"Mit Aristoteles und dem Papst teile ich die Überzeugung, dass das Paar jeder weiteren Gemeinschaft vorgeht. Es ist sogar der einzige Inhalt meines Schreibens, dass das Paar vor dem Staat, der Gesellschaft und jeder sonstigen Ordnung steht. Von ihm leiten sich alle sozialen Elementarien ab, nicht zuletzt das der Entzweiung."
Botho Strauß zählt seit Beginn seiner Schaffensperiode zu den bedeutendsten deutschen Dramatikern, ist jedoch als private Person der Leserschaft weitgehend ungekannt. Diese Zurückgezogenheit aus der Gesellschaft ist für Autoren nicht ungewöhnlich, für die Arbeit von Strauß jedoch elementar. Er selbst bezeichnet sich in einem Interview für die Zeit als „ein nicht ausübender Gesellschaftsmensch.“ Auf diese Weise macht er sich die Menschen dadurch begreifbar, dass er sich ihnen entzieht. Im zentralen Blickpunkt der distanzierten Beobachtung stehen hochsensibel entwickelte und differenzierte Paarbeziehungen. Bereits sein erstes Drama Hypochonder thematisiert eine Dreierkonstellation in der Krise des fortschreitenden Identitätsverlustes. Die Integration des Paares in den gesellschaftlichen Kontext avanciert so zur Sinnklammer vieler Strauß-Texte und findet folglich auch Eingang in das 1998 uraufgeführte Drama Die Ähnlichen. In vier inhaltlich selbständige Zwischenspiele eingeteilt, deutet bereits der Untertitel Moral Interludes auf das dominierende Thema des Textes hin. Hier variiert Strauß das alte Motiv scheiternder Paarbeziehungen im Kontext des Moralpluralismus im postmodernen Zeitalter. Aufgrund dieser Prämisse bietet sich demgemäß die Sinnklammer Moral als Kategorie zur vielseitigen Analyse des Textes an.
Zunächst sollen sowohl die Position von Botho Strauß zur Postmoderne, als auch die Kennzeichen und Entwicklung der Moral beleuchtet werden. In der folgenden textimmanenten Analyse, gegliedert nach den vier Zwischenspielen, erfolgt dann eine Bestandsaufnahme der heterogenen Moralauffassungen, sowie der ungleichen Präferenz von Paarmodellen bei Mann und Frau. Daraus folgt im vierten Abschnitt eine Bewertung der Paarbeziehung im Kontext der Postmoderne. Dabei sollen auch Fragen nach dem Grad der moralischen Wertung des Autors, sowie dessen Theaterästhetik nicht unberücksichtigt bleiben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Gesellschaft und Moral. Man muss seine Gründe behalten, seiner Herkunft begegnen...
- III. Die Ähnlichen
- 1. Magda hat wieder beiseite gesprochen.
- 2. Die Ähnlichen
- 3. Inverness. Einzelprobe.
- 4. Anfang und Ende
- IV. Reflexiver Diskurs der textlichen Analyse
- 1. Die Krise der Moral in Zeiten des Wertewandels
- 2. Moral Interludes im Zeichen des Bewusstseintheaters
- 3. Das Theater des Botho Strauß
- V. Resultate und Folgerungen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Botho Strauß' Drama „Die Ähnlichen“ hinsichtlich der Moraldiskussion in der Postmoderne. Dabei werden die ästhetischen Prinzipien des Dramatikers sowie die Position von Strauß zum Wertewandel in der Konsumgesellschaft beleuchtet.
- Das Drama „Die Ähnlichen“ als Spiegelbild der Moral im postmodernen Zeitalter
- Die Bedeutung der Paarbeziehung in Strauß' Werk
- Die Kritik an der Konsum- und Mediengesellschaft
- Die Frage nach dem Verlust von Werten und der Krise der Moral
- Die ästhetischen Prinzipien des Bewusstseintheaters bei Botho Strauß
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und stellt die zentrale Bedeutung der Paarbeziehung in Strauß' Werk dar. Kapitel II beleuchtet die Kritik von Botho Strauß an der Postmoderne und den Wertewandel in der Konsumgesellschaft. Es wird der Begriff der Moral definiert und im Kontext der Geschichte des christlichen Moralkodex betrachtet.
Kapitel III analysiert die vier „Moral Interludes“ des Dramas „Die Ähnlichen“. Es werden die unterschiedlichen Moralauffassungen und die unterschiedlichen Präferenzen von Paarmodellen bei Mann und Frau beleuchtet.
Kapitel IV widmet sich dem reflexiven Diskurs der textlichen Analyse. Es wird die Krise der Moral im Kontext des Wertewandels, das Konzept des Bewusstseintheaters und die ästhetischen Prinzipien von Botho Strauß diskutiert.
Schlüsselwörter
Botho Strauß, Die Ähnlichen, Postmoderne, Moral, Wertewandel, Bewusstseintheater, Paarbeziehung, Konsumgesellschaft, Kulturkritik, Moral Interludes, ästhetische Prinzipien, Identitätsverlust, Realitätsverlust, Pluralismus, Tradition.
- Quote paper
- Bogdan Büchner (Author), 2003, Die Grauzonen der Moral. Analytische Betrachtung von Botho Strauß' "Die Ähnlichen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43456