Religionsfreiheit und Integrationschancen im säkularen Rechtsstaat nach Heiner Bielefeldt


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung: Säkularität
2.1 Neutralität des säkularen Rechtsstaates
2.2 Geltungsvorrang des säkularen Rechts ,
2.3 Toleranzpolitik VS. Religionsfreiheit
2.4 Säkularitätskonzepte

3. Muslimische Positionen zum säkularen Rechtsstaat

4. Grenzen der Religionsfreiheit

5. Fazit

6. Literatur

1.Einleitung

Muslime und säkularer Rechtstaat. Zwei Begriffe, die im öffentlichen Diskurs immer wieder zur Sprache kommen. Können Muslime mit Säkularität umgehen und kann man ihnen ein Leben in der Diaspora ermöglichen? Welche Verpflichtungen hat der säkulare Rechtsstaat den muslimischen Mitbürgern gegenüber? Und ist der islamische Glaube mit unserem Grundgesetzt vereinbar?

In seinem Buch: ״Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit“ versucht Professor Heiner Bielefeldi Begriffsschwierigkeiten und Missverständnisse zu klären. Er zeigt einen Lösungsansatz aus Perspektive der politischen Philosophie auf, den es zu beleuchten und zu hinterfragen gilt. Ist dieser Ansatz nur in der Theorie umsetzbar oder ermöglicht er eine Klärung in vielen Streitfragen?

Diese Arbeit soll eine kritische Analyse Bielefeldts Überlegungen zu den Integrationschancen für muslimische Bürger im säkularen Rechtsstaat sein. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Religionsfreiheit als ein Menschenrecht und Grundrecht, welches Basis für einen säkularen Rechtsstaat bildet. Stehen seine Überlegungen zur Religionsfreiheit in Konflikt mit anderen Menschenrechten? Zunächst wird gezeigt, was Säkularität genau bedeutet und welche Merkmale sie beinhaltet. Die ersten drei Unterkapitel sollen die genauen Eigenschaften beleuchten und hinterfragen. Am Ende werden in diesem Kapitel unterschiedliche Säkularitätskonzepte vorgestellt, welche unter anderem im Konflikt mit der liberalen Demokratie Stehen. Das zweite Kapitel soll bestimmte muslimische Positionen zum säkularen Rechtstaat und deren Diversität aufzeigen. Im dritten Kapitel werden die Grenzen der Religionsfreiheit in Bezug auf den Islam und andere Menschenrechte konkretisiert. Im Fazit sollen Bielefeldts Überlegungen in der Theorie auf andere Religionen, die dem säkularen Rechtsstaat fremd sind, angewendet werden. Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, zu zeigen, ob Bielefeldts Überlegungen in der Praxis umsetzbar sind und ob Religionsfreiheit zu Recht ein elementares Menschenrecht und Grundrecht ist.[1]

2.Begriffsklärung: Säkularität ״Der Begriff der Säkularität charakterisiert den Staat [...] als ein weltliches Gebilde.“ Dieses Zitat Bielefeldts verweist auf die elementarste Eigenschaft eines säkularen Staates: Der säkulare Rechtsstaat beruft sich nur auf weltliche Dinge und ist auch nur für diese zuständig. Er kann und darf sich nicht auf religiöse Grundlage stützen und handelt nicht im Auftrag einer Religion bzw. eines Gottes.

2.1 Neutralität des säkularen Rechtstaates

Bielefeldi spricht im Kapitel II. davon, dass die alleinige Eigenschaft des weltlich Seim für einen säkularen Rechtstaat im Sinne der Demokratie nicht ausreicht. Im Zusammenhang mit Demokratie bedeutet das, so Bielefeldi, dass ein Rechtstaat welcher säkular begründet ist, neutral gegenüber Fragen sein muss. Im Zuge dessen wurde ein Begriff für diese gewünschte Neutralität eingefügt: ״Nicht-Identifikation“.[2] Dieses Prinzip soll es dem Staat ermöglichen, Respekt gegenüber jedem Individuum auszudrücken und deren Recht darauf, ihr eigenes Leben frei zu entfalten.[3] Dabei müssen beide Komponenten - Respekt und Nicht-Identifikation stets als Einheit begriffen werden.[4] Durch den Verzicht auf eine Identifikation kommt es zu einer staatlichen Nicht-Kompetenz dadurch, dass der Staat sich einer generellen Handlung untersagt.[5] Im Sinne der Freiheit eines jeden Menschen scheint diese Überlegung jedoch nicht so wichtig zu sein, da die Nicht-Identifikation des Staates es jedem ermöglicht, frei zu wählen wer man sein möchte und an was man glauben will. Der Gedanke, dass nur Vertreter des islamischen Fundamentalismus, welcher die Säkularität mit der ״Jahiliyya“[6] gleichsetzt, sich gegen die Säkularität auflehnen, ist falsch.[7] Vielmehr hat die christliche Kirche sich jahrelang gegen die Säkularität ausgesprochen und dagegen gekämpft.[8] So lässt sich festhalten, dass Säkularität kein Problem des Islams ist, sondern ein generelles Problem für Religionen - auch in der westlichen Welt. Bielefeldi weist darauf hin, dass es im Zuge der folgenden

