Männlichkeit in Theodor Fontanes "Effi Briest". Baron Innstetten und Major Crampas, zwei 'typische' Männer?


Seminararbeit, 2009

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Männlichkeitsbilder
2.1 Männlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts
2.2 Fontanes Männlichkeitskonstruktion

3. Männerfiguren bei „Effi Briest“
3.1 Geert Baron von Innstetten
3.2 Major Crampas
3.3 Crampas und Innstetten zwei typische Männer? Ein Vergleich
3.4 Briest und andere Männer

4. Schlussbetrachtungen

1. Einleitung

Geert ist ein Mann, ein schöner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt.1

Effi Briest

In diesem Zitat von Fontanes Romanfigur Effi Briest über ihren Mann Geert Baron von Innstetten wird deutlich: Die Protagonistin hat klare Vorstellungen davon, was männlich ist, denn sie ist sich augenscheinlich sicher, „Männer müssen Männer sein“2. Auf einen repräsentativen und vorzeigbaren Mann will sie stolz sein. Als Ehemann soll er dem zeittypischen Ideal entsprechend Karriere machen, Rang und Stand sichern oder sogar einen Aufstieg ermöglichen.

Bei dieser sehr subjektiven Einschätzung geht es jedoch nur um eine Person innerhalb der Romanhandlung. Gleichzeitig soll es ebenso in dieser Arbeit um die Figur des Major Crampas gehen. Ausgehend von diesen beiden männlichen Rollen sollen sich die folgenden Ausführungen unter anderem darauf konzentrieren, welche Männlichkeitsbilder Fontane mit Innstetten und Crampas in diesem Roman erschafft und ob sie sich mit den gängigen Mustern am Ende des 19. Jahrhunderts überschneiden. Schon einer der liebsten Aussagen von Effis Vater, dem Ritterschaftsrat von Briest, macht unmissverständlich klar: „Weiber weiblich, Männer männlich“3. Aber sind hier Männer auch ‚typische’ Männer und kann man sagen, dass sie ‚wirklich’ männlich sind? Symbolisieren die Männlichkeitskonstruktionen bei Effi Briest einen Wandel in der Männlichkeitsdefinition und hatte dies Auswirkungen auf unser heutiges Verständnis von Maskulinität?

Einerseits sollen Männlichkeitsbilder am Ende des 19. Jahrhunderts sowie andererseits die Männlichkeitskonstruktionen von Fontane analysiert werden. Dieser Abschnitt leitet dabei über zu einer Untersuchung des Männlichkeitsbildes in „Effi Briest“. Anhand der beiden polarisierendsten Männerrollen Baron Innstetten - dem „Mann von Grundsätzen“4 - und Major Crampas - dem „Damenmann“5 - sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Personen untereinander mit dem typischen Rollenbild des Mannes dieser Zeit gegenübergestellt werden. Dem abschließenden Vergleich beider folgt ein kleiner Exkurs zu anderen männlichen Romanfiguren bei Effi Briest und leitet über zu den Schlussbetrachtungen, in denen der Frage nachgegangen werden soll, ob und inwiefern die Konstruktion von Männlichkeit in Effi Briest Auswirkungen auf unser heutiges Rollenverständnis hat.

2. Männlichkeitsbilder

Männlichkeit und Weiblichkeit scheinen kulturelle Phänomene zu sein, die durch die jeweilige Gesellschaft erzeugt werden.6 Dem ungeachtet scheint es einen festen Parameter in der Untersuchung von Männlichkeit zu geben. Männer haben seit Langem Probleme damit, den Anforderungen, die an sie gestellt werden, zu genügen.7

