Die Inszenierung der Schrift in Kinder- und Jugendliteratur


Hausarbeit, 2013

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

2. Gesprochene und geschriebene Sprache
2.1. ,Oralität‘ und Literalität‘
2.2. ,Mündlichkeit‘ und ,Schriftlichkeit‘
2.3. Merkmale von gesprochener und geschriebener Sprache

3. Sprache-Schrift-Text
3.1. Schriftbildlichkeit
3.1.1. Historische Wahrnehmungen von Schriftbildlichkeit
3.1.2. Schriftbildlichkeit in der heutigen Zeit
3.2. Handschrift

4. Schriftbildlichkeit in Kinder-und Jugendliteratur
4.1. Aspekte von Kinder-und Jugendliteratur
4.2. Michael Ende: „Die unendliche Geschichte“
4.2.1. Inhalt und Textgestaltung
4.2.2. Wirkung der Textgestaltung
4.3. Jeff Kinney: „Gregs Tagebuch“
4.3.1. Inhalt und Textgestaltung
4.3.2. Wirkung der Textgestaltung
4.4. Annette Langen: „Briefe von Felix“
4.4.1. Inhalt und Textgestaltung
4.4.2. Wirkung der Textgestaltung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

Die folgende Arbeit setzt sich einerseits mit der Beziehung von Sprache und Schrift auseinander, andererseits mit der Frage, welche Rolle die Form der Schrift speziell in der Kinder-und Jugendliteratur einnehmen kann. Den damit einhergehenden wissenschaftlichen Begriff der ,Typographie‘ wird hierbei als „visuelle Darstellung von Schriftsprache im Druck“[1] nach den Überlegungen Ulrike Rautenbergs verstanden, welche nicht nur auf die Strukturierung eines Textes, sondern auf die Gesamtstruktur des Buches abzielen.[2] Angemerkt sei an dieser Stelle, dass ,Druck‘ im heutigen digitalen Zeitalter nicht mehr wörtlich zu nehmen ist.

Zunächst wird auf die grundlegende Betrachtungen zum Verhältnis von Sprache und Schrift eingegangen, mit Blick auf die Unterscheidung von gesprochener und geschriebener Sprache, den Begriff ,Schriftbildlichkeit‘, sowie auf wissenschaftliche Auffassungen zur Handschrift im Allgemeinen. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Fragestellung exemplarisch an den Kinder- und Jugendliterarischen Werken „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende „Gregs Tagebuch“ von Jeff Kinney und Annette Langens „Briefe von Felix“ erörtert.

2. Gesprochene und geschriebene Sprache

Bei einer Diskussion über Schrift ist es zunächst wichtig, die allgemeinen Merkmale, Gemeinsamkeiten und grundlegenden Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache aufzuzeigen. Hervorzuheben ist hierbei die Problematik der Begrifflichkeiten. Denn die Begriffspaare ,Oralität‘/,Literalität‘, ,Mündlichkeit‘/,Schriftlichkeit‘ und ,gesprochene‘/,geschriebene Sprache‘ sind nicht gleichzusetzen.[3] Dies soll in den folgenden Kapiteln aufgezeigt werden.

2.1. ,Oralität‘ und ,Literalität‘

Diese beiden Termini stammen ursprünglich aus den Sozial- und Kulturwissenschaften, und berufen sich diesbezüglich zumeist auf das 1982 erschienene Werk von Walter Ong: „Orality and literacy. The Technologizing of the word“.[4] Darin stellt er die Denkweisen oraler und literaler Kulturen vor, und stellt dar, inwiefern unser Denken und Handeln durch die so genannte ,Literalität‘ geprägt ist.[5] Mit diesem Begriff sind die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens gemeint und mit ,Oralität‘ dementsprechend die Abwesenheit dieser Fähigkeiten. Somit wird bei dieser Dichotomie nicht auf die Äußerungsform rekurriert, sondern auf einen gesellschaftlichen Zustand.[6] Demzufolge spielen die Termini ,Oralität‘ und ,Literalität‘ in der vorliegenden Arbeit keine weitere Rolle.

