Innere Differenzierung. Optimierung des Lernprozess bei Hochbegabten.


Examensarbeit, 2003

108 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition von innerer Differenzierung

3. Innere Differenzierung in heterogenen Lerngruppen
3.1. Die homogene Lerngruppe als Vision und die Begründung von innerer Differenzierung in heterogenen Lerngruppen
3.2. Ziele von innerer Differenzierung

4. Didaktische Modelle zur inneren Differenzierung
4.1. Inneren Differenzierung bei Klafki
4.1.1. Vorraussetzungen für innere Differenzierung nach Klafki
4.1.2. Das Modell von Klafki zur inneren Differenzierung
4.2. Das Modell von Bönsch
4.3. Das Modell von Feuser
4.4. Vergleich und Reichweite der didaktischen Modelle
4.5. Verdeutlichung der Einflussfaktoren auf die Begabung am Beispiel von Renzulli`s Drei-Ringe-Modell

5. Definitionen von Hochbegabung
5.1. Die Definitionsklassen von Lucito
5.2. Verschiedene Definitionen

6. Hochbegabungsmodelle
6.1. Das Renzulli-Modell und Erweiterungen von Mönks und Wieczerkowski & Wagner
6.2. Das Münchner Begabungsmodell von Heller & Hany
6.3. Das Modell von Gagné

7. Indikatoren für eine Hochbegabung
7.1. Der kognitive Bereich – Das Denken
7.2. Der Bereich des Arbeitsverhaltens
7.3. Der Bereich des Sozialverhaltens

8. Identifikation von Hochbegabung
8.1. Testdiagnostik
8.1.1. Zeitpunkt der Identifikation
8.1.2. Zuverlässigkeit von Intelligenztests und Einflussfaktoren auf die Testergebnisse
8.1.3. Eine Auswahl psychologischer Intelligenztests
8.1.3.1. CFT 1 – Ein „kulturfairer“, standardisierter Gruppen- und Einzeltest für Vorschulkinder
8.1.3.2. K-ABC (Kaufmann-Assessment Battery for Children) – Ein standardisierter Individualtest
8.1.3.3. HAWIK III (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest) – Ein standardisierter Individualtest
8.1.4. Standardisierter Gruppen- und Einzeltest versus standardisierten Individualtest
8.2. Andere Identifikationsmöglichkeiten
8.2.1. Nominierungen
8.2.1.1. Nominierung durch Lehrer
8.2.1.2. Nominierung durch Kindergarten oder Vorschule
8.2.1.3. Nominierung durch Eltern
8.2.1.4. Nominierung durch andere Kinder
8.2.1.5. Selbstnominierung
8.2.2. Wettbewerbe
8.2.3. Schulleistungstests
8.2.4. Zeugniszensuren
8.3. Risikogruppen
8.3.1. Mädchen
8.3.2. Underachiever
8.3.3. Kinder mit Behinderung
8.4. Mögliche Probleme bei Nichterkennung von Hochbegabung

9. Förderungsmöglichkeiten für Hochbegabte
9.1. Freizeitprogramme für Hochbegabte
9.1.1. Mensa e.V.
9.1.2. Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V.
9.1.3. Hochbegabtenförderung e.V.
9.1.4. Kindertreff Fantasticus – Jugenddorf Hannover
9.1.5. Deutsche Schülerakademie
9.1.6. Wettbewerbe
9.2. Beschulungsmöglichkeiten in Deutschland
9.2.1. Jugenddorf-Christrophorus-Schule in Braunschweig
9.2.2. Jugenddorf-Christophorusschule in Rostock
9.2.3. Landesgymnasium Sankt Afra
9.2.4. Talenta
9.2.5. Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen
9.2.6. Schulen im Bereich Hannover
9.3. Förderung in Regelschulen
9.3.1. Äußere Differenzierung
9.3.1.1. Unterricht in höheren Klassen, Zusatzunterricht und Wettbewerbe
9.3.1.2. Überspringen von Klassen
9.3.2. Möglichkeiten innerer Differenzierung
9.3.2.1. Stationslernen
9.3.2.2. Freiarbeit
9.3.2.3. Lernen durch Lehren
9.3.2.4. Aufbau eines Helfersystems
9.3.2.5. Projektarbeit
9.3.2.6. Neue Medien – Computer- und Interneteinsatz

10. Eine Unterrichtseinheit im Fach Sachunterricht zum Thema „Strom und Stromkreis“ für eine 4. Klasse mit besonderer Beachtung von hochbegabten Kindern
10.1. Aufbau der Unterrichtseinheit
10.2. Verlaufsplanungen der Unterrichtsstunden mit differenzierten Unterrichtszielen
10.2.1. „Strom im Alltag“ (1./2. Stunde)
10.2.2. „Woher kommt der Strom?“ & „Umgang mit Strom“
(3./4. Stunde)
10.2.3. „Glühlampe, Schalter und Batterien“ (5./6. Stunde)
10.2.4. Stationslernen: „Experimentieren mit Strom und Aufbau von Stromkreisen“ (7./8. Stunde)
10.3. Didaktische Überlegungen
10.4. Methodische Umsetzung

11. Abschließend

12. Literaturverzeichnis
12.1. Literatur zum Schwerpunkt „Innere Differenzierung“
12.2. Literatur zum Schwerpunkt „Hochbegabung“
12.3. Sonstige Literatur

Anhang 1-48: Material zur Unterrichtseinheit

Anhang 49-139: Internetseiten

1. Einleitung

Diese Examensarbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Innere Differenzierung des Unterrichts mit besonderer Beachtung hochbegabter Schülerinnen und Schüler“.

Grundlegend befasst sich die Arbeit mit der Frage, welche außer- und innerschulischen Förderungsmöglichkeiten es für hochbegabte Kinder gibt und wie eine konkrete Unterrichtseinheit geplant sein muss, um diese Kinder in einer Regelschule zu berücksichtigen.

Meine These ist, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen äußerer und innerer Differenzierung in der Schule und ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm außerhalb der Schule notwendig sind, um hochbegabte Kinder optimal zu fördern.

Zum Bereich der inneren Differenzierung ist meine These, dass diese Methode zur Individualisierung und Optimierung des Lernprozesses bei Hochbegabten beiträgt und darüber hinaus für alle Kinder in einer heterogenen Lerngruppe notwendig ist, um einen schülerzentrierten und pädagogisch wertvollen Unterricht zu gewährleisten.

Die Arbeit versucht die beiden Themen „Hochbegabung“ und „Innere Differenzierung“ in ihren theoretischen Grundlagen zunächst getrennt voneinander zu betrachten und im Laufe der Arbeit zusammenzuführen.

