Günter Grass und seine Reisen nach Indien am Beispiel von 'Zunge zeigen'


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

Ein Wort zuvor

Deutsche Autoren und Indien, eine Einführung

Günter Grass und Indien

Reisen nach Indien

Zunge zeigen

1.1 Das Reisetagebuch
1.2 Die Zeichnungen
1.3 Der Gedichtzyklus „Kali Pujah ist angesagt“

Kritik

Epilog

Ein Wort zuvor...

Günter Grass. Was fällt einem zu Günter Grass ein? Nun, bestimmt zuerst der Autor Grass. „Die Blechtrommel“. Sein Nobelpreis für Literatur. Weiter: Den Pfeife rauchenden Günter Grass. Worte über Grass von Seiten Reich-Ranicki’s, seinem schärfsten Kritiker. Vielleicht erinnert man sich an Skulpturen, Zeichnungen, die von ihm stammen. Interessant. Also ein vielseitiger Mensch. Schlagen wir im Wörterbuch nach: „Grass, Günter, *Danzig 16.10.1927, dt. Schriftsteller und Grafiker. G. trat nach dem Studium der Bildhauerei literarisch zuerst als Lyriker [...] und Dramatiker [...] an die Öffentlichkeit“[1] so Brockhaus. Es folgt eine Aufzählung sämtlicher Werke. Darunter auch sein Bericht „Zunge zeigen“ aus dem Jahre 1988. Was bei weiteren Recherchen über dieses doch eher unbekannte Werk deutlich wird: es handelt von einer Reise, von einer Zeit, die auf das Leben Grass’ sehr viel Einfluss hatte, von dem aber nie viel an die Öffentlichkeit drang. Sozusagen eine Seite des Dichters und Bildhauers, die vielen noch nicht bewusst war und oft im Schatten steht. Auch mir war diese Seite unbekannt, bevor ich mich zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert sah. Also versuche ich mich ihm anzunähern. An den Menschen Günter Grass, an Indien, an die Zusammenhänge Indien und Grass und an seine Reisen. Was hat er gesehen, was festgehalten und wie hat er es erzählt? Und was hat er mit Tusche festgehalten, denn es ist nicht nur ein Bericht, es ist auch eine Sammlung von Zeichnungen, da die Malerei eines der Wege für Grass ist, seine Erlebnisse „niederzuschreiben“ und wortwörtlich zu illustrieren. Was hat er mitgenommen, was gibt er preis und somit vielen Menschen weiter? Was hat Grass in Indien gesucht? Wichtiger noch: Was hat er tatsächlich dort gefunden?

Im Laufe dieser Arbeit versuche ich die Eindrücke, die Grass von der durchaus „anderen“ Kultur Indiens gewonnen hat zu analysieren.

Deutsche Autoren und Indien, eine Einführung

Die Liste der deutschen Schriftsteller, Philosophen und Kulturkritiker, die sich mit der so andersartigen Denk- und Lebenswelt Indiens beschäftigt haben, ist verblüffend lang: Herder, Goethe, Novalis, die Brüder Schlegel, Jean Paul, Heinrich Heine, Friedrich Rückert, Schopenhauer, Nietzsche, Max Müller, Hermann Hesse, Stefan Zweig, zuletzt auch Günter Grass und Peter Sloterdijk, um nur die wichtigsten zu nennen. Es ist das Erstaunliche gerade an der deutschen Beschäftigung mit Indien, dass schon lange ein Indien-Mythos aus der Ferne aufgebaut wurde. Indien als die Antipode zum Europäischen. Die Verschmelzung Mensch- Natur. Ein Traumbild für die Romantiker, die meditative Gelassenheit. Später der Gegensatz zum aufklärerischen Deutschland. Die religiösen Mythen, die ästhetisch anmutende Götterwelt Indiens. Mit dem 20. Jahrhundert kam dann die Zeit der Reisen in diese mythenbelastete Welt Indiens. Und so folgten auch die Impressionen, festgehalten von Hermann Hesse, Stefan Zweig oder auch Günter Grass. Indien rückt ein Stück näher[2]. Doch jeder Autor nahm unterschiedliche Dinge wahr, konzentrierte sich auf andere Eindrücke. Hesse, der mit „Siddharta“ dem Buddhismus und der indischen Götterwelt ein literarisches Denkmal gesetzt hat und ein blumiges Indien zeichnet, seine religiöse Seite beleuchtet und die Mythen aufnimmt steht damit im deutlichen Kontrast zu Günter Grass’ Beschreibungen Indiens in „Zunge zeigen“. Kaum ein anderer skizziert dieses Land so schonungslos wie Günter Grass.

Günter Grass und Indien

Indische Elemente tauchen in Günter Grass′ Erzählungen vielfach auf. Bereits in der Erzählung „Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus“ (1980) und in dem Reisetagebuch „Zunge zeigen“ (1988) setzt er sich nach längeren Asien- und vor allem Indien-Aufenthalten mit der Thematik ‚Dritte Welt′ auseinander. Später soll seine Erzählung „Unkenrufe“ (1992) folgen.

Doch ist vor allem in „Zunge zeigen“ deutlich ein autobiografischer Zug Grass’ zu sehen. Insbesondere in diesem Werk hat sich Grass intensiv mit den extremen sozialen Lebensverhältnissen Indiens, insbesondere der Metropole Kalkutta auseinander gesetzt.

