Mit dem Fall der Berliner Mauer begann in allen Staaten des ehemaligen Ostblocks ein vielschichtiger Transformationsprozess, an dessen Ende ein demokratisch-repräsentatives, pluralistisches, gewaltenteilig organisiertes und auf der Achtung der Menschenrechte basierendes Staatswesen mit sozialer und freier Marktwirtschaft stehen sollte.
Der deutsche Vereinigungsprozess bekleidet in diesem Kontext einen Sonderfall, da er sich mit einem enormen Tempo als „Institutionentransfer“ vollzog, also als Transfer des gesamten politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Gefüges der Bundesrepublik Deutschland auf die DDR.
Die Vollendung der staatlichen Einheit liegt mittlerweile mehr als eine Dekade der Zeitgeschichte zurück und die Euphorie der Jahre 1989/90 ist einer relativen Deprivation der Bevölkerung im Ostteil des Landes gewichen. Im Herbst 1989 gingen die Menschen auf die Straße und demonstrierten in Leipzig, Berlin, Dresden und in vielen anderen Städten der damaligen DDR für mehr Demokratie und Freiheit. Der Fall der Berliner Mauer wurde mit dem Slogan „Wir sind ein Volk“ bejubelt. Heute fühlen sich die „Ossies“ großenteils als „Bürger zweiter Klasse“ und haben ihr Vertrauen in Demokratie und Marktwirtschaft verloren.
Nach einer Allensbach-Umfrage im September 2000 hielten nur 42 Prozent aller Befragten in den neuen Bundesländern die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik für verteidigenswert, 38 Prozent äußerten Zweifel. Und lediglich 33 Prozent der Neubundesbürger waren der Meinung, dass mit der Demokratie die Probleme der Bundesrepublik gelöst werden können. Im Vergleich dazu vertrauten 61 Prozent der Altbundesbürger der Demokratie als Problemlöser. Noch alarmierender ist das Ergebnis einer Untersuchung des Emnid-Institutes, in der sich 80 Prozent der Ostdeutschen als „Bürger zweiter Klasse“ fühlten und lediglich 17 Prozent meinten, sie seien mit den Westdeutschen gleichberechtigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Problemstellung
- Untersuchungsgegenstand
- Aufbau der Arbeit
- Empirische Bestandsaufnahme
- Zum Wandel der allgemeinen ökonomischen Lage
- Zum Wandel der individuellen materiellen Lebensbedingungen
- Zum Wandel der politischen und sozialen Einstellungen
- „Die innere Einheit“ aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
- Die Sozialisationshypothese
- Die Situationshypothese
- Sozialisations- versus Situationshypothese?
- Detlef Pollack: Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung
- Ein gebräuchlicher Interpretationstypus
- Widerspruch: die Voraussetzungen sind falsch
- Erfahrung und Kompensation
- Worum es den Ostdeutschen geht
- Abgrenzung als Folge von Ausgrenzung
- Beurteilung des Erklärungsansatzes
- Schlussbetrachtungen und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen der „inneren Einheit“ im Kontext der deutschen Wiedervereinigung. Sie analysiert die empirischen Daten, die auf eine anhaltende Kluft zwischen Ost und West hinweisen, und erörtert verschiedene sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze für diese Diskrepanz. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Frage, warum sich Ostdeutsche oft als „Bürger zweiter Klasse“ fühlen und wie diese Wahrnehmung zu verstehen ist.
- Die empirische Bestandsaufnahme der sozialen und ökonomischen Lage in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung
- Die unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs „innere Einheit“ aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
- Die Analyse des Erklärungsansatzes von Detlef Pollack, der das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung als zentrale Triebkraft für die anhaltende Kluft zwischen Ost und West identifiziert
- Die Diskussion über die Ursachen und Folgen der anhaltenden Diskrepanz zwischen Ost und West im Kontext der deutschen Einheit
- Die Rolle der sozialen Anerkennung und des Gefühls der Zugehörigkeit für die Integration von Ostdeutschen in die bundesdeutsche Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der deutschen Wiedervereinigung und die anhaltende Kluft zwischen Ost und West ein. Sie stellt die Problemlage dar und erläutert den Aufbau der Arbeit.
Das zweite Kapitel bietet eine empirische Bestandsaufnahme der sozialen und ökonomischen Situation in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Es beleuchtet den wirtschaftlichen Wandel, die Veränderungen in den individuellen Lebensbedingungen und den Wandel der politischen und sozialen Einstellungen.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff „innere Einheit“ aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Es stellt verschiedene Interpretationen und Erklärungsansätze vor, darunter die Sozialisationshypothese und die Situationshypothese.
Das vierte Kapitel analysiert den Erklärungsansatz von Detlef Pollack, der das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung als zentrale Triebkraft für die anhaltende Kluft zwischen Ost und West identifiziert. Es untersucht die Argumente von Pollack und die Kritik an seinem Ansatz.
Das fünfte und letzte Kapitel der Arbeit soll allgemeine Schlussfolgerungen ziehen und einen Ausblick auf die Zukunft im Kontext des europäischen Einigungsprozesses und der Globalisierung geben.
Schlüsselwörter
Deutsche Wiedervereinigung, Innere Einheit, Sozialwissenschaft, Empirische Daten, Soziale Anerkennung, Ostdeutschland, Westdeutschland, Transformationsprozess, Integration, Sozialisationshypothese, Situationshypothese, Detlef Pollack, Bürger zweiter Klasse.
- Arbeit zitieren
- Holger König (Autor:in), 2004, "Die Innere Einheit" - Ein Thema im Diskurs der Sozialwissenschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43162