Auch wenn die Wahl des Filmtitels im Jahre 1919 vermutlich hauptsächlich thematisch begründet war, entspricht der Titel aus heutiger, filmhistorischer Perspektive auf verschiedensten Ebenen dem Film und seiner Geschichte. Denn ANDERS ALS DIE ANDEREN von Richard Oswald war nicht nur der erste Film, der das Thema Homosexualität und den damit zusammenhängenden Paragraphen 175 offen und vor allem kritisch behandelte, sondern auch derjenige, der in dem einzigartigen Zeitfenster ohne Filmzensur zu Beginn der Weimarer Republik (November 1918 bis Juni 1920) vermutlich für das meiste Aufsehen sorgte. Gleichzeitig war der Skandal um den Film einer der Hauptursachen für die Wiedereinführung der Filmzensur in der Weimarer Republik im Jahre 1920.
Umso mehr überrascht es, dass der Film heute fast in Vergessenheit geraten ist; nur einzelne Filmhistoriker haben sich mit der Materie intensiv beschäftigt. Dies mag vor allem daran liegen, dass nach dem Verbot des Filmes im Jahre 1920 nur noch wenige Menschen den Film in der Originalversion zu sehen bekamen. Jahrzehntelang galt der Film als vollständig verschollen, bis Anfang der 1970er Jahre ein bereits 1928 exportiertes, 40-minütiges Fragment des Films aus der Sowjet-Union in die westliche Welt gelangte. Die circa 90 Minuten lange Originalversion gilt jedoch bis heute als verschollen.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den öffentlichen Diskurs und die daraus resultierende Zensur von ANDERS ALS DIE ANDEREN und versucht bestimmte Tendenzen, Positionen und Verflechtungen darin hervorzuheben. Die Ergebnisse können als Ergänzungen und vertiefende Erkenntnisse zu James D. Steakleys Arbeit verstanden werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Vorgeschichte
- 2.1. Richard Oswald und Magnus Hirschfeld
- 2.2. Die Welle der »Sitten- und Aufklärungsfilme«
- 3. Von der Premiere bis zum Verbot
- 3.1. Die ersten Vorführungen
- 3.2. Die Zunahme der Proteste
- 3.3. Die Rolle des Prof. Dr. Karl Brunners
- 3.4. Die Wiedereinführung der Filmzensur und das Verbot von ANDERS ALS DIE ANDEREN
- 4. Der verschollene Film
- 5. Abschließende Bemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den öffentlichen Diskurs und die daraus resultierende Zensur des Films "Anders als die anderen" (1919) von Richard Oswald. Sie beleuchtet die antisemitischen Tendenzen im Kontext der damaligen Debatte und ergänzt bestehende Forschungsergebnisse. Der Fokus liegt auf der Analyse der gesellschaftlichen Reaktionen und der politischen Hintergründe des Verbots.
- Die Zensurgeschichte des Films "Anders als die anderen"
- Der Einfluss antisemitischer Strömungen auf die öffentliche Wahrnehmung des Films
- Die Rolle von Richard Oswald und Magnus Hirschfeld
- Die damalige Debatte um Homosexualität und den Paragraphen 175
- Der Kontext der "Sitten- und Aufklärungsfilme" der Weimarer Republik
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt den Film "Anders als die anderen" vor, hebt seine Bedeutung als erster Film mit kritischer Auseinandersetzung mit Homosexualität hervor und betont seine Rolle als Auslöser für die Wiedereinführung der Filmzensur. Der Verlust des Originalfilms und die begrenzte Forschung werden thematisiert, wobei die Arbeit von James D. Steakley als wichtige Grundlage genannt wird. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf den öffentlichen Diskurs und die Zensur des Films, um die bisherigen Erkenntnisse zu vertiefen.
2. Die Vorgeschichte: Dieses Kapitel beschreibt die Biografien von Richard Oswald und Magnus Hirschfeld und deren Zusammenarbeit bei der Entstehung von Aufklärungsfilmen. Oswalds frühere Konflikte mit der Zensur werden ebenso dargestellt wie Hirschfelds Engagement für die Rechte Homosexueller und die Abschaffung des Paragraphen 175. Der Kontext der "Sitten- und Aufklärungsfilme" im Nachkriegsdeutschland wird erläutert, inklusive der Ambivalenz dieser Filme und der damit verbundenen gesellschaftlichen Reaktionen, die letztlich zur Forderung nach erneuter Filmzensur führten.
