Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Währung der DDR und die Beziehung zur BRD
2.1 Die Binnenwährung der DDR
2.2 Die D-Mark als Parallelwährung der DDR
2.3 Der innerdeutsche Handel
3. Die deutsche Währungsunion
3.1 Festlegung der Wechselkurse
3.2 Einigung und Vorbereitung auf die Währungsunion
4. Die Folgen der deutschen Währungsunion
4.1 Umlauf der Geldmengen nach der Währungsunion
4.2 Lage der Unternehmen der DDR
4.3 Gefahr einer möglichen Inflation
4.4 Auswirkungen auf die Europäische Gemeinschaft
4.5 Kosten der Währungsunion und der deutschen Einheit
5. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wechselkurse von Mark der DDR auf D-Mark
1. Einleitung
Durch die vom damaligen russischen Präsidenten Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik und der Öffnung der Grenzen der DDR am 09.11.1989, flohen immer Menschen aus dem Land.
Dies wirkte sich unumgänglich auf die politische und wirtschaftliche Situation aus, welche rasch zu ersten Gesprächen mit der Regierung der Bundesrepublik, unter Kanzler Helmut Kohl, führte.
Zwischen Oktober 1989 und Januar 1990 verließen über 300.000 Menschen die DDR.1 Eine schnelle Lösung für die Stabilisierung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der Fluchtursachen wurde gesucht. Eine starke Währung, in Form der D-Mark, sollte den Menschen in Ostdeutschland wieder Vertrauen in die Politik und Wirtschaft geben. Unter Zeitdruck wurde ein Vertrag für die Bedingungen der Währungsunion aufgestellt, in dem nicht alle Regelungen ausreichend überdacht waren und weitreichende Folgen für die DDR und die BRD hatten, die teilweise bis heute Deutschland belasten. In den folgenden Kapiteln wird aufgezeigt, wie die monetäre Lage der DDR und deren Bürgern war, wie die Verhandlungen zwischen der BRD und der DDR abliefen, welche Folgen daraus resultierten und welche Punkte für die Währungsunion besser hätten gelöst werden können.
2. Die Währung der DDR und die Beziehung zur BRD
2.1 Die Binnenwährung der DDR
Durch das begrenzte Angebot an Waren in der DDR baute sich bei den Bürgern der DDR ein Inflationspotential auf, welches aber nicht ausreichend abgeschöpft werden konnte, da die Konsumgüterpreise über lange Zeiträume fix blieben und die Währung als reine Binnenwährung nur innerhalb der DDR gehandelt und transferiert werden durfte.2 In einer sozialen Marktwirtschaft, wie die der BRD, wird der Preis von Angebot und Nachfrage bestimmt, um so einen Geldüberhang zu reduzieren. Bei starren Preisen und Gehältern sammelten sich hohe Geldbeträge in den privaten Haushalten und durch das geringe Angebot entstand eine sogenannte Kassenhaltungsinflation.3 Geschätzt wurde der Geldüberhang in den Haushalten auf 150 Mrd. Ostmark.
Bei einem derartigen Aufkommen an Wertaufbewahrung, bei gleichzeitiger Rationierung von Konsumgütern, wurde die Kaufkraft der Währung geschwächt. Da es auch kaum Anlagemöglichkeiten für die Bürger der DDR gab, konnte so das Geld nicht ausreichend wieder in Umlauf gebracht werden. Vorgesehen waren ab 1970 nur noch Spargirokonten und Sparbuchkonten, mit einer festen Verzinsung.4 Diese konnten kurzfristig gekündigt werden, daher war das Kapital kaum gebunden. Durch die jahrelang fixen Güterpreise verlor die Währung die Funktion als Wertmaßstab, da sie nicht mehr anzeigen konnte, ob ein Gut knapp war oder im Überfluss vorhanden.
