Lerntransferförderung bei internen Weiterbildungen im Krankenhaus

Die praktische Anwendung transferunterstützender Instrumente und Methoden


Masterarbeit, 2017

90 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Aspekte und aktueller Stand der Forschung
2.1 Begrifflichkeiten
2.1.1 Betriebliche Weiterbildung
2.1.2 Lerntransfer
2.1.3 Lernen und Lerntransfer
2.2 Lerntransfermodelle
2.2.1 Ergebnisbezogene Forschungsansätze
2.2.2 Prozessbezogene Forschungsansätze
2.3 Evaluation von Bildungsmaßnahmen
2.4 Zwischenbilanz

3 Die Transferunterstützung im betrieblichen Lern- und Anwendungskontext
3.1 Lerntransfermanagement und Kompetenzmanagement
3.2 Barrieren für den Lerntransfer
3.3 Lerntransfermaßnahmen - Die Förderung des Lerntransfers im Praxisalltag
3.3.1 Transferförderung vor Bildungsmaßnahmen
3.3.2 Transferförderung während Bildungsmaßnahmen
3.3.3 Transferförderung nach Bildungsmaßnahmen
3.4 Zwischenbilanz

4 Die Anwendung transferunterstützender Instrumente und Methoden in der Praxis
4.1 Praxisbeispiel 1: Adult basic life support and automated external defibrillation
4.1.1 Beschreibung des Weiterbildungskonzeptes
4.1.2 Mögliche Transferbarrieren
4.1.3 Angewendete transferunterstützende Maßnahmen im Lern- und Funktionsfeld
4.1.4 Kritische Betrachtung
4.2 Praxisbeispiel 2: Führungskräfteentwicklung
4.2.1 Beschreibung des Weiterbildungskonzeptes
4.2.2 Mögliche Transferbarrieren
4.2.3 Angewendete transferunterstützende Maßnahmen im Lern- und Funktionsfeld
4.2.4 Kritische Betrachtung
4.3 Zwischenbilanz

5 Fazit und Ausblick
5.1 Resümee
5.2 Die Bedeutung innovativer Lernmedien und Methoden für den Lerntransferprozess
5.3 Ausblick: Herausforderungen und Chancen für die Personalentwicklung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2: Transferprozessmodell nach Baldwin/Ford (eigene Darstellung in Anlehnung an Baldwin/Ford 1988: 65)

Abbildung 3: Charakteristische Transferverläufe nach Baldwin/Ford (entnommen aus Baldwin/Ford 1988: 97)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2: Gegenüberstellung zentraler transferbeeinflussender Faktoren und Transferbarrieren (eigene Darstellung)

Tabelle 3: Interventionsmatrix der Transferbeeinflussung (eigene Darstellung)

Tabelle 4: Prinzipien situierter Lernarrangements (eigene Darstellung in Anlehnung an Kauffeld/Grote 2014: 130-131)

Tabelle 5: Handlungsfelder der Lerntransferförderung (eigene Darstellung)

Tabelle 6: Praxisbeispiel 1: Transferbarrieren - Transfermaßnahmen - Handlungsempfehlungen (eigene Darstellung)

Tabelle 7: Praxisbeispiel 2: Transferbarrieren - Transfermaßnahmen - Handlungsempfehlungen (eigene Darstellung)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

1 Einleitung

Laut Meyer-Hoeven (2015) geben viele Unternehmen hinsichtlich betrieblicher Weiterbildungsinvestitionen Geld an der falschen Stelle aus. Der Autor sieht die Ursache einerseits im mangelnden Interesse von Führungskräften, welche ihre Mitarbeitenden ziellos in Seminare entsenden und anschließend nicht gemeinsam mit ihnen reflektieren, wie die Lerninhalte für die Arbeitspraxis genutzt werden können. Andererseits werden die betrieblichen Weiterbildungsprogramme häufig unsystematisch nach dem Gießkannenprinzip erstellt, d. h. ohne nachhaltige Lerneffekte und somit ohne Wertschöpfung für das Unternehmen. Zudem fehle es in den Unternehmen häufig an einem gemeinsamen Verständnis, welche Kompetenzen für das Unternehmen wünschenswert und damit zu fördern sind. Unternehmen benötigen demnach ein schlüssiges Lernkonzept, welches sämtliche Weiterbildungsmaßnahmen in einen sinnvollen Zusammenhang bringt. (vgl. Meyer-Hoeven 2015: 18-19)

Koch (2010) äußerst sich zum Umsetzungsproblem auf ähnliche Art und Weise. Die verschiedenen Gründe einer mangelnden Umsetzung des Erlernten und die unterschiedlichen Lösungsansätze sind nach diesem Autor zwar bekannt, trotzdem scheitert der Praxistransfer und die Weiterbildungsgelder verpuffen. Das Management von Umsetzungsprozessen hat insofern selbst ein Umsetzungsproblem. (vgl. Koch 2010: 27) Es fehle einfach die zwingende Notwendigkeit zum Umsetzungserfolg und der Leidensdruck sei nicht groß genug, um die Erkenntnisse der Lerntransferforschung umzusetzen. (vgl. ebd.: 29)

Dabei ist das Problem des mangelnden Lerntransfers nicht neu. Baldwin und Ford (1988) führen an, dass die amerikanische Industrie laut einer Veröffentlichung von 1982 jährlich 100 Milliarden Dollar in Trainings und Entwicklung investierte, wobei sich schätzungsweise nicht mehr als 10 % dieser Ausgaben in der Umsetzung des Erlernten in der Arbeitspraxis zeigte (vgl. Baldwin/Ford 1988: 63).

Laut Kauffeld (2010) scheitern 80 Prozent der betrieblichen Seminare und Trainings an der nachhaltigen Umsetzung. Folglich werden in den USA bei rund 134 Milliarden Dollar an Weiterbildungsinvestitionen und bei einer Umsetzungsrate von 10 – 30 % jedes Jahr circa 100 Milliarden Dollar verschwendet. In Europa stellt sich dieser Sachverhalt verhältnismäßig ähnlich dar. So werden beispielsweise in Deutschland bei einer jährlichen Investitionssumme von rund 27 Milliarden Euro etwa 21,6 Milliarden Euro verschwendet. (vgl. Kauffeld 2010: 4)

Schweizer Studien belegen ebenfalls, dass es 77 % der Seminarteilnehmenden nicht gelingt, Gelerntes im Arbeitsalltag anzuwenden (vgl. Koch 2010: 27).

Gesundheitsbetriebe sind von dieser Problematik nicht ausgenommen. Durch die Forschung in den verschiedenen klinischen und berufsspezifischen Fachbereichen sind Klinikunternehmen laufend mit neuen Erkenntnissen konfrontiert. Das aktuelle Wissen weist eine geringe Halbwertszeit auf, veraltet insofern besonders schnell und deshalb ist das kontinuierliche Lernen für die Qualitätssicherung der Leistungen im Gesundheitssektor von besonderer Bedeutung. Dieser Umstand erfordert von der Belegschaft eine hohe Veränderungsbereitschaft und eine ausgeprägte Flexibilität.

