Bowling for Columbine


Vordiplomarbeit, 2004

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel A Sozialpsychologischer Ansatz

1. Definition und Formen von Aggression
1.1 Der Begriff „Aggression“
1.2 Formen von Aggression

2. Theorien aggressiven Verhaltens
2.1 Aggression als Instinkt
2.2 Aggression als gelerntes Verhalten
2.3 Frustration und Aggression

3. Zusammenfassung der sozialpsychologischen Theorien

Kapitel B Klinischpsychologischer Ansatz

4. Definition und Klassifikation
4.1 Definition aggressiv-dissoziales Verhalten
4.2 Klassifikationen
4.3 Entwicklung und Verlauf aggressiv-dissozialem Verhalten
4.4 Risikoerhöhende Bedingungen aggressiv-dissozialen Verhaltens
4.5 Zusammenfassung des klinisch-psychologischen Ansatzes

Kapitel C Verbindung sozialpsychologischer Theorien und klinischpsychologischer Diagnostik

5. Verbindung sozialpsychologischer Ansatz und klinischpsychologischer Ansatz

6. Eigene Stellungnahme

Literaturverzeichnis

Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird das Thema aggressives Verhalten bei Kindern und Jugendlichen erörtert. Es geht dabei vor allem um die Frage, warum Kinder und Jugendliche zu aggressiven Verhalten neigen und zur Gewalt greifen. Bezüglich sozialpsychologischer und klinischpsychologischer Untersuchungen können Theorien und Klassifikationen aufgestellt werden. Diese Erklärungsansätze sollen im Einzelnen vorgestellt werden.

Aggressivität ist ein Phänomen, was immer tiefer in unsere Gesellschaft dringt. In soziologischen Betrachtungen können wir Aggressivität als Potential von Macht und Herrschaft definieren. Nur wer Macht hat, kann aggressiv auftreten. Die Psychologie sieht in der Aggressivität Defizite, die auf frühste Erfahrungen im Kindesalter bauen. Das bedeutet vor allem, dass die Tendenz zu aggressiven Verhalten abhängig von der Erziehung ist. Die Erziehung hier versteht sich als ein Prozess der Sozialisation, in dem nicht nur die Eltern Einfluss auf das Kind haben, sondern auch im weiteren Sinne die Peers. Äußerliche Einflussfaktoren spielen also eine ganz entscheidende Rolle.

Es ist nicht mehr der Erwachsene, der zur Waffe greift, um sich zu verteidigen, wie es einmal üblich war. In der Evolutionsgeschichte Darwins wird aggressives Verhalten als Überlebenssicherung verstanden, als Instinkthandeln. Der Mann ging auf die Jagd, um seine Familie zu versorgen, der Angreifer wurde bekämpft, um die Familie zu schützen. Wo aber begegnet uns heute aggressives Verhalten? Nicht mehr ist es der Beschützer- und Versorgungsinstinkt. Es sind oftmals Rache- und Frustrationsgründe.

Für das Jahr 1997 geben die Statistiken in Deutschland 186.447 Fälle von Mord, Totschlag oder körperliche Gewalt an. Die Zahlen für andere europäische Länder sind vergleichbar und für die Vereinigten Staaten liegen sie sogar noch höher (Mummendey, aus: Stroebe, S. 354). Erschreckend diese Statistik. Umso eindringlicher erscheint die Frage nach dem „Warum“.

Erinnert werden soll noch einmal an den 20. April 1999 als die beiden 16-jährigen Eric Harris und Dylan Klebold an jenem Morgen das Klassenzimmer der Columbine High School in Littleton in Colorado betraten und das schlimmste Massaker der amerikanischen Schulgeschichte verüben, bei dem 12 Schüler und ein Lehrer den Tod finden…und sie anschließend die Waffe auf sich selbst richten…

Genauso gut können wir uns an das Bild des Grauens vom 26. April 2002 erinnern, das der 19-jährige Robert K. im Erfurter Gutenberg-Gymnasium hinterlassen hat. Er erschießt 16 Menschen und tötet sich selbst. Das Ausmaß der Tat wurde erst nach dem Anruf des Hausmeisters klar. Er hatte gegen 11 Uhr bei der Polizei angerufen und berichtet, dass in seiner Schule Schüsse fielen. Zu dieser Zeit läuft die Abiturprüfung im Fach Mathematik. Die wenige Minuten später eintreffenden Polizisten geraten unvermittelt in einen Schusswechsel, bei dem ein 42-jähriger Beamter stirbt. Es herrscht Chaos: Schüler rennen um ihr Leben und flüchten aus dem Gebäude. Einzelne waren dem Täter begegnet, hatten Lehrer sterben sehen. Um den Verletzten zur Hilfe zu kommen, gehen Sanitäter unter Feuerschutz und mit schusssicheren Westen in das Schulgebäude. Insgesamt starben 13 Lehrerinnen und Lehrer, eine Schülerin, ein Schüler und ein Beamter. Vier Menschen werden verletzt. Der 19-jährige streckt sich mit einer Faustfeuerwaffe nieder, als sich ihm die Polizisten nähern…

Warum wurde in diesen beiden Fällen aggressiv gehandelt? Wo können Ursachen für ein solches Verhalten zu finden sein? Was veranlasst junge Menschen wie Eric, Dylan und Robert zur Gewalt zu greifen? Warum können wir nicht einfach behaupten, dass diese Jugendlichen „geistig gestört“ sind?