Reisen nach Indien

Im Jahre 1975 betrat Günter Grass zum ersten Mal indischen Boden. Dieses war ein Kurzbesuch, er war eingeladen, in Delhi zu referieren. Im Rahmen dieser Reise weilte er unter anderem auch in Kalkutta, dem indischen Armenhaus. Und Grass nahm sich vor, wiederzukehren. In einem Interview sagt er: „Calcutta war der Ort, wo ich gesagt habe: Da mußt du wieder hin. Es hat sehr lange gedauert, bis ich - ein Jahrzehnt später, 1986 - mit dem Ziel, nach Calcutta zu reisen, noch einmal nach Indien gekommen bin“[3].

11 Jahre später: mit dem Vorhaben, ein Jahr lang in Indien zu bleiben, reist Grass im August 1986 zusammen mit seiner Frau Ute nach Kalkutta. „Nicht nur er, auch die Stadt hatte sich verändert. Mit Hochhäusern und U-Bahn-Baustellen sah sie fortschrittlicher aus; und fortgeschrittener zeigte sich ihr Verfall [...]. Als sie da waren, beide, entsetzte die Stadt sie [Ute Grass, Anm. K.V.], ihn nicht mehr“[4].

Grund seiner Reise war, wie er sagte, „welche Utopie, konkrete Utopie von Gandhi vorgezeichnet worden ist, und wie Gandhis Ideen zum Teil in der indischen Verfassung stehen, das interessierte mich“[5]. Er wählte Kalkutta, weil in der ehemaligen Hauptstadt die kolonialen Züge am präsentesten waren. Die Vergangenheit Indiens zieht sich durch die ganze Stadt. Und nicht nur das: auch die Slums sind nicht wie etwa in Delhi an die Stadtgrenzen gedrängt worden, sondern „die Stadt ist ganz und gar durchsuppt davon“[6]. Der Unterschied Armut - Reichtum kommt in Kalkutta sehr zum tragen, und genau das reizte, interessierte ihn. Ebenfalls suchte er den indischen Mythos in Form der indischen Göttin Kali, einem Symbol des Schreckens wie auch sein Scham der Europäer gegenüber Indien.

Seine Reise war aber auch als eine Flucht zu betrachten, eine Flucht vor dem Machtwechsel in Deutschland, dem damaligen Amtsantritt Kohls und des damit verbundenen Regierungswechsels der SPD mit Willy Brandt an der Spitze, für den Grass immer sympathisierte und den er sein politisches Vorbild nennt.

Er wusste durch seinen vorherigen Aufenthalt, was ihn erwarten wird. Sein Skizzenbuch wird zu seinem ständigen Begleiter. Grass besuchte die arme Bevölkerung wie auch den bengalischen Mittelstand, Tempel, Künstlerdörfer, Leichenverbrennungsanstalten, Kinderheime und Leprahospitäler, wurde Augenzeuge. Und hält alles fest, in Bildern und Worten. Selbst sagt er über das „Endresultat“ seines Aufenthaltes, das Reisetagebuch „Zunge zeigen“: „Es ist ein Buch, das langsam seine Form gefunden hat, weil es für mich als Buchexperiment etwas Neues war. Ich habe alle meine Möglichkeiten ausgenutzt: nicht nur das Zeichnen, sondern auch die Prosa-Tagebuchform, in "Zunge zeigen" sind meine Aufzeichnungen umgearbeitet, weitergeführt, verdichtet. Das Ganze ließ ich dann münden in ein langes Stadtgedicht. Und dabei spielen natürlich ganz andere Themen eine Rolle - das Hochwasser und die Kali-Puja oder die Durga-Puja, die großen Feste“[7].

Zunge zeigen

Reisetagebücher sind immer etwas ganz persönliches. Der Autor lässt den Leser durch seine Augen ein Land wahrnehmen und führt ihn somit in eine andere Welt. Für Menschen, die das beschriebene Land bereits kennen, werden sich dadurch viele neue Bilder in „sein“ Puzzle fügen, Bilder die er so noch nicht wahrgenommen hat und die nun vielleicht um einen neuen Aspekt, um eine neue, andere Dimension bereichert oder aber beeinträchtigt werden. Für die mit dem Land noch unvertrauten Leser wird ein enger Blick fokussiert, er sieht nur das, was der Autor ihn sehen lassen will. Objektivität kann man nicht verlangen.

Grass unterteilt seinen Bericht „Zunge zeigen“ in drei Teile: den eigentlichen Bericht, die von ihm gefertigten Tuschezeichnungen und abschließend einen Gedichtzyklus, den er mit „Kali Pujah ist angesagt“ betitelt. Diese drei Teile spiegeln seine Sicht auf Indien in verschiedener künstlerischer Ausdrucksform wieder.

[...]


[1] Der Brockhaus in drei Bänden 2000, S.8

[2] vgl. http://www.fruehjahrsbuchwoche.de/2002/artikel02/02artik07.html, zuletzt besucht am 17.02.2008

[3] http://www.goethe.de/su/cal/deg_int.htm, zuletzt besucht am 17.02.2005

[4] Grass 1988, S. 109

[5] http://www.goethe.de/su/cal/deg_int.htm, zuletzt besucht am 17.02.2005

[6] ebd.

[7] http://www.goethe.de/su/cal/deg_int.htm, zuletzt besucht am 17.02.2005

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Günter Grass und seine Reisen nach Indien am Beispiel von 'Zunge zeigen'
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Germanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V42674
ISBN (eBook)
9783638406628
Dateigröße
613 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit beinhaltet eine Analyse von Grass' "Zunge zeigen" unter dem gesichtspunkt der Beschreibung der Fremdwahrnehmung
Schlagworte
Günter, Grass, Reisen, Indien, Beispiel, Zunge
Arbeit zitieren
Katja Völkel (Autor:in), 2005, Günter Grass und seine Reisen nach Indien am Beispiel von 'Zunge zeigen', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42674

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