Die Disposition zur Teufelserwähltheit im Vergleich zwischen der Historia von D. Johann Fausten und Thomas Manns "Doktor Faustus"

Was zum Teufel will, das lässt sich nicht aufhalten


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inhalt und Motivik des Teufelspaktes

3. Die charakterliche Disposition für den Teufelspakt
3.1 Melancholie
3.2 Hoffart und Neugierde

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Was ist Freiheit! Nur das Gleichgültige ist frei. Das Charakteristische ist niemals frei, es ist geprägt, determiniert und gebunden.“[1] Beide Protagonisten, D. Johann Fausten in der Historia sowie Adrian Leverkühn in Thomas Manns Doktor Faustus, scheinen gewisse charakterliche Übereinstimmungen aufzuweisen, die eine Disposition zur Teufelserwähltheit nahelegen. Als Hintergrund kann die lutherisch-protestantische Lehre der Unfreiheit des Willens gesehen werden, die den Kontext der Historia ausmacht. Gerade Melancholie und innere Zerrissenheit bewirken wohl in besonderem Maße, sich dem Bösen anzuvertrauen durch selbstzerstörerische Tendenzen. Beide Protagonisten weisen außerdem eine überdurchschnittliche Intelligenz auf - denn in der Vernunft scheint das Teuflische vornehmlich am Werk zu sein. Durch die Eigenschaften der Hoffart und Neugierde lässt sich auf eine regelrecht vermessene Ichfixierung der Protagonisten schließen, die sich weniger auf einen Erkenntnisdrang, wie vordergründig annehmbar wäre, sondern vielmehr auf ein starkes Bedürfnis nach Selbsterhöhung bezieht. Schon früh in der Historia verkündet der Teufel Faust, „daß er von jeher sein Herz besessen habe, daß also sein Entschluß zum Pakt gar nicht seinem freien Willen entsprungen“[2] sei und auch im Doktor Faustus heißt es „wers von Natur mit dem Versucher zu tun hat“ (DF, S. 316), denn Adrian „war zu Höllen geboren“ (DF, S. 658).

Die vorliegende Seminararbeit behandelt also eingehender die Disposition zur Teufelserwähltheit in den beiden Werken durch den Versuch, charakterliche Übereinstimmungen zwischen Johann Fausten und Adrian Leverkühn zu konkretisieren. Es wird der These nachgegangen, inwieweit und durch welche Eigenschaften beide Charaktere für das Diabolische dispositioniert sind. Bezogen auf das Eingangszitat, sind Johann Fausten sowie Adrian Leverkühn individuelle, charakteristische Wesen, wodurch eine besondere Nähe zur Teufelsverfallenheit gezeigt werden soll. Durch das Dokumentieren spezifischer Charaktermerkmale soll auf das Theorem geschlossen werden, dass es universelle Eigenschaften gibt, welche die Nähe zum Teufel besonders fundieren. Die Problematik, ob man den Teufel aus mittelalterlicher Perspektive in der Sünde zu erkennen glaubt oder aus neuzeitlicher Sicht als psychologisches Konstrukt im Menschen selbst, geht damit automatisch einher.

2. Inhalt und Motivik des Teufelspaktes

Der vollständige Titel der Historia lautet wie folgt:

Historia Von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer und Schwartzkünstler / Wie er sich gegen dem Teufel auf eine benannte Zeit verschrieben / Was er hierzwischen für seltzame Abenteuer gesehen / selbs angerichtet und getrieben / bis er endlich seinen wohl verdienten Lohn empfangen. Mehrerteils aus seinen eigenen hinterlassenen Schriften / allen hochtragenden, fürwitzigen und gottlosen Menschen zum schrecklichen Beispiel / abscheulichen Exempel und treuherziger Warnung zusammengezogen und in den Druck verfertiget.[3]

