Einflüsse des Orientalismus auf die Islamdebatte des 21. Jahrhunderts. Konsequenzen für die Soziale Arbeit


Hausarbeit, 2017

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Grundlagen des Orientalismus
1.1 Wortherkunft und Geographie
1.2 Orientalismus 1978 bis heute
1.3 Der Orient in Kunst und Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts
1.4 „Islam“ und „Orient“ im 21. Jahrhundert

2 Islamdebatten in Deutschland im 21. Jahrhundert
2.1 Auslöser der Debatten in Deutschland seit 1999
2.2 Verschärfung durch die „Sarrazin- Debatte“
2.3 Intensivierung ab 2015
2.4 Elemente des Orientalismus in der Debatte

3 Bedeutung für die Praxis der Sozialen Arbeit

Abschließende Gedanken

Literaturverzeichnis

Abstract

In vielen Bereichen der deutschen Gesellschaft wird momentan über die Integration von Migrant*innen muslimischen Glaubens diskutiert. Dabei spielen über lange Zeit geprägte und teilweise konstruierte Menschenbilder eine große Rolle. Diese Arbeit soll die Herkunft dieser Menschenbilder erkunden, einen Einfluss auf die Diskurse im 21. Jahrhundert nachweisen und erläutern, welche Bedeutung diese Einflüsse auf die Soziale Arbeit haben.

Einleitung

Im Jahr 2015 waren weltweit über 21 Millionen Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Konflikten und schweren Verletzungen von Menschenrechten in ihrer Heimat. Hauptsächlich betroffen davon waren Menschen aus Somalia, Afghanistan und Syrien (vgl. UNHCR 2016, S. 2, 16). Aufgrund multifaktorieller politischer Ereignisse verschärfte sich die Lage der Zuwanderer im Verlauf des Jahres 2015 und entwickelte sich zur allgemein so bezeichneten „Flüchtlingskrise 2015“. Wurden im Jahr 2014 insgesamt 202834 Asylanträge in Deutschland gestellt, so stieg die Zahl der Anträge 2015 auf 476649 und erreichte 2016 den Wert von 745545 Anträgen (vgl. BAMF 2017). Durch die große Zahl an Zuwanderern in Deutschland haben sich neue gesellschaftlich Diskurse und Herausforderungen ergeben. Einen zentralen Punkt dieser Diskurse stellt die Religionszugehörigkeit der Flüchtenden dar. Pronationale Parteien und Anhänger, respektive Sympathisanten dieser, legten den Schwerpunkt ihrer öffentlichen Meinung auf die sogenannte Islamdebatte, die bis dato geführt wird. Im Folgenden wird diese Debatte auf politischer Ebene untersucht, Einflüsse und Stereotype des Orientalismus beleuchtet und Konsequenzen, die sich daraus für Sozialarbeiter*innen in ihrer Tätigkeit ergeben, umrissen. Dabei ist auch der historische Einfluss auf die allgemeine Sichtweise von Nahostländern von besonderem Interesse.

Die Entstehung bestimmter, bis heute im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft verankerter Stereotype und Sinnbilder lässt sich in der Kolonialzeit verorten. Zu dieser Zeit wurde durch die Herrschaftsländer versucht, die eigenen Gesellschaften durch gezielt eingesetzte oder auch gezielt weggelassene Informationen zu beschwichtigen und den Kolonialismus in ein positives Licht zu rücken (vgl. Castro Varela und Dhawan 2015, S. 95). Nicht zuletzt trugen dazu auch Kunst- und Kulturgüter bei, die der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden. Die Entstehungsgeschichte und die für den geschichtlichen Verlauf revolutionäre Dekonstruktion des konstruierten Orients durch Edward W. Said ist beim Führen von Gesprächen über dieses breitgefächerte Gebiet eine große Hilfestellung, aber auch eine Mahnung, vermeintliches Allgemeinwissen zu reflektieren und nur nach bestem Gewissen einzusetzen.