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist uns der Begriff „Aggression“ geläufig. Was aber wissenschaftlich hinter diesem Begriff steht und welche Formen es von Aggression gibt, möchte ich im ersten Teil dieser Arbeit erläutern. Im zweiten Teil geht es mir darum, die unterschiedlichen sozialpsychologischen Theorien vorzustellen. Wichtig erscheinen mir hierbei drei Grundpositionen, die triebtheoretische, die lerntheoretische und die Frustrations-Aggressions-Hypothese. Der dritte Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit klinischpsychologischen Untersuchungen. Anhand von klinischen Diagnosen kann aggressiv-dissoziales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen als psychisches Problem angesehen werden. Welche Definitionen und Klassifikationen aufzufinden sind, soll mit Hilfe des ICD-10 erörtert werden. Anschließend werde ich den Verlauf psychischer Störungen erläutern und risikoerhöhende und risikomildernde Faktoren nennen. Abschließen möchte ich diese Arbeit mit einer ausführlichen Zusammenfassung und meiner Stellungnahme.

Kapitel A Sozialpsychologischer Ansatz

In der Sozialpsychologie wird das aggressive Verhalten anhand von sozialpsychologischen Theorien wie der triebtheoretischen, der lerntheoretischen und der Frustrations-Aggressions-Hypothese erklärt. Es beruht auf die soziale Interaktion mindestens zweier Personen. Was nach sozialpsychologischer Sicht unter Aggression zu verstehen ist, welche Formen und welche Erklärungsansätze es gibt, soll in diesem ersten Abschnitt erörtert werden.

1. Definition und Formen von Aggression

1.1 Der Begriff „Aggression“

Die bekannteste Definition von „Aggression“ stammt von Dollard, Doob, Miller, Mowrer & Sears, der so genannten Yale-Gruppe: „Aggression ist eine Verhaltenssequenz, deren Zielreaktion die Verletzung einer Person ist, gegen die sie gerichtet ist (zit. n. Bierhoff, S. 128). In neueren Definitionen wird Aggression meist als eine Handlung definiert, die mit der Intention ausgeführt wird, eine Schädigung oder Verletzung zu bewirken (Bierhoff, S 128).

Tedeschi und Felson haben eine Theorie aufgestellt, die Aggression durch Macht und Zwang ersetzt (Bierhoff, S. 129). Die Intention besteht darin Zwang auszuüben und eine Schädigung der anderen Person zu erzielen. Handlungen die durch Zwang ausgeübt werden, lassen sich in drei Kategorien einteilen: Drohungen, körperliche Gewalt und Strafen. In Bezug auf meine Arbeit möchte ich nur den Begriff körperlicher Gewalt nach Tedeschi et al. erklären: Körperliche Gewalt beruht auf der überlegenen Kraft der Person, der sie ausübt (Bierhoff, S. 130).

Zimbardo definiert menschliche Aggression als körperliches oder verbales Handeln, das mit der Absicht ausgeführt wird, zu verletzen oder zu zerstören. Eine extreme und sozial nicht akzeptable Form von Aggression ist Gewalt (aus: Zimbardo, S. 425).

Nolting verweist auf eine Definition von Hacker, in der Aggression nicht nur als ein Verhalten und Handeln, sondern ebenso als Emotion verstanden wird (Nolting, S. 30). In diesem Sinne wird eher von Aggressivität anstatt Aggression gesprochen. Aufgrund dessen, das innere Beweggründe und äußeres Verhalten eng zusammenhängen, kann selten eine Unterscheidung getroffen werden. Wird über einen Jungen behauptet, dass er sich, gegenüber seinen Vater, aggressiv verhält, kann einerseits gemeint sein, dass er wütend auf seinen Vater ist, ihn hasst oder Rache verspürt und andererseits, dass er ihn schlägt, beschimpft oder verspottet. Im weitesten Sinne kann auch beides zusammen gemeint sein.

1.2 Formen von Aggression

Nach Nolting gibt es typische Erscheinungsformen von Aggression. Diese unterteilt er grob in:

a) Körperliche Aggressionsform wie Schlagen, Kratzen, Beinstellen, Schießen, Würgen, Vergiften und viele andere
b) Verbale Aggressionsform, die einerseits ihrem Inhalt nach aggressiv sind wie Verleumden, Hetzen, Drohen, Lächerlichmachen usw. und andererseits, die sich auch durch einen eigenen Wortschatz auszeichnen wie Fluchen, Schimpfen usw. Ebenso gehören zur verbalen Aggressionsform auch die Stimmlage und der Tonfall wie das Schreien und der „harte Unterton“.
c) Mimisch-gestische Aggressionsform wie bspw. Zähne fletschen, böse Blicke, Zunge rausstrecken, drohenden Finger heben usw. (Nolting, S. 31)

Berkowitz unterscheidet nach dem Kriterium der Intention der Handlung. Demnach definiert er folgende Aggressionsformen:

a) Feindselige Aggression, die aus Emotionen wie Ärger, Zorn und/oder Wut entsteht und dazu dient, einer anderen Person Schmerzen oder Verletzungen zuzufügen
b) Instrumentelle Aggression, die als Mittel dient, um ein anderes Ziel zu erreichen, als nur Schmerz zuzufügen (Aronson, S. 440).

