Rehabilitationsleistungen in der Behindertenhilfe. Persönliche Zukunftsplanung im Kontext gängiger Hilfeplan-Verfahren


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Ansatz Persönliche Zukunftsplanung
2.1 Ursprung und zentrale Aspekte
2.2 Das Konzept der Lebensqualität als Basis von PZp
2.3 Inhalt und Methodik von PZp
2.4 Grenzen der PZp

3 Hilfeplan-Verfahren
3.1 Hintergründe der Individualisierung von Hilfeplan-Verfahren
3.2 Beschreibung der Hilfeplan-Verfahren

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Literatur

Internetquellen

1 Einleitung

Ein Großteil der Sozialhilfeausgaben nach dem SGB XII (57%) entfielen im Jahr 2014 auf Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen (6. Kapitel des SGB XII). Für 860.500 Menschen wurden rund 15 Mio. € aufgewendet, die Zahl der Leistungsberechtigten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,1% (vgl. IntQ3). Der Anspruch auf diese Leistungen ergibt sich aus §53 Abs.1 SGB XII für Personen die „ […] durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind [...]“. Diese Personen werden als Leistungsberechtigte (NutzerInnen in der nachfolgenden Grafik; d. Verf.) bezeichnet. Als Leistungsträger werden im Rahmen der Eingliederungshilfe die überörtlichen Träger der Sozialhilfe bezeichnet. Sie sind für die Kosten und die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich. Für die fachlich-inhaltliche Umsetzung der Leistungen auf Basis des Rechtsanspruchs werden Leistungserbringer stellvertretend für die Leistungsträger beauftragt. Dieses Verhältnis der drei Positionen zueinander wird durch das sozialrechtliche Leistungsdreieck beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nun stellt sich die Frage, wie aus dem Rechtsanspruch konkrete Hilfemassnahmen abgeleitet werden können. „Die Instrumente und Verfahren zur Hilfeplanung werden insbesondere von den Spezifika des sozialrechtlichen Dreieckverhältnisses geprägt. Individuelle Hilfeplanung entsteht nicht nur im Wechselverhältnis zwischen Leistungsträger und leistungsberechtigter Person, sondern muss das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis und die damit verbundenen individuellen und kollektiven rechtlichen und vertraglichen Beziehungen berücksichtigen.“ (Niediek 2010, S. 103). Weiterhin gibt das Sozialstaatsgebot vor, daß Hilfeleistungen bedarfsgerecht erbracht werden, und die Feststellung des individuellen Hilfebedarfs eine fachliche wie auch staatliche Aufgabe darstellt (vgl. Schädler 2007, S. 163-164). Unterschiedliche Entwicklungen führten in den vergangenen Jahrzehnten zum Leitgedanken einer Individualisierung von Hilfeplanung, die den individuellen Bedarf und den einzelnen Menschen in seinem lebensweltlichen Kontext deutlich stärker berücksichtigen soll. Da ist zum einen die Modernisierung der Sozialverwaltungen im Rahmen des Models der Neuen Steuerung zu nennen. Kostensenkung und höhere Effizienz sollten u.a. durch Maßnahmen zur Aktivierung des Subjekts, eine Individualisierung von Hilfe, genaue Leistungsbeschreibung und Vergleichbarkeit von Angeboten der Leistungserbringer sowie der Qualitätsorientierung erreicht werden. Auf der fachlich-inhaltlichen Ebene fand (und findet noch immer) ein Paradigmenwechsel statt, der die Selbstbefähigung, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung auf der Basis einer ressourcen- und kompetenzorientierten Herangehensweise ins Zentrum des rehabilitativen Handelns setzt. Zudem wird durch eine „[…]ökosoziale und systembezogene Sichtweise[…]“ die Ressourcen des Umfeldes mit einbezogen (vgl. von Kardorff 2009, S. 18). Dies basierte u.a. auf dem durch die Selbsthilfebewegungen der 1970er und 1980er Jahre propagierten Empowerment -Konzept und den stärker gewordenen Forderungen nach Selbstbestimmung und autonomer Lebensführung. Die genannten Aspekte führten u.a zur Verabschiedung des SGB IX im Jahr 2001. Als zentrale Ziele von Rehabilitationsleistungen gelten nach dem SGB IX die Förderung der Selbstbestimmung und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . Die Erbringung von Leistungen der Behindertenhilfe durch Organisationen basiert gesetzlich auf individuellen Teilhabezielen und persönlichem Bedarf (vgl. Scholl, 2015, S. 217). „Individuelle Teilhabe und damit Inklusion setzt zunächst voraus, dass derjenige, der behindert ist bzw. Behinderung erfährt, befähigt wird, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Dies ist unmittelbare Zielrichtung und Gegenstand der Eingliederungshilfe und verwirklicht sich verstärkt durch einen personenzentrierten Ansatz bei der Hilfegestaltung optimaler Weise mit sozialräumlichem Bezug.“ (Sonntag; Kumetz 2011, S. 127).