Das Volksbuch beginnt mit zwei Vorreden. Letztere davon ist als „Vorred an den Christlichen Leser“ betitelt mit der Intension, dem Leser zu verdeutlichen, dass es als Warnschrift vor der Zauberei und Schwarzkünstlerei gemeint ist. Die Historia ist in drei Teile gegliedert, wobei ersterer die Kindheit Fausts, seine Jugend, die Zeit bis zum Pakt mit dem Teufel und die Gespräche mit dem Geist Mephostophiles über Religiöses beinhaltet. Der zweite Part umfasst das Reisen Fausts durch Europa und Asien, die Höllenfahrt und jene ins Gestirn. Letzterer handelt von seinen Schwänken, dem vergeblichen Versuch, vom Teufel loszukommen, einer erneuten Verschreibung an ihn und zuletzt von Fausts Untergang.

Faust stammt aus Roda bei Weimar und ist Sohn eines Bauern. Durch einen reichen Vetter aus Wittenberg erhält er die Möglichkeit, das Studium der Theologie zu beginnen, womit bereits das Fundament für seine dämonischen Neigungen gelegt wird. Danach studiert er des Weiteren Medizin, Astrologie, Mathematik und „wollt sich hernach keinen Theologum mehr nennen lassen“ (H, S. 7). Durch seinen Erkenntnisdurst beschwört er in einem Wald bei Wittenberg den Teufel herauf, um sein Begehren „ins Werk zu setzen.“ (H, S. 8) Dieser bezieht sich weniger auf naturwissenschaftliche Dinge, als vielmehr auf Gott sowie die Beschaffenheit des Himmels und der Hölle. Faust verlangt nach Macht, indem er den natürlichen, durch Gott bedingten Lauf der Dinge durch Zauberei manipulieren möchte. Der Abfall von Gott geschieht aber nicht direkt über den Kontakt zum Teufel, sondern vielmehr in der Hinwendung zur Zauberei und Schwarzkünstlerei: „war also Doctor Theologiae. Daneben hat er auch einen thummen, unsinnigen und hoffärtigen Kopf gehabt, wie man ihn denn alle Zeit den Speculierer genennet hat, ist zur bösen Gesellschaft geraten“ (H, S. 7). Während der ersten Beschwörung kommt es allerdings nicht zu dem Pakt mit dem Teufel. Erst beim dritten Zusammentreffen, bei welchem sich der Geist als Mephostophiles vorstellt, wird der Teufelspakt beschlossen und mit Blut besiegelt. Dieser Vertrag bildet die Grundlage für die weiteren Lebensverhältnisse Fausts. Er verschreibt seine Seele dem Teufel, der 24 Jahre lang mit Faust „nach seiner Art und Weis, seines Gefallens zu schalten, walten, regieren, führen, Macht haben solle, mit allem, es sei Leib, Seel, Fleisch, Blut und Gut, und das in Ewigkeit.“ (H, S. 15) Der Teufel ermöglicht Faust ein extravagantes Dasein, das ihn von der konformen Allgemeinheit abhebt. Aber „was hier den Anschein gibt, als stünde es im Belieben Fausts, als hinge es von seinem Entschluß ab, ob er den Pakt mit dem Teufel schließen wolle oder nicht, ist in Wahrheit seiner Entscheidungsfreiheit längst entzogen. Nicht er ist es, der hier ‚verknüpfft, versiegen und bezeuget‘, sondern der Teufel, der ihm ohne sein Wissen die Feder führt.“[4] Unter dem Drang nach Individualität akzeptiert er so die Bedingungen des Teufels, dass er „allen christgläubigen Menschen wölle Feind sein.“ (H, S. 13) Durch die fehlende zwischenmenschliche Nähe wird also die individuelle Eigenart und die „Kälte des Charakters“[5] intensiviert, wodurch die eigentlich unrealisierbare Zauberei initiiert wird. Fortan geht Faust seinen sinnlichen Genüssen nach, reist herum und zaubert allerhand Schwänke. Kurz vor Ende des Paktes verfällt Faust in „Weheklag“ (H, S. 143):

Ach, Fauste, du verwegens und nichtswertes Herz, der du deine Gesellschaft mit verführest in ein Urteil des Feuers, da du wohl hättest die Seligkeit haben können, so du jetzunder verleurest. Ach Vernunft und freier Will, was zeihest du meine Glieder, so nichts anders zu versehen ist, denn Beraubung ihres Lebens. (H, S. 141f.)