Die Arbeit wird im ersten Abschnitt einen theoretischen Überblick über das Thema „Innere Differenzierung“ geben, indem sie sich mit verschiedenen Definitionsansätzen und den wichtigsten didaktischen Modellen befasst und Begründungen für den Einsatz von innerer Differenzierung in heterogenen Gruppen liefert. Dies stellt das Grundgerüst für die später folgende detaillierte Darstellung der Arbeitsformen im Rahmen von innerer Differenzierung dar.

Im nachfolgenden Abschnitt gibt die Arbeit einen zusammenfassenden Einblick in das Thema „Hochbegabung“. Es erfolgt, wie im vorhergegangenen Abschnitt, eine Bearbeitung von verschiedenen Definitionen und Modellen.

Des Weiteren beschäftigt sich der Abschnitt mit den Indikatoren für Hochbegabung, die in den kognitiven Bereich, in den Bereich des Arbeitsverhaltens und den Bereich des Sozialverhaltens aufgeteilt werden. Diese Indikatoren sind keine feststehenden Faktoren. Die Kenntnis dieser Indikatoren kann aber hilfreich bei der Identifikation von hochbegabten Kindern sein.

Mit der Identifikation von Hochbegabten beschäftigt sich die Arbeit im Folgenden, da diese eine Voraussetzung für die Förderung und Berücksichtigung der Kinder im Unterricht darstellt. Im Rahmen dessen befasst sich die Arbeit unter anderem mit der Testdiagnostik. Sie stellt häufig angewandte Intelligenztests vor und zeigt die Eignung für die Identifikation von hochbegabten Kindern. Außer der Testdiagnostik werden noch andere Identifikationsverfahren vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt bei der Abwägung der Vor- und Nachteile von Nominierungen bei Hochbegabten durch Eltern, Lehrer und Kindergarten. Außerdem wird auf die Probleme bei Nichterkennung von Hochbegabung und auf die so genannten Risikogruppen, bei denen eine Identifikation durch bestimmte Faktoren erschwert wird, eingegangen.

Dem folgend befasst sich die Arbeit mit den wichtigsten, bestehenden Förderangeboten für hochbegabte Kinder. Hierbei wird auf die speziellen Freizeitangebote und die Beschulungsmöglichkeiten in Deutschland eingegangen und ein Überblick über die wichtigsten Institutionen geliefert. Dieser Überblick über die Angebote und Möglichkeiten für die Hochbegabtenförderung wird geschaffen, um abwägen zu können, ob die These, mit der Forderung nach einem ausgewogenen, spezifischen, außerschulischen Angebot in Verbindung mit der schulischen Förderung für Hochbegabte, praktisch umsetzbar ist.

An dieser Stelle der Arbeit werden die beiden Themen „Hochbegabung“ und Innere Differenzierung“ zusammengeführt. Es wird auf die Förderungsmöglichkeiten von hochbegabten Kindern innerhalb der Regelschulen eingegangen. Der Schwerpunkt liegt bei der Bearbeitung der unterschiedlichen Möglichkeiten im Rahmen von innerer Differenzierung und ihre Eignung für die Arbeit mit hochbegabten Kindern.

Entwickelt aus den theoretischen Erkenntnissen über die Förderung von hochbegabten Kindern durch innere Differenzierung, schließt sich im letzten Abschnitt der Arbeit eine Unterrichtseinheit an, in der versucht wird, hochbegabte Kinder innerhalb einer heterogenen Lerngruppe in der Regelschule zu berücksichtigen. Durch abwechslungsreiches Unterrichtsmaterial, Handlungsorientierung, differenzierte Lernziele und wechselnde Sozialformen wird versucht, einen individuellen Unterricht für alle Kinder der Lerngruppe zu planen.

2. Definition „Innere Differenzierung“

Der Begriff „Innere Differenzierung“ ist abzugrenzen von dem Gegenbegriff „Frontalunterricht“ und von der so genannten „Äußeren Differenzierung“. Als erstes ist zu dem die Bedeutung des Wortes „Differenzierung“ genauer zu untersuchen.

Allgemein sprachlich beinhaltet die Forderung nach Differenzierung die Bedeutung etwas detaillierter zu betrachten, einem Sachverhalt kleinschrittiger zu begegnen und ein Problem in allen seinen Feinheiten zu sehen.

Für die Schule und den dortigen Unterricht gesprochen tritt eine Forderung nach Differenzierung immer dann auf, wenn die Unterschiede der Schülerinnen und Schüler keine ausreichende Beachtung in der Unterrichtsplanung und -durchführung erhalten.[1]

„Unter Differenzierung wird einmal das variierende Vorgehen in der Darbietung und Bearbeitung von Lerninhalten verstanden, zum anderen die Einteilung bzw. Zugehörigkeit von Lernenden zu Lerngruppen nach bestimmten Kriterien. Es geht um die Einlösung des Anspruchs, jedem Lernenden auf optimale Weise Lernchancen zu bieten, dabei die Ansprüche und Standards in fachlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Hinsicht zu sichern und gleichzeitig lernorientiert aufzubereiten.“[2]

Manfred Bönsch beschreibt in seiner Definition von Differenzierung sowohl die sog. „innere Differenzierung“ als auch die sog. „äußere Differenzierung“. Mit dem „variierenden Vorgehen in der Darbietung von Lerninhalten“ ist bei Bönsch die innere Differenzierung gemeint. Die äußere Differenzierung beschreibt er als „Einteilung bzw. Zugehörigkeit von Lernenden zu Lerngruppen“. Bönsch sieht beide Formen der Differenzierung im Zusammenspiel als Chance, den Schülern/innen eine optimale Lernchance zu ermöglichen.

Sieht man Unterricht mit innerer Differenzierung als Gegenstück zum Frontalunterricht, so liegt der ausschlaggebende Unterschied in der Planung der Lernstrategien. Beim Frontalunterricht gibt der Lehrer den Kindern eine Lernstrategie vor, wobei er für einen differenzierten Unterricht mehrere Lernstrategien in seine Vorbereitung mit einbeziehen muss.[3]

Für den/die einzelne/n Schüler/in bedeutet differenzierter Unterricht, dass sie als Individuum wahrgenommen werden und auch ihre Leistungsfähigkeit und Begabung individuell betrachtet und berücksichtigt werden.

