Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Beschleunigung im Kontext der Arbeitswelt
2.1. Der kulturelle Prozess der Beschleunigung
2.2. Die beschleunigte Arbeitswelt
3. Flexible Arbeitszeitmodelle
3.1. Thematische Begriffsabgrenzung
3.2. Analyse ausgewählter flexibler Arbeitszeitmodelle
3.2.1. Job-Sharing
3.2.2. Gleitzeit
3.2.3. Telearbeit
3.2.4. Vertrauensarbeitszeit
4. Auswirkungen flexibler Arbeitszeitmodelle auf den Prozess der Beschleunigung
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im wirtschaftlichen Kontext wird der Zeit seit jeher eine enorme Bedeutung zugemessen. Nahezu jeder Bereich des Wirtschaftslebens ist durch das Zeitdenken bestimmt, was allein daran erkennbar wird, dass der Arbeitslohn eines jeden Arbeitnehmers in irgendeiner Art und Weise an die aufgewendete Zeit gekoppelt ist. Die Arbeitswelt ist in hohem Maße zeitgesteuert und wird durch das kollektive Streben nach einem bestmöglichen Umgang mit eben dieser stetig beschleunigt.1
Die Globalisierung und Technologisierung sind u.a. Gründe für eine steigende Dynamisierung des Wettbewerbs. Um in diesem mithalten zu können, konfrontieren viele Unternehmen ihre Mitarbeiter z.B. durch das Anordnen von Überstunden oder den vermehrten Einsatz von Kommunikationsmedien außerhalb der Arbeitszeit ebenfalls mit dem Phänomen der Beschleunigung. Das Risiko einer immer stärker werdenden Beschleunigung des Lebens nimmt vor diesem Hintergrund deutlich zu, da das ohnehin schon zunehmend beschleunigte Privatleben der Arbeitnehmer, infolge der Tempoverschärfung innerhalb der Arbeitswelt, keine ausreichenden Räume mehr zur Entschleunigung bietet.2
Wie aber können Unternehmen einen Impuls geben, der dieser Entwicklung entgegenwirkt? Inwiefern können Mitarbeiter, welche die wohl wichtigste unternehmerische Ressource darstellen, langfristig vor der zunehmenden Beschleunigung bewahrt werden?
Diese Fragen sollen innerhalb der Arbeit beantwortet werden, wobei der spezifische Fokus auf flexible Arbeitszeitmodelle als möglicher Lösungsansatz gelegt wird. Flexible Arbeitszeitmodelle gelten in Abgrenzung zu klassischen Arbeitszeitmodellen, die durch feste Arbeitszeiten geprägt sind, allgemein als arbeitnehmerfreundlicher. Inwieweit diese Eigenschaft auch einen positiven Beitrag zur Entschleunigung des Lebens leistet, muss jedoch erst noch geprüft werden. Die Forschungsfrage, die dieser Arbeit zugrunde liegt, untersucht daher, inwieweit flexible Arbeitszeitmodelle einen adäquaten unternehmerischen Impuls darstellen, der den zunehmenden Beschleunigungstendenzen entgegenwirken kann.
Um dieser Frage nachgehen zu können, werden im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen des Beschleunigungsphänomens auf allgemeiner Ebene dargelegt. Auf Basis dieser Grundlagen werden daraufhin die wesentlichen Aspekte aufgezeigt, die ursächlich für die Beschleunigung innerhalb der Arbeitswelt sind.
Anschließend werden die flexiblen Arbeitszeitmodelle vorgestellt. Ausgehend von einer allgemeinen Begriffsabgrenzung werden ausgewählte Modelle in kompakter Form erläutert, wobei insbesondere auf die spezifischen Vor- und Nachteile eingegangen wird.
Innerhalb des vierten Kapitels werden sodann die jeweiligen Potenziale aber auch Grenzen der Modelle betrachtet, wodurch es möglich ist, sie hinsichtlich ihrer Eignung als Instrument zur Entschleunigung zu prüfen.
Zuletzt greift das Fazit dieser Arbeit die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung auf und beantwortet auf dieser Basis die eingangs formulierte Leitfrage.
2. Beschleunigung im Kontext der Arbeitswelt
Bevor im weiteren Verlauf dieser Arbeit der Einfluss von Arbeitszeitmodellen auf die Beschleunigung untersucht werden kann, muss zunächst herausgearbeitet werden, durch was sich der kulturelle Prozess der Beschleunigung im Allgemeinen überhaupt charakterisieren lässt. Um einen besseren Zugang zu dieser Frage zu bekommen, wird auf den Beschleunigungszirkel von Hartmut Rosa zurückgegriffen, der ein grundlegendes Begriffsgerüst entwickelt hat, mit dessen Hilfe der Verlauf von Beschleunigungsprozessen beschrieben werden kann. Dadurch wird es möglich das Verständnis für das komplexe Beschleunigungsphänomen zu schärfen und die Beantwortung der formulierten Leitfrage voranzutreiben.