Überlegungen wichtig ist, die Säkularität des Staates unter der Perspektive der Religionsfreiheit zu untersuchen.[9] Somit bildet sein Text keine Basis für die Perspektive eines anderen Menschenrechts. Die Religionsfreiheit im Zuge des säkularen Rechtstaates ermöglicht es, dass der Staat sich nicht für die Einhaltung einer bestimmten Religion einsetzen darf. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Freiheit eines jeden Individuums im religiösen Bekenntnis und Praxis zu sichern.[10] Die Religionsfreiheit ist im Grundgesetz mit anderen grundlegenden Rechten verankert und fundiert auf der Würde des Menschen.[11]

״Der Verdacht, dass eine religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates streng genommen gar nicht möglich sei, lässt sich nicht leicht entkräften.“[12] Dieses Zitat spielt darauf an, dass die gewünschte Neutralität nicht oft der Wirklichkeit entspricht. So ist nicht schwer zu erkennen, dass ein Staat oft eine unterschiedliche Nähe oder Kooperationen zu unterschiedlichen Religionen hat. Wenn man sich den deutschen säkularen Rechtstaat anguckt, ist leicht zu sehen, dass der Staat eine gewisse Sympathie mit der christlichen Religionsgemeinschaft aufzeigt. Besonders viele Kooperationen lassen sich im Bereich des Sozialen Diensts erkennen.[13] Bielefeldi spricht davon, dass der Neutralitätsbegriff nur als kritisch-normatives Konzept Sinn ergibt. So bietet er die Möglichkeit Diskriminierungen jeglicher Art des Staates gegenüber einer Religionsgemeinschaft aufzuweisen.[14] Positiv anzumerken ist, dass Bielefeldi die negativen Positionen ebenso beleuchtet. So weist er darauf hin, dass gegen den Neutralitätsbegriff die religiöse Sprache des Grundgesetzes spreche. Das geforderte Bekenntnis, welches in Artikel I Absatz 2 zur Sprache kommt, soll einen theologischen Sinn inne tragen.[15] Dieses Argument lässt sich durch eine Differenzierung des Begriffs das Bekenntnis entkräften. Kritiker des säkularen Rechtsstaates werden den Begriff religiös oder weltanschaulich begründen. Im Sinne des säkularen Rechtstaates soll es sich jedoch um ein rechtsethisches Bekenntnis handeln.[16] Durch die ungenaue Formulierung des Grundgesetztes wird Raum für Interpretation und Kritiker des Systems eingeräumt. Die Frage stellt sich, warum bestimmte Dinge im Grundgesetz nicht genau konkretisiert werden, wodurch Diskussionen um Sprache und die Bedeutung einzelner Wörter vermieden werden könnten. Aber der Raum für Interpretation ermöglicht es auch Anhängern einer Religionsgemeinschaft, das geforderte rechtsethische Bekenntnis religiös deuten. Ebenso ermöglicht es Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft anhängen, die Prinzipien der Verfassung nicht religiös zu deuten.[17]

״So kann man davon ausgehen, dass für einen gläubigen Christen, das Verständnis der Menschenwürde in der biblischen Idee der Gottesebenbildlichkeit des Menschen gründet, während ein Muslim eher an die im Koran proklamierte Sonderstellung des Menschen als Statthalter (Khalifa) Gottes auf Erden denken dürfte.“[18]

Ebenso gibt es Begründungen der Würde, die auf anderen Dingen fußen, wie der sittlichen Vernunft. Manchen Menschen wird es auch vollkommen egal sein, worauf sich unsere Würde begründet. Wichtig ist nur, dass der säkulare Rechtsstaat keine dieser Begründungen befürworten darf.