Das Verhalten von Eric, Dylan und Robert kann somit als aggressives Verhalten definiert werden. Da es sich um eine extreme und nicht sozial akzeptable Form von Aggression handelt, kann man in beiden Fällen sogar von gewalttätigen Verhalten sprechen. Nach Noltings Einteilung aggressiver Formen entspricht das Verhalten der drei Jungs, dass der körperlichen Aggressionsform. Ausgehend von Berkowitz bezeichnen wir die Aggressionsform der Jugendlichen als feindselige Aggression, denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Jugendlichen als problematisch in der Schule galten und somit bei den Lehrern unbeliebt waren. Über Robert K. ist berichtet worden, dass er kurz vor seiner Abiturprüfung stand, zu der er aber nicht zugelassen wurde.

2. Theorien aggressiven Verhaltens

Im folgenden Kapitel geht es um die wissenschaftlichen Erklärungsansätze zur Aggression. Im ersten Abschnitt geht es um eine der klassischen Grundposition, die die Debatte mitbestimmt hat, die Triebtheorie der Psychoanalyse. Im zweiten Abschnitt wird der Zusammenhang zwischen Frustration und Aggression erläutert. Ebenso soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern aggressive Hinweisreize zu aggressiven Verhalten beitragen. In der dritten Position, der lerntheoretische Ansatz, wird davon ausgegangen, dass aggressives Verhalten überwiegend auf Lernvorgängen beruht. Hierbei wird zwischen instrumenteller Konditionierung und Lernen am Modell unterschieden. Im letzten Abschnitt wird aggressives Verhalten als soziale Interaktion betrachtet.

2.1 Aggression als Instinkt

Den größten Einfluss übten die psychoanalytische Theorie nach Sigmund Freud und die der Ethologie nach Konrad Lorenz aus. Da die triebtheoretische Annahme in der heutigen Sicht der sozialpsychologischen Forschung nur noch einen historischen Charakter hat, findet sie in der Literatur nur wenig Bedeutung. Deshalb werde ich an dieser Stelle nur kurz auf die Ansätze von Freud und Lorenz eingehen.

2.1.1 Die psychoanalytische Theorie

Im Rahmen seiner psychoanalytischen Theorie entwickelte Sigmund Freud seine duale Instinkttheorie. Dem Wunsch nach Selbsterhaltung (Eros) wird der Todestrieb (Thantos) entgegengestellt, dieser ist auf Zerstörung organischen Lebens und Erreichen des Zustandes anorganischer Materie gerichtet. Der Todestrieb bedeutet auch die Vollendung des „Nirwanaprinzips“, die Tendenz des Organismus, Spannungen zu reduzieren und letztlich einen Zustand der Spannungslosigkeit zu erreichen. Das eigentliche Ziel des Todestriebes ist die Selbstzerstörung. Nach Freud wirkt der Todestrieb aber nie allein, sondern im Zusammenspiel mit dem Eros. Zudem wird der Todestrieb nach außen auf andere gerichtet und entlädt sich in Form von Aggression. Der so genannte Aggressions- und Destruktionstrieb ist also der abgelenkte Todestrieb des Menschen (Nolting, S. 53). „Das Lebewesen bewahrt sozusagen sein eigenes Leben dadurch, dass er Fremde zerstört“ (zit. n. Nolting, S. 53). Das Bedürfnis nach Destruktion erzeugt eine Spannung, die durch aggressive Handlungen reduziert wird. Nach Freud ist das aggressive Verhalten unvermeidlich (Mummendey, aus: Stroebe, Hewstone & Stephenson, S. 423). Ein nichtdestruktives Konzept wäre das der Katharsis, die in dieser psychoanalytischen Theorie Anhang findet. Das katharsische Konzept besagt, dass ein „Dampf ablassen“; durch eine aggressive Handlung, das Beobachten anderer bei Aggressionsverhalten oder der Hingabe zu aggressiven Phantasien; von angestauten aggressiven Energien befreit und somit die Wahrscheinlichkeit von weiteren aggressiven Handlungen reduziert (Aronson, S. 464, Mummendey, aus: Stroebe et al., S. 423).

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Bowling for Columbine
Hochschule
Universität Lüneburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V42592
ISBN (eBook)
9783638405904
Dateigröße
643 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es wird auf verschiedenen theoretischen Konzepten das Aggressionsverhalten von Kindern und Jugendlichen dargestellt.
Schlagworte
Bowling, Columbine
Arbeit zitieren
Janine Kempin (Autor:in), 2004, Bowling for Columbine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42592

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