentrum[15].
Heine glaubte, dass er mit dem ״Buch der Lieder“ Ansehen und viele Gönner erlangen werde.[16]. Das literarische Umfeld des ״Buch[es] der Lieder“ lässt sich am besten mit der Epoche der Spätromantik beschreiben[17]. Der Begriff Romantik bedeutet so viel wie ״fanta- sievoll“, ״erdichtet“ und ״erfunden“[18]. Seit dem 18. Jahrhundert wurde dieser Begriff auf die Ebene des gefühlsbetonten und schwärmerischen erhoben. Die Epoche der Romantik wird in drei Phasen eingeteilt: die Frühromantik (ca. 1797-1805), die Hochromantik (ca.1805-1820) und die Spätromantik (ca.l820-1250)[19]. Epochenbezeichnungen allgemein werden dafür genutzt ״eine bestimmte Art der literarischen Auseinandersetzung mit [...] Veränderungen“ innerhalb einer gewissen Zeitspanne aufzuzeigen. In der Romantik besteht diese Bewältigungsstrategie im Romantisieren[20]. Somit sind romantische Merkmale und Motive jene, die gefühlsbetonte und schwärmerische Züge tragen. In dem hier behandelten Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ sind das vor allem das Vogelmotiv, der Linden- bäum, die weite Aussicht auf die Landschaft und das sehnsüchtige Seufzen.
Heinrich Heine (1797-1856) wird, insofern er zu der Romantik zugeordnet wird, zur Epoche der Spätromantik gezählt. Allerdings weisen seine Werke bereits Merkmale der überWindung der Romantik auf[21]. So kommt Heine selbst gegen Ende seines Lebens zu folgendem Schluss:
Trotz meiner exterminatorischen Fedlzüge gegen die Romantik, blieb ich doch selbst immer ein Romantiker, und ich war es in einem höheren Grade, als ich selbst ahnte. [...] mit mir ist die alte lyri- sehe Schule der Deutschen geschlossen, während zugleich die neue Schule, die modeme deutsche Lyrik, von mir eröffnet ward [22].
Heine bezeichnet sich selbst als ״Vollender“ und ״Überwinder“ der Romantik[23]. Dass dies auch für sein ״Buch der Lieder“ gilt, sieht man anhand seiner Gedichte. So sind manche ״weiche, melodiöse Gedichte, deren sentimentale Innerlichkeit sich ganz ohne desillusio- nierende Zusätze und Pointen entfalten [...]“. Andere Gedichte geben deutlich zu erkennen, dass sie nicht mehr unmittelbar romantisch sind, indem sie ihre Konstruktionsgeheimnisse offen auslegen[24]. Dabei hält Heine als Autor diesen ״typisch romantischen Motivbereichen wie Märchen und Traum die Treue“[25]. Allerdings benutzt er sie nur noch ״als bloßes Material, an das er im Grunde nicht mehr richtig glaubt“[26].
2.2 Das Volkslied
Das Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ wurde im ״Buch der Lieder“ als Teil des lyri- sehen Intermezzos veröffentlicht. Es wird als Gedicht Nummer 53 geführt[27]. Es ist es aus vier Strophen aufgebaut, die jeweils aus vier Zeilen bestehen. Es ist in einem holprigen jambischen Versmaß verfasst und mit unterschiedlichen Silbenzahlen bestückt[28].
Es ist dem Volkslied in seinem Erscheinungsbild angelehnt. Um das zu zeigen, muss zunächst eine Definition des Volksliedes gegeben werden. So versteht man unter einem Volkslied ein Lied, dass aus möglichst alter Überlieferung übernommen wurde und dessen Verfasser unbekannt ist[29]. Dagegen steht das volkstümliche Lied, welches ״litera- risch-musikalische Hervorbringungen bekannter Autoren aus jüngerer Zeit [umfasst], die sich bewußt der Ausdrucks- und Stilmittel des >V01ksliedes< bedienten“[30].
