Leseschwierigkeiten im Zweitsprachenunterricht erkennen und durch Textadaption kompensieren


Hausarbeit, 2017

22 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zweitsprache

3 Textualitätskriterien

4 Lesen

5 Lesen in einer Fremdsprache

6 Beurteilung von Lesetexten

7 Lesehilfen

8 Textadaptionsverfahren nach Wilske

9 Praktische Anwendung zur Beurteilung eines Lesetextes

10 Praktische Anwendung zur Textadaption

11 Reflexion der Textadaption

12 Fazit

13 Anhang
13.1 Aufgaben zum Text „Weihnachten im Schuhkarton“
13.2 Textgrundlage: „Weihnachten im Schuhkarton“
13.3 Textadaption

14 Literaturverzeichnis

Einleitung

Sprache kann zur Inklusion beitragen, indem sie für alle Menschen verständlich wird. Gesellschaftliches Miteinander bedeutet nämlich auch, dass alle Menschen die Möglichkeit bekommen, z. B. Behördenbriefe oder Gesetzestexte zu verstehen. Aus diesem Grund sollte verstärkt „Leichte Sprache“ verwendet werden.

Ich möchte mich in dieser Ausarbeitung mit der Personengruppe, die Deutsch als Zweitsprache (DaZ) spricht, beschäftigen. Zweitsprachenunterricht ist aktuell sehr relevant. Durch den hohen Flüchtlingszustrom haben die meisten Lehrer Kinder in der Klasse, die Deutsch als Zweitsprache lernen, aber auch viele Erwachsene besuchen Deutschkurse. Für einen guten Unterricht muss man die Hürden kennen, die eine Fremdsprache mit sich bringt, aber auch wissen, wie sie gemeistert werden können.

Gegenstand der Ausarbeitung sind Lesetexte unter der Leitfrage:

Wie können Texte speziell für Zweitsprachenlerner optimiert werden?

Um dies zu beantworten, möchte ich zunächst allgemein klären, was der Unterschied zwischen Zweitsprache und Fremdsprache ist, welche Festlegungen der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen trifft, welche Qualifikationen im DaZ-Unterricht erworben werden und welche Faktoren für den Erfolg eine Rolle spielen.

Anschließend soll herausgearbeitet werden, was überhaupt ein Text ist (Textualitätskriterien). Dann geht es darum, was wir unter dem Begriff „Lesen“ verstehen. Welche besonderen Schwierigkeiten treten beim Lesen in einer Fremdsprache auf? Nach welchen Kriterien kann man einen Text beurteilen? Welche Lesehilfen gibt es? Nicht zuletzt die Frage, wie man Texte verbessern oder selbst schreiben kann. Dabei gehe ich u.a. auf die Textadaption nach Wilske ein.

Nach diesem theoretischen Teil möchte ich mich selbst daran versuchen, einen Text aus dem Übungsheft „Menschen. Deutsch als Fremdsprache. Kursbuch A2“ nach den vorgestellten Kriterien zu beurteilen. Darüber hinaus werde ich diesen Text für einen Viertklässler mit DaZ adaptieren, um meine theoretischen Erkenntnisse anzuwenden.

Im Fazit werde ich reflektieren, wie gut mir die praktische Umsetzung gelungen ist.

Zweitsprache

Eine Definition von Zweitsprache ist, dass sie innerhalb der Zielkultur erworben wird; im Gegensatz dazu lernt man eine Fremdsprache in der Herkunftskultur. Darüber hinaus geht die folgende Definition: „Spielt die neue Sprache bei der Erlangung, Aufrechterhaltung oder Veränderung der Identität der Lernenden eine wichtige Rolle und ist sie kommunikativ relevant, dann bezeichnet man sie als ‚Zweitsprache‘, ansonsten eher als ‚Fremdsprache‘.“[1] Der Aspekt, dass Deutsch in Deutschland gelernt wird, identitätsbildend und im Alltag kommunikativ relevant ist, ist also maßgebend für die Zweitsprache.

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen „befasst sich mit der Beurteilung von Fortschritten in den Lernerfolgen bezüglich einer Fremdsprache. Ziel ist, die verschiedenen europäischen Sprachzertifikate untereinander vergleichbar zu machen und einen Maßstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen zu schaffen.“[2] Somit können also Lehrwerke und Prüfungen europaweit vergleichbar gemacht werden. Dafür wird der Lernerfolg in sechs Kompetenzniveaus von A1-„Anfänger“ bis C2-„Annähernd muttersprachliche Kenntnisse“ eingeteilt. Es werden Teilqualifikationen in den Bereichen Leseverstehen, Hörverstehen, Sprechen und Schreiben erworben, wobei ich den Fokus auf das Leseverstehen lege. Sprachhandlung, also die Kommunikationsfähigkeit, steht im Vordergrund.