Die folgende Aufzählung zeigt weitere Spezifika von Gesundheitsbetrieben auf, welche auf organisationale Wirkungspotenziale wie beispielsweise Sicherheit, Kooperation, Kommunikation, Führung und nicht zuletzt auf die Kompetenzentwicklung der Belegschaft einen bedeutenden Einfluss nehmen können:

- Klinikbetriebe sind hochkomplexe Expertenorganisationen mit verschiedenen Aufgabenbereichen und komplexen, zuweilen nicht vorhersehbaren und nicht-linearen Abläufen, wobei eine hohe Autonomie ihrer Beschäftigten (besonders der Gesundheitsprofessionen) und der Subsysteme (Abteilungen und Dienste) vorherrscht. Gleichwohl weisen Gesundheitsbetriebe eine hohe Vernetzung der verschiedenen Strukturen und dementsprechend eine hohe Komplexität in der Koordination auf. (vgl. Jung 2010: 85)

- Krankenhäuser verfügen über ein breites Leistungsspektrum, wobei sich am Leistungserstellungsprozess viele Berufsgruppen und -kategorien beteiligen (Ärzte, Pflegende und sonstiges Gesundheitsfachpersonal, Beschäftigte der technischen und Wirtschaftsdienste, Administration). Besonders die Leistungen direkt am und für den Patienten sind oft nicht vorhersehbar und demnach schwer planbar und erfordern eine hohe Qualifikation und Flexibilität vonseiten der Beschäftigten. (vgl. ebd.: 76)

- Klinikbetriebe sind gekennzeichnet durch eine hohe Interdisziplinarität und Multiprofessionalität, wobei in der Regel traditionelle berufsständische Hierarchien vorherrschen. Das berufsständische Denken führt auch im Hinblick auf Personalentwicklungsmaßnahmen verstärkt zu einem Nebeneinander der Berufsgruppen und zu einem separatistischen Denken und Handeln, zu berufspolitischem Einfluss und zu einer die Personalentwicklung (PE) zuweilen behindernden mikropolitischen Betätigung (Macht – Konkurrenz – Konflikte). (vgl. ebd.: 13; 20; 112)

- Ferner herrschen parallele Hierarchien in den drei klassischen Klinik-Hierarchiesäulen der Ärzteschaft, der Pflegenden und der Administration mit hierarchischer und professioneller Segmentierung vor, wobei diese parallelen Hierarchien wiederum untereinander in formeller oder informeller hierarchischer Beziehung stehen. Die hierarchische Prägung kann zu einer starken Entfaltung der Konkurrenz zwischen den Berufsgruppen und zu Defiziten in der Zusammenarbeit führen. Dieser Sachverhalt kann wiederum zu negativen Auswirkungen auf die PE führen. (vgl. ebd.: 103-105)

- Gesundheitsbetriebe sind besonders arbeits- und personalintensive Dienstleistungsunternehmen mit steigenden Personalkosten, wobei den Mitarbeitenden eine zentrale Position hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Gesundheitsbetriebe zukommt. (vgl. ebd.: 86)

Eine erfolgreiche PE in Klinikbetrieben wird nicht umhinkommen, diese besonderen Merkmale - wenn auch kritisch reflektierend - in die Entwicklungsstrategien und insbesondere in die Strategien der Lerntransferförderung einzubeziehen.

Diese spezifischen Merkmale und die damit in Zusammenhang stehenden Implikationen des organisationalen Lernens und des Lerntransfers spielen auch für den Verfasser dieser Masterarbeit eine bedeutende Rolle, welcher seit 25 Jahren im Gesundheitsbereich zunächst als Krankenpfleger in zeitweise leitender Funktion und seit 8 Jahren in der PE als Bildungsplaner in einem Gesundheitsbetrieb mit 7 Kliniken samt krankenhausexternen Versorgungsstrukturen und knapp 10.000 Mitarbeitenden beschäftigt ist.

Das Ziel dieser Arbeit ist einerseits die Darlegung theoretischer Aspekte bzw. wissenschaftlicher Erkenntnisse der Lerntransferforschung und insbesondere des Lerntransfermanagements, andererseits werden diese Erkenntnisse in den praktischen Erfahrungskontext des Verfassers dieser Masterarbeit integriert, indem die in der Transfer-forschung diskutierten praxisorientierten Transferlösungen im Hinblick auf ihre konkreten Anwendungsmöglichkeiten einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

Um dies zu erreichen, erfolgt zunächst eine theoretische Grundlegung, in welcher die für diese Arbeit zentralen Begriffe expliziert werden. Zudem werden prominente Lerntransfermodelle dargelegt und die Evaluation von Bildungsmaßnahmen kurz beleuchtet (Kapitel zwei).

Kapitel 3 konkretisiert die Transferförderung im betrieblichen Lern- und Anwendungskontext. Nach einer Darlegung der Beziehung zwischen Lerntransfermanagement und Kompetenzmanagement werden relevante transferhindernde Faktoren aufgezeigt. Anschließend werden mögliche transferfördernde Interventionen vor, während und nach Bildungsmaßnahmen näher betrachtet, wobei auch auf die Rolle der verschiedenen verantwortlichen Akteure und auf die Bedeutung der Lehr/-Lernformen eingegangen wird.

Kapitel 4 stellt gewissermaßen das Kernstück dieser Arbeit dar. In diesem Teil werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Transferforschung und des Lerntransfermanagements in den praktischen Erfahrungskontext des Verfassers dieser Masterarbeit überführt. Anhand zweier Praxisbeispiele wird untersucht, wie verschiedene Methoden und Instrumente der Lerntransferunterstützung konkret angewendet werden können.

Nach einer eingehenden Darlegung des jeweiligen Weiterbildungskonzeptes werden mögliche Transferbarrieren identifiziert und die angewendeten transferfördernden Maßnahmen im Lern- und Arbeitsfeld beleuchtet. In der jeweiligen kritischen Betrachtung werden einerseits mögliche Transferhindernisse identifiziert, welche sich im Lerntransfermanagement ergeben können, andererseits werden Handlungsempfehlungen erarbeitet, welche zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der Thematik führen und sich insgesamt positiv auf den Lerntransfer auswirken können.

Im Kapitel 5 erfolgt zunächst eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Anschließend wird die Bedeutung innovativer Lernmedien und Methoden für den Lerntransferprozess beleuchtet. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Betrachtung hinsichtlich der Rolle betrieblicher Personalentwickler, wobei im Hinblick auf die Lerntransferförderung Herausforderungen und Chancen für die Personalentwicklung erörtert werden.

2 Theoretische Aspekte und aktueller Stand der Forschung

In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die theoretischen Grundlagen und Ergebnisse der Lerntransferforschung dargelegt, welche die wissenschaftliche Basis für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit bilden. Dabei wird neben der Explikation der für diese Arbeit zentralen Begriffe auf einige relevante Aspekte verschiedener Forschungsansätze eingegangen und die Evaluation von Bildungsmaßnahmen dargelegt.

2.1 Begrifflichkeiten

In diesem Abschnitt werden zwei für diese Arbeit zentrale Begriffe, nämlich jener der betrieblichen Weiterbildung und jener des Lerntransfers einer näheren Betrachtung unterzogen. Ferner wird auf die Thematik des Lernens und insbesondere auf den Begriff des Lernerfolgs eingegangen.

2.1.1 Betriebliche Weiterbildung

Die Bildungsarbeit in betrieblichen Kontexten ist nach Dehnbostel (2010) ein junges Fachgebiet und die inhaltlichen Beschreibungen sind mannigfaltig (vgl. Dehnbostel 2010: 1). Gnefkow (2008) betont zudem, dass in der Weiterbildungsforschung keine einheitlichen Begriffe existieren, welche allgemein akzeptiert werden, wobei gerade die Explikation zentraler Begriffe eine notwendige Bedingung für die Beschreibung und Erklärung sozialer Phänomene darstellt (vgl. Gnefkow 2008: 15).