Betrachtet man das Grundmodell des Volkslieds bzw. der Volksliedstrophe inhaltlich, fällt in Bezug auf die Romantik eine Formelhaftigkeit auf. Die romantische Liebe wird hier nicht im Hinblick auf den Einzelfall betrachtet, sondern typisiert und verallgemeinert. Wiederholungen typischer Symbole und Motive sind zu erkennen (z.B. das Vogelmotiv, das zersprungene Ringlein)[31]. Dies begründet sich darauf, dass die Liebe von allen Menschen ähnlich erlebt wird und äußert sich auch in typischen Plätzen der Liebesbegegnung (unter der Linde, am Brunnen, im Wald). Allerdings ist ein Volkslied nicht thematisch festgelegt, da sie ״[...] sowohl von glückhaft-erfüllter wie von traurig-vergeblicher Liebe [handeln]“[32]. Heine nutzt diese Freiheit des Inhalts aus. An Wilhelm Müller schrieb er in einem Brief am 07.06.1826, wie ״rein“ und wie ״klar“ Volkslieder seien. Allerdings betont er auch, dass in seinen Gedichten nur die Form dem Volkslied angelehnt ist. Der Inhalt dagegen ״gehört der conventioneilen Gesellschaft“[33].
Es geht Heine also darum ״[...] den Geist der Volkslied-Formen zu erfassen, und mit der Kenntnis desselben nach unserem Bedürfnis gemodelte, neue Formen zu bilden“[34]. Heine bildet auf der Grundlage der Volksliedstrophe zwei verschieden Typen von Liedern. Das ״romantikkonforme“ und das ״entromantisierte“ Gedicht. Der ״entromantisierte“ Typus überwiegt im ״Lyrischen Intermezzo“ und in der ״Heimkehr“[35]. Dieser Gedichtstyp ist im Aufbau eher kurz ״[...] und epigrammatisch zugespitzt“. Weiter ist er auf ״Witz, Pointe, Desillusionierung angelegt und entfernt sich dadurch von der Innerlichkeit und bekennerischem Ernst der romantischen Poesie“[36].
[...]
[1] Vgl. Peter Christian Giese: Lektürehilfen Heinrich Heine „Buch der Lieder“. Stuttgart 1991. S.62.
[2] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.
[3] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.
[4] Maria-Christina Boerner: „Die ganzen Janitscharenmusik der Weltqual“.Heines Auseinandersetzung mit der romantischen Theorie. Stuttgart/Weimar 1998. S.269.
[5] Vgl. Herbert Clasen: Heinrich Heines Romantikkritik. Tradition-Produktion-Rezeption. Hamburg 1979. S.22.
[6] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.29f.
[7] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.
[8] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.
[9] Vgl. Peter Christian Giese: Lektürehilfen Heinrich Heine „Buch der Lieder“. Stuttgart 1991. S.6.
[10] Vgl. Erich Mayser: H.Heines „Buch der Lieder“ im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1978. S.11.
[11] Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.
[12] Vgl. Bernd Kortländer: Heinrich Heine. Stuttgart 2003. S.24.
[13] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.
[14] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.
[15] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.
[16] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.12.
[17] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.12.
[18] Gudrun Blecken: Lyrik der Romantik. 3.Auflage. Hollfeld 2015. S.7.
[19] Vgl. Blecken: „Lyrik der Romantik“, S.9.
[20] Vgl. Blecken: „Lyrik der Romantik“, S.9.
[21] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.13.
[22] Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.
[23] Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.
[24] Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.
[25] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.
[26] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.
[27] Vgl. Gerhard Höhn: Heine Handbuch. Zeit, Person, Werk. 3.,überarb. und erw. Aufl. Stuttgart 2004. S.54.
[28] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.
[29] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.
[30] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.
[31] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.22.
[32] Giese: „Lektürenhilfen“, S.22.
[33] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.
[34] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.
[35] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.32.
[36] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.32.