Der bundesdeutsche Sozialstaat, einstmals weltweit Vorzeigemodell, ist in die Jahre gekommen und hat aufgehört, wie einst zu funktionieren. Und dies nicht erst seit gestern.
Das Sozialversicherungssystem steckt durch seine Erwerbsarbeitszentriertheit bei einer heutigen Zahl von mittlerweile etwa 5 Millionen offiziell gemeldeten Arbeitslosen seit einigen Jahren in einer schweren Krise. Somit steht auch der Sozialstaat per se seit einiger Zeit in der Kritik, der, so behaupten heute allen voran zahlreiche Ökonomen, durch die Expansion sozialer Leistungen kaum mehr zu finanzieren sei. Als „Produzent“ hoher Lohnnebenkosten machen sie ihn auch dafür verantwortlich, dass es auf dem Arbeitsmarkt nicht vorangeht. Der Sozialstaat, einst selbst Reformsystem, musste, nachdem er in eine Krisenlage geraten war, reformiert werden. Mit der „Agenda 2010“ hat die Bundesregierung vor zwei Jahren ein entsprechendes Instrument hierzu vorgestellt. Viele der darin enthaltenen Reformvorhaben sind bis heute teilweise oder bereits vollständig umgesetzt worden. In seiner Regierungserklärung vom 14.3.2003 stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach einem seit 2000 andauernden Diskussionsprozess ein kompaktes, in sich geschlossenes Reformpaket vor, das inhaltlich darauf abzielte, Probleme, die sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte im wirtschafts- und sozialpolitischen System Deutschlands entwickelt hatten, aufzudecken, zu benennen und Lösungswege in einzelnen Reformschritten durch Änderungen der institutionellen Verhältnisse, wie sie in Verordnungen und Gesetzen festgelegt sind, aufzuzeigen. Dieses Reformpaket bezeichnete er selbst als Agenda 2010 und erklärte ihren Inhalt wie folgt:
Sie ist unser Programm zur umfassenden Modernisierung und Erneuerung unseres Landes. Sie bedeutet die größte Sozialreform in der Geschichte unseres Landes.
Der Begriff „Agenda“ heißt übersetzt: „was zu tun ist“. Was getan werden mußte, stand zu jenem Zeitpunkt für die Bundesregierung eindeutig fest: Es sollte zu einer mittelfristigen Verbesserung auf allen „Zukunftsfeldern“ kommen. Das bestehende Sozialsystem sollte von seiner eingeschränkten Funktionsfähigkeit durch Umbau im Sinne einer Anpassung an die wirtschaftlich- gesellschaftlichen Bedingungen, in ein neues funktionstüchtiges System transformiert werden. Die zeitliche Befristung für die vollständige Umsetzung des Reformprogramms konkretisiert sich in der Jahreszahl 2010.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Probleme des Sozialstaats
- 2.1 Zum Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft
- 2.2 Zum demografischen Wandel
- 2.3 Zur Globalisierung
- 2.4 Zur Individualisierung
- 3. Das Reformprogramm „Agenda 2010“
- 3.1 Zur Sozialstaatskonzeption des dritten Weges
- 3.2 Der Sozialstaat als Problemverursacher/ Zur neoliberalen Alternative
- 3.3 Zur Konzeption der klassischen Linken
- 3.4 Die einzelnen Reformschritte (Regierungsprogramm)
- 3.4.1 Reformen am Arbeitsmarkt/ Zu den Problemen
- 3.4.1.1 Schnellere Vermittlung durch das Einrichten von Personal Service- Agenturen (Hartz I)
- 3.4.1.2 Neue Anlaufstellen und Job- Möglichkeiten (Hartz II)
- 3.4.1.3 Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in einen modernen Dienstleister (Hartz III)
- 3.4.1.4 Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige (Hartz IV)
- 3.4.1.5 Zur Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen
- 3.4.1.6 Flexibilisierung: Neue Strukturen am Arbeitsmarkt
- 3.4.1.7 Konzepte gegen Jugendarbeitslosigkeit/ Zur „Ausbildungsoffensive“
- 3.4.2 Zur Gesundheitsreform
- 3.4.2.1 Neue Regelung bei den Krankenkassen