2.1. Der kulturelle Prozess der Beschleunigung
Nach Hartmut Rosa kann unter Beschleunigung eine Mengensteigerung pro Zeiteinheit verstanden werden, bei der unter dem Begriff Menge verschiedene Aspekte verstanden werden können. Rosa unterteilt die Beschleunigung in drei verschiedene Dimensionen, die analytisch getrennt, empirisch jedoch paradoxerweise verknüpft zu sehen seien.
Neben der technischen Beschleunigung kann zusätzlich die Beschleunigung des sozialen Wandels und die Beschleunigung des individuellen Lebenstempos identifiziert werden. Die technische Beschleunigung zielt in erster Linie auf die zunehmende Geschwindigkeit technischer Prozesse ab, die sich im Einzelnen in einer Geschwindigkeitserhöhung der Kommunikation, des Transports oder der Produktion äußere und die Wahrnehmung von Zeit und Raum nachhaltig beeinflusse. Unter der Beschleunigung des sozialen Wandels sind die erhöhten sozialen Veränderungsraten zu verstehen, die dazu beitragen, dass sich die zeitlich stabile Gegenwart immer weiter verkürzt. Das Gefühl der zeitlichen Verknappung bezeichnet Rosa hingegen als Beschleunigung des individuellen Lebenstempos, die objektiv durch eine Verdichtung bzw. Überlagerung einzelner Handlungsepisoden begründet werden könne. Auf subjektiver Ebene werden die zeitlichen Ressourcen als verknappend wahrgenommen, da die bereits angesprochene Mengensteigerung pro Zeiteinheit, die allgemeine Umsetzungsgeschwindigkeit übersteigt.3
Aufgrund der Tatsache, dass sich nicht alle Bereiche des Lebens den drei erläuterten Dimensionen zuordnen lassen, hat Rosa zusätzlich fünf Kategorien der Entschleunigung entwickelt. Zuerst können natürliche Geschwindigkeitsgrenzen, wie bspw. die Verarbeitungsgeschwindigkeit des menschlichen Gehirns, hierzu gezählt werden. Solche Grenzen sind nicht oder nur sehr schwer beeinfluss- bzw. veränderbar. Daneben sind auch Entschleuni- gungsoasen zu berücksichtigen, die sich der Beschleunigung in unterschiedlich starkem Ausmaß entziehen. Solche Oasen der Entschleunigung sind konkret soziale bzw. kulturelle Gruppen, wie bspw. Sekten. Weiterhin sei das Eintreten von Verlangsamung eine unbeabsichtigte Folge beschleunigter Prozesse, die am einfachsten am Beispiel eines Verkehrstaus veranschaulicht werden kann. Ideologisch begründete Entschleunigungsbewegungen fasst Rosa genauso wie individuelle und soziale Verlangsamungsbestrebungen als vierte Kategorie der Entschleunigung zusammen. Zu dieser zählen einerseits „klassische Aussteiger“, die der Beschleunigung bewusst entgegentreten und andererseits werden darunter Versuche verstanden, Prozesse kurzfristig bewusst zu verlangsamen, um sich anschließend mit neuer Kraft der Beschleunigung stellen zu können. Die letzte Kategorie bezieht sich auf die kulturelle und strukturelle Erstarrung der Gesellschaft. Während die Gesellschaft oberflächlich durch Beschleunigung gekennzeichnet ist, erstarrt sie innerlich zunehmend. Die enorme Menge an potenziellen Möglichkeiten, die sich dem Einzelnen bieten, enden vielfach in einer Überforderung.4
Auf Basis der inhaltlichen Erläuterungen zu den Grundbegriffen des Beschleunigungsphänomens, soll nachfolgend der Akzelerationsszirkel Rosas in kurzer Form vorgestellt werden. Dadurch wird es möglich eine allgemeine Wissensbasis für die spätere Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Arbeitszeitmodellen und der Entschleunigung zu schaffen.
