Thomas Bernhard 'Das Kalkwerk' - Der Raum des Kalkwerks im Leben des Protagonisten Konrad


Seminararbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Protagonist - Herr Konrad

3. Der Schauplatz Kalkwerk
3.1. Das Kalkwerk als Rückzugslokalität
3.3.1. Die Gesellschaft
3.3.2. Die Natur
3.2. Die Anschaffung des Kalkwerks
3.3. Die Darstellung des Kalkwerks
3.3.1. Das Kalkwerk von außen
3.3.2. Das Kalkwerk von innen

4. Das Kalkwerk und das Leben Konrads
4.1. Vom „idealen Ort“ zum „Un-Ort“
4.2. Das Kalkwerk als Kopfraum

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Inhalt von Thomas Bernhards das Kalkwerk (im folgenden in den Literatur-angaben von mir als K. bezeichnet) an sich ist eigentlich banal und wirkt an sich noch nicht besonders spannend: „Jemand zieht in ein stillgelegtes Kalkwerk, um dort ungestört an einer Studie zu arbeiten, schließlich erschießt er seine Frau und wird festgenommen.“ (Lindenmayr 1982: 36) Der Text schließlich besteht aus dem Versuch, den Mord, aber gleichzeitig auch die Gründe für die verhängnis-volle Schreibhemmung des Protagonisten Konrad zu rekonstruieren (Vgl.: Mitter-mayer 1995: 61).

So fasziniert der Text vor Allem durch die düstere, krankhaft Welt, die Thomas Bernhard hier kreiert. Einerseits wurde bei mir begeisterte Zustimmung ausgelöst, ich musste den Text einfach auf einmal lesen, andererseits löste Bernhard eine Art Betroffenheit, Ablehnung, sogar Angewidertsein aus.

Dabei weckt schon der Titel gewisse Erwartungen: Man vermutet gewissermaßen automatisch, dass ein Kalkwerk im Zentrum des Kommenden stehen muss. Da Konrad selbst im Kalkwerk die idealen Voraussetzungen für die Niederschrift sei-ner Studie sieht (Vgl.: K.: 68) und sich Jahrzehnte lang um den Erwerb des längst aufgelassenen Kalkwerks bemüht hat (Vgl.: K: 18), muss das Gebäude in seinem Leben eine große Relevanz haben. Eben diese Rolle des Schauplatzes Kalkwerk im Leben des Protagonisten Konrad möchte ich der hier vorliegenden Arbeit un-tersuchen.

Dabei wird zunächst der Protagonist Konrad im zweiten Kapitel kurz umschrie-ben. Dann wird im dritten Kapitel der Schauplatz Kalkwerk als Konrads Rück-zugslokalität, dessen Anschaffung und die Art dessen textlicher Darstellung be-trachtet. Schließlich wird im vierten und letzten Teil der Arbeit der Zusammen-hang von Konrads Leben und dem Kalkwerk in bezug auf zeitliche Entwicklung, sowie die These des Kalkwerks als Symbol für Konrads Persönlichkeit unter-sucht.

2. Der Protagonist - Herr Konrad

Konrad als Charakter ist nicht sofort und eindeutig festzulegen. Er wird als ex-zentrisches Individuum, durch und durch scheuer Menschentyp, Krimineller, Narr, Genie oder Verrückter bezeichnet (Vgl.: Lindenmayr 1982: 38), wird „un-auffällig“ (K.: 8) und „exzentrisch“ (K.: 8) genannt und vereinigt damit wider-sprüchliche Eigenschaften in sich. Er selbst charakterisiert sich als „Naturhasser“ (K.: 20), „Kreaturhasser“ (K.:20) und Menschenfeind (Vgl.: K.: 19). Freiwillig-unfreiwillig lebt Konrad im Kalkwerk in einer Art Außenseitertum und Isolation (Vgl.: K.: 8), dessen Anfänge offenbar in Konrads Kränklichkeit während seiner Kindheit und Jugend liegen, in der Verlängerung eines als leidvoll erlebten Kind-heitszustandes (Vgl.: K.: 47; Lindenmayr 1982: 38f; Mittermayer 1995: 62; Ryu 1998: 89). Festgeschrieben ist dieser Zustand durch seine außergewöhnliche Wahrnehmungsgabe und Sensibilität:

„[...] die Schwierigkeit des Zusammenlebens mit Menschen habe für ihn immer darin bestanden, daß er immer vieles hörte und vieles sah, die anderen aber nichts hörten und nichts sahen, und in der Unmöglichkeit, die Menschen, gleich welcher Kategorie, in Hören und Sehen einzuschulen.“(K.: 25)

Dem sich einsamfühlenden bescheinigt das Gefühl, selbst bei der Wahrnehmung von Tönen und Geräuschen allein zu stehen, erneut schmerzlich seine Isolation (Vgl.: Mittermayer 1988: 221).

