Reflexionen zu den multilingualen Aspekten in der indisch-deutschen Interkulturellen Wirtschaftskommunikation

Ein Beispiel aus Pune, Indien


Essay, 2015

7 Seiten, Note: Pune, Indien


Leseprobe


Reflexionen zu den multilingualen Aspekten in der indisch-deutschen Interkulturellen Wirtschaftskommunikation – ein Beispiel aus Pune, Indien

Mit der zunehmenden Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaft spielt sowohl in Indien als auch in Deutschland die interkulturelle Wirtschaftskommunikation eine wichtige Rolle. In dieser globalisierten Handelswelt mit ihrer rasanten Wirtschaftsentwicklung existieren internationale Konzerne, die zunehmend einen heterogenen Charakter aufweisen, in denen mittlerweile die Einsprachigkeit – individuell und gesellschaftlich – als Ausnahmefall betrachtet wird.

Daher ist für die wissenschaftliche Forschung relevant, dass die Mehrsprachigkeit und die interkulturelle Kommunikation zunehmend aus den Perspektiven der Angewandten Sprachwissenschaften und Vergleichenden Kulturwissenschaften betrachtet werden. Sie gehören fachwissenschaftlich und interdisziplinär miteinander verknüpft.

Das Beispiel der indisch-deutschen Wirtschaftskommunikation mit dem Hintergrund der indischen Mehrsprachigkeit spielt eine bedeutende Rolle für das Gelingen in der Weltwirtschaft. Sowohl Indien als auch Europa sind von einer Sprachenvielfalt geprägt. Deutschland ist für Indien ein wichtiger Handelspartner. 2013/2014 lag das bilaterale Handelsvolumen bei 16,1 Mrd. €. Mit der zunehmenden politischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern z.B. die indische Präsenz bei der Messe in Hannover im Frühjahr und der Besuch von Angela Merkel im Oktober 2015 gewinnt die wirtschafts- und interkulturelle Kommunikation an Wichtigkeit.

Aus diesen Gründen hat sich Deutschland als Zielland für MINT Studiengänge für junge indische Studierende entwickelt. In den indisch-deutschen Konzernen wird aber, trotz der Vielfalt der einheimischen Sprachen, Englisch als Kommunikationssprache angewendet. Obwohl diese Sprache in sich kein Problem darstellt, wird sie zu einem Problem in der indisch-deutschen wirtschafts- und interkulturellen Kommunikation, denn sie ist eine Fremdsprache für beide Nationen. Sie ist für beide Seiten eine erlernte Zweitsprache.

Eine gezielte Internationalisierung der Wirtschaft durch Joint Ventures, Outsourcing usw. führt zu unterschiedlichen Formen des Sprachkontakts und mehrsprachiger Kommunikation.

Es kann eine institutionelle Mehrsprachigkeit in der internen Kommunikation zwischen Mitarbeitern in den diversen indisch-deutschen Konzernen beobachtet werden. In den deutschen Firmen, die in Indien eine Niederlassung haben, erfolgt die interne Kommunikation in erster Linie über das Medium Sprache und zwar in der englischen Sprache. Offiziell findet diese institutionelle Mehrsprachigkeit Ausdruck in z.B. den Verwaltungen und Besprechungen auf der Management Ebene. Auf der Produktionsebene oder „Shop floor“, findet man eine deutliche Änderung in der Kommunikation. Es wird sowohl verbal als auch schriftlich in den regionalen oder nationalen Sprachen kommuniziert. Maschinen, Türen und Formulare werden oft in der regionalen Sprache beschriftet oder ausgefüllt. Aus psycholinguistischer und soziolinguistischer Sicht betrachtet, stellt dies eine Sondersituation für viele der Firmenmitarbeiter dar.

