Heinrich Heine und die Romantik

Romantikkritik Heines anhand des Gedichts "Ich steh auf des Berges Spitze..."


Essay, 2016

11 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Themenstellung

2. Romantikkritik Heines anhand des Gedichts ״Ich steh auf des Berges Spitze“
2.1 Das Buch der Lieder - Entstehung und Bedeutung
2.2 Das Volkslied
2.3 Das Vogelmotiv
2.4 Ironie, Humor und Kontrastästhetik

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis

1. Einführung und Themenstellung

Heinrich Heine veröffentlichte das Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ erstmals 1823 in einer selbständig stehenden Ausgabe des Lyrischen Intermezzos[1]. Erst später wurde es auch Teil des ״Buch[es] der Lieder“. Das ״Buch der Lieder“ spielt in Heines dichterischen Wirken eine große Rolle. Als Zusammenstellung mehrerer Zyklen bringt es neue Erkennt­nisse und Bedeutungen in die einzelnen Gedichte. Mit dem ״Buch der Lieder“ fängt Heine an, seine Rolle als ״Überwinder“ und ״Vollender“[2] der Romantik einzunehmen. Heine ver­wendet das Grundmodell des Volksliedes um seine Gedanken auszudrücken. Das Volkslied ermöglicht ihm die bestehende Romantisierungs-Kultur aufzugreifen. Für Heine sind Volkslieder aufgrund ihrer Einfachheit so ״rein und so klar“[3]. Sie bieten einen Rahmen für seine von der Ironie geprägten Gedichte. So entstehen Volkslieder, die nur in der Form dem Volkslied entsprechen, nicht aber im Inhalt. Seiner Ironie verleiht er Ausdruck indem er sich Z.B. des Vogelmotives bedient und es am Ende seines Gedichts parodiert. Außerdem benutzt er bestehende Topoi der Romantik um sie am Ende umzubrechen. Zu diesen beste­henden Topoi gehören Z.B. der sentimentale, weite Ausblick und der Lindenbaum. Generell ״zerstört [Heine] den Traum zugunsten der gemeinen Wirklichkeit“[4]. Seine Romantikkritik äußert sich vor allem in diesem Nutzen und parodieren romantischer Motive und Merkma­le.

Ziel dieser Arbeit ist es, die romantikkritischen Merkmale des Gedichtes ״Ich steh auf des Berges Spitze“ herauszuarbeiten. Zuerst wird auf die Besonderheiten des Buches der Lie­der eingegangen und danach die Epoche der Romantik kurz Umrissen. Folgend wird das Volkslied erörtert, um anschließend das Vogelmotiv näher zu erleuchten. Das Vogelmotiv wiederum beinhaltet eine Interpretation des Gedichtes sowie eine Zusammenstellung der romantischen Topoi innerhalb des Gedichtes. Zum Schluss wird noch einmal ein kurzer Abriss zur Ironie allgemein gegeben und Heines Nutzung jener herausgestellt.

Die Schwierigkeiten einer solchen Interpretation und Analyse von Heines Gedicht bestehen vor allem im Unvoreingenommen sein. Wurde schon einmal ein Gedicht von Heine mit seinem typischen ironischen Umbruch gelesen, wird hinter jedem Wort eine ironische Be­deutung vermutet. Das führt zu einem überdramatisieren jener romantikkritischen Merk­male. Dieses Problem außer Acht lassend, wird hier eine Zusammenstellung der romantik­kritischen Merkmale Heines am Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ gegeben.

2. Romantikkritik Heines anhand des Gedichts ״Ich steh auf des Berges Spitze“

Die Romantikkritik Heines wird in seinen Werken Ausdruck verliehen[5]. So finden wir Aspekte der Romantikkritik auch schon im ״Buch der Lieder“ wieder. Dazu wird hier zu­nächst einmal die Entstehung und die Bedeutung des ״Buch[es] der Lieder“ aufgeführt. Dies soll zeigen, dass das Buch der Lieder als ganzer Zyklus das Gedicht in ein anderes Licht rückt. So werden Z.B. sich wiederholende Motive noch mehr verspottet[6]. Außerdem ist das ״Buch der Lieder“ ein bedeutendes Werk Heines[7]. Im Aufbau und in der Umsetzung von Heines Volksliedern ist die Romantikkritik ebenso wiederzufmden. So benutzt Heine das Grundmodell des Volkslieds um daraufhin mithilfe des Inhalts jenes Modell aufzubre- chen[8]. Weiter ist die Romantikkritik natürlich auch im Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ erkennbar. Hier tauchen romantische Merkmale auf, die am Ende durch die Ver­spottung des Vogelmotivs mit umgebrochen werden.