Trotz mancher begrifflicher Meinungsverschiedenheiten meint Dehnbostel (2010), dass hinsichtlich des Begriffs der betrieblichen Bildungsarbeit aus semantischer Sicht eine relative Übereinstimmung vorherrscht:

„(...) darunter [werden] alle Trainings-, Qualifizierungs- und Berufsbildungsmaßnahmen verstanden, die unmittelbar im Unternehmen stattfinden oder von diesem veranlasst, durchgeführt oder verantwortet werden.“

(Dehnbostel 2010: 1)

Eine genaue Differenzierung nimmt Becker (2013) vor, indem er zwischen beruflicher, betrieblicher, interner und externer Weiterbildung unterscheidet, wobei das vordergründige Ziel der Weiterbildung das Vermitteln von Wissen, Können, Werten und

Methoden-Know-how ist:

- In der beruflichen Weiterbildung geht es um die Erhaltung, Erweiterung und Anpassung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten und um die Ermöglichung des beruflichen Aufstiegs.
- Die Fortbildung dient der Vertiefung und Modernisierung des in der Berufsausbildung angeeigneten Wissens.
- Während die Weiterbildung die Anpassung, Veränderung und Neuorientierung der Lernenden fokussiert, geht es in der Umschulung um das Erlernen neuer beruflicher Tätigkeiten, wobei diese auch betrieblich erfolgen kann und einen Teilbereich der Weiterbildung darstellt.
- Die betriebliche Weiterbildung strebt die Erhaltung und Weiterentwicklung der personalen Leistungsfähigkeit an, wobei zwischen interner (betrieblicher) und externer (betrieblicher) Weiterbildung unterschieden werden kann. In der Anpassungsweiterbildung geht es um die Gewährleistung der horizontalen Mobilität der Belegschaft, indem ihre Qualifikation auf dem neuesten Stand der beruflichen Erfordernisse gehalten wird, während die Aufstiegsweiterbildung die vertikale Mobilität bzw. den beruflichen Aufstieg ermöglicht. (vgl. Becker 2013: 306-308)

Becker (2013) betont ferner, dass das Angebot betrieblicher Weiterbildung nicht ausschließlich eine Verpflichtung seitens der Unternehmen ist, sondern dass in den heute vorherrschenden Zeiten, welche von dynamischen und komplexen Situationen geprägt sind, auch die Mitarbeitenden ihren Beitrag leisten müssen, um ihre Leistungs-, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. (vgl. ebd.: 308)

Der stetige Wandel von Arbeit, Qualifizierung und Kompetenzentwicklung in unsicheren Zeiten erfordert insofern ein hohes Anpassungsvermögen vonseiten aller betroffenen Akteure wie beispielsweise Unternehmensverantwortliche, Führungskräfte, Mitarbeitende, Trainer und nicht zuletzt vonseiten der Personalentwickler. Betroffen davon sind aber auch betriebsexterne Weiterbildungsanbieter, welche ihre Bildungsangebote ständig neu überdenken und den betrieblichen Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft anpassen müssen.

Kauffeld (2010) unterstreicht, dass in der betrieblichen Weiterbildung die ausschließliche Fokussierung auf fachliches Know-how nicht ausreichen wird, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, da es in einer schnell verändernden Wirtschaft zunehmend auch auf das Vermögen ankommt, sich schnell auf Veränderungen anzupassen, die Kommunikation effektiv zu gestalten und wirkungsvoll zu kooperieren (vgl. Kauffeld 2010: 7).

Wenn - wie Becker (2013) betont - die betriebliche Weiterbildung sich zum Ziel setzt, die personale Leistungsfähigkeit der Belegschaft zu erhalten bzw. auszubauen (vgl. Becker 2013: 307), dann müssen Voraussetzungen geschaffen werden, welche die konkrete Wirkung von Weiterbildungen in betrieblichen Kontexten ermöglichen bzw. unterstützen. Für ein tieferes Verständnis dieser Dynamiken spielt die nun folgende Begriffsexplikation eine zentrale Rolle.

2.1.2 Lerntransfer

Inwiefern die betriebliche Weiterbildung zur Entwicklung der personalen Leistungsfähigkeit bzw. zur Verbesserung der Arbeitsleistung beiträgt, hängt in wesentlichem Maße davon ab, ob es den Teilnehmenden gelingt, Erlerntes in alltäglichen Kontexten und Arbeitssituationen konkret umzusetzen und anzuwenden (vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 140). Dieser Aspekt bildet gewissermaßen den Kern des Lerntransfers, wobei auch dieser Begriff in der wissenschaftlichen Literatur eine mannigfaltige Ausprägung erfahren hat.

Hense und Mandl (2011) differenzieren zwischen drei verschiedenen Bedeutungs- und Verwendungsebenen des Transferbegriffs. Auf der Mikro-Ebene werden Problemlösungsstrategien und die erforderlichen Wissensbestände, prozeduralen Fähigkeiten und Metakognitionen zur Bearbeitung einer Ursprungsaufgabe erworben und auf weithin ähnlich strukturierte Aufgaben transferiert. Auf der Meso-Ebene hingegen geht es um den Transfer von neu Erlerntem aus dem Lernkontext in den realen Anwendungskontext, während es auf der Makro-Ebene um die Frage geht, wie die in der wissenschaftlichen Forschung und in innovativen Programmen gewonnenen Ergebnisse und Erfahrungen auf andere Anwendungskontexte übertragen oder ausgeweitet werden können. (vgl. Hense/Mandl 2011: 249-250) Hinsichtlich dieser verschiedenen Bedeutungs- bzw. Verwendungskontexte des Transferbegriffs wird in der vorliegenden Arbeit weitestgehend auf die Meso-Ebene Bezug genommen, wobei die genannten Autoren darauf hinweisen, dass es auf all diesen drei Ebenen darum geht, Wissen aus einem Kontext in einen neuen zu übertragen und zur Anwendung zu bringen (vgl. ebd.: 250).

Etymologisch betrachtet stammt der Begriff „Transfer“ vom lateinischen transferre und meint (hin-)übertragen, wobei es im betrieblichen Bezugsrahmen der Qualifikation und Kompetenzentwicklung um den Prozess geht, Wissen und/oder Können von einem Kontext in einen anderen zu übertragen. Hinsichtlich des Lerntransfers beziehen sich diese beiden Kontexte auf die Dimensionen „Lernen“ und „Arbeiten“, sprich es geht um den Übertragungsprozess von Gelerntem von einer Lernsituation in eine Arbeitssituation und um die Verallgemeinerung oder Anwendung desselben, (vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 141), bzw.:

„Lerntransfer ist die Übertragung gelernter Kenntnisse und Fertigkeiten auf Herausforderungen (Aufgaben und Probleme) des Arbeitslebens, die Umsetzung und Generalisierung erworbener Kompetenzen in den Arbeitsalltag.“ (Solga 2011a: 342)

Der Begriff des Lerntransfers kann demnach einerseits als Prozess aufgefasst werden, in welchem Wissen, Kenntnisse oder Fertigkeiten von einer Lernsituation in eine Arbeitssituation übertragen werden, andererseits kann dieser Begriff auch als das Ergebnis dieses Prozesses verstanden werden, wie die folgende Definition zeigt:

„Transfer bezeichnet die kontinuierliche Anwendung der im Lernfeld erworbenen Inhalte im Funktionsfeld. Dabei generalisiert der Teilnehmer die erlernten Inhalte, entscheidet über deren Anwendung und führt die Anwendung im Funktionsfeld aus.“ (Gnefkow 2008: 33)

In dieser Begriffsdefinition wird der Begriff „Transfer“ als kontinuierliche Generalisierung und Anwendung der Lerninhalte im Funktionsfeld verstanden und diese Auffassung impliziert, dass der Transfer bereits stattgefunden hat bzw. erfolgreich war, worauf derselbe Autor auch hinweist (vgl. ebd.: 34).