2.2 Geltungsvorrang des säkularen Rechts

Der Geltungsvorrang des säkularen Rechts ermöglicht es, dass die Würde des Menschen oberste Priorität des Staates ist und geschützt werden muss. Dadurch wird die Religionsfreiheit so lange nicht eingeschränkt, bis ihre Praxis die Würde eines Menschen beeinträchtigt. Durch den Geltungsvorrang wird vor allem untermauert, dass eine Religion niemals Fundament des Staates sein kann und darf. Ebenso bedeutet die Religionsfreiheit vor allem Akzeptanz. Das heißt, dass ein gläubiger Christ akzeptieren muss, dass ein Moslem in der Stadt offen seinen Glauben praktiziert und für ihn wirbt, genau wie andersherum. Genauso muss es eine Akzeptanz zwischen Nicht-Glauben und Glauben geben. Niemand darf gezwungen werden, sich mit Glaubensinhalten auseinanderzusetzen, genauso wie daran gehindert werden. In der Theorie sind diese Überlegungen vollkommen klar dadurch, dass wir selbstbestimmt leben wollen. In der Praxis sieht man aber, dass diese Tatsachen für viele Menschen nicht klar sind. So ist das Entsetzen oft groß, wenn es zum Beispiel um den Bau einer Moschee oder die Verschleierung geht.[19] Wenn eine christliche Kirche abgerissen wird, ist die Empörung wiederum hoch, da dieses Gotteshaus zu der westlichen Normalität gehört.[20] Bielefeldts Überlegungen hierzu zeigen, dass es nicht abzustreiten ist, dass der deutsche säkulare Rechtsstaat, trotz gewünschter Neutralität, christlich geprägt ist und christliche Glaubensinhalte für normal und wünschenswert anerkennt. Und diese Prägung ist in der gesamten Gesellschaft zu erkennen. Der Islam wird oft als Feindbild gesehen und löst Befremdlichkeit aus. An der Konstruktion dieses Feindbild lässt sich erkennen, dass der Mensch zufrieden ist, solange die eigenen Glaubensinhalte konform mit dem gewohnten System gehen. Bei anderen Glaubensinhalten werden dann schnell bestimmte Menschenrechte einem Individuum im Gespräch aberkannt, da der Islam Z.B. nur auf Gewalt und Zerstörung aus wäre. Besonders in kleineren Ortschaften in Deutschland kann es dadurch für Andersgläubige schnell sehr ungemütlich werden. Im Prozess des Umdenkens ist es wichtig, dass die Menschen verstehen, dass der Glaube immer nur ein Glaube ist und bleibt. Und dass die Menschenrechte, allen voran die Menschenwürde, eines der kostbarsten Güter der Neuzeit ist und wir diese schätzen und schützen sollen. Dann scheint es gar nicht mehr so schlimm, dass das säkulare Recht Geltungsvorrang hat, man aber trotzdem frei und selbstbestimmt glauben darf, oder eben nicht.

2.3 Toleranzpolitik VS. Religionsfreiheit

In Bezug auf den säkularen Rechtsstaat ist es wichtig zu wissen, dass Toleranz nicht dasselbe wie Religionsfreiheit bedeutet.[21] Toleranzpolitik wurde vor allem im Zusammenhang mit religiösen Dissidenten praktiziert und blieb dabei stets an Wahrheit und Irrtum von Religion und derer Differenz orientiert.[22] So hatte unter Kaiser Joseph II. der Katholizismus den Vorrang gegenüber dem Protestantismus und somit mehr Rechte.[23] Der Staat nimmt hierbei eine konkrete religiöse Position ein und sieht diese als Maxime für das richtige Handeln an. Toleranzpolitik bedeutet nicht viel mehr, als einen anderen Glauben als den eigenen zu dulden. Hierbei kommen dem

[...]


[1] Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld: transcript Verlag 2003, S.15.

[2] Ebd., S.17.

[3] Vgl. Ebd.

[4] Vgl. Ebd., S.23.

[5] Vgl. Ebd., S.17.

[6] Ebd., S.18.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld: transcript Verlag 2003, S.18.

1э Vgl. Ebd., S.19

[11] Vgl. Ebd.

[12] Ebd.

[13] Vgl. https://www.dbk.de/katholische-kirche/katholische-kirche-deutschland/aufbau-kath- kirche/kirche-staat/.

[14] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld: transcript Verlag 2003, S.21.

[15] Vgl. Ebd., S.20.

[16] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld: transcript Verlag 2003, s.20f.

[17] Vgl. Ebd., S.22.

[18] Ebd.

[19] Vgl. https://www. mein bezirk.at/tulln/politik/scharfe-kritik-an-dem-bau-der-moschee-in-tulln- dl079875.html.

[20] Vgl. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-01/erkelenz-immerather-dom-abriss- greenpeace-protest-braunkohletagebau.

[21] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld: transcript Verlag 2003, S.24.

[22] Vgl. Ebd., S.25.

[23] Vgl. Ebd., S.26.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Religionsfreiheit und Integrationschancen im säkularen Rechtsstaat nach Heiner Bielefeldt
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
2,0
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V427395
ISBN (eBook)
9783668715646
ISBN (Buch)
9783668715653
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
religionsfreiheit, integrationschancen, rechtsstaat, heiner, bielefeldt
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Religionsfreiheit und Integrationschancen im säkularen Rechtsstaat nach Heiner Bielefeldt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427395

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