Vor dem Hintergrund beschriebener veränderter Paradigmen in der Behindertenhilfe (Inklusionsgedanke, Entscheidungsbeteiligung, Individualisierung von Hilfe, gesetzliche Verankerung im SGB IX) und der Dienstleistungs- und Qualitätsorientierung in der Sozialen Arbeit allgemein (vgl. von Kardorff 2009, S. 21-23) sind die jüngeren Entwicklungen von Instrumenten zur Hilfeplanung insgesamt zu begrüßen. Allerdings ist zu bemerken, daß das Potenzial, das zur Verfügung steht durch die sozialrechtlichen und -politischen Rahmenbedingungen zerfasert wird. Es gibt daher in Deutschland eine trägerbezogene Hilfeplan-Vielfalt. Die jeweiligen Leistungsträger nutzen unterschiedlichste Verfahren zur Planung der Unterstützung. Die Art und die Intention kann dabei stark voneinander abweichen. Ob und wie der betroffene Mensch am Planungsprozess beteiligt wird variiert (vgl. Emrich et al. 2009, S. 63–64). Dies steht aber im Widerspruch zur postulierten Selbstbestimmungs- und Teilhabeforderung und dem gesetzlich festgeschriebenen Wunsch- und Wahlrecht des Menschen mit Behinderung.

Inwieweit die Umsetzung dieser Ziele, insbesondere eine Personen- statt einer Institutionszentrierung im Rahmen von Hilfeplan-Verfahren gelingt und ob der Ansatz der Persönlichen Zukunftsplanung als eine Variante von personenzentrierten Planungen eine Alternative oder eine Ergänzung darstellt soll im Folgenden betrachtet werden.

2 Der Ansatz Persönliche Zukunftsplanung

2.1 Ursprung und zentrale Aspekte

Grundsätzlich geht es bei Konzepten und Ansätzen die unter dem Oberbegriff der personenzentrierten Planung zusammengefasst werden, darum die Perspektive des Betroffenen zielführend und zentral zu übernehmen hinsichtlich möglicher Unterstützungsleistungen. Gleichermaßen ist der Blick auf Kompetenzen gerichtet und nicht auf Defizite, die v.a. in institutionsinternen Förderkonzepten abgebildet werden. Im Zentrum steht also der einzelne Mensch mit Behinderung, dem zugetraut wird Vorstellungen über sein Leben und entsprechende Ziele zu haben und diese selbstbestimmt (mit passender Hilfe) umzusetzen. (vgl. Theunissen 2012, S. 257–258). „Personenzentrierte Planung versteht sich dabei als ein aus der Praxis entstandenes und für die konkrete Praxis entwickeltes Konzept, das neben theoretischen Grundüberlegungen konkrete Planungshilfen umfasst.“ (Emrich et al. 2009, S. 71). Der Ansatz der Persönlichen Zukunftsplanung (im folgenden PZp) als ein Ansatz von personenzentrierter Planung wurde Mitte der 90er Jahre aus den USA kommend von u.a. Stefan Doose, Susanne Göbel, Ines Boban und Andreas Hinz in Deutschland bekannt gemacht und verbreitet. Es werden Weiterbildungen entwickelt und angeboten, und auch über Deutschland hinaus gewinnt PZp an Bedeutung. Es erscheinen Informationsmaterialien und Internetpräsenzen in denen u.a. der Ansatz und die Weiterbildungen curricular dargestellt werden. PZp wird in Deutschland synonym für den Oberbegriff Personenzentrierte Planung (person centred planning) verwendet (vgl. Doose 2013, S. 5–9; IntQ4). Andere personenzentrierte Ansätze wie z.B. Persönliche Lebensstilplanung, Individuelle Lebensstilplannung oder das v.a. im amerikanischen Raum eingesetzte My Plan unterscheiden sich nur leicht in der Methodik und in der jweiligen Zielgruppe. Im Rahmen dieser Arbeit wird PZp stellvertretend für diese Ansätze verwendet und betrachtet.