In seiner Abschiedsrede warnt Faust vor dem Teufel und mahnt die ihn umgebenden Studenten zur Buße und Gottesfurcht: „besucht fleißig und emsig die Kirchen, sieget und streitet allzeit wider den Teufel, mit einem guten Glauben an Christum, und gottseligem Wandel.“ (H, S. 148) Trotz der Bekehrungsversuche der Studenten, glaubt er nicht an die Möglichkeit der Gnade Gottes. In jener Nacht zieht ein Sturm auf und in Fausts Gemach entsteht ein Höllenlärm - er stirbt.

Die Moral der Historia scheint vorerst klar zu sein: Faust, der durch Vermessenheit und Fürwitz das Übernatürliche und Widergöttliche herausfordert, soll letztendlich in der Hölle verdammt sein. Aber der Teufelspakt symbolisiert nicht ausschließlich den Sündencharakter von Fausts Vermessenheit, sondern die ganze Aussichtslosigkeit seines Wesens. Er weiß sich nur durch den Teufel zu helfen, denn sein Sinn stand dahin

das zu lieben, was nicht zu lieben war, dem trachtet er Tag und Nacht nach, nahm an sich Adlers Flügel, wollte alle Gründ am Himmel und Erden erforschen. Dann sein Fürwitz, Freiheit und Leichtfertigkeit stach und reizte ihn also, daß er auf eine Zeit etliche zauberische vocabula, figuras, characteres und conjurationes, damit er den Teufel vor sich möchte fordern, ins Werk zu setzen und zu probieren ihm vornahm. (H, S. 8)

Parallel dazu lässt sich auch im Doktor Faustus schon früh Adrians prädisponierter Charakter für das Dämonische erkennen. Adrians Vater, Jonathan Leverkühn, wird als „Spekulierer und Sinnierer“ (DF, S. 25) beschrieben, was Adrian belustigt und ihm schon in jungen Jahren das teuflische Lachen entfahren lässt, das ihm eigen ist. Durch ihn erfährt Adrian, dass die Natur geprägt ist von „vexatorisch ins Zauberische spielenden Hervorbringungen, zweideutigen Launen, halb verhüllten und sonderbar ins Ungewisse weisenden Allusionen“ (DF, S. 20). Jonathans Charakter ist nahe an der Historia angelehnt, da seine alchimistischen Experimente eng mit der Zauberei und Hexerei verbunden zu sein scheinen. „Für Adrian haben diese Studien des Vaters zweifellos die Funktion, die Vorstellung der eigenen Determiniertheit zum Bösen sozusagen schon im Erbgut zu begründen.“[6] Adrians Mutter Elsbeth ist eine latente innere Musikalität (vgl. DF, S. 31) eigen, wodurch Adrians musikalische Veranlagung geprägt wird. „Die Synthese der elterlichen Charaktere - der dämonischen Neigungen des Vaters und der musikalischen Fähigkeiten der Mutter“[7] und die faustisch gefärbte ländliche Umgebung seines Geburtsortes Oberweiler bei Weißenfels sowie sein späterer Wohnort Kaisersaschern sind essentiell für seinen dämonisch angehauchten Charakter, was im Verlauf seines Daseins durch weitere Personen intensiviert wird. Nachdem Adrian das Gymnasium abgeschlossen hat, studiert er anfänglich wider Erwarten Theologie in Leipzig anstatt Musik, wie auch Faust in der Historia, was als Grundlage für jene diabolischen Anfänge dient.