Beobachtungen haben gezeigt, dass indische Mitarbeiter untereinander oft eine Vielfalt der einheimischen und regionalen indischen Sprachen anwenden. Solche Gespräche, je nach beruflichem Thema, sind mit Fachtermini im Englischen geprägt. Kommunikation und die inhaltliche Übertragung zum Verständnis untereinander erfolgen aber hauptsächlich in der Muttersprache oder in einer der regionalen indischen Sprachen. So könnten z.B. lange Spezifikationslisten in einem Programmier-Team oder Graphiken in einem Ingenieur/Bau-Team auf „Hinglisch“ – eine Mischung aus Hindi und Englisch - ausführlich besprochen werden. Die Mehrsprachigkeit der Inder ermöglicht hier den Gebrauch von mehreren Sprachen und ebenso das lückenlose Verstehen der Inhalte. Dieses Phänomen des „Code-Switching“ oder „Kode-Umschaltung“ ist sowohl in Alltagssituationen als auch in beruflichen Situationen zu beobachten. Frühere pädagogische und wissenschaftliche Forschungen bewerteten diese Fähigkeit des „Code-Switching“ negativ, aber heute, nach den Forschungen von Chilla, Rotweiler und Babur wird dieses Phänomen „als Fähigkeit des multilingualen Sprechers sich auf unterschiedlichen Gesprächsmodi einzustellen“, gelobt.

Die Kommunikation mit einem deutschen Kollegen, sei es geschrieben oder verbal, wird auf Englisch geführt und man bemerkt sofort den Einfluss der einheimischen Sprachen auf die Ausdrucksweise, die Grammatik, den Sprachrythmus und die Aussprache. Es macht das Verstehen der gemachten Aussage für beide Seiten oft schwierig. Gleichzeitig ist es auch schwierig für das indische Firmenmitglied das Englisch, das sein deutscher Kollege spricht oder schreibt, zu verstehen. Genauso wie der indische Mitarbeiter, beeinflusst die deutsche Sprache den Erwerb des Englischen in Redemitteln, Grammatik und Aussprache.

Die Ursache für die Verbreitung der englischen Sprache in Indien ist die Kolonialisierung von Indien durch Großbritannien. „Bei einer territorialen Eroberung durch Expansion eines Staates bringt das Eroberer Land seine Sprache mit in das eroberten Land und installiert diese dort durch Zwang“ (Roos, 2005, S.5). Obwohl Indien seit über 60 Jahren keine britische Kolonie mehr ist, hat sich die englische Sprache hier zu Lande fest etabliert und wird landesweit in Schulen unterrichtet und dient auch als Wirtschaftssprache. Zwar war Deutschland eine kleine Kolonialmacht im Vergleich zu England, und hatte daher wenig sprachlichen Einfluss in der Weltpolitik. Aber die heutige, zunehmende Europäisierung und Globalisierung von Politik und Wirtschaft bietet in Deutschland den Schülern die Möglichkeit mehrere Sprachen zu beherrschen, was immer mehr als Grundvoraussetzung für die moderne Berufsausbildung angesehen wird. „Durch die Integrationsprozesse in der Europäischen Union werden mehrsprachige Kompetenzen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Länder erforderlich.“ (Albayrak, 2007, S.7)

So wie für die Schüler in Deutschland beginnt der Erwerb der englischen Sprache für die meisten indische Schülerin der Schule. Man muss hier erwähnen, dass die Missionsschulen und einige Privatschulen alle Fächer in der Fremdsprache Englisch unterrichten. In den staatlichen Schulen wird Englisch erst in der 6. oder 8. Klasse als Fremdsprache unterrichtet. In vielen deutschen Bundesländern lernen Schüler schon ab der ersten Klasse ihre zweite Sprache. Der Unterschied ist, dass die Schüler in Indien Englisch als ihre dritte oder sogar vierte Fremdsprache lernen.

Der sprachliche Transfer der Gedankengänge aus der Muttersprache ins Englische sorgt oft für Verwirrungen in der geschäftlichen Kommunikation, z. B. in dem Satz “I am having to call you back about file xyz”. Diese Aussage drückt die Absicht zur Kommunikationsaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt aus, könnte aber im Arbeitskontext als Verzögerung einer Entscheidung verstanden werden. Im Deutschen wird direkt gesprochen und Gedanken werden sprachlich direkt ausgedrückt, wenn etwas fehlt z.B. „Sie haben mir die Datei xyz nicht geschickt“. Auf Englisch – „you have not sent me filexyz“. Diese Satz könnte gleich als direkte Kritik an den indischen Mitarbeiter verstanden werden. Diese interkulturellen Kommunikationsstile haben eine intensive Untersuchung der psycholinguistische und soziolinguistische Ansätze und Kommunikationsmethoden verdient. Der Fokus sollte die Vielfalt der individuellen, gesellschaftlichen und institutionellen Ausprägungen von Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt in interkultureller Kommunikation am Arbeitsplatz zeigen.