Der Übertragungsprozess von Wissen, Kenntnissen oder Fertigkeiten von einem Kontext in den anderen bzw. die zeitliche, inhaltliche und räumliche Trennung der Lern- und Anwendungssituation impliziert eine gewisse Distanz zwischen dem Lernfeld und dem Funktions- bzw. Arbeitsfeld, welche als Transferdistanz bezeichnet wird. Diese Distanz bildet demnach den Ausgangspunkt des Transferproblems, dessen Relevanz mit zunehmender Transferdistanz steigt. (vgl. ebd.: 29)

Hinsichtlich der Transferdistanz kann zwischen near transfer und far transfer unterschieden werden und diese Differenzierung soll zum Ausdruck bringen, wie groß der inhaltliche und strukturelle Unterschied zwischen Ursprungs- und Zielaufgabe ist, wobei eine hohe Ähnlichkeit zwischen den beiden Aufgabentypen eher zum Gelingen des Transfers beiträgt (vgl. Hense/Mandl 2011: 250).

Die folgende Abbildung verdeutlicht das Transferproblem, indem zum einen die durch die Trennung der Lern- und Anwendungssituation entstehende Transferdistanz aufgezeigt und zum anderen die Transferlücke dargestellt wird, welche dann entsteht, wenn das im Lernfeld Erlernte nicht vollständig im Funktionsfeld angewendet wird.

(vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 142)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung: Transferlücke (entnommen aus Faulstich/Zeuner 2010: 143)

Dabei kann durch noch näher zu erläuternde Strategien, Maßnahmen und Instrumente versucht werden, die Überwindung dieser Transferstrecke zu unterstützen, wobei dieses Vorhaben ganz oder zum Teil gelingen oder auch misslingen kann.

Diesbezüglich sind folgende Ausprägungsformen des Lerntransfers von Bedeutung:

- Positiver Transfer: Die im Lehr-Lern-Prozess entwickelten Kompetenzen werden erfolgreich im Funktionsfeld eingesetzt. Der erfolgreiche Transfer in verschiedenen Gegebenheiten wird als horizontaler bzw. lateraler Transfer bezeichnet, während sich beim vertikalen Transfer eine Verbesserung bereits vorhandener Kompetenzen bzw. ein Dazulernen oder Weiterlernen manifestiert.

- Nulltransfer: Das im Lernfeld erworbene Wissen und Können wird im Arbeitskontext nicht angewendet, wobei früher erworbene Verhaltensweisen reaktiviert bzw. beibehalten werden.

- Negativer Transfer: Die im Lernfeld erworbenen Kompetenzen wirken sich im Funktionsfeld als beeinträchtigend oder störend aus, da sie beispielsweise falsch angewendet, nicht einsetzbar sind oder angemessenes Handeln sogar hemmen. (vgl. ebd.: 143)

Zudem wird zwischen spezifischem und unspezifischen Transfer unterschieden, wobei bei ersterem die Lösung einer Aufgabe unmittelbar auf eine spezifische Lernsituation zurückzuführen ist, während beim unspezifischen Transfer die Problemlösung durch bereits bewährte und erprobte Strategien erfolgt und nicht aufgrund einer Lernsituation. (vgl. ebd.: 141) Auch diese Differenzierung bezieht sich auf die Transferdistanz, da z. B. bei hoher Spezifität in der Lern- und Anwendungssituation eine starke Identität vorliegt und die Transferdistanz geringer ist als bei niedriger Spezifität. (vgl. Gnefkow 2008: 35)

Hinsichtlich der Transferdauer bzw. der Frage nach der Verallgemeinerung des Erlernten wurde der Begriff des temporalen Transfers (Aufrechterhaltung des Gelernten) und des adaptiven Transfers (Generalisierung des Gelernten auf andere Anwendungskontexte) eingeführt. Diesbezüglich kann unterschieden werden zwischen Inhalt bzw. was transferiert wird und Kontext, sprich wo zu welchem Zeitpunkt ein Transfer stattfindet. (vgl. Hagemann/Kluge 2014: 91)

Die Begriffe „Lerntransfer“ und „Transfer“ werden in der vom Verfasser dieser Masterarbeit gesichteten Literatur vielfach synonym verwendet, weshalb diese Begriffe auch in dieser Arbeit als bedeutungsgleich zu verstehen sind.

Bei den in diesem Abschnitt dargestellten Überlegungen zum Thema „Lerntransfer“ wird davon ausgegangen, dass Lernen bzw. ein Zuwachs von Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten im Lernfeld bereits stattgefunden hat. Wie erfolgreiches Lernen mit dem Transfererfolg in Zusammenhang steht, soll im folgenden Abschnitt thematisiert werden.

2.1.3 Lernen und Lerntransfer

Nach Hülshoff et al. (2010) kann Lernen aus heutiger Sicht als Verhaltensänderung in der Zeit definiert werden, die zu einer Einheit von Kognitionen und Handeln führt, d. h. das Wissen als die Fähigkeit zu Unterscheidungen und Entscheidungen samt Strategien werden im Lernen vereint (vgl. Hülshoff et al. 2010: 81). Diese Definition ist insofern aufschlussreich, als die Integration von Wissen und Handeln gerade auch im Lerntransfer eine zentrale Rolle spielt, da es doch darum geht, Erlerntes in Handlungen zu verwirklichen und zu generalisieren (vgl. Gnefkow 2008: 33).

Hülshoff et al. (2010) merken an, dass das Lernen Erwachsener eher situationsbezogen und verwendungsorientiert ist als das schulische Lernen (vgl. Hülshoff et. al. 2010: 81). Erwachsene Lernende haben insofern ein hohes Verwertungsinteresse von Wissen, welches in den verschiedenen Situationen angewendet werden kann, wobei sich das Lernen Erwachsener an konkrete Handlungssituationen im Arbeitsalltag orientiert.

Erwachsene Lernende entscheiden schlussendlich selbst, welche Lerninhalte für sie brauchbar und sinnvoll sind, sie entscheiden somit selbst, was sie lernen wollen, wobei neue Lerninhalte anschlussfähig sein müssen und der konkrete Anwendungs- und Kontextbezug im aktiven Prozess des Lernens von großer Bedeutung ist. (vgl. ebd.: 82-83)

Erfolgreiches Lernen spielt für die verschiedenen Anwendungsstrategien von Lerninhalten bzw. für die Lerntransferförderung eine wichtige Rolle, wobei der Lernerfolg als ein Zustand definiert werden kann, „ (...) der durch Zuwachs an Wissen und/oder Fähigkeiten des Teilnehmers im Lernfeld erreicht wird. Er bildet das Transferpotential und ist damit Voraussetzung des Transfererfolgs.“ (Gnefkow 2008: 36)

Ohne Lernerfolg kann somit kein Lerntransfer stattfinden und der Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Lerntransfer ist insofern nicht von der Hand zu weisen. Der Lernerfolg stellt zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für den Lerntransfer dar und garantiert insofern nicht dessen Erfolg.

Gessler und Sebe-Opfermann (2011) stellten diesbezüglich anhand verschiedener Meta-Analysen und eigener Untersuchungen fest, dass nur ein kleiner bis mittlerer signifikanter Zusammenhang zwischen dem Lernerfolg nach Weiterbildungsmaßnahmen und dem Transfererfolg besteht (vgl. Gessler/Sebe-Opfermann 2011: 276).

Die wissenschaftliche Durchdringung des Lerntransfers und dessen Förderung ist ein breites und vielfältiges Forschungsgebiet und es wurden dazu verschiedene Ansätze und Modelle entwickelt. Im nächsten Abschnitt werden einige relevante Forschungsansätze thematisch behandelt.

2.2 Lerntransfermodelle

Laut Gessler (2012) bilden Lernen und Anwenden des Erlernten komplementäre Betrachtungsweisen des Lerntransfers, wobei die Frage nach den die Wissensentwicklung und -anwendung fördernden oder hemmenden Faktoren von der prozessbezogenen Forschung behandelt wird, während die Wirksamkeit von Weiterbildungen im Arbeitsfeld Thema der ergebnisbezogenen Forschung ist. (vgl. Gessler 2012: 364)

Diesbezüglich werden in den folgenden Abschnitten prominente Transfermodelle exemplarisch dargelegt.

