Wie auch immer die vorhandene Sekundärliteratur aufgenommen wird, läuft die Beschäftigung mit Leopold von Sacher-Masoch heute letztlich auf eine Reduktion seines Schaffens und den ewig schlecht beleumundeten Nachruhm in der "Psychopathia sexualis" des Psychaters Richard Krafft-Ebing hinaus.
Der Aspekt des Philo- wie Antisemitismus in seinen Judengeschichten, welcher in der vorliegenden Hausarbeit den eigentlichen Kern bildet, kann nicht als einzelne Ghettonovelle ohne den Hintergrund von Aufstieg und Niedergang des Autors erörtert werden, wobei aufgrund der immensen Nachwirkung bis in die heutige Zeit leichtfertig der Eindruck entstehen kann, „Sacher-Masoch sei ein 'Pornograph', der gewissermaßen nebenbei auch noch einige Ghettogeschichten veröffentlicht hatte“.
(Svetlana Milojevic, 1998)
Am Beispiel einer nicht ganz exemplarischen Novelle soll gezeigt werden, dass diese Auffassung gänzlich absurd ist und ohnehin dem Facettenreichtum Sacher-Masochs nur in einer Haltung von Neid und Niedertracht gerecht würde, obgleich beide Fragestellungen – die Rechtfertigung seiner Namensentwertung durch die Bezeichnung Masochismus und die Frage nach einem latenten Antisemitismus in der Figur des ‚Judenraphaels’ – auf den ersten Blick ohnehin keinen gemeinsamen Nenner im Gesamtwerk des Autors zu besitzen scheinen.
Vornehmlich richtet sich zuerst der biographische Abriss neben dem Lebensweg des Autors auch auf die prägenden Aspekte seiner Herkunft, die einen Rückschluss auf die Haltung gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen des Vielvölkerstaates der Habsburger k.u.k. Monarchie zulassen. Im Hauptteil wird die Novelle hinsichtlich ihrer Handlung und insbesondere der Symbole und Figurenkonstellation untersucht, woran sich abschließend unter Berücksichtigung eines weiteren Sammelbandes mit Erzählungen Sacher-Masochs die Frage anschließend, inwiefern die Hauptfigur in "Der Judenraphael" antisemitische Züge aufweist. Daraus wird in der Folge die politische Haltung des Autors nochmals einer Prüfung unterzogen, um zu belegen, dass gerade diese Novelle nicht repräsentativ für Sacher-Masochs eigene Weltauffassung ist oder sich nur durch einen Querschnitt mehrerer Protagonisten seine persönliche Haltung gegenüber gesellschaftspolitischen Problemen des 19. Jahrhunderts konstruieren ließe.
(Johannes Temeschinko)
Inhaltsverzeichnis
- Leben und Werk von Leopold von Sacher-Masoch
- Die Situation der galizischen Juden um 1880
- Der Judenraphael
- Handlung der Novelle
- Symbole der Novelle
- Figurenkonstellation der Novelle
- Sacher-Masoch als Schriftsteller über Juden
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit zielt darauf ab, die Frage zu untersuchen, ob sich in der Figur des „Judenraphaels“ in der gleichnamigen Novelle von Leopold von Sacher-Masoch antisemitische Tendenzen des Autors widerspiegeln. Dabei soll nicht nur die Novelle selbst analysiert werden, sondern auch der Kontext des Lebens und Werkes Sacher-Masochs sowie die Situation der galizischen Juden im 19. Jahrhundert beleuchtet werden.
- Die Biographie und das literarische Schaffen von Leopold von Sacher-Masoch
- Die soziale und politische Situation der Juden in Galizien um 1880
- Die Analyse der Novelle „Der Judenraphael“ in Bezug auf ihre Handlung, ihre Symbole und ihre Figuren
- Die Frage nach dem antisemitischen Gehalt der Novelle und des Gesamtwerks Sacher-Masochs
- Die Rezeption des Werks Sacher-Masochs im Kontext der Judengeschichten
Zusammenfassung der Kapitel
Leben und Werk von Leopold von Sacher-Masoch
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über das Leben und Werk von Leopold von Sacher-Masoch, wobei insbesondere auf die Entstehung des Begriffs „Masochismus“ und dessen Einfluss auf die Rezeption des Autors eingegangen wird. Darüber hinaus werden die prägenden Aspekte seiner Herkunft und die frühen Begegnungen mit der jüdischen Kultur in Lemberg thematisiert.Die Situation der galizischen Juden um 1880
Dieses Kapitel beleuchtet die Lebensbedingungen und die soziale Situation der Juden in Galizien im 19. Jahrhundert. Es werden wichtige Aspekte wie die wirtschaftliche Lage, die politische Diskriminierung und die kulturelle Identität der jüdischen Bevölkerung in diesem Zeitraum behandelt.Der Judenraphael
Dieses Kapitel analysiert die Novelle „Der Judenraphael“ in ihren verschiedenen Facetten. Die Handlung der Novelle, ihre Symbole und ihre Figurenkonstellation werden im Detail betrachtet. Dabei wird insbesondere auf die Darstellung der jüdischen Figur des „Judenraphaels“ und ihre Rolle in der Erzählung eingegangen.Sacher-Masoch als Schriftsteller über Juden
Dieses Kapitel widmet sich der Frage, ob in den Werken Sacher-Masochs, insbesondere in „Der Judenraphael“, antisemitische Tendenzen zu finden sind. Es werden die Judengeschichten Sacher-Masochs in den Kontext seiner Biographie und seiner Zeit gestellt und auf die Rezeption seines Werkes in Bezug auf den antisemitischen Gehalt eingegangen.Schlüsselwörter
Leopold von Sacher-Masoch, „Der Judenraphael“, Antisemitismus, Judengeschichten, Galizien, Masochismus, jüdische Kultur, Lebensbedingungen, sozialer Kontext, literarische Analyse, Rezeption, Biographie, Handlung, Symbole, Figurenkonstellation.- Arbeit zitieren
- Johannes Temeschinko (Autor:in), 2004, Leopold von Sacher-Masoch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43455