PZp ist als ein methodischer Handlungsansatz zu verstehen, der eben auch auf der Grundannahme basiert, dass auch Menschen mit Behinderung in der Lage sind Vorstellungen über ihr Leben zu entwickeln und diese mit Unterstützung umzusetzen. Gleichzeitig werden bestehende Probleme in der Lebensgestaltung nicht allein bei dem Menschen mit Behinderung aufgrund dieser Einschränkung verortet, sondern als Folge von sozialen Zuschreibungsprozessen gewertet.Diese sorgen dann dafür, daß vorhandene Potenziale und Visionen nicht umgesetzt werden können (z.B. aufgrund von institutionellen Strukturen). Die zentrale Intention der PZp lautet also: Erhöhung von individueller Lebensqualität, Inklusion und Selbstbestimmung. Die Umsetzung dieser Intention benötigt ein verändertes Menschenbild, das den Menschen mit Behinderung als Experten seines Lebens betrachtet und welches sich in der methodischen Herangehensweise der PZp bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung zeigt (vgl. Emrich et al. 2009, S. 72-73).

2.2 Das Konzept der Lebensqualität als Basis von PZp

Der Begriff der Lebensqualität in einem sozialwissenschaftlichen und heilpädagogischen Sinn betrachtet die Lebenslage eines Menschen zweidimensional. „Demnach muss Lebensqualität also immer in ihrer zweifachen Dimension berücksichtigt werden. Es ist zum einen »die Dimension beobachtbaren Wohlergehens « […], deren Aspekte sich auf die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse beziehen; »die zweite Dimension betrifft die subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungen der zur Verfügung stehenden Lebensbedingungen« […].“ (Emrich et al. 2009, S. 60-61). Somit gehören zur Erfassung von Lebensqualität eine objektive und eine subjektive Perspektive, die differenziert betrachtet werden können, die sich aber gegenseitig bedingen. Während die erste sich von aussen durch klare beobachtbare Indikatoren beschreiben lässt, kann die zweite Dimension nur in der direkten Auseinandersetzung mit dem Subjekt erfahren werden. „Mit der Betonung der subjektiven Perspektive zeigt die Zielperspektive der Lebensqualität einen deutliche emanzipatorischen Impetus. Es geht um Schaffung von Wahlmöglichkeiten und um die Kontrolle von Menschen mit Behinderung über das eigene Leben [...]“ (Wansing 2006, S. 134). Dieses Konzept, dass sich auch auf fachliche wie auch sozialraumorientierte Teilhabeplanung insgesamt auswirkt beschreibt klar die Zielrichtung, die PZp praktisch umsetzt, und ihr somit zugrunde liegt.