Die Heterogenität der Zweitsprachenlerner ist groß, sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen, sprechen unterschiedliche Sprachen und haben unterschiedliche Erfahrungen und Vorwissen. Die Lernstände in einer Klasse oder einem Kurs sind also nicht gleich.

Faktoren, die den Zweitspracherwerb beeinflussen, sind außerdem kognitive Variablen wie Intelligenz, Begabung und Lernstile, außerdem affektive und attitudinale Faktoren wie Einstellungen, Motivation und Persönlichkeit sowie soziale Faktoren.

Des Weiteren spielen Alter und Geschlecht eine Rolle.[3] Ein Lehrer muss also sehr individuell auf seine Schüler eingehen können.

Textualitätskriterien

Da Lesetexte untersucht werden sollen, ist es zunächst wichtig zu klären, was überhaupt ein Text ist. Beaugrande und Dressler definieren einen Text als „eine kommunikative Okkurenz, die sieben Kriterien der Textualität erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt.“[4] Zu den Kriterien, die einen Text kommunikativ und damit zum Text machen, gehören Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität und werden nun kurz erläutert.[5]

Kohäsion meint die Art wie die Komponenten des Oberflächentextes, also die Worte, miteinander verbunden sind; nämlich durch grammatische Abhängigkeiten. Ein Beispiel dafür wäre der Verweis durch Pronomina: „Paul hat mit Fritz gesprochen. Er kommt morgen.“

Kohärenz bezieht sich im Groben auf inhaltliche/kognitive Zusammenhänge, also auf die Konstellation von Konzepten (Begriffen) und Relationen (Beziehungen). Ein Text ergibt erst durch die Interaktion von Textwissen und Weltwissen des Lesers Sinn. Als Beispiel: „Hans fiel hin und brach sein Kinn.“[6] – der Leser muss das Ereignis ‚Hinfallen‘ als Ursache für das Ereignis ‚Brechen‘ erkennen.

Während die ersten beiden Kriterien textzentriert sind, beziehen sich die folgenden auf Produzent und Rezipient:

Intentionalität bedeutet ‚gezieltes Handeln‘. Der Rezipient unterstellt dem Produzenten, dass dieser einen kohäsiven und kohärenten Text erzeugen will, also z.B. Wissen verbreiten will.

Akzeptabilität ist verwenderzentriert. Der Rezipient entscheidet, ob ein Text für ihn angemessen ist. Er muss durch Inferenzziehung auch selbst zum Textsinn beisteuern.

Informativität ist das Ausmaß der (Un-) Erwartetheit oder (Un-) Bekanntheit eines Textes. Er muss informativ genug sein, um nicht langweilig zu wirken, aber auch nicht mit Informationen überlastet sein, sodass der Kommunikationserfolg gefährdet wird.

Zur Situationalität gehören jene Faktoren, die einen Text für eine Kommunikationssituation relevant machen und zur Interpretation notwendig sind.

Das letzte Kriterium Intertextualität bezieht sich auf den Bezug eines Textes zu anderen Texten, die das nötige Vorwissen liefern, um den Sinn zu verstehen.

Lesen

Das Handbuch „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ versteht unter dem Lesevorgang hauptsächlich die Sinnentnahme: „Lesen wird nicht mehr als ‚passive‘ Fertigkeit betrachtet, da Lesende sich durch den Einsatz von Vorwissen und durch die Interpretationsleistung aktiv mit dem Text auseinandersetzen.“[7] Lesen ist zudem ein Prozess der Informationsverarbeitung. Bei neuen, unerwarteten oder unlogischen Informationen wird das Arbeitsgedächtnis stark beansprucht. Der Leseprozess vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen: Die graphophonische Ebene bezieht sich auf die visuelle Erkennung: Je besser wir Rechtschreibmuster erkennen, desto schneller gelingt die Verarbeitung.[8] Worterkennung bedeutet, dass „Wörter in einem passenden Kontext schneller erkannt werden als isolierte Wörter“[9], weil sie in unserem mentalen Lexikon verknüpft sind. Bei der syntaktischen Verarbeitung geht es um den grammatischen Zusammenhang, z.B. die Verbvalenz. Das eigentliche Textverständnis macht jedoch die semantische Verarbeitung aus: „Das Vorwissen unterstützt das Antizipieren und Einordnen der Informationen.“[10], das kann z.B. eine Überschrift oder ein Bild sein.