1 Grundlagen des Orientalismus

Um diesen Diskurs führen zu können, bedarf es der Definition einiger Termini. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese hauptsächlich Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts geprägt wurden. Bei einigen änderte sich die Bedeutung im Laufe der Jahre oder sie werden heute in einem anderen Kontext benutzt, andere hingegen haben ihre Bedeutung beibehalten. Es ist jedoch auch gerade in politischem und soziologischem Zusammenhang von Interesse, die Bedeutung mancher Begrifflichkeiten zu erläutern.

1.1 Wortherkunft und Geographie

Das Wort „Orient“ wurde vom lateinischen sol oriens abgeleitet und lässt sich mit „Ort der aufgehenden Sonne“ übersetzen. Später wurde dieses Gebiet von Martin Luther als „Morgenland“ bezeichnet (vgl. Kolle 2016).

In den christlichen Religionen, so Kolle weiter, gilt Jerusalem, die Hauptstadt Israels, als heilige Stadt. Landkarten wurden bis ins 15. Jahrhundert so ausgerichtet, dass die Gebiete um diese Stadt am oberen Kartenrand verortet waren. Dies belegt zum Einen den Zusammenhang zwischen den Worten „Orient“ und „orientieren“ und zeigt zum anderen die historische Wichtigkeit dieses Gebietes (vgl. ebd.).

Mit der Begründung der modernen Geographie durch Alexander von Humboldt im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert entstand auch der Versuch, die Erde in natürliche und kulturelle Erdteile zu gliedern. Besonders Wissenschaftler der daraus hervorgegangenen Kulturgeographie teilten die Erdoberfläche, meist aus eurozentristischer Sicht, in verschiedene Kulturkreise ein (vgl. Escher 2011, S. 123f).

Das durch Ewald Banse erstmals 1908 kartographisch veröffentlichte Konzept der Kulturerdteile war zu Beginn umstritten. Ein Hauptgrund dafür war der Schritt Banses weg von den natürlich vorgegebenen Erdteilen, hin zu der Einteilung nach vermeintlich homogenen kulturellen Gegebenheiten. Ein weiterer Kritikpunkt ist Banses spätere Nähe zum nationalsozialistischen Regime Deutschlands. Die Einteilung nach Banse wurde durch den deutschen Geographen Heinrich Schmitthenner in leicht veränderter Form 1938 erneut publiziert und durch Albert Kolb 1962 wie folgt neu definiert (vgl. ebd., S. 131f):

„Dabei wird unter einem Kulturerdteil ein Raum subkontinentalen Ausmaßes verstanden, dessen Einheit auf dem individuellen Ursprung der Kultur, auf der besonderen einmaligen Verbindung der landschaftsgestaltenden Natur- und Kulturelemente, auf der eigenständigen, geistigen und gesellschaftlichen Ordnung und dem Zusammenhang des historischen Ablaufes beruht.“

(Kolb 1962, zitiert nach Escher, 2011, S. 132)

Der Orient im Speziellen wurde primär durch die Charakteristika Landschaft (trocken und im Sinne einer Steppe) und Religion (islamistisch geprägt) festgelegt. Er erstreckte sich nach dieser Definition über Nordafrika, die arabische Halbinsel und die Länder des Nahen Ostens und wurde begrenzt durch Kasachstan am nördlichen Rand und Pakistan am südlichen Rand (vgl. Glasze und Thielmann 2006, S.1).

In aktuellen fachwissenschaftlichen Kreisen wird das Konstrukt der Kulturerdteile aufgrund der Vernachlässigung von Individualität und des stereotypen Charakters negativ beurteilt (vgl. Escher 2011, S. 133).

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in Fachkreisen ein zwei- beziehungsweise dreigeteiltes Weltenmodell unter soziologischen Gesichtspunkten festgelegt. Unter dem Aspekt des technischen Fortschrittes und der Modernisierung wurden die Kategorien der ersten, zweiten und dritten Welt eingeführt, wobei sich der Begriff der zweiten Welt kaum durchsetzte (vgl. Glasze und Thielmann 2006, S. 2). Neuen Aufschwung bekam das zweigeteilte, orientale Weltbild Anfang des 21. Jahrhunderts insbesondere durch Ereignisse globalen Ausmaßes, wie zum Beispiel terroristische Anschläge. Diskussionen in multiplen gesellschaftlichen Bereichen wurde dadurch eine vereinfachte Struktur gegeben, ohne dabei die tatsächliche Vielschichtigkeit der Tatsachen adäquat zu berücksichtigen (vgl. Glasze und Thielmann 2006, S. 2f).