- 3.4.2.2 Zur Praxisgebühr
- 3.4.2.3 Konzept der Zukunft: Die Bürgerversicherung
- 3.4.3 Zur Rentenreform
- 3.4.3.1 Zur Beitragsstabilität
- 3.4.3.2 Zum „Nachhaltigkeitsfaktor“
- 3.4.4 Zur Förderung von Bildung und Forschung
- 3.4.4.1 Reformen im Schulwesen
- 3.4.4.2 Chancengleichheit beim Bildungszugang
- 3.4.4.3 Konzepte gegen Jugendarbeitslosigkeit
- 3.4.4.4 Forschungsförderung
- 3.4.4.5 Zur Innovationsoffensive
- 3.4.5 Zu den Staatsfinanzen/ Zur Steuerreform
- 3.4.5.1 Umfassende Haushaltskonsolidierung/ Für eine Politik der Nachhaltigkeit
- 3.4.6 Zur Mentalitätsdebatte
- 3.5 Trends- Eine erste Reformbilanz
- 4. Reformpolitische Diskussion um die Agenda seit März 2003
- 4.1 Alternativen der Linken
- 4.1.1 Reform- Alternativen auf dem Arbeitsmarkt
- 4.1.2 Reform- Alternativen in der Wirtschaftspolitik
- 4.1.3 Reform- Alternativen zur Steuerreform
- 4.1.4 Reform- Alternativen zu den Sozialreformen
- 4.1.5 Reform- Alternativen auf dem Bildungssektor
- 4.1.6 Zwischenfazit
- 4.2 Alternativen der Liberalen
- 4.2.1 Reform- Alternativen auf dem Arbeitsmarkt
- 4.2.2 Reform- Alternativen zur Steuerreform
- 4.2.3 Reform- Alternativen zu den Sozialreformen
- 4.2.4 Reform- Alternativen auf dem Bildungssektor
- 4.2.5 Zwischenfazit
- 5. Ausbau der Zivilgesellschaft - Entlastung für den Sozialstaat?
- Analyse der Problemfelder des Sozialstaats
- Bewertung der Agenda 2010 und ihrer Reformen
- Diskussion von Reformalternativen
- Bedeutung der Zivilgesellschaft für den Sozialstaat
- Zukunft des Sozialstaats in Deutschland
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit der Agenda 2010 und deren Auswirkungen auf den deutschen Sozialstaat. Die Arbeit analysiert die Reformen des Arbeitsmarktes, der Gesundheitsversorgung, der Renten und des Bildungswesens, sowie die daraus resultierenden Veränderungen im Sozialsystem. Die Arbeit beleuchtet sowohl die Chancen als auch die Risiken der Agenda 2010 und diskutiert alternative Reformansätze.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Die Einleitung stellt die Problemstellung dar und erläutert den Hintergrund der Agenda 2010. Sie beleuchtet die Herausforderungen, vor denen der deutsche Sozialstaat steht und die Notwendigkeit der Reform.
Kapitel 2: Dieses Kapitel analysiert die wichtigsten Problemfelder des Sozialstaats, insbesondere den Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft, den demografischen Wandel, die Globalisierung und die Individualisierung.
Kapitel 3: Dieses Kapitel beschreibt die Agenda 2010 als umfassendes Reformprogramm. Es beleuchtet die Sozialstaatskonzeption des dritten Weges, die neoliberale Alternative und die Konzeption der klassischen Linken. Darüber hinaus werden die einzelnen Reformschritte im Detail vorgestellt, darunter die Reformen am Arbeitsmarkt, der Gesundheitsversorgung, der Renten, der Bildung und der Staatsfinanzen.
Kapitel 4: Dieses Kapitel diskutiert die reformpolitische Diskussion um die Agenda 2010 seit März 2003. Es beleuchtet die alternativen Reformansätze der Linken und der Liberalen in verschiedenen Politikfeldern.
Kapitel 5: Dieses Kapitel widmet sich dem Ausbau der Zivilgesellschaft und ihrer Bedeutung für die Entlastung des Sozialstaats.
Schlüsselwörter
Agenda 2010, Sozialstaat, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Renten, Bildung, Reform, Globalisierung, Individualisierung, Strukturwandel, neoliberale Politik, klassische Linke, Zivilgesellschaft, Zukunft des Sozialstaats.
- Quote paper
- Matthias Rischer (Author), 2005, Agenda 2010 - Kann der Sozialstaat durch Umbau wieder funktionsfähig werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42952