Auf diese Individualisierung geht Berthold Michael in seinem Aufsatz mit dem Titel „Innere Differenzierung“ etwas näher ein; deshalb möchte ich die Grundaussagen im Folgenden zusammenfassen:

Innere Differenzierung soll den individuellen Nachteilen, die jede/r Schüler/in im heterogenen Klassenverband hat, entgegenwirken. Berthold Michael ist der Auffassung, dass eine wirkliche Individualisierung nur in der Form von Einzelunterricht möglich ist. Er räumt jedoch weiter ein, dass beim Einzelunterricht alle Lerneffekte im Sozialisationsbereich verloren gehen und hält aus diesem Grund die innere Differenzierung für einen sinnvollen Kompromiss. Als minimale Differenzierung bezeichnet er das Unterteilen einer Klasse in zwei Subgruppen und als maximale Differenzierung sieht er die Einzelarbeit. Das Optimum liegt jedoch darin, ein anpassungsfähiges System zu schaffen und nicht etwa eine starre Gruppeneinteilung vorzunehmen. Die Planung sollte so flexibel sein, dass sie auf die Dynamik der Klasse und jedes Individuums reagieren kann.[4]

Michael greift zwei wichtige Punkte auf, zum einen die Vor- und Nachteile von Einzelunterricht und das Bestreben nach einem möglichst hohen Maß an Flexibilität. Einzelunterricht stellt weder eine sinnvolle noch eine zu realisierende Form von Unterricht dar. Welche Vorteile und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten Phasen von Einzelarbeit innerhalb eines Klassenverbandes bringen, gilt es allerdings noch näher zu untersuchen.

Das Stichwort Flexibilität taucht direkt oder indirekt in fast jeder Definition von innerer Differenzierung auf. So auch bei Bönsch: „Binnendifferenzierung strebt keine Dauerlösungen an, sie bleibt in der Regel situations- und lernzielgebunden.[5] Bönsch verwendet für die Bezeichnung „innere Differenzierung“ das Wort „Binnendifferenzierung“ und sieht wie Michael diese Form von Unterricht als dynamische und variierende Arbeitsform.

Kurz und treffend sowie mit Abgrenzung von der äußeren Differenzierung stellt Klafki seine Definition von innerer Differenzierung dar:

„„Innere Differenzierung“ meint dabei alle jene Differenzierungsformen, die innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse oder Lerngruppe vorgenommen werden, im Unterschied zu allen Formen sog. Äußerer Differenzierung, in der Schülerpopulationen nach irgendwelchen Gliederungs- oder Auswahlkriterien – z.B. den Gesichtspunkten unterschiedlichen Leistungsniveaus oder unterschiedlichen Interessen – in Gruppen aufgeteilt werden, die räumlich getrennt und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zeiten unterrichtet werden.“[6]

Demnach ist innere Differenzierung ein pädagogisches Vorgehen, das Unterschiede innerhalb einer Lerngruppe aufgreift. Im Gegensatz bei Maßnahmen zur äußeren Differenzierung bleibt die heterogene Lerngruppe erhalten.

Bei der Definition von Klafki stellt sich nun die erweiternde Frage, ob er davon ausgeht, dass sich äußere und innere Differenzierung gegenseitig ausschließen. Klafki äußert sich dazu folgendermaßen:

„„Innere“ und „äußere Differenzierung“ schließen sich keineswegs aus. Auch innerhalb jeder Form äußerer Differenzierung kann Innere Differenzierung praktiziert werden, also z.B. innerhalb einer durch äußere Differenzierung von jahrgangsentsprechenden Real- oder Hauptschulklassen getrennten Gymnasialklasse oder innerhalb eines Niveaukurses einer Gesamtschule.“[7]

Schlussfolgernd kann aus dieser Aussage von Klafki gezogen werden, dass innere Differenzierung in jeglicher Form von äußerer Differenzierung praktiziert werden kann.

3. Innere Differenzierung in heterogenen Lerngruppen

3.1. Die homogene Lerngruppe als Vision und die Begründung von Innerer Differenzierung in heterogenen Lerngruppen

Nach der Klärung des Begriffs „Innere Differenzierung“ ist zu untersuchen, warum diese notwendig ist und welchen Problemen sie versucht entgegen zu wirken.

Plant man als Lehrer für eine Klasse eine Unterrichtsstunde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Kinder die gleichen Lernvoraussetzungen mitbringen. Gerade Unterrichtsstunden, die auf Kenntnisse von vorherigen Stunden aufbauen, sind davon betroffen. Zudem spielt die Motivation eine große Rolle. Nicht alle Schüler/innen sind an einem Thema gleichermaßen interessiert, dies kann sich ebenso auf die Leistungsfähigkeit auswirken.

„Man kann sagen, daß viele Leistungsbereitschaften nicht gefordert und Veranlagungen nicht geweckt bzw. verschüttet werden.“[8]

Dies kann passieren, wenn die Motivation bei den Kindern aufgrund von mangelnden Erfolgserlebnissen soweit sinkt, dass sie zu keiner Leistung mehr bereit sind. Interesse und Begabungen schwinden, wenn sie nicht richtig gefördert werden. Jedes Kind braucht diese Erfolgserlebnisse, um motiviert und gestärkt an neue Aufgaben zu gehen, die seinen Lernstand erhöhen. Ein am Durchschnitt orientierter Unterricht fördert oft, dass Talente übergangen und verschüttet werden. Die Lernvorrausetzungen innerhalb einer Lerngruppe sind zu unterschiedlich, als das es ohne Einbußen von Motivation, Interessenhaltung und Leistungsfähigkeit möglich ist, einen Unterricht zu durchzuführen, der für den Durchschnittsschüler konzipiert ist.

Eine Möglichkeit den Unterschieden in den Lernvorrausetzungen entgegen zu wirken, ist die Bildung von möglichst homogenen Lerngruppen. Ob diese Homogenisierung praktisch umsetzbar und dazu noch sinnvoll ist, ist im Nachfolgenden zu untersuchen.[9]

Homogenität schaffen soll in diesem Zusammenhang als das Schaffen von gleichen Interessen und/oder gleichem Leistungsstand und -fähigkeit innerhalb einer Lerngruppe definiert werden.

Um sowohl das Lernen als auch das Lehren zu erleichtern, versuchen die Schulen durch äußere Differenzierungsmaßnahmen eine Lerngruppe möglichst homogen zu halten. Die Schüler werden nach Leistung und/oder nach Interesse an Lerninhalten gruppiert. Dass diese Maßnahmen jedoch keine homogenen Klassen und Kurse entstehen lassen, ist allen Lehrern/innen aus der Unterrichtspraxis bekannt. Diese Annahme wird auch in der Literatur unterstützt und bekräftigt.