1.2 Orientalismus 1978 bis heute

War Edward W. Said auch nicht der erste Wissenschaftler, der sich mit der akademischen Darstellung des Orients aus europäischer Sicht beschäftigte, so schuf er mit seinem Hauptwerk „Orientalism“ doch eine komplett neue Diskussionsgrundlage. Durch die kritische Betrachtung und Aufarbeitung der westlichen Annahmen über den Orient gelang es ihm, die Debatte auf diesem Gebiet über Jahrzehnte hinweg bis heute zu beeinflussen (vgl. Schäbler 2011, S. 281f).

Edward Wadie Said, ein 1935 in Jerusalem geborener und in Kairo aufgewachsener palästinensischer Araber begründete mit seiner 1978 verfassten Schrift „Orientalism“ den Ausgangspunkt der bis heute aktuellen Orientalismus-Debatte (vgl. Kramer 2011, S. 29). Darin analysierte Said das Konstrukt des Orients, wie es hauptsächlich durch die französische und britische Kultur des 19. Jahrhunderts verstanden wurde (vgl. Said 2017, S. 12). Die Strategie dieses Konstrukts wurde, so Said, maßgeblich durch eine vermeintliche Überlegenheit beeinflusst, die durch Orientreisende generiert wurde. Sie konnten sich zum Zeitpunkt ihrer Reise reflexiv mit dem Erlebten auseinandersetzen, ohne alternative Standpunkte oder Gegenmeinungen seitens der Betroffenen berücksichtigen zu müssen (vgl. ebd., S. 16). Daraus entwickelte sich ab dem späten 18. Jahrhundert die westlich konstruierte Auffassung eines vielschichtigen Orients, die sich durch Kunst, Kulturgüter und akademische Forschung in der Gesellschaft etablierte (vgl. ebd., S. 16f). Der orientalische Diskurs wurde nach einer Analyse von Castro Varela und Dhawan laut Said benutzt, um die Macht in den damaligen Kolonien zu stärken, Gewalt zu rechtfertigen und Herrschaften herzustellen oder zu erweitern. Dazu wurden Tatsachen bewusst durch Kolonialmächte vereinfacht, verallgemeinert oder ignoriert und ein primär dichotomes Bild von Muslim*innen und Menschen arabischer Herkunft allgemein als Öllieferant*innen oder Terrorist*innen in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht (vgl. Castro Varela und Dhawan 2015, S. 95f).

Zusammenfassend wird durch das Werk Saids, mit Hilfe der Diskurstheorie nach Michel Foucault, die westliche Sicht auf den Orient analysiert, kritisiert und dekonstruiert. Insbesondere die bipolare Sicht von Westen und Osten und die dadurch begründete Konstruktion des Orients durch diese Denkweise findet große Beachtung (vgl. Schmidinger o.J., S. 1).

1.3 Der Orient in Kunst und Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts

Das Bild von Morgenland und Abendland entstand hauptsächlich kulturell bedingt durch literarischen Werken, Opern oder die Malerei. Diese Werke stellen auch die Grundlage zur Analyse des Orientalismus dar. Von Interesse ist dies zum Einen um die geschichtliche Entwicklung nachvollziehen zu können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Einflüsse des Orientalismus auf die Islamdebatte des 21. Jahrhunderts. Konsequenzen für die Soziale Arbeit
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut, ehem. Fachhochschule Landshut
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
20
Katalognummer
V433209
ISBN (eBook)
9783668755284
ISBN (Buch)
9783668755291
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islamdebatte, Orientalismus, Soziale Arbeit, Islam
Arbeit zitieren
Maximilian Bauer (Autor:in), 2017, Einflüsse des Orientalismus auf die Islamdebatte des 21. Jahrhunderts. Konsequenzen für die Soziale Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/433209

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