2.2.1 Ergebnisbezogene Forschungsansätze

Das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete ergebnisbezogene Modell stammt von Donald L. Kirkpatrick, welcher sein Vier-Ebenen-Modell im Jahr 1959 entwickelte (vgl. Hinrichs 2016: 29).

Dieses Modell umfasst in einer aufsteigenden Hierarchie 4 Ergebnisebenen betrieblicher Weiterbildung: reaction, learning, behavior und results.

Ebene 1 bzw. die Reaktionsebene soll Auskunft geben über die Zufriedenheit der Teilnehmenden im Hinblick auf die Qualität der genossenen Weiterbildung, und zwar besonders hinsichtlich der Nützlichkeit sowie der Relevanz für die Bewältigung der Arbeitspraxis;

Ebene 2 bzw. die Lernebene soll Aufschluss geben über das Lernen bzw. über den Wissenszuwachs und über Einstellungsänderungen, welche sich bei den Teilnehmenden während der Weiterbildung manifestieren;

Ebene 3 bzw. die Verhaltens- oder Transferebene soll das Ausmaß aufzeigen, inwieweit die Teilnehmenden ihr Verhalten und Handeln am Arbeitsplatz aufgrund der Weiterbildung verändern;

Ebene 4 bzw. die Resultatebene soll über den Einfluss einer Weiterbildung auf den Unternehmenserfolg Aufschluss geben (Gewinn- und Produktionssteigerung, Kostenreduzierung, Qualitätssteigerung u. dgl.). (vgl. Kirkpatrick 1996: 55-56)

Einer der Kritikpunkte dieses Modells ist Kirkpatricks Vermutung, dass diese Ebenen über Kausalketten miteinander in Verbindung stehen, wobei eine höhere Teilnehmerzufriedenheit zu einem besseren Lernerfolg führe, der seinerseits einen höheren Transfererfolg schaffe, welcher wiederum den Geschäftserfolg steigere (vgl. Gessler/Sebe- Opfermann 2011: 270). Wie bereits oben festgestellt wurde, kann allenfalls von einem kleinen bis mittleren signifikanten Zusammenhang zwischen dem Lernerfolg der Teilnehmenden nach Besuch einer Weiterbildung und dem Transfererfolg ausgegangen werden, während zwischen Teilnehmerzufriedenheit und Lernerfolg, sowie zwischen Teilnehmerzufriedenheit und dem Transfererfolg kein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden konnte. (vgl. ebd.: 276)

Eine rein ergebnisbezogene Betrachtungsweise des Lerntransfers kann für die vorliegende Arbeit keine hinreichende theoretische Basis bilden, da die Ergebnisse dieser Forschungsansätze weder Aussagen darüber treffen, wie die Ergebnisse entstehen und beeinflussbar sind, noch wie diese Ergebnisse systematisch ermöglicht werden können (vgl. Gessler 2012: 365).

Das Modell ist insofern inkomplett, da eine Vielzahl von Prozessfaktoren unberücksichtigt bleibt. Im nächsten Abschnitt sollen diese Faktoren anhand prozessbezogener Forschungsansätze näher erläutert werden.

2.2.2 Prozessbezogene Forschungsansätze

Im Bereich der prozessbezogenen Lerntransferforschung ist insbesondere das Modell von Baldwin und Ford (1988) von Bedeutung, da es den systematischen Ausgangspunkt prozessbezogener Forschungsansätze darstellt. (vgl. ebd.: 366)

Baldwin und Ford (1988) entwickelten ein Rahmenmodell, anhand dessen der Transferprozess und die Verbindungen zwischen transferbeeinflussende Faktoren (Trainingsinputs), Trainingsoutputs und Transferbedingungen dargestellt werden (vgl. Baldwin/Ford 1988: 65):

Trainingsinputs Trainingsoutputs Transferbedingungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung: Transferprozessmodell nach Baldwin/Ford (eigene Darstellung in Anlehnung an Baldwin/Ford 1988: 65)

Wie die obige Abbildung zeigt, untergliedern die Autoren die ihrer Auffassung nach zentralen transferbeeinflussenden Faktoren (Trainingsinputs) in drei Gruppen:

- Teilnehmermerkmale (Trainee Characteristics)

Die den Lerntransfer beeinflussenden Teilnehmermerkmale sind gemäß diesem Modell deren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Persönlichkeit und Motivation. Dabei kann anhand mehrerer Studien davon ausgegangen werden, dass in erster Linie die Motivation einen zentralen transferbeeinflussenden Faktor darstellt. (vgl. ebd.: 68-69)

- Trainingsdesign (Training Design)

Die Autoren identifizieren hinsichtlich des Trainingsdesigns folgende Lernprinzipien, welche den Transfer des Erlernten fördern können:

Ø Identische Elemente (Identical elements)

Die Theorie der identischen Elemente besagt, dass der Grad der Transfererreichung und des Behaltens des Erlernten von identischen Elementen im Lernfeld und Funktionsfeld beeinflusst wird.

Die Aufgaben im Lernfeld sollten insofern möglichst an jene im Funktionsfeld angepasst werden (Ähnlichkeit zwischen Lern- und Arbeitssituationen).

Ø Allgemeine Regeln und Prinzipien (General principles)

Der Lerntransfer wird unterstützt, wenn den Teilnehmenden nicht nur das Aneignen von Fertigkeiten oder Fähigkeiten angeboten wird, sondern die den Trainingsinhalten zugrundliegenden allgemeinen Regeln und theoretischen Prinzipien dargelegt werden.

Ø Übungsvielfalt (Stimulus variability)

Positiver Transfer kann durch eine Vielzahl an trainingsrelevanten Stimuli, sprich Übungen, Beispiele oder Anwendungsmöglichkeiten, maximiert werden.

Ø Übungsbedingungen (Conditions of practice)

Je kleinschrittiger der Lernstoff dargeboten und geübt werden kann, desto länger wird er behalten, wobei besonders das Trainerfeedback eine entscheidende Rolle in der Erreichung der Lernziele darstellt. (vgl. ebd.: 66-67)

- Arbeitsumgebung (Work environment)

In einer Arbeitsumgebung, welche durch eine grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung des Erlernten und durch die entsprechende Unterstützung des Vorgesetzten gekennzeichnet ist, wird der Lerntransfer eher gelingen. Ferner konnte laut den Autoren festgestellt werden, dass Gespräche mit dem Vorgesetzten vor dem Besuch von Weiterbildungen und die anschließende Förderung bzw. Unterstützung seitens der Führungskraft einen bedeutsamen Beitrag zum Transfer leistet. (vgl. ebd.: 69)

Die Abbildung 2 veranschaulicht, dass gemäß diesem Rahmenmodell die Transferfaktoren bzw. Trainingsinputs zusammen mit den Trainingsoutputs (Lernen und Behalten) die Transferbedingungen (Generalisierung und Aufrechterhaltung des Verhaltens) und somit den Lerntransfer beeinflussen. (vgl. ebd.: 65)

Dieses prozessbezogene Lerntransfermodell hat im Laufe der wissenschaftlichen Transferforschung verschiedene Weiterentwicklungen erfahren, insbesondere hinsichtlich des Sets von Einflussfaktoren (vgl. Gessler 2012: 366).

So entwickelten Holton, Bates und Ruona (2000) das Learning Transfer System Inventory (LTSI), welches insgesamt 16 transferrelevante Einflussvariablen beinhaltet, wobei davon 11 spezifische und 5 generelle Erfolgsfaktoren sind. Von den generellen Erfolgsfaktoren kann erwartet werden, dass sie allgemein auf alle Trainingsprogramme einwirken, während die spezifischen Faktoren sich direkt auf spezielle Trainingsprogramme beziehen (vgl. Holton/Bates/Ruona 2000: 354).