2.2. ,Mündlichkeit‘ und ,Schriftlichkeit‘

Im Jahre 1994 stellten Peter Koch und Wulf Oesterreicher eine neue Terminologie zur ,Mündlichkeit‘ und ,Schriftlichkeit‘ auf. Sie kritisierten, dass die Termini ,mündlich‘ und ,schriftlich‘ ambig seien, da sie sich nicht nur auf das ,Medium‘ der jeweiligen Äußerung bezögen, sondern auch auf deren Modalität. Damit ist „die Tatsache, dass eine bestimmte Ausdrucksweise gewählt wird und diese eher ,mündlich‘ (d.h. an die gesprochene Sprache) oder eher ,schriftlich‘ (an die geschriebene Sprache) angelehnt ist“[7] gemeint. Demzufolge trennten sie dies terminologisch und führten die Unterscheidung zwischen ,medialer‘ und ,konzeptioneller‘ Dimension ein. Mit der ,medialen Dimension‘ ist die Realisationsform der sprachlichen Äußerung gemeint, d.h. ob sie phonisch oder graphisch realisiert wird[8], mit der ,konzeptionellen Dimension‘ die gewählte Ausdrucksweise innerhalb der Äußerung. Somit kann im prototypischen Fall eines Privatbriefes an einen Freund, welcher medial schriftlich ist, die konzeptionelle Dimension als mündlich angesehen werden, während im Falle eines wissenschaftlichen Vortrages, welcher medial mündlich geschieht, die konzeptionelle Dimension schriftlich ist.[9]

Weiterhin weisen Koch und Oesterreicher der konzeptionellen Mündlichkeit den Begriff ,Nähe‘ und der konzeptionellen Schriftlichkeit den Begriff ,Distanz‘ zu. Hierbei geht es um „das kommunikative Handeln der Gesprächspartner im Verhältnis zueinander und im Blick auf die sozialen, situativen und kontextuellen Gegebenheiten.“[10]

Hervorzuheben sei noch, dass die aufgestellte Terminologie sich auch auf technisch gestützte Kommunikationen übertragen lässt, da diese letztlich immer auf dem Prinzip der Phonie bzw. auf dem Prinzip der Graphie beruhen.[11] Wobei Christa Dürscheid diesbezüglich fordert, im medialen schriftlichen Bereich zwischen elektronischer und nicht-elektronischer Äußerungsform zu unterscheiden, da nach Meinung der Medienforschung der Übertragungsweg Einfluss auf die sprachliche Gestaltung nimmt.[12]

Im Analyseteil in Kapitel vier, sowie in Kapitel fünf, wird sich auf die Terminologie von Koch und Oesterreicher bezogen.

2.3. Merkmale von gesprochener und geschriebener Sprache

Neben der Darstellung von Begrifflichkeiten ist es notwendig auf die spezifischen Merkmale von gesprochener und geschriebener Sprache einzugehen, da die vorgestellten Dichotomien ,Oralität‘/,Literalität‘ und ,Mündlichkeit‘/,Schriftlichkeit‘ darauf beruhen. Leider kommen technische Neuerungen dabei meist nicht zur Sprache, da in der Forschungsliteratur bezüglich dieser Thematik in der Regel von prototypischen Beispielen ausgegangen wird. Somit werden bei der gesprochenen Sprache Telefongespräche, Nutzung von Anrufbeantwortern oder diversen Internetprogrammen zur Überbrückung örtlicher Differenzen (z.b. das Programm Skype) und bei der gesprochenen Sprache Äußerungsformen wie ein Tafelanschrieb oder Notizen unberücksichtigt gelassen. Stattdessen wird bei der gesprochenen Sprache im Regelfall von einem vis-à-vis-Gespräch ausgegangen[13] und bei der geschriebenen Sprache „wird in der Regel ein sprachlich elaborierter Text als Prototyp einer schriflich fixierten Äußerung angesehen.“[14]

Dies ist insofern ein kritischer Punkt, da dadurch diverse Merkmale gesprochener und geschriebener Sprache außer Acht gelassen werden, welche jedoch durchaus Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen können, die auf den ersten Blick nicht feststellbar sind.[15] Durch diesen Wegfall sind die meisten der in der Forschung aufgestellten Merkmale demzufolge lediglich als prototypisch anzusehen, wie z.B. diejenigen bezüglich der Äußerungssituation, welche wie erwähnt, technische Möglichkeiten, wie Videokonferenzen unberücksichtigt lassen. Daher werden an dieser Stelle lediglich die konstitutiven Merkmale nach Christa Dürscheid aufgeführt:

