In der vorliegenden Bachelorarbeit soll Fiedlers Bestimmung der bildnerischen Tätigkeit näher untersucht werden, die er im Rahmen seiner Kunsttheorie entwickelt. Hierzu möchte ich seine „Schriften zur Kunst“ in Gottfried Boehms neuaufgelegter Edition heranziehen – insbesondere Fiedlers Hauptwerk "Über den Ursprung der künstlerischen Tätigkeit" (1887), da er hier den bildenden Gestaltungsvorgang explizit in den Mittelpunkt stellt.
Fiedlers Kunstverständnis basiert wesentlich auf seiner Analyse des menschlichen Sehens und seiner Definition der künstlerischen Tätigkeit als einer anschaulichen Erkenntnisarbeit, die das visuelle Bewusstsein des Menschen sensibilisieren und über alltägliche Sehkonventionen hinausführen kann. In Abgrenzung zu etablierten ästhetischen Kunstbetrachtungen erarbeitet Fiedler einen produktionsorientierten Ansatz, der vorrangig auf bildliche Darstellungen abzielt. Ein wichtiger Bezugspunkt ist Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie, deren zentrale Thesen von Fiedler aufgegriffen und für seine Kunsttheorie fruchtbar gemacht werden. Neben seinem Rekurs auf Humboldt nimmt Fiedlers Theorie der Sichtbarkeit eine zentrale Bedeutung bei seiner Analyse der gestalterischen Arbeit ein. Daher sollen beide Momente – Fiedlers Bezug zu Humboldts Sprachphilosophie und sein Theorem der Sichtbarkeit – im Folgenden näher betrachtet werden.
Konrad Fiedler (1841–1895) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Kunsttheoretiker des 19. Jahrhunderts. Seinem Werk wird rückwirkend ein weit über seine Zeit hinausreichender Einfluss auf die Entwicklung der bildenden Kunst zugeschrieben. Aufgrund seiner produktionsästhetischen Perspektive erfährt Fiedler vor allem in Künstlerkreisen eine große Resonanz, während seine theoretischen Motivansätze im Rahmen ästhetischer oder philosophischer Debatten zunächst kaum diskutiert werden. Ihre heutige Bedeutung als wichtige Referenz in der Reflexion moderner Kunst erlangen Fiedlers kunsttheoretische Schriften erst Jahrzehnte nach seinem Tod: In den 70er Jahren setzt eine breiter werdende und zunehmend interdisziplinär ausgerichtete Rezeption seiner Schriften ein. Auch für die gegenwärtige Kunst- und Bildforschung, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten und Verwendungsweisen digitaler Bildbearbeitung und virtueller Simulationen, erhalten Fiedlers Ansätze eine erweiterte, gleichsam visionäre Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fiedlers Kunsttheorie im philosophiehistorischen Kontext
- Fiedler als formaler Ästhetiker
- Fiedlers Auseinandersetzung mit Kant
- Fiedlers Abkehr von Kants ästhetischem Urteil
- Fiedlers Interpretation von Kants Erkenntnistheorie
- Fiedlers Beziehung zu Humboldts Sprachphilosophie
- Der Prozess sprachlicher Welterzeugung
- Die Sprache der Anschauung
- Fiedlers Phänomenologie des Sehens
- Die Grenzen des alltäglichen Sehens
- Sehen um des Sehens willen
- Die bildnerische Arbeit als anschauliche Erkenntnisarbeit
- Fiedlers Kategorie der Ausdrucksbewegung
- Das Zusammenspiel von Auge und Hand
- Das Bild als Ausdrucksform reiner Sichtbarkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Bachelorarbeit untersucht Fiedlers Bestimmung der bildnerischen Tätigkeit innerhalb seiner Kunsttheorie. Der Fokus liegt auf dem Hauptwerk „Über den Ursprung der künstlerischen Tätigkeit“, wobei Fiedlers Analyse des Sehens und die Definition der künstlerischen Arbeit als anschauliche Erkenntnisarbeit im Zentrum stehen. Besonderes Augenmerk wird auf Fiedlers Bezug zu Humboldts Sprachphilosophie sowie seine Theorie der Sichtbarkeit gelegt.
- Fiedlers Kunsttheorie im Kontext des ästhetischen Formalismus
- Fiedlers Auseinandersetzung mit Kant und die Betonung der anschaulichen Erkenntnisleistung
- Die Rolle von Humboldts Sprachphilosophie für Fiedlers Kunstverständnis
- Die Phänomenologie des Sehens und die Grenzen des alltäglichen Sehens
- Die bildnerische Tätigkeit als anschauliche Erkenntnisarbeit und das Zusammenspiel von Auge und Hand
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Konrad Fiedlers Bedeutung als Kunsttheoretiker und seine Auseinandersetzung mit Kunst in Beziehung zu seinen Zeitgenossen dar. Sie erläutert den produktionsästhetischen Ansatz Fiedlers und seine Rezeption im Kontext der modernen Kunst- und Bildforschung. Die Arbeit befasst sich mit Fiedlers Definition der bildnerischen Tätigkeit als anschauliche Erkenntnisarbeit, die sich in bildlichen Darstellungen realisiert.
Kapitel 2 ordnet Fiedlers Werk im philosophiehistorischen Kontext ein. Es beleuchtet die „nicht-spekulative Ästhetik“ als Gegenbewegung zum Deutschen Idealismus und Fiedlers Position innerhalb des ästhetischen Formalismus. Zudem wird Fiedlers produktive Auseinandersetzung mit Kants Transzendentalphilosophie beleuchtet.
Kapitel 3 untersucht Fiedlers Beziehung zu Humboldts Sprachphilosophie. Es beleuchtet den Prozess sprachlicher Welterzeugung und die Sprache der Anschauung, die Fiedler für seine Kunsttheorie nutzt.
Kapitel 4 stellt Fiedlers Analyse des Sehens vor. Es beleuchtet die Grenzen des alltäglichen Sehens und das Konzept des „Sehens um des Sehens willen“ als Grundlage für die künstlerische Gestaltungsarbeit.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit Fiedlers Auffassung von der bildnerischen Tätigkeit als anschauliche Erkenntnisarbeit. Es beleuchtet seine Kategorie der Ausdrucksbewegung, das Zusammenspiel von Auge und Hand sowie die bildspezifische Form der Sichtbarkeit.
Schlüsselwörter
Fiedlers Kunsttheorie, ästhetischer Formalismus, „nicht-spekulative Ästhetik“, Kant, Humboldt, Sprachphilosophie, Anschauung, Sehen, bildnerische Tätigkeit, Ausdrucksbewegung, Sichtbarkeit.
- Arbeit zitieren
- Sarah David (Autor:in), 2018, Mit Auge und Hand. Zur Bestimmung der bildnerischen Tätigkeit in Konrad Fiedlers Kunsttheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429743