Tabelle: Transferbeeinflussende Faktoren des LTSI (eigene Darstellung in Anlehnung an Kauffeld 2010: 132)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an das Lerntransfermodell von Baldwin und Ford (1988) werden im LTSI neben den Teilnehmermerkmalen und der Ausgestaltung des Trainingsdesigns insbesondere die Einflussvariablen hinsichtlich der Arbeitsumgebung berücksichtigt (vgl. Kauffeld 2010: 131). So werden 8 der insgesamt 11 spezifischen Erfolgsfaktoren der Arbeitsumgebung zugeschrieben und diese erhält im LTSI somit eine besondere Gewichtung. Dabei wird insbesondere die Rolle der Führungskraft und der Kollegen der Lernenden betont. So ist beispielsweise von Unterstützung, aber auch von positiven und negativen Folgen bei Anwendung respektive Nichtanwendung des Erlernten und von Sanktionen durch Vorgesetzte die Rede. Zudem wird die persönliche Transferkapazität als Erfolgsfaktor angeführt.

Durch die Anwendung des prozessbezogenen LTSI können potenzielle Transferhemmer in der Arbeitsumgebung identifiziert, die möglichen Ursachen für bekannte Transferpro-bleme erkannt, die Entwicklung von Transfermaßnahmen erhöht und die Trainer und Vorgesetzten sensibilisiert werden. (vgl. ebd.: 131-133)

Ergebnis- und prozessbezogene Ansätze sollten laut Gessler (2012) nicht isoliert voneinander betrachtet werden und derselbe Autor plädiert deshalb für eine Integration der Ergebnis- und Prozessdaten und somit für integrierte Forschungsansätze, um Fragen nach der Legitimation von Weiterbildungen und Aspekte der Reflexion bzw. Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen hinsichtlich der Transferförderung gleichermaßen berücksichtigen zu können. (vgl. Gessler 2012: 369)

Für die vorliegende Arbeit sind in erster Linie die Erkenntnisse der prozessbezogenen Forschungsansätze von Bedeutung, da es vor allem darum geht, Transferbarrieren und transferrelevante Erfolgsfaktoren ausfindig zu machen und entsprechende Maßnahmen zur Förderung des Lerntransfers zu setzen. Da diese Maßnahmen gleichwohl auf ihre Wirksamkeit überprüft bzw. insgesamt die Qualität und der Erfolg von Bildungsmaßnahmen evaluiert werden sollten, werden im nächsten Abschnitt einige relevante Aspekte der Bildungsevaluation aufgezeigt.

2.3 Evaluation von Bildungsmaßnahmen

Im Kontext verschiedener Personalentwicklungsmaßnahmen werden unter dem Begriff der Evaluation sämtliche Aktivitäten zur Qualitäts- und Erfolgskontrolle subsummiert, wobei die Evaluation als Planungs- und Entscheidungshilfe für die Praxis und Strategie der Personalentwicklung dienen soll. (vgl. Solga 2011b: 369)

Laut Faulstich und Zeuner (2010) ist die Evaluation vom Begriff des Bildungscontrollings abzugrenzen, welches eine starke betriebswirtschaftliche Ausrichtung aufweist und vor allem das Kosten-Nutzen-Verhältnis bzw. das Verhältnis zwischen eingesetzten Ressourcen (Input) und den Resultaten (Outcome) fokussiert. (Faulstich/Zeuner 2010: 123)

Im Hinblick auf die Differenzierung zwischen prozess- und ergebnisbezogener Evaluation ist laut Solga (2011b) folgende Unterscheidung von Bedeutung:

- In der formativen Evaluation geht es darum, Maßnahmen der PE zu steuern und zu optimieren. Die Prozessbegleitung steht im Vordergrund, wobei diese Evaluationsform die Entwicklung und Durchführung von PE-Maßnahmen beeinflusst und wichtige Daten an Programmentwickler und Trainer rückmeldet und relevante Informationen zur Prozesssteuerung und –optimierung gibt.

Bei der formativen Evaluation stehen die Praxisberatung und das kooperative Problemlösen im Vordergrund. Die Methoden und Instrumente dieser Evaluationsform werden eher anwendungsbezogen und weniger systematisch eingesetzt, wobei die Daten und Ergebnisse informell mitgeteilt werden.

- Die summative Evaluation greift nicht in laufende Prozesse ein, sondern setzt sich zum Ziel, PE-Programme abschließend zu evaluieren. Die daraus gewonnenen Befunde dienen PE-strategischer Entscheidungen. Diese ergebnisbezogene Evaluationsform bedient sich empirischer Forschungsmethodik und die Erhebung quantitativer Daten steht im Vordergrund. Die summative Evaluation betrachtet letztendlich den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit von PE-Programmen. (vgl. Solga 2011b: 370-371)

Da eine wissenschaftliche, sprich eine an wissenschaftlichen Qualitätsstandards orientierte Evaluation samt empirischer Forschungsmethodik sehr komplex und aufwändig ist, wird in betrieblichen Kontexten aufgrund eingeschränkter Kapazitäten mitunter auf eine „Evaluation der ‚leichten Hand’“ zurückgegriffen, in welcher weniger elaborierte Designs und Instrumente verwendet werden. (vgl. ebd.: 369-370)

Die sich daraus ergebenen Daten können laut Solga (2011b) zwar dazu dienen, um Maßnahmen zu steuern, die Wirksamkeit und der Nutzen von PE-Programmen können damit aber kaum evaluiert werden (vgl. ebd.: 370).

Faulstich und Zeuner (2010) betonen, dass eine Evaluation den Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen über Kausalschlüsse nur eingeschränkt erklären kann und die im Evaluationsprozess erzielten Daten immer einer Interpretation bedürfen. (vgl.

Faulstich/Zeuner 2010: 124-125) Insofern sei hinsichtlich der Bildungsevaluation auf gewisse Risiken zu achten, welche insbesondere in unbegründeten Machbarkeitsillusionen einer effizienten und qualitativ hochwertigen Bildung, in Interessenskonflikten zwischen den Beteiligten (Person, Organisation) und in der (fehlenden) Veränderungsbereitschaft Betroffener ihren Nährboden finden. (vgl. ebd.: 127)

In der vorliegenden Arbeit geht es vordergründig um die praktische Anwendung transferfördernder Instrumente und Methoden, wobei versucht werden soll, diese Maßnahmen und Instrumente aus einer formativen, sprich prozessfokussierten Perspektive zu reflektieren und im Hinblick auf den Lerntransfer zu überprüfen.

2.4 Zwischenbilanz

In diesem Kapitel wurde zunächst versucht, das für die weiteren Ausführungen nötige begriffliche Rüstzeug darzulegen. Begriffliche Klarheit und stringente Argumentation sind für wissenschaftliches Denken unerlässlich. Wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, existieren in der Weiterbildungsforschung nach Meinung einiger Autoren keine einheitlichen Begriffe, was die Beschreibung und Erklärung sozialer Phänomene mitunter erschweren kann. Die begriffliche Heterogenität mag verschiedene Gründe haben, trotzdem kann die Vielfalt der Begriffe und deren Bedeutungen die verschiedenen Verständnis- und Deutungsperspektiven bereichern und eine Ressource für den wissenschaftlichen Diskurs darstellen.

Zudem wurde betont, dass eine Verbesserung der personalen Arbeitsleistung insofern erreicht werden kann, als das sinnvoll Erlernte bzw. das erlernte Sinnvolle in den alltäglichen Kontexten bzw. Arbeitssituationen umgesetzt und angewendet wird. Dieser Sachverhalt bildet den Kern des Lerntransfers, wobei in diesem Kapitel verschiedene Definitionen und Differenzierungen des Lerntransferbegriffs aufgezeigt wurden.