1. Die gesprochene Sprache ist körpergebunden. Die geschriebene Sprache ist dies nicht. Sie benötigt ein Werkzeug.
2. Die gesprochene Sprache erstreckt sich in der Zeit. Dies gilt für die geschriebene Sprache nicht. Sie hat eine räumliche Ausdehnung.[16]

Für die vorliegende Arbeit ist vor allem das zweite konstitutive Unterscheidungsmerkmal von Interesse, da dies aufzeigt, dass geschriebene Sprache räumlich angeordnet ist und somit visuell wahrgenommen wird. Daraus folgt, dass diese in der Regel als abgeschlossenes Produkt und nicht wie die mündliche Sprache als Prozess wahrgenommen wird.[17]

3. Sprache-Schrift-Text

In diesem Kapitel soll explizit der Frage nachgegangen werden, wie Sprache und Schrift, sowie Schrift und Text (=Schriftbild, Schriftbildlichkeit) zusammenhängen. Die Linguistik ging traditionellerweise davon aus, dass die Aufgabe von Schriftzeichen die Verschriftlichung der Sprache, Schrift somit lediglich Phonographie sei.[18] Demzufolge die Überzeugung, dass die Textgestalt keinerlei Einfluss auf den Vorgang des Lesens nehme, und die visuelle Form keine kommunikative Relevanz beinhalte.[19] In den letzten Jahren ist diesbezüglich jedoch ein Meinungsumschwung zu erkennen, vor allem in medien- und schriftlinguistischen Diskursen.[20]

3.1. Schriftbildlichkeit

3.1.1. Historische Wahrnehmungen von Schriftbildlichkeit

Walter Ong hebt hervor, dass noch lange Zeit nach Erfindung des Buchdruckes ein „hörerbezogener Duktus den sichtbaren, gedruckten Text“ dominierte.[21] Während heute das Lesen eine primär visuelle Aktivität ist, wurde es früher als Hörprozess aufgefasst.[22] Dementsprechend wurde der Text auf den Klang bezogen angeordnet und gestaltet.[23] Dies ist für die damalige Zeit durchaus logisch, da Werke oftmals in gewissen Kreisen vorgelesen wurden, da das Lesen noch nicht von vielen beherrscht wurde. Doch auch mit steigender Alphabetisierung wurde Schrift lediglich als Abbildung von Sprache angesehen. Es wurde dem Schriftbild somit jegliche Relevanz abgesprochen. Bekannt sind dabei vor allem die Sprachwissenschaftler, Ferdinand de Saussure, der dies 1916 in seinem „Cours de linguistique générale“ verkündete,[24] und Leonard Bloomfield, der 1933 schrieb: „Writing is not language, but merely a way of recording language by means of visible marks“.[25]

An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass die aufgezeigten historischen Annahmen auf der generellen Hinwendung zum Logozentrismus beruhen, sowie auf der Grundeinstellung der Ausgrenzung des Sprachgebrauches aus der Linguistik. Die Theorie hierzu wird Dependenzhypothese genannt.[26] Die dazugehörigen Einstellungen herrschen in der Forschung zwar teilweise immer noch vor, doch hat sich der größte Teil der Sprachwissenschaftler*innen mittlerweile davon distanziert und neigt zur Autonomiehypothese. Diese besagt, dass Schrift eine eigenständige Realisationsform von Sprache ist. Anzumerken ist, dass keine der beiden Positionen absolut vertreten wird.[27]

3.1.2. Schriftbildlichkeit in der heutigen Zeit

Die alleinige Existenz des heutigen Berufsbildes „Textgestalter*in“ führt die ehemalig vorherrschende Sichtweise ad absurdum. Schließlich sind wir im Alltag von Texten umgeben, die wirkungsorientiert mit typographischen Mitteln erstellt wurden, um Aufmerksamkeit zu erregen und bestimmte Ziele zu erreichen, wie z.B. Werbeanzeigen oder Wahlplakate. Brigitte Weingart spricht hierbei von „Versuchen, den Text als intermediale Schnittstelle zu gestalten, ihn als eine Oberfläche zu inszenieren“[28] und Jörg Hagemann spricht sogar von einer „impliziten Leseanweisung.[29]