Hans Brügelmann stellt folgende These auf: „Illusion: Homogenität ist durch eine organisatorische Differenzierung von Gruppen herstellbar“[10]

Eine Schule in homogene Gruppen aufzuteilen, bleibt immer nur ein Versuch und meist eine völlige Illusion. Gruppiert man die vermeintlich leistungsstarken und leistungsschwachen Kinder zu verschiedenen Lerngruppen, werden sich nach kurzer Zeit wieder Unterschiede in der Leistung, im Sozialverhalten etc. herausbilden. Ist die Klasse auch noch so leistungsschwach und erscheint dadurch homogen, so bilden sich dennoch immer wieder neue Hierarchien heraus.[11]

Klafki und Stöcker gehen in ihrem Aufsatz „Innere Differenzierung des Unterrichts“ unter der Fragestellung „Warum ist innere Differenzierung notwendig?“ genauer auf den Aspekt der Homogenisierung von Lerngruppen ein.

Laut Klafki und Stöcker stößt die schulische Organisation bei dem Versuch der Homogenisierung auf unüberwindbare Grenzen, alleine schon, wenn man z.B. den Punkt der Klassengröße betrachtet. Wir müssen heute von einer realistischen Klassengröße von minimal 20 Kindern ausgehen. Eine Reduzierung dieser zugunsten von Homogenität wäre nur sehr begrenzt umsetzbar.[12]

Eine homogene Klasse zu erhalten, indem man nur ein Auswahlkriterium nimmt, das hält Klafki für möglich. Nur ein Kriterium würde jedoch dann z.B. bedeuten, dass man die Kinder nach ihren Schulnoten in Gruppen aufteilt und danach davon ausgeht, man hätte homogene Lerngruppen. Im Hinblick auf das eine Auswahlkriterium, die Schulnote, wäre dies der Fall, jedoch müsste man nun davon ausgehen, dass alle anderen Merkmale, die für einen Lernprozess wichtig sind, unter den eingeteilten Gruppenmitgliedern die gleiche Ausprägung haben. Praktisch würde das z.B. bedeuten, dass man davon ausgeht, dass alle Schüler/innen mit der Note 4 in Deutsch Schwierigkeiten beim Lesen haben. Das ist natürlich absurd und praxisfremd. Auch für Klafki ist dieser Weg nur hypothetisch gedacht und soll nur ein weiterer Hinweis darauf sein, wie schwierig bzw. unmöglich eine Homogenisierung ist.[13]

Des Weiteren ist nachzuforschen, ob es sich bei der angestrebten Homogenisierung einer Lerngruppe um eine Bemühung handelt aus der eine optimale Lernsituation entsteht. In der Literatur wird dies kontrovers, jedoch mit einer eindeutigen Ausrichtung, diskutiert.

Brügelmann bezieht in seinem Aufsatz den aktuellen Forschungsstand zu der Problematik mit ein und verweist zu dem Thema unter anderem auf eine Publikation von Olga Graumann, auf die im Nachfolgenden ebenfalls eingegangen wird.

„Analyse: Didaktiken überschätzen die Wirksamkeit vertikaler Vermittlung von Wissen und Können, sie unterschätzen latent wirksames horizontales Lernen „mit-und voneinander“.“[14]

Wenn man darüber nachdenkt, was eine optimale Lernsituation ist, sollten die vielfältigen Formen des Lernens Berücksichtigung finden. Soziales Lernen darf nicht der Wissensvermittlung untergeordnet werden. Eine Frage, die sich hier aufwirft ist, ob man den Kindern durch eine angestrebte Homogenisierung nicht einen Teil von Lernmöglichkeiten wegnimmt.

Ebenso wie Brügelmann geht auch Olga Graumann auf den aktuellen Forschungsstand ein und beschäftigt sich speziell mit der Integrationsforschung, dem Lernen in heterogenen Gruppen. Mit diesem Aspekt ist das gemeinsame Lernen von Kindern mit unterschiedlichem Leistungsstand und Leistungsvermögen gemeint. Graumann fasst die Forschungsergebnisse zusammen, in denen es darum geht, welche Vor- und Nachteile es für die Kinder hat, in einer Lerngruppe mit Lernbehinderten, Verhaltensauffälligen, Hochbegabten, Normalbegabten und Geistigbehinderten zu sein.

Zusammenfassend kann aufgrund der zusammengestellten Forschungsergebnisse in der Ausführung von Olga Graumann gesagt werden, dass nichtbehinderte und normalbegabte Kinder keinen Nachteil bei der Eingliederung in eine integrative, bewusst heterogene Lerngruppe haben. Bisher wurden keine Leistungsabfälle festgestellt. Für Kinder in integrativen Klassen tun sich aufgrund der heterogenen Zusammensetzung neue Lernmöglichkeiten auf. Gerade beim Umgang mit behinderten und leistungsschwachen Mitschülern werden soziale Kompetenzen wie Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft geschult.[15]

„Nach den Untersuchungsergebnissen der Forschergruppe ist die Selbsteinschätzung schulischer Leistungsfähigkeit in homogenen Leistungsgruppen positiver als der Schüler in heterogenen.“[16]

Dies ist ein Aspekt, der gegen das Lernen in heterogenen Gruppen sprechen könnte. Jedoch muss hierbei bedacht werden in welcher Situation sich z.B. ein leistungsschwaches Kind in einer heterogenen Integrationsklasse befindet, mit welchen anderen Schülern es sich vergleicht und wie die Situation hingegen für das gleiche Kind in einer homogenen Gruppe mit anderen leistungsschwachen Schülern ist. In einer homogenen Gruppe hat das Kind keine Kinder als Vergleichsmöglichkeit, die von der Leistung stark von der eigenen abweichen. Dem Kind wird in der homogenen Gruppe suggeriert, dass seine Leistung sich im Normbereich befindet, daraus resultiert die positivere Selbsteinschätzung. In einer heterogenen Lerngruppe ist den schulleistungsschwachen Kindern eher bewusst, dass sie weniger leisten als andere Mitschüler, da sie hier den direkten Vergleich haben.[17]

Eine positive Selbsteinschätzung ist wichtig für den Lernprozess. Allerdings ist auch darauf zu achten aus welcher Situation heraus diese entsteht. In homogenen Lerngruppen fehlt den Kindern der Vergleich zu der Vielfältigkeit an Leistungsständen- und Fähigkeiten. Leistungsstarke Kinder werden von anderen Kindern auch nicht immer nur als Abwertung zur eigenen Leistung empfunden, sondern auch als Motivation und Anreiz gesehen. Diese Motivationsmöglichkeit wird in einer homogenen Lerngruppe von Anfang an unterbunden.

Als Fazit kann gesagt werden, dass Homogenität nur sehr bedingt herzustellen ist, wenn man die Fülle von notwendigen Einteilungskriterien mit einbezieht. Zudem bietet eine heterogene Lerngruppe zahlreiche Lernmöglichkeiten und Erfahrungsräume, die eine homogene Lerngruppe nicht bietet.