Das Studium der Theologie ist dann geeignet, genau das Gegenteil von dem zu erreichen, was Adrian damit erreichen wollte, wobei eben nicht vergessen werden darf, dass es von Anfang an der falsche Weg war. Gerade die fehlenden Voraussetzungen für das Theologie-Studium - der Glaube und die Selbstbeschränkung im „Mittelmässig-Heilsamen“ - erzeugen Adrians Verführbarkeit ins Dämonische.[8]

Das Studium also symbolisiert nicht die Hinwendung zu Gott, sondern zum Teufel, „zu ihm, dem großen religiosus.“ (DF, S. 658) Der Schritt zum Teufelspakt wird durch das Studium, wie bei Faust, bereits initiiert. Adrian bricht das Studium der Theologie schließlich ab und möchte sich, jedoch nicht ohne Zweifel, der Musik zuwenden: „Und dennoch, warum warnt eine inwendige Stimme mich: ‚O homo fuge?‘ Ich kann die Frage nicht vollständig artikuliert beantworten. Nur soviel kann ich sagen: Ich fürchte mich davor, der Kunst Promission zu machen.“ (DF, S. 178f.) In Leipzig begegnet Adrian einem Fremdenführer, der den ahnungslosen Adrian in ein Bordell führt. Durch seine ihm eigene Grußformel „ganz ergebener Diener“ (DF, S. 327) wird die Ähnlichkeit zum Geist in der Historia, der ebenfalls seine dienstlichen Pflichten „unterthänig und gehorsam“ (H, S. 10) erfüllt, erkennbar. Im Bordell infiziert sich Adrian durch die Prostituierte Esmeralda willentlich mit Syphilis, einer geschlechtlichen Infektionskrankheit, um so den Pakt mit dem Teufel zu beschließen. Sie steht „als letztes festschreibendes Element, als Illumination, Aphrodisiacum des Hirns in Analogie zu dem Besiedelungsakt des Doktor Fausti, der sich dem Teufel mit seinem eigenen Blut verschreibt.“[9] Bei der Realisierung des Teufelspaktes spielt die luetische Infektion eine entscheidende Rolle, sowohl als modern-medizinische Voraussetzung des weiteren Geschehens und seiner Deutung in der Vorstellung Adrians als auch in Bezug auf das Volksbuch als ein mit Blut gezeichneter Vertrag. Adrian sucht nicht nur durch die von den Eltern geprägten charakterlichen Eigenheiten die Nähe zum Teufel, sondern insbesondere um der mittlerweile auffälligen musikalischen Ambitionen willen, zu deren Realisierung er die Unterstützung des Teufels bedarf. „Die Rolle der Zauberei als Ausdruck des Abfalls und der Teufelsverfallenheit spielt in Thomas Manns Roman die Musik.“[10] Adrian braucht anders als Faust „keinen vierigen Wegscheid im Spesser Wald und keine Zirkel.“ (DF, S. 333) Der Teufel selbst schiebt seine eigene Erscheinung auf den der Luesinfektion zugeschriebenen „Fieberherd, der dich mir vorgaukelt, ohne den du nicht wärst.“ (DF, S. 315) Der Teufelspakt im Doktor Faustus versinnbildlicht dergestalt eine Symbolik des Durchbruchs. Um diese verdeutlichen zu können, soll Adrians Charakter eingehender dargestellt werden.