Nach seiner Frau habe er, dessen Denken beständig um seine Studie über das Ge-hör kreist, „alle Kennzeichen des Genies wie auch alle Kennzeichen eines Narren an sich“ (K.: 167). Laut Fro, dem Liegenschaftsverwalter, habe sich Konrad „zeit-lebens als Unmensch“ (K.: 172) dargestellt, sei aber erst durch die Umwelt und seine Frau tatsächlich in diese Rolle hineingedrängt worden (Vgl.: K.: 172f).

3. Der Schauplatz Kalkwerk

3.1. Das Kalkwerk als Rückzugslokalität

Konrad sieht in der „Abgeschiedenheit und Abgeschnittenheit“(K.: 23) des Kalk-werks den idealen Rückzugsort und damit die idealen Voraussetzungen für die Niederschrift seiner Studie:

„Ein völlig von der Außenwelt abgeschnittener Kopf könne die Studie leichter niederschreiben als ein an die Außenwelt, an die Gesellschaft gebundener.“ (K.: 68)

Der Rückzug in das Kalkwerk ist also als Rückzug aus Gesellschaft und Natur ge-dacht, die Konrad zunächst in Gegnerschaft zu seiner Studie sieht. Beide dienen ihm als unerschöpfliches Reservoir, das Scheitern der Studie zu erklären (Vgl.: Lindenmayr 1982: 38). Das Kalkwerk dient dabei als „Rettung“ (K.: 176f) aus einer „schon jahrzehntelang nutzlosen und reizlosen [...] Welt heraus“ (K.: 17).

3.1.1. Die Gesellschaft

Mit der Feststellung seines Außenseitertums und dessen Unüberbrückbarkeit scheint es nur konsequent, wenn Konrad versucht, durch Rücksichtslosigkeit aus-zuweichen und sich im Kalkwerk radikal aus der Gesellschaft auszuschließen (Vgl.: Lindenmayr 1982: 39).

Banale sprachliche Aggression (Vgl.: K.:98) gegen die Gesellschaft und den Staat bringen Konrads Einstellung zum Ausdruck (Vgl.: Lindenmayr 1982: 39f). Be-sonders verabscheut er die Inkonsequenz der Menschen (Vgl.: K.: 136), was ihn allerdings selbst nicht ausschließt, denn er spielt das Spiel der „falschen“ Gesell-schaft in geradezu peinlicher Weise mit (Vgl.: K.: 131-134).

Konrads Überreiztheit beweisen auch seine übertriebenen Abwehrhandlungen, zum Beispiel der Kauf einer ganzen Waffensammlung (Vgl.: K.: 7), mit der er das Kalkwerk gegen „Fremdelemente“ (K.: 7) zu schützen beabsichtigt, wie auch das in die Schulter Schießen eines am Kalkwerk vorübergehenden Holzfällers ohne erkennbaren Grund (Vgl.: K.: 8).

Das Kalkwerk ziehe immer nur „jene Leute“ (K.: 36) an, die zu Gewaltverbrechen tendieren (Vgl.: K.: 36f), allerdings muss hier auch Konrad in diese Aussage mit einbezogen werden. Dafür spricht auch seine Furcht vor „gewalttätigen Elemen-ten“ (K.: 36), die nicht eindeutig als unbedingt von außen kommend abgegrenzt werden und sich somit auch auf die psychische Realität Konrads beziehen können. Dass man im Kalkwerk „ununterbrochen mit Verbrechen an der eigenen Person“ (K.: 37) rechnen muss, musste Konrads Frau erleben (Vgl.: Fueß 1983: 68). Of-fenkundig finden sämtliche Gewalttaten, von denen hier die Rede ist, im Kalk-werk selbst statt oder haben dort ihren Ausgangspunkt. Die Gefahr scheint weni-ger von Außen zu drohen- vielmehr erscheinen die Mittel das Kalkwerk zu schüt-zen „als Waffen gegen Konrad selbst“ (Lindenmayr 1982: 41): Konrad verfügt über ein ansehnliches Vorstrafenregister wegen Körperverletzung und Ehrbeleidi-gung (Vgl.: K.:8).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Thomas Bernhard 'Das Kalkwerk' - Der Raum des Kalkwerks im Leben des Protagonisten Konrad
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Proseminar Filmisches Schreibweise Fotografischer Blick Inszenierte Stimme
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V43195
ISBN (eBook)
9783638410496
ISBN (Buch)
9783640127467
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thomas, Bernhard, Kalkwerk, Raum, Kalkwerks, Leben, Protagonisten, Konrad, Proseminar, Filmisches, Schreibweise, Fotografischer, Blick, Inszenierte, Stimme
Arbeit zitieren
Vera Allmanritter (Autor:in), 2003, Thomas Bernhard 'Das Kalkwerk' - Der Raum des Kalkwerks im Leben des Protagonisten Konrad, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43195

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