2.1 Männlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entsteht „eine durch und durch polare, von krassen Gegensätzen beherrschte Sicht der Geschlechterdifferenz als tragender Säule menschlicher Organisation“8. Mann und Frau werden als Gegensatzpaare konstruiert. Noch bis weit in das Jahrhundert hinein gilt der Mann und der männliche Körper als das Maß aller Dinge, als „Symbolträger des Geistigen und Kulturellen“9. Für einen bürgerlichen Mann bedeutet das Leben zur Mitte des militaristisch wilhelminischen Zeitalters vor allem gesellschaftliche Normen zu befolgen und sich Regeln zu fügen. Ihnen kommt in der „patriarchalisch organisierten Gesellschaft die führende Rolle“10 zu. Die eigene Außenwirkung, die der Frau, der Kinder und des Umfeldes ist zu wahren und der Ehrenkodex einzuhalten, welcher am Ende des 19. Jahrhunderts zwar eher ein Relikt der Moral- und Ehrvorstellungen vergangener Tage ist, aber dennoch eine wichtige Rolle im Gesamtgefüge der Gesellschaft darstellt: „Vor allem das Duell gehört vor dem Hintergrund der Frauen- und Arbeiterbewegung Ende des Jahrhunderts dem

Ehrenkodex einer im Untergehen begriffenen Welt an.“11 Normabweichendes Verhalten der Ehefrau kann schwerwiegende Folgen für den Mann haben.12 Nicht selten kommt es vor, dass der Ehemann deutlich älter als die Ehefrau ist. Ein Mann - und das ist meist erst im fortgeschrittenen Alter mit entsprechender gesellschaftlicher Stellung der Fall - muss erst in der Lage sein, eine Familie standesgemäß zu ernähren.13 Die Menschen nehmen das auslaufende 19. Jahrhundert als eine Ära der Veränderungen und eine temporeiche Zeit wahr. Ausgelöst durch die schnell voranschreitende Industrialisierung steigert sich der Verkehr und Kommunikationsmittel wie das Telefon und die Telegrafie werden zur Gewohnheit.14 Dass so viele, schnell entstandene Fortschritte in das menschliche Leben treten, bleibt nicht ohne Folgen. Durch die „Reizüberflutung“15 und die zügigen Veränderungen fühlen sich die Menschen überfordert, viele werden hysterisch. Von der ursprünglich den Frauen zugeschriebenen Krankheit der Hysterie sind ebenso auch viele Männer betroffen, die durch die Überforderung an einer Art Nervenschwäche leiden, „eine spezifisch männliche Form der Nervosität“16. Am Ende des 19. Jahrhunderts scheint ‚das Mannsein’ einen Wandel zu durchlaufen, es kommt auch durch äußere Einflüsse wie beispielsweise einer neuen weiblichen Emanzipation zu einer Art Männlichkeitskrise.17 Hysterische bzw. neurasthenische Züge deuten männliche Schwäche an. Im privaten Rahmen können sie das öffentliche, zum Teil breitspurig Kriegerische ablegen und Schwäche zeigen.18 Das geschieht ausgerechnet zu einer Zeit, „als der militärische Männlichkeitskult gerade zu blühen begann“19. Informationen über Männer des 19. Jahrhunderts sind jedoch größtenteils nur aus bürgerlichen Kreisen überliefert, weniger aus Arbeiterkreisen. Aber auch hier gibt es Unterschiede zwischen der Land- und Stadtbevölkerung, adligen und bürgerlichen Personen. Wenn es auch Unterschiede gegeben hat, so bemerkt Katja Ansen dennoch: Verschiedene Formen von Männlichkeitsentwürfen verschmolzen im späten 19. Jahrhundert zu ‚dem’ Mann, der sich militärisch gestählt und emotional kontrolliert von ‚der’ weichen, emotional hingebungsvollen Frau abzugrenzen versuchte.20

Auf jede dieser Formen und Gruppen einzugehen, würde hier zu weit führen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass ein Männlichkeitsbild erschaffen wird, das aus verschiedenen Zuschreibungen und Entwürfen vereint entsteht. Männer aus ländlichen Regionen aber beispielsweise begegnen möglicherweise erst wesentlich später den Auswirkungen der Industrialisierung und sind demnach wahrscheinlich weitaus weniger durch einen Ehrenkodex geprägt als Adlige. Dass Männer zum Ende des 19. Jahrhunderts vielen Anforderungen gegenüberstehen, denen sie oft nicht genügen können, soll unter anderem bis hierher deutlich geworden sein. Auch Walter Erhart findet treffende Worte: „Männlichkeit ist demzufolge >immer schon< und permanent in einer Krise, […] weil Männlichkeit als eine Norm verordnet ist und immer nur mit Mühe erreicht werden kann […].“21