Adrian Leverkühn ist, was schon sein Name signalisiert, ein kühner Mensch, ein vom Intellekt bestimmtes Wesen. Schon in seiner Kindheit wird ihm seine Disposition zur Kreativität gewahr, allerdings benötigt er Inspiration und Enthemmung, bedingt durch seine ausgeprägte Intellektualität und Reflexivität, die ihn in einen Zustand der Sterilität versetzen, um künstlerisch produktiv werden zu können. Sein Freund Serenus bemerkt an Adrian einen „Exzess an Grübelei und Spekulation“ (DF, S. 69) sowie: „Um ihn war Kälte.“ (DF, S. 11) „‚Weltscheu‘ nannte er [Adrian] sich und wollte damit nichts zu seinem Lobe gesagt haben. Diese Eigenschaft, urteilte er, sei der Ausdruck des Mangels an Wärme, an Sympathie, an Liebe“ (DF, S. 178). Sein „Sinn für das Abgeschmackte, die Ermüdbarkeit, die Neigung zum Überdruss, die Fähigkeit zum Ekel“ (DF, S. 182) legen das Bedürfnis frei, seine Intellektualität zu durchbrechen, um uneingeschränkt künstlerisch schaffen zu können. „Die Mächte der ‚hohen Bezirke‘ verhindern sogar die der Kunst notwendigen Inspiration. Des modernen Musikers Kopf ist zu ‚klug und spöttisch‘ für das Werk. […] Er ist seiner Natur nach zu rational, um dem Irrationalen sein ganzes Recht zu verschaffen.“[11] Entsprechend symbolisiert der Pakt mit dem Teufel durch die inspirative Krankheit den „Durchbruch“ (DF, S. 658) aus dem Zustand der Rationalität in jenen der Irrationalität, aus der Intellektualität in die Emotionalität. Thomas Mann selbst schreibt in Die Entstehung des Doktor Faustus seinem Protagonisten die „Nähe der Sterilität, die eingeborene und zum Teufelspakt prädisponierte Verzweiflung“[12] zu. Dass die Essenz für sein Schöpfertum in Adrian veranlagt ist, nur durch seine reflexive Intelligenz nicht „durchbrechen“ kann, sagt ihm der Teufel dergestalt: „Wir schaffen nichts Neues - das ist andrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei. Wir lassen die Lahm- und Schüchternheit, die keuschen Skrupel und Zweifel zum Teufel gehn.“ (DF, S. 318) Die Sterilität bedingt sich aber nicht nur durch Adrians analytisches Wesen, sondern vielmehr auch dadurch, „daß die Kunst stockt und zu schwer worden ist und sich selbsten verhöhnt, daß alles zu schwer worden ist und Gottes armer Mensch nicht mehr aus und ein weiß in seiner Not, das ist wohl Schuld der Zeit.“ (DF, S. 658) Das Trachten nach Innovation und Unerforschtem sind repräsentative Kennzeichen des faustischen Typus. Das Teufelsbündnis als Symbol wurde also von Thomas Mann vom Zustand des Unwissens in einen des Unfähigseins, sprich der künstlerischen Sterilität, aus dem Volksbuch adaptiert. Die Sterilität gründet nicht nur in Adrians Individualität, sondern auch im Charakter der Dekadenz seiner Zeit. Der Durchbruch eliminiert die Müdigkeit, „die kleine und die große, die private und die der Zeit.“ (DF, S. 318) Durch das Infizieren mit Syphilis, was ja die reale Vollziehung des Paktes symbolisiert, durchbricht er also den Zustand seiner differenzierten, skeptischen Identität. Dieser Mo­dus Pro­ce­den­di kann einerseits als destruktiv angesehen werden, da dieser negative physische Konsequenzen mit sich bringt, jedoch ermöglicht die vorsätzliche Krankheitsübertragung Adrian eine innovative und effiziente Suche nach einer neuen Form der Musik.