Als Lehrer wird man als Klasse an einer Regelschule weiterhin eine heterogene Gruppe vor sich haben; die „Innere Differenzierung“ bleibt unabdingbar, um zu versuchen allen Kindern in einer Klasse gerecht zu werden und sie nicht als „homogene Masse“ zu behandeln, die sie nicht sind.

„Eine der Ursachen für das gegenwärtige Interesse an der inneren Differenzierung dürfte darin liegen, daß die Versuche, durch vermehrte äußere Differenzierung der individuellen Lern- und Leistungsfähigkeit der Kinder zu entsprechen, nicht zu eindeutig positiven Ergebnissen geführt haben.“[18]

Geppert und Preuß kritisieren die mangelnden Erfolge in den Versuchen von äußerer Differenzierung und stellen somit weiter die Notwendigkeit der inneren Differenzierung heraus.

Gerade für den Bereich der Grundschule halten Geppert und Preuß die Form der äußeren Differenzierung für ungeeignet, da so die Kinder viel zu früh in ein Leistungsschema gepresst werden und über ihre Leistungsfähigkeit zu früh geurteilt wird. Die Kinder könnten unter Umständen in eine negative Selbsteinschätzung fallen, die eine Stagnation des Lernfortschrittes zur Folge haben kann. Durch innere Differenzierung kann diesen negativen Einflüssen auf den Lernprozess entgegen gewirkt werden.[19]

3.2. Ziele von Innerer Differenzierung in heterogenen Gruppen

Unter diesem Aspekt spielen sowohl die Ausführungen von Olga Graumann zum Thema „Ziele von Heterogenität“ als auch die von Geppert und Preuß zum Thema „Ansprüche und Ziele innerer Differenzierung“ eine Rolle. Ausführungen der drei Autoren ergänzen sich und greifen teilweise ineinander über.

Geppert und Preuß stellen als Anspruch an den differenzierten Unterricht, dass alle Kinder individuell auf ihre Eigenarten zugeschnitten gefördert werden sollen und ihnen Freiräume einzuräumen sind.[20] Bei Olga Graumann wird die Integration jedes einzelnen Kindes mit all seinen Eigenarten, Schwächen und Stärken betont als auch besonderen Wert auf den Punkt der Gruppenidentität gelegt.[21] Die Lerngruppe soll sich als Ganzes betrachten, aber auch jeden Teilnehmer als Individuum sehen. Ein Ziel ist, dass sich jedes Kind unabhängig von Leistungsstand und der Begabung in der Lerngruppe wohl fühlt.

„Heterogenität darf nicht nur strukturelles Moment sein, sondern sollte zum Lerninhalt selbst erhoben werden.“[22]

Das bedeutet, dass die Vielfalt der Ausprägungen von Schwächen und Stärken den Lernprozess nicht nachteilig beeinflussen soll, sondern es sollte im Gegenteil als ein Ziel verstanden werden diese Vielfalt als Lernanlass und Bereicherung in den Unterricht einzubinden und zu nutzen.

Laut Geppert und Preuß kann es kein Ziel sein, alle Kinder auf das gleiche Leistungsniveau zu bringen. Das Ziel ist es Lernschwierigkeiten aufzugreifen, was ein hohes Maß an persönlicher Aufmerksamkeit für jeden Schüler bedeutet. Diese Aufmerksamkeit soll allerdings nicht zu Lasten der Selbständigkeit und dem eigenverantwortlichen Handeln und Denken, zu dem die Kinder erzogen werden sollen, gehen.[23]

Differenzierter Unterricht bedeutet unter anderem die soziale Isolation im lehrerzentrierten Frontalunterricht aufzulösen und einen Unterricht zugunsten der sozialen Gemeinschaft zu gestalten. Das beinhaltet, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrer Kooperationsfähigkeit gefördert werden. Die Selbstverwirklichung des Kindes in der Lerngruppe ist als oberstes Ziel zu werten.[24]

„Wissenserwerb ohne sozialen Bezug ist unvollständig als Ziel, wie umgekehrt auch das Leben in demokratischen Strukturen ohne Wissenserwerb.“[25]

In diesem Zitat von Olga Graumann kommt zum Ausdruck, wie wichtig das Zusammenspiel von kognitivem Lernen und Förderung der sozialen Kompetenzen ist.

Um genauer zu schauen wie innere Differenzierung in eine Unterrichtseinheit eingebaut werden kann, widmet sich das nächste Kapitel einem Teil der Modelle und nähert sich so dem Thema zwar theoretisch, aber mit einem deutlichen Blick auf die praktische Umsetzung in der Schule.

4. Didaktische Modelle zur inneren Differenzierung

Unter den zahlreichen theoretischen Modellen habe ich drei ausgewählt mit denen ich mich im Folgenden näher auseinandersetzen möchte:

1.) Das Modell von Klafki
2.) Das Modell von Bönsch
3.) Das Modell von Feuser

Ich habe diese Modelle ausgewählt, weil sie am meisten in der Literatur diskutiert werden und die bekanntesten sind.

Nach einer Beschreibung der wichtigsten Punkte in den einzelnen Modellen, werde ich sie vergleichen und versuchen in Beziehung zueinander zu setzen.

4.1. Inneren Differenzierung bei Klafki

4.1.1. Vorraussetzungen für innere Differenzierung nach Klafki

Nach Klafki gibt es drei wichtige Vorraussetzungen für die innere Differenzierung:

1.) Die Einteilung der Ziele und Inhalte in Fundamentum und Additum
2.) Die richtige Auswahl der Unterrichtsmedien
3.) Das Einführen von Arbeitformen und -techniken

Um bei allen Kindern zu gewährleisten, dass sie einen Grundstock an Lernzielen erreichen und sich dennoch kein Kind über- oder unterfordert fühlt, spricht Klafki davon ein sog. Fundamentum festzulegen. Das Fundamentum soll eine Zusammenstellung der verbindlichen Lernziele und Inhalte darstellen. Das Additum beinhaltet auf dem Fundamentum aufbauende Ziele, diese noch einmal in Stufen gegliedert sind. Die Einteilung in Fundamentum und Additum muss für jede neue Unterrichtseinheit oder sogar für jede neue Unterrichtssequenz erfolgen.[26]

Bei dieser Form der Einteilung der Lernziele und Lerninhalte besteht eine gute Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, dass der Lehrer die Lernfortschritte genau beobachtet und protokolliert. Ein übergeordnetes Ziel sollte sein, das alle Kinder dazu zu motivieren und anzuleiten über das Fundamentum hinaus zu arbeiten. Für begabte Kinder gibt es bei dieser Einteilung keine Barrieren, die zu Langeweile führen könnten.

