"Die Sozialität ist Ursache der Universalität ethischer Urteile und bildet die Grundlage der verbreiteten Behauptung, daß die Stimme aller die allgemeine Stimme sei; daß heißt, daß jeder vernunftbegabte Mensch die Situation gleich einschätze."
Diese Aussage George Herbert Meads hat ihren praktisch-politischen Niederschlag in der Charta der Menschenrechte gefunden: die Menschenrechte formulieren ein universales moralisches Grundgerüst des menschlichem Umgangs, welches als "Stimme der Allgemeinheit" das gesellschaftliche Ziel eines friedlichen und respektvollen Miteinanders der Menschen einfordern und geltend machen will. Dieses moralische Grundgerüst erscheint in einer immer mehr vernetzten und global verstrickten Welt die einzige Ordnung zu sein, auf welche sich die verschiedenen weltpolitischen Akteure einigen können.
Hier stellt sich grundlegend die Frage, ob es überhaupt möglich ist, "die Vielheit, die Differenzen und Konflikte, die zwischen den verschiedenen Lebenswelten, Traditionen und Kulturen auftreten, durch die Zugehörigkeit zur Menschheit als einer einzigen 'Allgemeinschaft' [...], durch die Etablierung einer "Gesellschaft von Fremden" oder durch das Postulat einer allgemein zugänglichen "moralischen Gemeinschaft" in Schach zu halten". In einer globalisierten Welt scheint für Fremdheit wenig Platz zu sein. Mit der Proklamierung der universalen Menschenrechte versucht die globalisierte Gemeinschaft, auf der ethischen Basis eines universalen Rechtskatalogs die Menschheit zu einer Allgemeinschaft zu vereinen. Durch die netzwerkartigen Verbindungen von Macht, Wirtschaft und Information scheinen wir uns daran zu gewöhnen, dass uns andere Lebensstile, Denkweisen und Kulturen zwar anders, aber nicht in dem Sinne fremd vorkommen, als dass wir eine Zugänglichkeit oder ein Verstehen für unmöglich halten würden; die menschliche Rationalität verleiht den verschiedenen Kulturen eine gemeinsame Handlungsbasis und scheint uns in dem Begriff "Menschheit" zu vereinen. Die funktionale Differenzierung und die Installation eines universalen ethischen Systems, in welchem der Menschheit eine gemeinschaftliche rechtliche Grundlage gegeben werden soll, lassen bei Waldenfels die Frage entstehen, ob dies "überhaupt noch einen starken Begriff von Fremdheit, Fremderfahrung und Fremdwelt zuläßt", also einen Begriff der Fremdheit, der das Originäre des Begriffes bewahrt und nicht als ein jeweils Individuelles unter das Ganze der Menschheit subsumiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Universale Horizonte
- Das Eigene und das Fremde
- Begriff und Erfahrung des Fremden
- Zersplitterung der Ordnung
- Ordnung und Außerordnung
- Anspruch des Fremden und Antwort
- Fremdes im interkulturellen Umgang
- Interkulturelle Zwischenspiele
- Aneignung und Enteignung
- Eingemeindung des Fremden
- Der vernünftige Diskurs ....
- Interkultureller Diskurs und Menschenrechte
- Unschließbare Klüfte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Platz des Fremden im interkulturellen Umgang und analysiert, wie das Konzept der Fremdheit im Kontext der Menschenrechte diskutiert werden kann. Die Arbeit beleuchtet, wie die Universalität der Menschenrechte mit der Pluralität und Differenz der Kulturen in Einklang gebracht werden kann.
- Das Verhältnis von Eigenem und Fremdem
- Die Bedeutung von Erfahrung und Intentionalität in der Wahrnehmung des Fremden
- Die Rolle der Menschenrechte im interkulturellen Umgang
- Die Frage nach der Eingemeindung des Fremden in eine globale Gesellschaft
- Die Herausforderungen der Pluralität und Differenz im Kontext der Menschenrechte
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Universale Horizonte: Die Einleitung führt in die Thematik des Fremden im interkulturellen Umgang ein und stellt die Frage nach der Universalität der Menschenrechte in einer globalisierten Welt. Die Arbeit setzt sich mit der Problematik auseinander, die Vielheit von Kulturen und Lebenswelten unter dem Dach der Menschheit zu vereinen.
- Das Eigene und das Fremde: Dieses Kapitel behandelt den Begriff und die Erfahrung des Fremden. Es werden unterschiedliche Aspekte der Fremdheit, wie der Ort, der Besitz und die Art und Weise, wie etwas als fremd erscheint, beleuchtet. Waldenfels argumentiert, dass jede Erfahrung eine Selektion und Exklusion aus einer Pluralität von Erfahrungen darstellt, und dass diese Scheidung die Vorbedingung für die Existenz des Fremden bildet.
- Fremdes im interkulturellen Umgang: Dieses Kapitel befasst sich mit den Herausforderungen des interkulturellen Umgangs, insbesondere mit den Problemen der Aneignung und Enteignung von Kultur.
- Eingemeindung des Fremden: Hier wird die Frage nach der Eingemeindung des Fremden in eine globale Gesellschaft diskutiert. Es wird untersucht, ob der „Anspruch des Fremden“ in einer umfassenden Ordnung gerecht werden kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Fremdheit, interkultureller Umgang, Menschenrechte, Globalisierung, Pluralität, Differenz, Intentionalität, Erfahrung und die Phänomenologie des Fremden.
- Arbeit zitieren
- Johannes Doll (Autor:in), 2005, Der Platz des Fremden im interkulturellen Umgang - Überlegungen zu Fremdheit und Menschenrechten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42640