2.2 Fontanes Männlichkeitskonstruktion

Insgesamt sind die wohl wichtigsten Themen und Aspekte in Fontanes Romanen die Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit, die einen erheblichen „Beitrag zum Geschlechterdiskurs in der wilhelminischen Ära und Gesellschaft“22 leisten. Theodor Fontane hat in seinen Romanen viele verschiedene Männer beschrieben. Seine persönlichen Erfahrungen des 19. Jahrhunderts spiegeln sich zum großen Teil in den Männerfiguren wider.23 Die bisherige Forschung zu geschlechtsspezifischen Themen konzentriert sich jedoch bei Fontane primär auf die weiblichen Figuren.24 Dass diese im Hinblick auf die Männlichkeitsrollen sehr wichtig sind, stellen Sabina Becker und Sascha Kiefer komprimiert heraus: „Das Prestige des Mannes, das verdeutlicht nahezu jeder der fontaneschen Romane, ist eng an die Eigenschaften und das Verhalten der Frauen geknüpft“25. In diesem Hinblick soll es nun aber primär um die grundsätzlichen Männlichkeitskonstruktionsmuster von Fontane gehen, denn diese sind „in der bisherigen Forschung noch nicht hinreichend diskutiert“26 worden. Das Gesamtwerk Fontanes gibt nach Sabina Becker, […] eine genaue Beschreibung der Geschlechterordnung und des Geschlechterdiskurses der wilhelminischen Gesellschaft. Letztere regelte auf der Basis patriarchalischer Mentalität und Machtstrukturen das Verhältnis und Zusammenleben von Männern und Frauen.

Grundsätzlich sehen sich Männer bei Fontane einem hohen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt.27 Der Autor konstruiert männliche Charaktere, die zwar an den Rand ihrer Rollenzuschreibungen geraten, nicht aber aus ihnen ausbrechen, auch wenn ihnen von der Handlung her die Möglichkeit dazu gegeben wird und sie in Ansätzen darüber nachdenken.28 Nicht nur in Romanen, sondern auch in Briefen gibt Fontane zu erkennen, dass sein preußisches Pflichtgefühl „ihn offenkundig viele Jahrzehnte gegen seinen Willen hat handeln lassen“29. Diese Eigenschaft hat er auch auf Männerrollen wie Geert von Innstetten übertragen, der sich dem preußischen Pflichtdruck beugen muss.30

Über das Schicksal von Männerrollen in fontaneschen Romanhandlungen scheint es meist keinen Zweifel zu geben. Walter Erhart ist sich sicher, „in Fontanes Romanen enden die Versuche, Männlichkeit zu erwerben aber auch die Abweichungen von Männlichkeit aufrechtzuerhalten, meist tödlich“31. Analog dazu stellt Katja Ansen fest, dass Fontane „seine Helden entweder sterben oder zerbrechen“32 lässt. Der Autor konstruiert also ganz bewusst männliche Rollen, die in Ausübung ihrer Männlichkeit einem Umstand begegnen, aus dem sie nicht mithilfe ihrer ‚männlichen Stärke’ herauskommen. Er führt damit klar vor, dass auch Männer im Vergleich mit dem weiblichen Stereotypen zerbrechlich, unheroisch und vor allem endlich sind. Das verdeutlicht, dass „Fontanes Werk […] eine jener Zäsuren in der Geschichte des Geschlechterdiskurses […]“33 darstellt.

[...]