Ebenso wie bei den Lernzielen stellt Klafki auch bei der Auswahl der Medien den Anspruch der Differenzierung. Kriterien, die zuvor für die Entwicklung des Fundamentums und Additums innerhalb der Lernziele erstellt wurden, sollen bei der Sichtung Unterrichtsmedien auch berücksichtigt werden.[27]

Durch innere Differenzierung wird an die Schülerinnen und Schüler ein höheres Maß an Selbständigkeit und Flexibilität gefordert. Arbeitsweisen und -techniken müssen den Kindern bekannt sein und eingeübt werden. Dies stellt laut Klafki einen wichtigen Punkt bei den Voraussetzungen für differenzierten Unterricht dar.[28]

Die Kinder müssen sozusagen „den Plan des Lehrers durchschauen“ können und ihre individuellen Lernchancen erkennen. Innere Differenzierung erfordert Disziplin und Kooperationsbereitschaft bei den Kindern. Sie müssen mehr als zuvor lernen, über ihren eigenen Lernschwächen und -stärken zu reflektieren.

4.1.2. Das Modell von Klafki zur inneren Differenzierung

Das Modell trägt die Bezeichnung „Dimensionen- und Kriterienraster zur inneren Differenzierung“. Es teilt sich in drei Dimensionen:

A.) Unterrichtsphasen

B.) Differenzierungsaspekte

C.) Aneignungs- bzw. Handlungsebenen[29]

Die Dimension A „Unterrichtsphasen“ gliedert sich in vier Hauptunterrichtsphasen:

1.) Die Phase der Aufgabenstellung- und Entwicklung
2.) Die Phase der Erarbeitung
3.) Die Phase der Festigung
4.) Die Phase der Anwendung und des Transfers

Es handelt sich hier um eine grobe Einteilung, die zur Erleichterung und Veranschaulichung von Klafki nicht weiter ausdifferenziert wird. In der Unterrichtspraxis kommt es in den Phasen häufig zu Überschneidungen.[30]

Die Dimension B „Differenzierungsaspekte“ beinhaltet mögliche Punkte zur inneren Differenzierung, die Klafki aufgrund von Beobachtungen im Schulunterricht und Auswertungen von relevanten Theorieansätzen als wichtig ausgewählt hat.

Folgende Punkte wählte Klafki aus:

1.) Stoffumfang/Zeitaufwand
2.) Komplexitätsgrad
3.) Anzahl der notwendigen Durchgänge
4.) Notwendigkeit direkter Hilfe/Grad der Selbständigkeit
5.) Art der inhaltlichen oder methodischen Zugänge/Art der Vorerfahrungen
6.) Kooperationsfähigkeit[31]

In dieser Dimension werden die Unterschiede der Kinder aufgegriffen, die unterschiedliche Weise zu Lernen und die voneinander abweichenden Vorerfahrungen. Laut Klafki ist diese Liste eine Auswahl und keineswegs unveränderbar und vollständig zu betrachten. Ein Punkt, um den die Liste ergänzt werden könnte, wäre z.B. Motivation oder Interesse. Nicht alle Kinder sind an einem Unterrichtsgegenstand oder einem Teilaspekt gleichermaßen interessiert. Ohne Beachtung dessen könnte sich dies negativ auf andere Aspekte, wie z.B. Zeitaufwand und Kooperationsfähigkeit auswirken.

Die Dimension C „Aneignungs- bzw. Handlungsebenen“ ist gerade für die Grundschule wichtig und zu berücksichtigen.

Klafki teilt diese Dimension wie folgt in drei Hauptebenen ein:

1.) Die konkrete Aneignungs- bzw. Handlungsebene
2.) Die Explizit-sprachliche Aneignungs- bzw. Handlungsebene
3.) Die rein gedankliche Aneignungs- bzw. Handlungsebene

Die drei Ebenen beschreiben verschiedene Möglichkeiten sich einen Unterrichtsgegenstand zu nähern. Der Abstraktionsgrad nimmt dabei von Ebene eins bis Ebene drei immer mehr zu. Die Grenzen sind in der Praxis auch hier wieder fließend und die Ebenen mit sehr viel mehr Zwischenschritten versehen. Ebenso wie der Abstraktionsgrad nimmt auch Reflexion zu.

Auf der ersten Ebene agierende Kinder verschaffen sich den Zugang zum Unterrichtsgegenstand für konkrete Dinge, Bilder oder Modelle. Ihre Sprache ist unmittelbar mit der Handlung mit diesen Dingen verbunden und noch nicht reflektierend oder begründend.

Auf der zweiten Ebene bringen die Kinder die Erkenntnisse aus der ersten Ebene in eine sinnvolle Struktur. Sachverhalte und Sprache werden analysiert und begründet dargestellt.

Kennzeichen der dritten Ebene sind, dass Handlungen nun gedanklich ablaufen und keine Anbindung an konkret ausgeführte Handlungen mehr notwendig ist.

Das Modell von Klafki soll für Lehrer/innen eine Hilfe für die Planung von differenziertem Unterricht darstellen. Anhand des Modells können Lehrer reflektieren, in welchen Phasen sie bereits mit Innerer Differenzierung gearbeitet haben, in welcher sie es zukünftig versuchen könnten und welche Differenzierungsaspekte für ihre jeweilige Klasse am relevantesten sind.[32]

Klafki`s Modell ist praxisnah und erweiterbar. Das Modell geht sowohl auf die konkrete Unterrichtsplanung in Form der Unterrichtsphasen ein. Außerdem liefert es auch direkte Anwendungspunkte zur inneren Differenzierung.

4.2. Das Modell zur Inneren Differenzierung von Bönsch

Bönsch teilt sein Modell in verschiedene Strukturformen ein:

1.) Differenzierung nach Arbeitsweisen
2.) Differenzierung nach stofflichem Umfang
3.) Differenzierung nach Schwierigkeitsgraden
4.) Differenzierung aus sozialen Motiven
5.) Differenzierung aus methodischen Gründen
6.) Differenzierung nach dem Lern- und Arbeitstempo
7.) Differenzierung nach zeitlichem Umfang
8.) Differenzierung aus sachlichen Gründen[33]

Bönsch spricht davon, dass aus Beobachtungen der Klasse geschlossen werden sollte, bei welchen Schülern/innen ein differenzierter Unterricht notwendig ist. Hierbei muss beachtet werden, dass seine Ausführungen aus dem Jahre 1970 stammen.[34]

Unklar bleibt bei Bönsch, wie Innere Differenzierung für eine gesamte Schulklasse aussehen soll und wie diese in die Unterrichtssequenzen einzubauen ist.