3. Von der Premiere bis zum Verbot: Dieses Kapitel beschreibt die Premiere des Films und die darauf folgenden Reaktionen. Es analysiert die steigenden Proteste und den Einfluss von konservativen Kräften, christlichen Gruppierungen und Frauenverbänden auf die Entscheidung zur Wiedereinführung der Zensur und das spätere Verbot des Films. Die Rolle von Personen wie Prof. Dr. Karl Brunner wird betrachtet. Das Kapitel zeichnet ein Bild der zunehmenden öffentlichen Empörung und der politischen Prozesse, die zum Verbot führten.
4. Der verschollene Film: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Verlust des Originalfilms und der Schwierigkeit, ihn zu rekonstruieren. Es wird die Geschichte des erhaltenen Fragments und die Bedeutung seiner Entdeckung für die Filmgeschichte erörtert.
Schlüsselwörter
Anders als die anderen, Richard Oswald, Magnus Hirschfeld, Filmzensur, Weimarer Republik, Homosexualität, Paragraph 175, Antisemitismus, Aufklärungsfilme, öffentlicher Diskurs.
Häufig gestellte Fragen zu "Anders als die anderen": Ein Film und seine Zensur
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert den öffentlichen Diskurs und die Zensur des Films "Anders als die anderen" (1919) von Richard Oswald. Sie untersucht die antisemitischen Tendenzen der damaligen Debatte und ergänzt bestehende Forschungsergebnisse, wobei der Fokus auf den gesellschaftlichen Reaktionen und den politischen Hintergründen des Verbots liegt.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Zensurgeschichte des Films, den Einfluss antisemitischer Strömungen auf seine öffentliche Wahrnehmung, die Rolle von Richard Oswald und Magnus Hirschfeld, die damalige Debatte um Homosexualität und Paragraph 175 sowie den Kontext der "Sitten- und Aufklärungsfilme" der Weimarer Republik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Die Vorgeschichte, Von der Premiere bis zum Verbot, Der verschollene Film und Abschließende Bemerkung. Die Einleitung stellt den Film und seine Bedeutung vor. Die Vorgeschichte beleuchtet die Biografien von Oswald und Hirschfeld und den Kontext der "Sitten- und Aufklärungsfilme". Das dritte Kapitel analysiert die Reaktionen auf die Premiere und den Prozess des Verbots. Kapitel vier behandelt den Verlust des Originalfilms. Die Arbeit schließt mit einer abschließenden Bemerkung.
Welche Personen spielen eine wichtige Rolle?
Richard Oswald (Regisseur), Magnus Hirschfeld (Sexualwissenschaftler), und Prof. Dr. Karl Brunner spielen zentrale Rollen in der Analyse. Die Arbeit untersucht deren Zusammenarbeit, Einfluss und die Reaktionen auf ihren Film.
Was ist die Bedeutung des Films "Anders als die anderen"?
Der Film ist bedeutsam, da er als einer der ersten Filme gilt, der sich kritisch mit Homosexualität auseinandersetzte. Sein Verbot markiert zudem die Wiedereinführung der Filmzensur in Deutschland.
Wie wird der Verlust des Originalfilms behandelt?
Der Verlust des Originalfilms und die Schwierigkeiten seiner Rekonstruktion werden in einem eigenen Kapitel thematisiert. Die Bedeutung des erhaltenen Fragments für die Filmgeschichte wird erörtert.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Anders als die anderen, Richard Oswald, Magnus Hirschfeld, Filmzensur, Weimarer Republik, Homosexualität, Paragraph 175, Antisemitismus, Aufklärungsfilme, öffentlicher Diskurs.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit bezieht sich auf die Forschung von James D. Steakley und erweitert diese durch die Analyse des öffentlichen Diskurses und der Zensurgeschichte.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Wissenschaftler und alle, die sich für die Filmgeschichte, die Geschichte der Homosexualität, die Zensurgeschichte und die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Weimarer Republik interessieren.
- Quote paper
- Jasper Graeve (Author), 2017, Die antisemitische Prägung der Zensur von "Anders als die Anderen" (1919), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429190