Demnach ist die Beschleunigung ein Prozess, der sich selbst antreibt. Die drei beschriebenen Dimensionen der Beschleunigung bestärken sich wechselseitig und tragen durch ihre Beziehung zueinander dazu bei, dass eine Art Kreislauf entsteht, den Rosa als Akzelerationszyklus bezeichnet. Ausgehend von einer nicht von der Hand zu weisenden technischen Beschleunigung habe mit Blick auf die Historie auch immer eine Anpassung der sozialen Strukturen und Orientierungen stattgefunden. Die technische Beschleunigung könne deshalb auch als wesentlicher Treiber des sozialen Wandels angesehen werden. Der beschleunigte soziale Wandel erzeuge daraufhin einen gefühlten Zwang mithalten zu müssen, um den veränderten Umweltbedingungen gerecht werden zu können. In diesem Zusammenhang erhöhe sich das individuelle Lebenstempo als direkte Reaktion. Durch das gestiegene Lebenstempo komme es vermehrt zur subjektiven Wahrnehmung von Zeitknappheit. Um Entlastung herbeizuführen, würden die Menschen allgemein technische Neuerungen fordern, wodurch sich der Akzelerationszirkel letztendlich schließt.5
Nachdem nun die grundlegenden Elemente der Beschleunigung bekannt sind und ihre Wechselbeziehungen zueinander mit Hilfe des Akzelerationszirkels beschrieben wurden, soll der nachfolgende Abschnitt auf konkrete Anzeichen der Beschleunigung innerhalb der Arbeitswelt eingehen.
2.2. Die beschleunigte Arbeitswelt
Die Beschleunigung der Arbeitswelt lässt sich mit einem Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte insbesondere auf die Entwicklung des Internets zurückführen. Durch dieses weltweite, interaktive Netzwerk haben die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten sich bis heute so stark erweitert, dass Informationen bzw. Daten innerhalb kürzester Zeit, ortsunabhängig und in riesigen Mengen verbreitet werden können. Unternehmen profitieren von dieser Entwicklung, indem sie bspw. in der Lage sind über Newsletter, elektronische Rechnungen oder soziale Medien möglichst schnell und unkompliziert mit ihren Kunden in Kontakt zu treten.6
Dieser Vorteil, der sich für Unternehmen auf ganzheitlicher Ebene ergibt, beeinflusst zusehends eine große Zahl der Arbeitnehmer auf eine negative Art und Weise. Die steigende Verbreitung und Verdichtung des E-Mail-Verkehrs führt im gleichen Schritt auch zu einer Zunahme des Arbeitsaufwandes. Die Vielzahl an eingehenden und ausgehenden Informationen soll in möglichst kurzer Zeit zielgerichtet und ohne Fehler verarbeitet werden. Um der Flut an Informationen erfolgreich begegnen zu können, stellt sich die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen als eine der größten Herausforderungen für Arbeitnehmer dar.7
Doch nicht nur beschriebene Informationsflut ist ein Indikator für eine Beschleunigung innerhalb der Arbeitswelt, auch die Geräte, die zur Kommunikations- und Informationsübertragung verwendet werden, weisen aufgrund der technologischen Entwicklung immer kürzerer Lebenszeiten auf. Das Bedienen neuer Computer oder Arbeitsprogramme muss bspw. innerhalb kürzester Zeit immer wieder neu erlernt werden. Arbeitnehmer sind in diesem Kontext mit der Problematik konfrontiert, sich immer wieder veränderten Arbeitsanforderungen zu stellen und diesen gerecht zu werden.8
Insgesamt lassen sich drei Charakteristika für die Beschleunigung der Arbeitswelt identifizieren. Neben einer erkennbaren Verkürzung der Durchschnittszeiten und einer gleichzeitigen Mengensteigerung, können ebenso signifikant gestiegene Veränderungsraten festgestellt werden.9
Aufgrund der Tatsache, dass viele Arbeitnehmer dem dargelegten Beschleunigungsphänomen unterliegen, ist die Frage nach einem passenden Lösungsansatz für diese Problemstellung durchaus angemessen, sodass nachfolgend die flexiblen Arbeitszeitmodelle vorgestellt und hinsichtlich ihrer Problemlösungsfähigkeit untersucht werden.
[...]
1 Vgl. Adam (2005), S. 128.
2 Vgl. Rosa (2005), S. 336 ff.
3 Vgl. Rosa (2007), S. 144 ff.
4 Vgl. Rosa (2007), S. 148 ff.
5 Vgl. ebenda, S. 151 ff.
6 Vgl. Green (2004), S. 709 ff.
7 Vgl. Moser / Preising /Göritz / Paul (2002).
8 Vgl. Voß (1998), S. 473 ff.
9 Vgl. Green (2004), S. 709 ff.