4.3. Das Modell von Feuser

Zu Abb. 1:

Das Modell zeigt die Struktur für die Innere Differenzierung innerhalb der Didaktik der integrativen Pädagogik auf, wobei es speziell auf die Individualisierung eingeht. Bei diesem als Baum dargestellten Modell handelt es sich um den Teil des gesamten didaktischen Modells von Feuser zur Inneren Differenzierung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1[35]

Bei dem Modell von Feuser stellt der Baumstamm das inhaltliche Grundgerüst des Unterrichts dar. Er selbst bezeichnet den Stamm als „äußere thematische Struktur eines Projekts“, da er diese Unterrichtsform für diejenige hält, die am besten auf die Bedürfnisse der Kinder eingeht. Die Äste und Zweige des Baumes stehen für die verschiedenen Möglichkeiten sich einem Unterrichtsgegenstand bzw. -inhalt zu nähern. Je nach Entwicklungsstand des Kindes kann die Aneignung des Unterrichtsinhalts über eine Handlungsebene oder, wie sie Feuser nennt, in „abstrakt-logisch symbolischer Weise durch Sprache, Schrift, Formeln u.a.“ erfolgen, wobei es sich immer im Sinne der integrativen Pädagogik um ein und denselben Unterrichtgegenstand für alle Kinder drehen soll. Die Astspitzen des Baumes verdeutlichen die Lernziele der Schülerinnen und Schüler, die individuell nach Denk- und Handlungskompetenz des einzelnen Kindes erreicht werden sollen.[36] [37]

Die Äste des Baumes sind bei Feuser nicht als vorgegebene Wege zu werten, sondern als individuelle Möglichkeiten für die Kinder. Genau wie ein Baum ist das Modell ebenfalls kein geschlossenes System, sondern ständig erweiterbar. So wird hier auch für begabte Kinder keine Barriere darstellt, die sie in ihrem Lernprozess bremsen könnte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2[38]

Zu Abb. 2:

Vervollständigt wird das erste Modell durch „Das didaktische Feld integrativer Pädagogik“. Dieses Modell splittet die Unterrichtsstruktur und deren Analyse in drei Teilstrukturen auf:

1.) Die Sachstrukturanalyse
2.) Die Tätigkeitsstrukturanalyse
3.) Die Handelungsstrukturanalyse

Das gesamte Modell wird zu dem noch in Objektseite und die Subjekte eingeteilt. Feuser geht von einer ständigen Interaktion zwischen diesen beiden Seiten aus. Laut Feuser handelt es sich um die Erschließung einer Sachstruktur, also einem Unterrichtsgegenstand und nicht um einen einseitigen Prozess, der nur von der Beschaffenheit des Gegenstandes ausgeht, sondern um eine wechselseitige Beziehung. Das bedeutet, dass sowohl das lernende Kind durch seine Handlung am Gegenstand diesen verändert und beeinflusst, als auch der Gegenstand die Handlung des Kindes beeinflusst und steuert.[39]

„Damit wird für eine didaktische Planung von Lern- und Unterrichtsprozessen deutlich, daß die sachstrukturelle Seite selbst nicht eine vom Subjekt losgelöste objektive Gegebenheit ist, die als solche zu analysieren und den Schülern zu vermitteln wäre, sondern eine, die nach Maßgabe der vom Tätigkeitsniveau des lernenden Subjekts her möglichen handelnden Auseinandersetzung in Wahrnehmung und Denken in Lehr- und Lernsequenzen aufzubereiten ist.“[40]

Hieraus wird deutlich, dass die Unterrichtsinhalte immer in Verbindung mit dem lernenden Kind und seiner Tätigkeit gesehen werden müssen. Dies stellt den Anspruch an den Unterricht auf der Ebene der Handlungsmöglichkeiten zur Einschließung des Gegenstandes differenzierte Maßnahmen mit einzuplanen.

Der Aufbau des „Didaktischen Feldes“ zeigt, dass an der Entwicklung einer neuen Handlungskompetenz sowohl die Subjektseite mit der Bereitstellung von Lernhilfen als auch die Objektseite mit der didaktischen Medienauswahl beteiligt sind.

4.4. Vergleich und Reichweite der didaktischen Modelle

Von allen drei Modellen ist das von Klafki, in Bezug auf die direkten Differenzierungsmaßnahmen, am strukturiertesten aufgebaut und das einizige, dass auch die Unterrichtsphasen mit einbezieht. Die Differenzierungsaspekte, die in die Unterrichtsplanung mit einfließen sollen, sind bei diesem Modell direkt mit aufgeführt, wobei aber Klafki auch eine Erweiterung nicht ausschließt und somit dem Modell einen offenen Charakter gibt. Jedoch ist das Modell weniger analytisch aufgebaut als das Modell von Feuser.

Feuser geht konkret auf das Zusammenspiel von Unterrichtsgegenstand und persönlicher Entwicklung des Kindes ein. Dies findet sich in ähnlicher Form auch bei Klafki auf der Ebene C wieder, wo er die unterschiedlichen Aneigungs- bzw. Handlungsebenen mit einbezieht. Feuser und Klafki beziehen also beide den individuellen Entwicklungsstand und die Lernvoraussetzungen des Kindes mit ein, dies tut Bönsch in seinem Modell nicht.

Bönsch zählt in seinem Modell lediglich verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten auf, setzt diese aber nicht konkret in Beziehung zum Kind und dem zu vermittelnden Unterrichtsinhalt.

Feuser betont im Gegensatz zu Klafki immer wieder, dass das Wichtigste für die innere Differenzierung der gemeinsame Lerngegenstand ist. Klafki teilt die Unterrichtsziele und -inhalte als Voraussetzung für Innere Differenzierung in Fundamentum und Additum. Feuser lässt das Erreichen der Lernziele noch offener und gibt nur den Unterrichtsgegenstand vor.

In allen drei Modellen wird deutlich, dass innere Differenzierung als oberstes Ziel verfolgt, unterschiedlich begabte Kinder mit unterschiedlichen Leistungsständen und -fähigkeiten zu einem möglichst optimalen Lernerfolg zu verhelfen.

Durch das nachfolgende Modell soll verdeutlicht werden, welche Faktoren auf die Begabung eines Kindes Einfluss nehmen.

4.5. Verdeutlichung der Einflussfaktoren auf die Begabung am Beispiel von Renzulli`s Drei-Ringe-Modell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Drei-Ringe Modell von Renzulli[41]

Für ein hohes Maß an Begabung spielen mehr Faktoren eine Rolle als nur eine überdurchschnittliche Intelligenz. Das ist die Grundannahme dieses Modells von Renzulli.