Ferner wurde auf einige relevante Aspekte des Erwachsenenlernens und auf die Bedeutung des Lernerfolgs eingegangen, wobei die empirischen Ergebnisse der Transferforschung zeigen, dass der in Weiterbildungsmaßnahmen generierte Lernerfolg das Transferpotential und damit eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für den Lerntransfer darstellt.

Des Weiteren wurden prominente ergebnis- und prozessbezogene Ansätze der Lerntransferforschung dargelegt, wobei festgestellt wurde, dass für die vorliegende Arbeit insbesondere die Erkenntnisse der prozessbezogenen Forschungsansätze relevant sind, da es vordergründig darum geht, Transferhemmer und Katalysatoren für den Lerntransfer ausfindig zu machen und entsprechende Maßnahmen zur Förderung des Lerntransfers zu setzen.

Die Bewertung prozess- und ergebnisbezogener Daten von Bildungsmaßnahmen bildet den Kern der Bildungsevaluation, wobei es analog zur prozessbezogenen Lerntransferforschung in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen darum geht, PE-Maßnahmen und die damit zusammenhängenden Prozesse zu steuern und zu optimieren. Insofern wird hier der Prozessbegleitung besondere Beachtung gewidmet.

Die in diesem Kapitel dargelegten theoretischen Grundlagen bilden einen ersten Ausgangspunkt für weiterführende Überlegungen. Aufbauend auf dieser Basis werden im nächsten Kapitel relevante Aspekte der konkreten Transferunterstützung in betrieblichen Kontexten behandelt.

3 Die Transferunterstützung im betrieblichen Lern- und Anwendungskontext

In diesem Kapitel werden konkrete und bewährte Instrumente und Maßnahmen zur Förderung des Lerntransfers im betrieblichen Lern- und Anwendungskontext näher betrachtet. Zu diesem Zweck wird die Beziehung zwischen dem Lerntransfermanagement und dem Kompetenzmanagement beleuchtet, zudem werden Transferbarrieren aufgezeigt und praxisorientierte Transferlösungen vor, während und nach Bildungsmaßnahmen dargelegt.

3.1 Lerntransfermanagement und Kompetenzmanagement

Der Begriff des Lerntransfermanagements subsummiert die Gesamtheit an Maßnahmen zur Planung, Optimierung und Kontrolle des Lerntransfers bei betrieblichen Weiterbildungen. Dabei sollen Lerntransferprozesse aktiv, systematisch und nachhaltig gefördert werden, damit die Generalisierung und die Umsetzung der im Lernfeld erworbenen Kompetenzen im Arbeitsfeld unterstützt wird. (vgl. Solga 2011a: 343)

Wenn der Lerntransfer als Übertragung erlernter Kenntnisse und Fertigkeiten bzw. als Umsetzung und Generalisierung der im Lernfeld erworbenen Kompetenzen auf die Herausforderungen im Arbeitsfeld verstanden wird (vgl. ebd.: 342), liegt der Schluss nahe, dass zwischen Lerntransfer- und Kompetenzmanagement eine enge Beziehung besteht.

Im betrieblichen Kompetenzmanagement geht es darum, Lernen, Selbstorganisation und die Nutzung der Kompetenzen zu integrieren, wobei das Kompetenzmanagement die Aufgabe hat, Kompetenzen zu beschreiben, transparent zu machen und für deren Nutzung und Entwicklung zu sorgen, sowie den Transfer gemäß den Mitarbeiterzielen und den Zielen des Unternehmens sicherzustellen. (vgl. North/Reinhardt/Sieber-Suter 2013: 22)

Der Kompetenzbegriff wird in vielfältiger Weise benutzt und kann einerseits als Sachverstand, Fähigkeit oder Vermögen verstanden werden, andererseits auch als Zuständigkeit oder Befugnis (vgl. Krumm/Mertin/Dries 2012: 2).

Im ersteren Verständnis kann der Begriff der Kompetenz definiert werden als eine Serie von Fähigkeiten, Fertigkeiten und anderen psychologischen Merkmalen (z. B. Einfühlungsvermögen), welche eine Person in die Lage versetzen, komplexe Situationen in der Praxis effektiv zu bewältigen, wobei Kompetenzen durch Lernen und Erfahrung erworben und entwickelt werden können. (vgl. ebd.: 3-4)

Der Kompetenzbegriff ist insofern ein handlungsorientierter Begriff, wobei Kompetenzen erlernbar sind und die Voraussetzung für situationsangepasstes Handeln bzw. für eine adäquate Arbeitsleistung bilden.

Wie bereits mehrfach betont, strebt die betriebliche Weiterbildung vordergründig die Erhaltung und Entwicklung der personalen Leistungsfähigkeit an (vgl. Becker 2013: 307). Insofern ist die PE und insbesondere die betriebliche Weiterbildung der Kompetenzentwicklung der Belegschaft verpflichtet, d. h. betriebliche Bildungsmaßnahmen sollen den Lernenden zielgerechte Entwicklungsangebote und Begleitungs- bzw. Beratungsleistungen bieten, damit sie jene Kompetenzen erwerben können, die sie für situationsadäquates Handeln benötigen. Erworbene Kompetenzen müssen jedoch, wie bereits erwähnt, generalisiert und angewendet werden, um situationsangepassten Verhalten und Handeln zu ermöglichen. Die aktive, systematische und nachhaltige Förderung von Lerntransferprozessen kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, wobei die Integration von Lerntransfer- und Kompetenzmanagement diese Prozesse erheblich unterstützen kann.

Bevor transferfördernde Faktoren und insgesamt relevante Aspekte der Lerntransferunterstützung im Praxisalltag dargelegt werden, werden im folgenden Abschnitt zunächst jene Barrieren behandelt, welche den Prozess des Lerntransfers z. T. erheblich behindern können.

3.2 Barrieren für den Lerntransfer

Hinsichtlich des Transferverlaufs haben Baldwin und Ford (1988) fünf mögliche Szenarien identifiziert, wobei der jeweilige Verlauf anhand zweier Achsen und mittels der Parameter Post-Training-Niveau, Prä-Training-Niveau und Zeitverlauf dargestellt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung: Charakteristische Transferverläufe nach Baldwin/Ford (entnommen aus Baldwin/Ford 1988: 97)

- Szenario A zeigt einen Kurvenverlauf, welcher einen langsamen, aber stetigen Abfall der im Training erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Richtung Prä-Training-Niveau abbildet. Demgemäß konnte zwar ein positiver Transfer für eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden, es sind jedoch weitere Maßnahmen vonnöten, damit ein völliges Absinken des Transfers verhindert und das Post-Training-Niveau wieder erreicht werden kann.

- Im Szenario B hingegen ist der Transfer gescheitert: das Niveau sinkt unverzüglich nach dem Training bzw. sobald der Trainee wieder zum Arbeitsplatz zurückkehrt ist. Der Lernende konnte demgemäß die neu gelernten Kompetenzen im Training zwar anwenden, fiel aber nach dem Training wieder auf die üblichen Handlungs- und Verhaltensweisen zurück.

- Szenario C zeigt das Bestreben des Lernenden, die trainierten Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine bestimmte Zeit am Arbeitsplatz anzuwenden, wobei es anschließend jedoch zu einem abrupten Kurvenabfall in Richtung des Prä-Training-Niveaus kommt.

- Das Szenario D stellt dar, dass der Lernerfolg und das Aufrechterhalten von Kompetenzen nach dem Training minimal waren. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass diese Kompetenzen generalisiert und bei der Arbeit zur Anwendung kommen.