2.1 Das Buch der Lieder - Entstehung und Bedeutung

Heine wurde am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf geboren[9]. Schon 1815/16 entstanden bereits die ersten Gedichte, die später im ersten Zyklus des Buches der Lieder aufgenom­men wurden. Das Buch der Lieder erschien am 18.10.1822[10]. Es enthält den ״Anfang und Ende seines lyrischen Jugendlebens“[11]. Heine befand sich im Entstehungszeitraum des Ge­dichtbandes in einem bedeutenden Lebensabschnitt. Das ״Buch der Lieder“ entstand in sei­nen Düsseldorfer Jahren nach Abschluss seines Studiums und nach seiner Taufe. Heine versuchte damals seine Position innerhalb der deutschen Restaurationsgesellschaft zu fin­den. Mit dem ״Buch der Lieder“ begann Heine seine Position einzunehmen[12]. Der Entste­hungszeitraum umfasst die Jahre seines dichterischen Wirkens zwischen 1815/16-1826/27. Im ״Buch der Lieder“ sind, bis auf sieben Gedichte, keine neuen Veröffentlichungen ent­halten. Es ist eine Zusammenstellung verschiedener Sammlungen, die mehrere Zyklen um- fasst[13]. Inhaltlich werden in seinem Werk mehrere Themengebiete behandelt. Von den ״Nacht- und Gespensterstücken“ der ״Traumbilder“ bis zu den Nordseegeschichten, bei de­nen das homerische Thema ״erobert“ wird[14]. Dabei bilden die ״kleinen, maliziös-sentimen- talen Lieder“ des ״Lyrischen Intermezzo[s]“ und der ״Heimkehr“, das Zentrum[15].

Heine glaubte, dass er mit dem ״Buch der Lieder“ Ansehen und viele Gönner erlangen werde.[16]. Das literarische Umfeld des ״Buch[es] der Lieder“ lässt sich am besten mit der Epoche der Spätromantik beschreiben[17]. Der Begriff Romantik bedeutet so viel wie ״fanta- sievoll“, ״erdichtet“ und ״erfunden“[18]. Seit dem 18. Jahrhundert wurde dieser Begriff auf die Ebene des gefühlsbetonten und schwärmerischen erhoben. Die Epoche der Romantik wird in drei Phasen eingeteilt: die Frühromantik (ca. 1797-1805), die Hochromantik (ca.1805-1820) und die Spätromantik (ca.l820-1250)[19]. Epochenbezeichnungen allgemein werden dafür genutzt ״eine bestimmte Art der literarischen Auseinandersetzung mit [...] Veränderungen“ innerhalb einer gewissen Zeitspanne aufzuzeigen. In der Romantik besteht diese Bewältigungsstrategie im Romantisieren[20]. Somit sind romantische Merkmale und Motive jene, die gefühlsbetonte und schwärmerische Züge tragen. In dem hier behandelten Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ sind das vor allem das Vogelmotiv, der Linden- bäum, die weite Aussicht auf die Landschaft und das sehnsüchtige Seufzen.

Heinrich Heine (1797-1856) wird, insofern er zu der Romantik zugeordnet wird, zur Epo­che der Spätromantik gezählt. Allerdings weisen seine Werke bereits Merkmale der über­Windung der Romantik auf[21]. So kommt Heine selbst gegen Ende seines Lebens zu folgen­dem Schluss:

Trotz meiner exterminatorischen Fedlzüge gegen die Romantik, blieb ich doch selbst immer ein Ro­mantiker, und ich war es in einem höheren Grade, als ich selbst ahnte. [...] mit mir ist die alte lyri- sehe Schule der Deutschen geschlossen, während zugleich die neue Schule, die modeme deutsche Lyrik, von mir eröffnet ward [22].

Heine bezeichnet sich selbst als ״Vollender“ und ״Überwinder“ der Romantik[23]. Dass dies auch für sein ״Buch der Lieder“ gilt, sieht man anhand seiner Gedichte. So sind manche ״weiche, melodiöse Gedichte, deren sentimentale Innerlichkeit sich ganz ohne desillusio- nierende Zusätze und Pointen entfalten [...]“. Andere Gedichte geben deutlich zu erken­nen, dass sie nicht mehr unmittelbar romantisch sind, indem sie ihre Konstruktionsgeheim­nisse offen auslegen[24]. Dabei hält Heine als Autor diesen ״typisch romantischen Motivbe­reichen wie Märchen und Traum die Treue“[25]. Allerdings benutzt er sie nur noch ״als blo­ßes Material, an das er im Grunde nicht mehr richtig glaubt“[26].

2.2 Das Volkslied

Das Gedicht ״Ich steh auf des Berges Spitze“ wurde im ״Buch der Lieder“ als Teil des lyri- sehen Intermezzos veröffentlicht. Es wird als Gedicht Nummer 53 geführt[27]. Es ist es aus vier Strophen aufgebaut, die jeweils aus vier Zeilen bestehen. Es ist in einem holprigen jambischen Versmaß verfasst und mit unterschiedlichen Silbenzahlen bestückt[28].