Lesen in einer Fremdsprache

Lesen in einer Fremdsprache fällt zunächst schwer. (Besonders wenn erst in ein neues Schriftsystem eingeführt werden muss. Alphabetisierung soll jedoch nicht Gegenstand der Ausarbeitung sein.) Grund für die Probleme ist eine geringe Automatisierung der Verarbeitungsebenen, da es „beim Dekodieren keinen lexikalischen Zugriff geben kann“[11], also zunächst kein Wortschatz vorhanden ist. Auf der Syntaxebene führen im Deutschen besonders die flexible Wortfolge und die Flexionsendungen zu Schwierigkeiten. Da Leser sich dadurch sehr auf Syntax und Worterkennung konzentrieren, gelingt die Sinnentnahme nur begrenzt und es kommt zu Fehldeutungen.

Benholz[12] sieht für mehrsprachige Schüler zusätzlich das Problem, dass im Schriftlichen die nonverbalen Kommunikationsmittel wie Mimik und Gestik nicht zum Verständnis beitragen können.

Beurteilung von Lesetexten

Um mögliche Schwierigkeiten von Lesetexten zu analysieren, stellt Benholz eine Reihe von Kriterien auf: Zu schülerseitigen Kriterien zählt sie Lesemotivation (z.B. eigene Erfahrungen mit dem Thema) und Vorwissen (Sprach-, Sach-, Kulturkenntnisse). Zu den textseitigen Kriterien gehören die Textebene (Textverknüpfung, Argumentationsstruktur), die Satzebene (Satzstellung), Wortgruppen (Redewendungen, feststehende Ausdrücke, Satzglieder) sowie die Wortebene (Fachwörter, Eigennamen, Komposita). Ein Hauptproblem liegt mit im Nicht-Verstehen von übertragenen Bedeutungen[13] (wie das übrigens auch bei Autisten der Fall ist).

Das Buch „Sich verständlich ausdrücken“[14] ist eine nützliche Hilfe zu lernen, Texte nach ihrer Verständlichkeit zu beurteilen. Hierfür werden die vier Kriterien Einfachheit, Gliederung / Ordnung, Kürze / Prägnanz und Anregende Zusätze ausgeführt, die folgende Merkmale haben:

Einfachheit: kurze, einfache Sätze, Konkretheit, Erklärung von Fachwörtern

Gliederung: sinnvolle Reihenfolge der Informationen, Zwischenüberschriften, Zusammenfassungen

Kürze: Textlänge in angemessenem Umfang zum Informationsgehalt; keine Weitschweifigkeit

Anregende Zusätze: interessante, persönliche, abwechslungsreiche Schreibweise

Die Beurteilung wird mit folgenden Symbolen vorgenommen: ++ + 0 - - - und in ein Beurteilungsfenster eingetragen. Dabei ist zu beachten, dass ++ nicht immer das Optimum darstellt, sondern eher den Extremfall. Beispielsweise ist es nicht gut, wenn ein Text zu kurz gefasst ist, da die Informationen dann sehr gedrängt sind. Zu viele Anregende Zusätze können ebenfalls die Verwirrung erhöhen. Ein optimal verständlicher Text hat folgendes Beurteilungsfenster:

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Kniffka, G., u.a.: Deutsch als Zweitsprache. Lehren und lernen. Paderborn 2007. S. 16.

[2] Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen. URL: http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/ (03.08.17).

[3] Vgl. Kniffka (2007), S. 59.

[4] Beaugrande, R. A. de, Dressler, W. U.: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1981. S. 3.

[5] Ebd. S. 3ff.

[6] Beaugrande (1981), S. 6.

[7] Krumm, H.-J., u.a. (Hg.) Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. Bd. 1. Berlin 2010. S.976.

[8] Vgl. Krumm (2010), S. 977.

[9] Ebd. S. 978.

[10] Ebd.

[11] Ebd. S. 979.

[12] Vgl. Benholz, C.: Bedingungen des Textverstehens – Stolpersteine und Fördermöglichkeiten. In: Bartnitzky, H. u.a. (Hg.): Beiträge zur Reform der Grundschule. Deutsch als Zweitsprache lernen. Bd. 120. Frankfurt a. M. 2005, 242-258.

[13] Vgl. Benholz (2005), S. 248f.

[14] Langer, I., u.a.: Sich verständlich ausdrücken. München 2015. S. 21ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Leseschwierigkeiten im Zweitsprachenunterricht erkennen und durch Textadaption kompensieren
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,0
Jahr
2017
Seiten
22
Katalognummer
V434751
ISBN (eBook)
9783668772342
ISBN (Buch)
9783668772359
Dateigröße
7328 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
leseschwierigkeiten, zweitsprachenunterricht, textadaption
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Leseschwierigkeiten im Zweitsprachenunterricht erkennen und durch Textadaption kompensieren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434751

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