Ein Faktor, welcher unabdingbar mit dem gesteigerten Interesse an der Schriftbildlichkeit und einhergehend mit der Typographie verbunden ist, sind die technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Schließlich ist heutzutage jede*r Computerbesitzer*in mit Schriftprogrammen automatisch „Laientypograph*in“, und kann sich zwischen unzähligen Schriftarten, Schriftgrößen, Farben, Seitenanordnungen und weiteren Gestaltungsmöglichkeiten entscheiden und wird dadurch für diese Thematik sensibilisiert.[30]

Es ist somit erkennbar, dass die historische Annahme, dass Schrift lediglich „sichtbar gemachte und zugleich fixierte Sprache“[31] sei, zu trivial und einseitig gedacht ist. Vor allem die oftmals herrschende Meinung, dass Schrift ein lineares Phänomen sei und somit eine Art Kettenmechanismus aufzeige (Phonem/Graphem → Morphem → Wort → Satz → Text) wird in der aktuellen Forschung weitreichend kritisiert und unter anderem als ,Linearitätsdogma‘ bezeichnet.[32] Denn wie Sybille Krämer treffend hervorhebt, ist das,

was im Text zur Darstellung kommt, […] nicht das Lautgeschehen selbst, sondern sind konzeptuelle Sachverhalte, wie grammatische Kategorisierungen, aber auch Relationen zwischen Gedanken und Argumentstrukturen.[33]

[...]


[1] Rautenberg: Sachlexikon, S.496.

[2] Vgl. ebd.

[3] Vgl. Dürscheid: Schriftlinguistik , S.23.

[4] Vgl. ebd., S.53.

[5] Vgl. Ong: Oralität und Literalität, S.9.

[6] Vgl. Dürscheid: Schriftlinguistik, S.61.

[7] Vgl. ebd., S.43.

[8] Die Gebärdensprache wurde hierbei nicht berücksichtigt.

[9] Vgl. Koch/Oesterreicher: Schriftlichkeit, S.349.

[10] Koch/Oesterreicher: Schriftlichkeit, S.350.

[11] Vgl. Ebd., S.359.

[12] Vgl. Dürscheid: Schriftlinguistik, S.52.

[13] Vgl. ebd., S.23.

[14] Ebd., S.24.

[15] Vgl. Dürscheid: Schriftlinguistik, S.34.

[16] Dürscheid: Schriftlinguistik, S.34.

[17] Vgl. Ong: Oralität und Literalität, S.132.

[18] Vgl. Krämer: Sprache und Schrift, S.92.

[19] Vgl. Roth/Spitzmüller: Einführung, S.10.

[20] Vgl. Antos/Spitzmüller: Textdesign, S.35.

[21] Ong: Oralität und Literalität, S.120.

[22] Vgl. Ebd., S.121.

[23] Vgl. Ong: Oralität und Literalität, S.121.

[24] Vgl. Saussure: Allgemeine Sprachwissenschaft, S.28.

[25] Bloomfield: Language, S.21.

[26] Vgl. Dürscheid: Schriftlinguistik, S.23.

[27] Vgl. ebd., S.23.

[28] Weingart: Text-Bild-Strategien, S.228.

[29] Hagemann: Typographie, S.82.

[30] Vlg. Spitzmüller: Typographie, S.211.

[31] Krämer: ,Schriftbildlichkeit‘, S.158.

[32] Vgl. ebd., S.159.

[33] Ebd., S.160.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Inszenierung der Schrift in Kinder- und Jugendliteratur
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur I.)
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V436407
ISBN (eBook)
9783668773295
ISBN (Buch)
9783668773301
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schrift, Kinder, Jugend, Literatzur, Sprache, Druck, Schriftsprache, Rautenberg
Arbeit zitieren
Janine Jonelat (Autor:in), 2013, Die Inszenierung der Schrift in Kinder- und Jugendliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436407

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