In vielen Firmen wird die Kommunikation zwischen Mitarbeitern am Ende einer Arbeitsphase bewertet. Diese Berichte zu Projektende beschreiben eine anfängliche Schwierigkeit in der Kommunikation, da die indisch-deutsche Teams sich nicht kennen und sich an ihren unterschiedlichen Versionen des Englischen gewöhnen müssen. Es wird aber im Laufe des Projekts ein wechselseitiges Lehren und Lernen, eine Annährung in der Sprache und Kommunikationsstil gesehen.

So bietet die Mehrsprachigkeit grundsätzlich nicht nur Probleme, sondern auch Chancen. Nach Reimann (2009) ist der offensichtliche Vorteil der Mehrsprachigkeit die erhöhte gesellschaftliche Kommunikationsfähigkeit. Dabei haben die Inder als Mitarbeiter in einer Firma einen inhärenten Vorteil. Trotz unterschiedlichen Muttersprachen können sie sich untereinander verständigen und in diversen Situationen kommunizieren. Der kognitive Vorteil mit einem mehrsprachigen Hintergrund dient zu der früheren Kontrastierung von Sprachen, die Entwicklung eines metasprachlichen Bewusstseins, so dass Sprachstrukturen und Wörter leichter und schneller erkannt werden. Sie haben auch ein besseres Sprachgefühl beim Erlernen einer Fremdsprache. Aus der sprachpragmatischen Sicht gesehen, erweitert die Mehrsprachigkeit den Horizont des Einzelnen, sorgt für interkulturelle Verständigung und erweitert die individuellen Bildungsmöglichkeiten.

- Mehrsprachigkeit und die Förderung von Wirtschaftsdeutsch in Indien stehen nicht im Gegensatz zueinander. Mehrsprachigkeit ergänzt den Erwerb von Wirtschaftsdeutsch. Es muss im Rahmen einer sprachdidaktischen und sprachpolitischen Schul- und universitären Bildung zusammengefügt werden. Die Integration des Erwerbs von Deutsch als Fremdsprache auf der gegebenen Basis der Mehrsprachigkeit wird in den curricularen Überlegungen und Regelungen der Bildungsministerien reflektiert. Sich mehrsprachig, schon in der schulischen Laufbahn ausbilden zu lassen, ist sowohl in Deutschland als auch in Indien eine grundlegende Rahmenbedingung für die Erfolge in den zukünftigen beruflichen Leben der meisten Schüler. So wird Deutsch als Fremdsprache schon ab der 8. Klasse in vielen indischen Schulen unterrichtet und in Deutschland, in den meisten Bundesländern, beginnen die Schüler mit dem Erwerb der englischen Sprache in der 1. Klasse.

- Sprachpolitisch gesehen feiert die Europäische Union die Vielfalt der diversen europäischen Sprachen. Sie hat außerdem Projekte eingeleitet, die diese unterschiedlichen europäischen Sprachen in ihrer Identität unterstützen und bewahren helfen sollen. In deutschen Schulen wird oft neben Deutsch auch noch Englisch, Französisch und manchmal Spanisch unterrichtet. Auf der universitären Ebene werden maßgeschneiderte Studiengänge für Fremdsprachen und Interkulturelle Kommunikation angeboten. Dies ist von den Bundesländern in dem Bildungssystem gesetzlich verankert. In Indien, wie in Deutschland, liegt die curriculare Bestimmung der Fremdsprachen bei den Erziehungsministerien der Bundesländer. Die aktuelle soziopolitische Situation in Indien wird mit einem Paradox für die indische sprachpolitische Vorgehensweise konfrontiert. Einerseits versucht Indien sich in der Wirtschaftswelt als „Key Player“ darzustellen, andererseits gibt es im Lande eine intensive Bewegung und ein Bedürfnis die eigene Kultur zu schützen und zu bewahren.

- Angesichts dieses Zwiespalts und der rasanten Entwicklung in der Weltwirtschaftspolitik, ist es sehr zu empfehlen, dass es das Bildungssystem in Indien, den Schülern und Studenten ermöglicht, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, indem man sie schon im Schulalter mit Wirtschaftsdeutsch-Kursen, interkulturelle Trainings und Deutsch als Fremdsprache fördert. Zu diesem Zweck werden nun zielgerechte Wirtschaftsdeutschkurse mit interkulturellen Kommunikationstrainings in Studiengängen integriert.