Es ist dem Volkslied in seinem Erscheinungsbild angelehnt. Um das zu zeigen, muss zu­nächst eine Definition des Volksliedes gegeben werden. So versteht man unter einem Volkslied ein Lied, dass aus möglichst alter Überlieferung übernommen wurde und dessen Verfasser unbekannt ist[29]. Dagegen steht das volkstümliche Lied, welches ״litera- risch-musikalische Hervorbringungen bekannter Autoren aus jüngerer Zeit [umfasst], die sich bewußt der Ausdrucks- und Stilmittel des >V01ksliedes< bedienten“[30].

Betrachtet man das Grundmodell des Volkslieds bzw. der Volksliedstrophe inhaltlich, fällt in Bezug auf die Romantik eine Formelhaftigkeit auf. Die romantische Liebe wird hier nicht im Hinblick auf den Einzelfall betrachtet, sondern typisiert und verallgemeinert. Wie­derholungen typischer Symbole und Motive sind zu erkennen (z.B. das Vogelmotiv, das zersprungene Ringlein)[31]. Dies begründet sich darauf, dass die Liebe von allen Menschen ähnlich erlebt wird und äußert sich auch in typischen Plätzen der Liebesbegegnung (unter der Linde, am Brunnen, im Wald). Allerdings ist ein Volkslied nicht thematisch festgelegt, da sie ״[...] sowohl von glückhaft-erfüllter wie von traurig-vergeblicher Liebe [handeln]“[32]. Heine nutzt diese Freiheit des Inhalts aus. An Wilhelm Müller schrieb er in einem Brief am 07.06.1826, wie ״rein“ und wie ״klar“ Volkslieder seien. Allerdings betont er auch, dass in seinen Gedichten nur die Form dem Volkslied angelehnt ist. Der Inhalt dagegen ״gehört der conventioneilen Gesellschaft“[33].

Es geht Heine also darum ״[...] den Geist der Volkslied-Formen zu erfassen, und mit der Kenntnis desselben nach unserem Bedürfnis gemodelte, neue Formen zu bilden“[34]. Heine bildet auf der Grundlage der Volksliedstrophe zwei verschieden Typen von Liedern. Das ״romantikkonforme“ und das ״entromantisierte“ Gedicht. Der ״entromantisierte“ Typus überwiegt im ״Lyrischen Intermezzo“ und in der ״Heimkehr“[35]. Dieser Gedichtstyp ist im Aufbau eher kurz ״[...] und epigrammatisch zugespitzt“. Weiter ist er auf ״Witz, Pointe, Desillusionierung angelegt und entfernt sich dadurch von der Innerlichkeit und bekenneri­schem Ernst der romantischen Poesie“[36].

[...]


[1] Vgl. Peter Christian Giese: Lektürehilfen Heinrich Heine „Buch der Lieder“. Stuttgart 1991. S.62.

[2] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.

[3] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.

[4] Maria-Christina Boerner: „Die ganzen Janitscharenmusik der Weltqual“.Heines Auseinandersetzung mit der romantischen Theorie. Stuttgart/Weimar 1998. S.269.

[5] Vgl. Herbert Clasen: Heinrich Heines Romantikkritik. Tradition-Produktion-Rezeption. Hamburg 1979. S.22.

[6] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.29f.

[7] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.

[8] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.

[9] Vgl. Peter Christian Giese: Lektürehilfen Heinrich Heine „Buch der Lieder“. Stuttgart 1991. S.6.

[10] Vgl. Erich Mayser: H.Heines „Buch der Lieder“ im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1978. S.11.

[11] Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.

[12] Vgl. Bernd Kortländer: Heinrich Heine. Stuttgart 2003. S.24.

[13] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.

[14] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.

[15] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.11.

[16] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.12.

[17] Vgl. Mayser: „Buch der Lieder“, S.12.

[18] Gudrun Blecken: Lyrik der Romantik. 3.Auflage. Hollfeld 2015. S.7.

[19] Vgl. Blecken: „Lyrik der Romantik“, S.9.

[20] Vgl. Blecken: „Lyrik der Romantik“, S.9.

[21] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.13.

[22] Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.

[23] Giese: „Lektürenhilfen“, S.25.

[24] Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.

[25] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.

[26] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.26.

[27] Vgl. Gerhard Höhn: Heine Handbuch. Zeit, Person, Werk. 3.,überarb. und erw. Aufl. Stuttgart 2004. S.54.

[28] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.

[29] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.

[30] Vgl. Höhn: „Heine Handbuch“, S.54.

[31] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.22.

[32] Giese: „Lektürenhilfen“, S.22.

[33] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.

[34] Giese: „Lektürenhilfen“, S.27.

[35] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.32.

[36] Vgl. Giese: „Lektürenhilfen“, S.32.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Heinrich Heine und die Romantik
Untertitel
Romantikkritik Heines anhand des Gedichts "Ich steh auf des Berges Spitze..."
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
2,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
11
Katalognummer
V425075
ISBN (eBook)
9783668701243
ISBN (Buch)
9783668701250
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heinrich, heine, romantik, romantikkritik, heines, gedichts, berges, spitze
Arbeit zitieren
Chantal Wessely (Autor:in), 2016, Heinrich Heine und die Romantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/425075

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