1 Theodor Fontane: Effi Briest. München 2008, S. 39

2 Ebd., S. 224

3 Ebd., S. 9

4 Ebd., S. 40

5 Ebd., S. 180

6 Vgl. Sabina Becker: 'Wiederhergestellte' Weiblichkeit, alternative Männlichkeit. Theodor Fontanes Roman 'L'Adultera'. In: "Weiber weiblich, Männer männlich"? Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Hg. v. Sabina Becker, Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 127-159, hier S. 129

7 Vgl. Walter Erhart: Das zweite Geschlecht: »Männlichkeit«, interdisziplinär. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 30 (2005), S. 156-232, hier: S. 206

8 Sascha Kiefer: "Die Trippelli, Anfang der Dreißig, stark männlich". Fontanes Künstlerfiguren an den Grenzen der Geschlechternorm. In: "Weiber weiblich, Männer männlich"? Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Hg. v. Sabina Becker, Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 95-127, hier S. 112

9 Becker 2005, S. 141

10 Sabina Becker, Sascha Kiefer: Einleitung. In: "Weiber weiblich, Männer männlich"? Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Hg. v. Sabina Becker, Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 7-15, hier S. 10

11 Andrea Gnam: Das Feuer der Unbedingtheit. Unbeirrbare Frauen, zögernde Männer. In: "Weiber weiblich, Männer männlich"? Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Hg. v. Sabina Becker, Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 63-79, hier S. 66

12 Vgl. Gnam 2005, S. 65

13 Vgl. Renate Rauch-Maibaum: Zum "Frauen-" und "Männerbild" in Romanen Theodor Fontanes. Vergleichende Untersuchungen zu ausgewählten Romanen. Köln 1991, S. 131

14 Vgl. Katja Ansen: Konzepte von Männlichkeit im ausgehenden 19. Jahrhundert am Beispiel von Theodor Fontane und Thomas Mann. Lüneburg 2004, S. 30

15 Ebd., S. 30

16 Petra Kuhnau: Nervöse Männer - Moderne Helden? Zur Symptomatik des Geschlechterwandels bei Fontane. In: Theodor Fontane - Am Ende des Jahrhunderts. Internationales Symposium des TheodorFontane-Archivs zum 100. Todestag Theodor Fontanes 13. - 17. September 1998 in Potsdam. Hg. v. Hanna Delf von Wolzogen. Würzburg 2000, S. 135-147, hier S. 136

17 Erhart 2005, S. 219

18 Ebd., S. 204

19 Ansen 2004, S. 31

20 Ebd., S. 33

21 Ebd., S. 221

22 Becker 2005, S. 129

23 Vgl. Ansen 2004, S. 38f

24 Vgl. ebd., S. 6

25 Becker, Kiefer 2005, S. 12

26 Ebd., S. 9f

27 Vgl. Becker, Kiefer 2005, S. 10

28 Vgl. Bettina Plett: Frauenbilder, Männerperspektiven und die fragwürdige Moral. Applikation und Demontage von Rollenbildern und Wertzuschreibungen in Fontanes Romanen. In: fontane-blätter 68 (1999), S. 118-130, hier S. 121

29 Ansen 2004, S. 40

30 Vgl. Antje Janssen-Zimmermann: Das Defizit als Chance? Fontanes ‚fehlende’ Mütter. In: "Weiber weiblich, Männer männlich"? Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Hg. v. Sabina Becker, Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 79-95, hier: S. 88

31 Walter Erhart: Familienmänner. Über den literarischen Ursprung moderner Männlichkeit, München 2001, S. 199

32 Ansen 2004, S. 42

33 Becker, Kiefer 2005, S. 11

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Männlichkeit in Theodor Fontanes "Effi Briest". Baron Innstetten und Major Crampas, zwei 'typische' Männer?
Hochschule
Universität Osnabrück  (Germanistik)
Veranstaltung
Gender Studies und Literaturwissenschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V430823
ISBN (eBook)
9783668739642
ISBN (Buch)
9783668739659
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Effi Briest, Crampas, Innstetten, Männlichkeit, Rollenbilder, Gender Studies
Arbeit zitieren
Christoph Penning (Autor:in), 2009, Männlichkeit in Theodor Fontanes "Effi Briest". Baron Innstetten und Major Crampas, zwei 'typische' Männer?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/430823

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