- Auf der institutionellen Ebene organisieren sowohl private als auch öffentliche Anbieter interkulturelle Trainings, die sich gezielt auf die deutsch-indische Kommunikation beziehen. Das mehrtägige Programm behandelt die Unterschiede und Gleichheiten in der indisch-deutschen Kommunikation und ist hilfreich für das Verstehen gewisser Aussagen. Für diejenigen, die keinen Präsenzunterricht besuchen können, gibt es die Möglichkeit der Konzeption interkultureller E-Learning Module.

Zusammenfassend möchte ich hier sagen, dass die indische Mehrsprachigkeit ein großer Vorteil für die indischen Mitarbeiter ist. Der Erwerb der deutschen Sprache und insbesondere Wirtschaftsdeutsch ist weiterhin ein Plus für eine erfolgreiche Berufslaufbahn, besonders für den Erfolg in der heutigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Nationen.

Literatur:

Albayrak, B. (2007): Mehrsprachigkeit – Definitionen, Typen und wissenschaftlichen Fragestellungen. Grin Verlag: Nordestedt, Germany.

Földes, Csaba (2005): Kontaktdeutsch. Zur Theorie eines Varietätentyps unter transkulturelle Bedingungen von Mehrsprachigkeit. Tübingen: Verlag Gunter Narr 2005

Földes, Csaba (2003): Interkulturelle Linguistik: Vorüberlegungen zu Konzepten, Problemen und Desiderata. Veszprém: Universtitätsverlag/Wien: Ed. Präsens 2003

Hadumod, Bußmann (2008): Lexikon der Sprachwissenschaft. 4. Auflage, Kröner, Stuttgart 2008

Reimann, I. (2009): interkulturelle Mehrsprachigkeit. Nordestedt: Grin Verlag

Riehl, Claudia Maria (2004): Sprachkontaktforschung. Eine Einführung. Tübingen.

Riehl, Claudia Maria (2006): Artikel: „ Die Bedeutung von Mehrsprachigkeit“ aus dem Kompetenzzentrum Sprachförderung – newsletter Januar 2006, Köln

Riehl, Claudia Maria (2006): Aspekte der Mehrsprachigkeit: formen, Vorteile, Bedeutung. In: Ludger Reiberg (Hrsg.) Mehrsprachigkeit macht Schule, (pp. 15-23) Gilles & Francke, Duisburg 2006

Roos, P. (2005): Kriterien zur Beschreibung von Mehrsprachigkeit unter besonderer Berücksichtigung des subsaharischen frankophon Afrika und Niger. Grin Verlag: Norderstedt, Germany

Schrader, S., Maas, C. (Hrsg.) (2002): Viele Sprachen lernen … ein notwendiges Übel? Chancen und Probleme der Mehrsprachigkeit. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2002

S. Chilla, M. Rothweiler, E. Babur (2010): Kindliche Mehrsprachigkeit. Grundlagen-Störungen-Diagnostik. Rheinhardt, München

Webseiten

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Bilateral_node.html 14.04.2015

http://ganztag-blk.de/ganztagsbox/cms/upload/sprachfrderung/BS_3/Artikel_Die_Bedeutung_von_Mehrsprachigkeit.pdf 20.05.2015

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Reflexionen zu den multilingualen Aspekten in der indisch-deutschen Interkulturellen Wirtschaftskommunikation
Untertitel
Ein Beispiel aus Pune, Indien
Hochschule
Savitribai Phule Pune University, formerly University of Pune  (Ranade insitute)
Veranstaltung
IVG_Shanghai_2015
Note
Pune, Indien
Autor
Jahr
2015
Seiten
7
Katalognummer
V432679
ISBN (eBook)
9783668755642
ISBN (Buch)
9783668755659
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Multilinguale Aspekte, Mehrsprachigkeit
Arbeit zitieren
Janaki Narkar Waldraff (Autor:in), 2015, Reflexionen zu den multilingualen Aspekten in der indisch-deutschen Interkulturellen Wirtschaftskommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432679

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