Während die Teufelserscheinung in der Historia auch der erste Kontakt Fausts mit dem Teufel ist, was sich zu einem regelmäßigen Kontakt beider Instanzen entwickelt, kommt es zwischen Adrian und dem Teufel vielmehr zu einem einmaligen Gespräch, das sich unter anderem bereits durch den Fremdenführer indirekt avisiert. Was also in der Historia gleich zu Beginn passiert und die Grundlage für die weiteren Geschehnisse ist, gipfelt im Doktor Faustus bereits durch das vor fünf Jahren manifestierte Gefühl Adrians nach einer teuflischen Begleitung, unter anderem durch die Stellung inmitten des Romans, in einem Höhepunkt. Im Gespräch fordert der Teufel Adrians Seele, den Verzicht auf jegliche Liebe, „insofern sie wärmt“ (DF, S. 334) und dass er nach Ablauf von 24 Jahren (wie in der Historia) vom Teufel geholt wird. Als Gegenleistung verspricht er Adrian 24 Jahre voll künstlerischem Schöpfertum in der Musik, die „vom Christentum zwar eingesetzt und entwickelt, aber verneint und ausgeschlossen als dämonisches Bereich.“ (DF, S. 325) Während in der Historia Bedingungen von beiden Instanzen gefordert werden, ist es in Adrians Fall vielmehr der Teufel, der die führende Gesprächsinstanz innehat. Das Teufelsversprechen im Doktor Faustus sowie in der Historia zeigt keine direkt inhaltliche Affinität, ruft aber ähnliche Empfindungen beider Protagonisten hervor. „Sie erheben beide aus einer diffusen und nicht-individuellen Popularität heraus und ermöglichen ein exzeptionelles Dasein, auf das sie nicht zu verzichten gewillt sind. Unter dem Druck der eigenen Bedürfnisse akzeptieren sie folglich die Konditionen des Teufels. “[13] So teilt Adrian in seinem finalen Schuldgeständnis mit, dass er „aus wohlbedachtem Mut, Stolz und Verwegenheit“ (DF, S. 655) den Teufelspakt geschlossen hat. So gesehen kann nicht von einer Versuchung durch den Teufel gesprochen werden, sondern vielmehr von einem disponiert Dämonischen in ihm selbst.

[...]


[1] Thomas Mann: Doktor Faustus. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch 2005, S. 115; im Folgenden zitiert unter DF, alle Seitenangaben im laufenden Text beziehen sich auf diese Ausgabe.

[2] Könneker: Faust-Konzeption und Teufelspakt im Volksbuch von 1587, S. 190.

[3] Anonym: Historia von D. Johann Fausten. Stuttgart: Reclam 2011; im Folgenden zitiert unter H, alle Seitenangaben im laufenden Text beziehen sich auf diese Ausgabe.

[4] Könneker: Faust-Konzeption und Teufelspakt im Volksbuch von 1587, S. 183.

[5] Hermanns: Thomas Manns Roman Doktor Faustus im Lichte von Quellen und Kontexten, S. 174.

[6] Assmann: Thomas Manns Roman Doktor Faustus und seine Beziehungen zur Faust-Tradition, S. 185.

[7] Hermanns: Thomas Manns Roman Doktor Faustus im Lichte von Quellen und Kontexten, S. 165.

[8] Assmann: Thomas Manns Roman Doktor Faustus und seine Beziehungen zur Faust-Tradition, S.131.

[9] Hermanns: Thomas Manns Roman Doktor Faustus im Lichte von Quellen und Kontexten, S. 170.

[10] Assmann: Thomas Manns Roman Doktor Faustus und seine Beziehungen zur Faust-Tradition, S. 133.

[11] Klugkist: Sehnsuchtskosmogonie, S. 35ff.

[12] Mann: Die Entstehung des Doktor Faustus, S. 45.

[13] Hermanns: Thomas Manns Roman Doktor Faustus im Lichte von Quellen und Kontexten, S. 173.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Disposition zur Teufelserwähltheit im Vergleich zwischen der Historia von D. Johann Fausten und Thomas Manns "Doktor Faustus"
Untertitel
Was zum Teufel will, das lässt sich nicht aufhalten
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V428356
ISBN (eBook)
9783668723870
ISBN (Buch)
9783668723887
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
#historia #faust #thomas mann #teufel #disposition #teufelspakt
Arbeit zitieren
Lena Bachleitner (Autor:in), 2018, Die Disposition zur Teufelserwähltheit im Vergleich zwischen der Historia von D. Johann Fausten und Thomas Manns "Doktor Faustus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428356

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