Die Intelligenz, die Kreativität und die Motivation eines Menschen beeinflussen seine Begabung gleichermaßen. Um eine so genannte Hochbegabung zu realisieren müssen alle drei Faktoren im höchsten Maße ausgeprägt sein. Denkt man das Modell weiter, so lässt es die Schlussfolgerung zu, dass ein schlechtes soziales Umfeld, das eine mangelnde Motivation verursacht, die Begabung eines Kindes sehr nachteilig beeinflussen kann. Weiter könnte man aus diesem Modell schließen, dass eine Hochbegabung unter diesem Umständen sogar unentdeckt bleiben könnte.[42]

Mit dem Thema Hochbegabung werden sich die nachfolgenden Kapitel auseinandersetzen. Im Nächstfolgenden ist die Frage zu klären, was überhaupt Hochbegabung ist und wie diese definiert werden kann.

5. Definitionen von Hochbegabung

Wenn man die Frage stellt, ob es eine einheitliche Definition von Hochbegabung gibt, ist diese eindeutig mit nein zu beantworten. In der Literatur gibt es keine allgemeingültige Definition. Die Definitionsansätze in der Literatur von Psychologen, Pädagogen und Wissenschaftlern sollten so verstanden werden, dass sie nur Tendenzen vorgeben und Wege aufzeigen.

[...]


[1] Vgl.: Buck, Siegfried: Formen der Differenzierung in der Grundschule. In: Zum Problem der inneren Differenzierung. Hrsg. Preuß, Eckhardt. Bad Heilbrunn/OBB.: Verlag Julius Klinkhardt 1976. S.12

[2] Zitat: Bönsch, Manfred: Differenzierung in Schule und Unterricht – Ansprüche, Formen, Strategien. München: Ehrenwirth 1995. S.21

[3] Vgl.: Buck, 1976, S.12

[4] Vgl.: Michael, Berthold: Formen der Differenzierung in der Grundschule. In: Zum Problem der inneren Differenzierung. Hrsg. Preuß, Eckhardt. Bad Heilbrunn/OBB.: Verlag Julius Klinkhardt 1976. S.7

[5] Zitat: Bönsch, 1995. S.34

[6] Zitat: Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik – Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 5.Auflage – Weinheim; Basel: Beltz Verlag 1996. S.173

[7] Zitat: Klafki, 1996, S.174

[8] Zitat: Bönsch, Manfred: Differenzierung des Unterrichts-Methodische Aspekte. München: Ehrenwirth Verlag 2.Auflage 1970. S.9

[9] Vgl.: Schittko, Klaus: Differenzierung in Schule und Unterricht – Ziele-Konzepte-Beispiele. München: Franz Ehrenwirth Verlag GmbH & Co. KG 1984. S.11-13

[10] Zitat: Brügelmann, Hans: Heterogenität, Integration, Differenzierung: Empirische Befunde – pädagogische Perspektive. In: Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe. Hrsg. Friederike Heinzel, Annedore Prengel. Opladen: Verlag Leske+Budrich 2002. S.33

[11] Vgl.: Brügelmann 2002. S.33-34

[12] Vgl.: Klafki 1996. S.176

[13] Vgl.: Klafki 1996. S.177

[14] Zitat: Brügelmann 2002. S.36

[15] Vgl.: Graumann, Olga. Gemeinsamer Unterricht in heterogenen Gruppen – Von lernbehindert bis hochbegabt. BadHeilbrunn/Obb. : Verlag Julius Klinkhardt 2002. S.100-107

[16] Zitat: Graumann 2002. S.102

[17] Vgl.: Graumann 2002. S.102

[18] Zitat: Geppert, Klaus und Preuß, Eckerhardt: Differenzierender Unterricht konkret – Analyse, Planung und Gestaltung, Ein Modell zur Reform des Primarbereichs. Bad Heilbrunn/Obb.: Verlag Julius Klinkhardt 2. Auflage 1981. S.12

[19] Vgl.: Geppert und Preuß 1981. S.13

[20] Vgl.: Geppert und Preuß 1981. S.17

[21] Vgl.: Graumann 2002. S.114

[22] Zitat: Graumann 2002. S.115

[23] Vgl.: Geppert und Preuß 1981. S.17f

[24] Vgl.: Geppert und Preuß 1981. S.18f

[25] Zitat: Graumann 2002. S.117

[26] Vgl.: Klafki 1996.S.183f

[27] Vgl.: Klafki 1996. S.184f

[28] Vgl. Klafki 1996. S.185f

[29] Vgl.: Klafki 1996. S.187

[30] Vgl.: Klafki 1996. S.187f

[31] Vgl.: Klafki 1996. S.189f

[32] Vgl.: Klafki 1996. S.193f

[33] Vgl.: Bönsch 1970. S.10-15

[34] Vgl.: Bönsch 1970. S.17

[35] Entnommen aus: Feuser 1989, S.31

[36] Vgl.: Feuser, Georg: Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik. In: Behindertenpädagogik, Solms, 28.Jg., Heft 1/1989, S.31

[37] Vgl.: Demmer-Dieckmann, Irene: Innere Differenzierung als wesentlicher Aspekt einer integrativen Didaktik: Beispiele aus dem projektorientierten Unterricht einer Integrationsklasse in der Primarstufe. Bremen: Wissenschaftliches Institut für Schulpraxis, 1991, S.33

[38] Entnommen aus: Feuser 1989, S.30

[39] Vgl.: Feuser 1989. S.33

[40] Zitat: Feuser 1989. S.33

[41] Abb. entnommen: Brunner, Esther, Projekt Begabungsförderung Thurgau http://www.begabungsfoerderung-tg.ch/informationen_zum_thema/ (15.9.2003)

[42] Vgl.: Schulte zu Berge, Sabine: Hochbegabte Kinder in der Grundschule: Erkennen – Verstehen – Im Unterricht berücksichtigen. Münster: LIT Verlag 2001. S.14f

Ende der Leseprobe aus 108 Seiten

Details

Titel
Innere Differenzierung. Optimierung des Lernprozess bei Hochbegabten.
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Pädagogik)
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
108
Katalognummer
V43026
ISBN (eBook)
9783638409179
ISBN (Buch)
9783638706933
Dateigröße
1004 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Innere, Differenzierung, Unterrichts, Beachtung, Schülerinnen, Schüler
Arbeit zitieren
Mirja Patschkowski (Autor:in), 2003, Innere Differenzierung. Optimierung des Lernprozess bei Hochbegabten., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43026

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