Dass es keine allgemeingültige, allumgreifende und unumstößliche Antwort gibt, was Gerechtigkeit ist, wusste schon spätestens Platon. Die dazugehörige Frage ist, wenn auch vermutlich nicht seit jeher in dieser Formulierung, wohl so alt wie die Menschheit selbst. Es ist nicht zu weit hergeholt oder übertrieben, dieses Streben nach Gerechtigkeit beziehungsweise nach der Erkenntnis, was sie ist, als anthropologische Grundkonstante zu bezeichnen, ist es doch so ausschlaggebend für unsere conditio humana, für die Bedingungen unseres Menschseins.
Um sich dieser Komplexität anzunähern, werde ich zunächst einen historischen Abriss darüber vornehmen, wie sich Definitionsversuche und Sichtweisen zur Problematik der Gerechtigkeit philosophie- und literaturgeschichtlich gewandelt haben und dabei auch der Frage nachgehen, welche Rolle der Poetik bzw. der Poesie dabei zukommt. Im Anschluss werden vor diesem Hintergrund die Novellen Das Erdbeben in Chili von Heinrich von Kleist sowie Ludwig Tiecks Der blonde Eckbert und Der Runenberg hinsichtlich der Frage analysiert und untersucht, ob bzw. inwiefern sie – poetisch – gerecht sind, also aus welcher Perspektive und auf welchen Ebenen sich gewisse Diskurse oder Theorien bzw. Definitionen über Gerechtigkeit feststellen lassen und sie Anwendung finden. Zuletzt werde ich den Versuch eines Résumés unternehmen und einen Ausblick auf mögliche Vertiefungen der Problematik geben.
Inhaltsverzeichnis
- Gerechtigkeit als eine anthropologische Grundkonstante
- Geschichtsübergreifende Gerechtigkeit?
- Darf Dichtung gerecht sein, muss es einen glücklichen Ausgang geben?
- Sie sehen das Paradies vor lauter Frömmigkeit nicht
- „Es ist ein Unglück für den Menschen, dass er seinen Verstand nur darum bekommt, um die Unschuld seiner Seele zu verlieren“
- „Sapere aude“ als Ausweg aus der Schuld
- Schwarzromantiker als Anprangerer falscher Gerechtigkeit?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die komplexe und vielschichtige Thematik von Gerechtigkeit, sowohl philosophisch als auch literarisch. Sie verfolgt das Ziel, die historischen Wandlungen des Gerechtigkeitsverständnisses nachzuzeichnen und anhand ausgewählter literarischer Texte zu analysieren, wie Gerechtigkeit in der Dichtung dargestellt wird und welche Rolle die Poetik dabei spielt.
- Das anthropologische Verständnis von Gerechtigkeit
- Historische Entwicklungen des Gerechtigkeitsbegriffes
- Die Darstellung von Gerechtigkeit in der Literatur
- Poetische Gerechtigkeit in Kleists "Erdbeben in Chili" und Tiecks Werken
- Die Frage nach angeborenen Gerechtigkeits- und Rechtsempfinden
Zusammenfassung der Kapitel
Gerechtigkeit als eine anthropologische Grundkonstante: Der einleitende Abschnitt beleuchtet die fundamentale Bedeutung des Strebens nach Gerechtigkeit für das menschliche Dasein. Er unterstreicht die Ambivalenz dieses Strebens, das oft mit Frustration und Enttäuschung einhergeht, angesichts einer Welt, die nicht immer gerecht erscheint. Die Arbeit stellt die Frage nach der Ursache des menschlichen Gewissens und der Moral angesichts der scheinbaren Sinnlosigkeit des Kampfes gegen Ungerechtigkeit. Der Abschnitt führt in die zentrale Fragestellung der Arbeit ein und skizziert den weiteren Aufbau.