- Szenario E zeigt, dass das Kompetenzniveau nach dem Training sogar zunehmen kann, sobald der Lernende nach dem Training wieder zum Arbeitsplatz zurückkehrt. (vgl. Baldwin/Ford 1988: 96-98)

Insbesondere bilden die Szenarien B, C und D Transferverläufe ab, welche auf verschiedene hinderliche Faktoren zurückgeführt werden können.

Laut Bank, Schaal und Thieme (2010) können die Ursachen für mangelnden oder gescheiterten Lerntransfer drei verschiedenen Bereichen zugeordnet werden:

- Äußere Widerstände sind auf organisatorische Gegebenheiten zurückzuführen, d. h. Lernende finden in ihrem Betrieb nicht die entsprechende Arbeitsumgebung vor, welche für die Anwendung des neu erworbenen Wissens und Könnens notwendig wäre. Dazu gehören beispielsweise fehlende technische Einrichtungen oder Geräte, aber gleichermaßen die fehlende Unterstützung seitens der Kollegen und Vorgesetzten bzw. Vorurteile und Ablehnung.

- Didaktische Widerstände treten auf, wenn das in einer Weiterbildung Erlernte für die Teilnehmenden keine Relevanz hat. In diesem Fall wird dem Verwertungsinteresse der Teilnehmenden nicht hinreichend Rechnung getragen, und zwar indem die Weiterbildungsinhalte nicht der konkreten betrieblichen Tätigkeit der Lernenden entsprechen. Ferner treten Widerstände dieser Art auf, wenn beispielsweise die Weiterbildung schlecht konzipiert wurde oder die didaktischen Fähigkeiten des Trainers mangelhaft sind.

- Innere Widerstände entstehen bei mangelnder Einsicht der Teilnehmenden, dass das Erlernte auch konkret für ihre tägliche Praxisbewältigung von Bedeutung ist und nicht nur von theoretischem Belang ist. Bei Widerständen dieser Art spielen auch motivationstheoretische Aspekte eine Rolle. Besteht beispielsweise Teilnahmepflicht seitens des Arbeitgebers, wird die Motivation, überhaupt etwas zu lernen bzw. das Erlernte auch tatsächlich am Arbeitsplatz anzuwenden sinken. (vgl. Bank/Schaal/Thieme 2010: 53-54)

Becker (2013) spricht in diesem Zusammenhang von organisatorischen Hindernissen, von mangelnder Passung von Problem und Maßnahmen und von persönlichen Hindernissen (vgl. Becker 2013: 840), wobei seine Systematik von Lerntransferbarrieren zum großen Teil jener von Bank, Schaal und Thieme (2010) entspricht. Beide Ansätze beziehen sich, wie die folgende Tabelle zeigt, im Wesentlichen auf die zentralen transferbeeinflussenden Faktoren des im Abschnitt 2.2.2 behandelten Transfermodells von

Baldwin und Ford (1988).

Tabelle: Gegenüberstellung zentraler transferbeeinflussender Faktoren und Transferbarrieren
(eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch die folgenden Erklärungsansätze zeigen ähnliche Begründungsmuster für den unzureichenden oder mangelnden Lerntransfer.

So können Transferbarrieren nach Faulstich und Zeuner (2010) einerseits im Kontext des Lern- bzw. Arbeitsfeldes liegen (u. a. falsche Teilnahmeauswahl, unklare Lernziele und inadäquate Lerninhalte hinsichtlich der Arbeitstätigkeit, Zeitstress durch Arbeitsroutinen und Terminzwänge). Andererseits können diese Hindernisse auch auf die Situationsinterpretation der Lernenden zurückgeführt werden (z. B. fehlende Einsicht in die konkrete Anwendbarkeit der Lerninhalte in der Arbeitspraxis, fehlende Übung des Erlernten, mangelnde Unterstützung im Funktionsfeld). (vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 152)

Müller und Soland (2009) führen als Gründe für einen ungenügenden Transfer die mangelnde oder unzureichende Bildungsbedarfsanalyse, fehlende Absprachen über Qualifizierungsziele, unklare Seminarziele, verständnislose Führungskräfte und Kollegen, fehlende Vorbereitung der Teilnehmenden, standardisierte Seminare ohne Rücksichtnahme auf individuelle und betriebliche Bedürfnisse und mangelnden Praxisbezug an (vgl. Müller/Soland 2009: 251-252).

Nach Becker sollte die systematische Erfassung möglicher transferhemmender Faktoren eine Teilkomponente des Transferprozesses werden (vgl. Becker 2013: 840).

Gleichwohl ist es vonnöten, die Bedingungsfaktoren für einen erfolgreichen Transfer systematisch zu erfassen; im folgenden Abschnitt werden diese Faktoren dargelegt.

3.3 Lerntransfermaßnahmen - Die Förderung des Lerntransfers im Praxisalltag

Nach Bank, Schaal und Thieme (2010) setzt sich die Transferförderung die Erreichung eines Zustandes zum Ziel, welcher eine Leistungssteigerung der Lernenden auf oder über das Niveau vor der Entwicklungsmaßnahme ermöglicht (vgl. Bank/Schaal/Thieme 2010: 53).

Die bereits dargelegten relevanten Transfergrößen Teilnehmende, Bildungsmaßnahme, betriebliche Organisation und die zeitlichen Abschnitte des Transferprozesses samt Verantwortlichkeiten sind entscheidende Bedingungsfaktoren für einen erfolgreichen Transfer. (vgl. Müller/Soland 2009: 253) Demgemäß können transferfördernde Strategien, Instrumente und Methoden anhand der folgenden Größen systematisiert werden.

- Interventionszeitpunkt (vor / während / nach der Entwicklungsmaßnahme)
- Verantwortliche Akteure (Lernende, PE, Führungskräfte, Trainer, Top-Management)
- Bildungsmaßnahme (Training, Seminar, On the Job, Near the Job, Off the Job, E-Learning u. dgl.)

Anhand dieser Größen kann die folgende Interventionsmatrix erstellt werden:

Tabelle: Interventionsmatrix der Transferbeeinflussung (eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Interventionsmatrix dient als Orientierung für die Vorgehensweise in den folgenden Abschnitten, in welchen die Strategien, Instrumente und Methoden der Transferunterstützung im betrieblichen Lern- und Anwendungskontext unter Berücksichtigung der zentralen Akteure dargelegt werden.

3.3.1 Transferförderung vor Bildungsmaßnahmen

Die Basis für einen erfolgreichen Transfer des Erlernten in die Arbeitspraxis stellt eine fundierte und systematische Bildungsbedarfsanalyse dar, da die Entsendung von Mitarbeitenden zu Bildungsmaßnahmen ohne vorhergehende Bedarfsermittlung und ohne hinreichende Rücksichtnahme auf die Aufgabenfelder der Mitarbeitenden den Transfer erheblich erschweren oder ihn sogar völlig verhindern kann. (vgl. Bardens 2008: 22)

[...]

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Lerntransferförderung bei internen Weiterbildungen im Krankenhaus
Untertitel
Die praktische Anwendung transferunterstützender Instrumente und Methoden
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau  (Fachbereich Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
90
Katalognummer
V432209
ISBN (eBook)
9783668742444
ISBN (Buch)
9783668742451
Dateigröße
983 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dozentenkommentar: Logischer und systematischer Aufbau mit durchgehend schlüssiger und nachvollziebarer Argumentationslinie, umfassende, angemessene und aktuelle Literaturauswahl, hoher Praxisbezug.
Schlagworte
Lerntransfer, Personalentwicklung
Arbeit zitieren
Christophorus Zoeschg (Autor:in), 2017, Lerntransferförderung bei internen Weiterbildungen im Krankenhaus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432209

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