2.3 Inhalt und Methodik von PZp

Insbesondere bei einschneidenden, aber geplanten Lebensveränderungen bietet sich die PZp an. Darüber hinaus ist sie aber grundsätzlich in allen Phasen des Lebens eines Menschen mit und ohne Behinderung durchaus sinnvoll einzusetzen. (vgl. Theunissen 2012, S. 263). „Die Grundannahme des Ansatzes lautet, dass die jeweils planende Person unabhängig von ihren Beeinträchtigungen prinzipiell selbst über ihr Leben bestimmen kann. Auch in Krisenzeiten hat sie Stärken, Fähigkeiten und Interessen und ein uneingeschränktes Recht auf ungehinderte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (vgl. Emmrich 2004, 22).“ (Niediek 2010, S. 203). Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo es um die Entwicklung von Wünschen und Vorstellungen und ihre Umsetzung geht. Unabhängig ob sie sich in einem eher informellen (z.B. Familie, Freunde) oder in einem an z. B. Beratungsstellen angebundenen Rahmen abspielt. Zentraler Punkt ist dabei neben dem Menschen mit Behinderung der zu bildende Unterstützerkreis. (vgl. Doose 2013, S. 30). Die Personen, die den Menschen mit Behinderung im Rahmen der PZp begleiten und unterstützen werden von dieser selbst ausgewählt und zu einem Unterstützerkreis formiert. Es handelt sich dabei nicht um ein interdisziplinäres Professionellenteam, dass über den Betroffenen entscheidet, sondern um nahestehende und vertraute Menschen die mit ihm gemeinsam in den Prozess der Planung gehen. Die intentionale Ausrichtung bestimmt die Zusammensetzung des Unterstützerkreises, wobei der Mensch mit Behinderung wie bereits angeführt die Auswahl der Personen vor nimmt. Geht es vor allem um Zukunftsplanung im Sinne von Veränderung und ihrer Umsetzung wird der Unterstützerkreis circle of support genannt. Handelt es sich eher um Interessen und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten so bildet sich ein circle of friends. Ein Unterstützerkreis der sich nur aus Professionellen (pädagogische Fachkräfte, Sozialarbeiter etc.) zusammensetzt heißt person centered team. Dieser wird gebildet, falls es keine Anküpfungspunkte an ein verfügbares informelles Netzwerk gibt, oder der Mensch mit Behinderung sich eben von diesem distanzieren möchte (z.B. Familie). Der eigentliche Prozess der PZp sollte durch ein oder zwei erfahrene Moderatoren begleitet werden, die an der eigentlichen Planung inhaltlich nicht beteiligt sind, aber die wichtigen prozessimmanenten Apekte sicher stellen. (vgl. Emrich et al. 2009, S. 82–83). Vor dem Hintergrund der Entstehung von PZp im Rahmen des amerikanischen Gemeinwesengedankens, also der Vernetzung des Einzelnen im sozialen Nahraum, lässt sich der Aspekt der Bildung von Unterstützerkreisen einordnen. Der Mensch mit Behinderung der als Planer im Prozess der PZp die zentrale Figur darstellt, wird durch den sich unterschiedlich zusammen gesetzten Unterstützerkreis gestärkt. Dieses Bild zeigt im übertragenen Sinne umgesetzte Inklusion. Es „[...] ist gerade »das Eingebundensein in soziale Netzwerke ein Indikator für den Grad sozialer Integration und zugleich eine Voraussetzung für die Berücksichtigung der Grundbedürfnisse nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Kontakt « […].“ (Emrich et al. 2009, S. 80).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Rehabilitationsleistungen in der Behindertenhilfe. Persönliche Zukunftsplanung im Kontext gängiger Hilfeplan-Verfahren
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V428228
ISBN (eBook)
9783668754126
ISBN (Buch)
9783668754133
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
IHP HMB-Verfahren, Rehabilitation, Behindertenhilfe
Arbeit zitieren
Andreas Reichenbecher (Autor:in), 2016, Rehabilitationsleistungen in der Behindertenhilfe. Persönliche Zukunftsplanung im Kontext gängiger Hilfeplan-Verfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428228

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