Geschichtsübergreifende Gerechtigkeit?: Dieses Kapitel gibt einen historischen Überblick über unterschiedliche Auffassungen von Gerechtigkeit und deren Entwicklung im Laufe der Geschichte. Es bezieht sich auf Li-Fen Ke's Arbeit und diskutiert verschiedene Perspektiven auf Gerechtigkeitsempfinden, inklusive der Frage nach der angeborenen Natur eines solchen Gefühls. Die Debatte um ein angeborenes "Rechtsgefühl" wird vorgestellt, mit Bezug auf Theorien von Eibl, die sowohl philosophische als auch evolutionäre Aspekte berücksichtigen. Dieser Abschnitt legt den Grundstein für die spätere literarische Analyse.
Schlüsselwörter
Gerechtigkeit, Anthropologie, Literatur, Poetik, Geschichte, Heinrich von Kleist, Ludwig Tieck, Rechtsgefühl, Moral, Ungerechtigkeit, Evolution, Philosophie, Erdbeben in Chili, Der blonde Eckbert, Der Runenberg.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Gerechtigkeit in Literatur und Philosophie
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die komplexe Thematik von Gerechtigkeit aus philosophischer und literarischer Perspektive. Sie verfolgt das Ziel, die historischen Wandlungen des Gerechtigkeitsverständnisses nachzuzeichnen und anhand ausgewählter literarischer Texte zu analysieren, wie Gerechtigkeit in der Dichtung dargestellt wird und welche Rolle die Poetik dabei spielt.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt unter anderem das anthropologische Verständnis von Gerechtigkeit, die historische Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffes, die Darstellung von Gerechtigkeit in der Literatur, poetische Gerechtigkeit bei Kleist ("Erdbeben in Chili") und Tieck (z.B. "Der blonde Eckbert", "Der Runenberg"), sowie die Frage nach einem angeborenen Gerechtigkeits- und Rechtsempfinden. Es werden philosophische und evolutionäre Aspekte diskutiert, u.a. unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Li-Fen Ke und Eibl.
Welche Autoren werden analysiert?
Die literarische Analyse konzentriert sich auf die Werke von Heinrich von Kleist (insbesondere "Erdbeben in Chili") und Ludwig Tieck ("Der blonde Eckbert", "Der Runenberg").
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel, die sich mit folgenden Themen befassen: Gerechtigkeit als anthropologische Grundkonstante; die Frage nach einer geschichtsübergreifenden Gerechtigkeit; die Darstellung von Gerechtigkeit in der Dichtung (mit der Frage nach einem "glücklichen Ausgang"); die Rolle der Frömmigkeit und des Verstandes; "Sapere aude" als Ausweg aus der Schuld; und die Schwarzromantiker als Kritiker falscher Gerechtigkeit.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Schlüsselwörter sind: Gerechtigkeit, Anthropologie, Literatur, Poetik, Geschichte, Heinrich von Kleist, Ludwig Tieck, Rechtsgefühl, Moral, Ungerechtigkeit, Evolution, Philosophie, Erdbeben in Chili, Der blonde Eckbert, Der Runenberg.
Welche Forschungsfragen werden gestellt?
Zentrale Fragen sind: Welche Bedeutung hat das Streben nach Gerechtigkeit für das menschliche Dasein? Wie hat sich das Gerechtigkeitsverständnis im Laufe der Geschichte entwickelt? Wie wird Gerechtigkeit in der Literatur dargestellt? Gibt es ein angeborenes Rechtsgefühl? Welche Rolle spielt die Poetik bei der Darstellung von Gerechtigkeit?
Gibt es eine Zusammenfassung der einzelnen Kapitel?
Ja, die Arbeit enthält Kapitelzusammenfassungen. Die Zusammenfassung zum einleitenden Kapitel ("Gerechtigkeit als anthropologische Grundkonstante") beleuchtet beispielsweise die fundamentale Bedeutung des Strebens nach Gerechtigkeit und dessen Ambivalenz. Die Zusammenfassung zum Kapitel "Geschichtsübergreifende Gerechtigkeit?" gibt einen Überblick über unterschiedliche Auffassungen von Gerechtigkeit im Laufe der Geschichte und diskutiert die Debatte um ein angeborenes Rechtsgefühl.
- Quote paper
- Dennis Meyer (Author), 2017, Poetische Gerechtigkeit in Heinrich von Kleists "Erdbeben in Chili" sowie in Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert" und "Der Runenberg", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/425609