2.2 Die D-Mark als Parallelwährung der DDR
In der DDR wurde unter den Bürger die D-Mark teilweise als Zweitwährung gehandelt und als Tauschmittel für besondere Güter, Dienstleistungen oder als Wertaufbewahrung genutzt.5 Die Mark der DDR wurde als nicht vollständige oder vollfunktionsfähige Währung angesehen. Im Einzelhandel war sie das einzige Zahlungsmittel. Auf den Sekundärmärkten, die teilweise von der Regierung geduldet oder legalisiert wurden und auf den Schwarzmärkten, wurde häufig ausländisches Geld in eine Kaufabwicklung mit einbezogen. Einen Umtauschwert konnte aus diesen Transaktionen nicht gezogen werden, da es hier zu starke Preisschwankungen gab. Beide Währungen standen teilweise in einer komplementären Beziehung zueinander. Nach der inoffiziellen Etablierung der D-Mark, wurde sie als Wertaufbewahrungsmittel geschätzt, da sie grenzübergreifend als Zahlungsmittel sehr begehrt war und eine höhere Kaufkraft aufwies. Durch die dauerhafte Rationierung der Güter im Einzelhandel verlor die ostdeutsche Währung immer mehr an Sicherheit, während die westdeutsche durch die Sekundär- und Devisenmärkte immer mehr an Bedeutung in der DDR gewinnen konnte.6 Den Westdevisen konnten auf den Märkten einen Wert gutschrieben werden, da er von Angebot und Nachfrage bestimmt wurde. Sie spiegelten anderseits auch den Knappheitsgrad der Waren wieder.
Mit dem Gesetzblatt der DDR, Teil 1, Nr. 58 vom 21.12.1973, war es schließlich offiziell den Bürgern erlaubt fremde Währungen in den dafür zugelassenen Einrichtungen zu verwenden.7 Ab dem 01.02.1974 wurden mit dem Devisengesetz Bargeldgeschenke an DDR Bürger legalisiert. So wuchs die Geldmenge der D-Mark in der DDR weiter an.8 Überweisungen in die DDR waren nur in einzelnen Fällen möglich. Erst ab Oktober 1988 gab es die Möglichkeit über Forum-Schecks Guthaben von A nach B zu transferieren, diese Schecks konnten in den Intershop Läden gegen Waren, teilweise aus Westdeutschland, umgesetzt werden. Vorher gelang die D-Mark hauptsächlich durch Reisen von BRD- und DDR-Bürgern in das Land. BRD-Bürgern war es bis 1983 erlaubt, maximal 1000 DM mit in die DDR zu nehmen, zwischen 1983 und 1988 wurde es auf 2000 DM erhöht und ab 1988 war die Einfuhrmenge der DM unbegrenzt. Allein in diesem Jahr wurden die Bargeldausgaben in der DDR auf 500 Mio. DM geschätzt. Zwischen 1969 und 1985 durften hauptsächlich Personen über 65 Jahren die DDR verlassen. Dies waren jährlich zwischen 1,1 und 1,6 Mio. Menschen. Ab 1985 durften auch Jüngere in die BRD reisen, die Zahl stieg auf 2,79 Mio. pro Jahr an. Durch den Wertverfall der Ostmark, resultierend aus der angestauten Geldmenge in den Haushalten der DDR, wurden bei Reisen in die BRD Kurse von durchschnittlich 10 zu 1 gehandelt.9
Ab dem 01.09.1987 wurde das sogenannte Begrüßungsgeld von der BRD an Einreisende der DDR ausgegeben. Es belief sich auf 100 DM pro Person für den ersten Besuch jeden Kalenderjahres.10 Teilweise gab es von den Bundesländern noch Zuschüsse von 20 bis 40 DM. So flossen weitere 300 Mio. DM an die Bürger der DDR. Durch die Intershops und ähnliche Unternehmen konnte die DDR Regierung die großen Mengen der D-Mark teilweise abschöpfen. Sie wurden nach Freigabe für die Ostdeutsche Bevölkerung stark genutzt, da sie u.a. westdeutsche Produkte im Angebot hatten. 1988 wurden die Umsätze dieser Geschäfte veröffentlicht, im Jahr 1977 waren es 700 Mio. DM und im Jahr 1988 bereits ca. 1,12 Mrd. DM, die die Warenkette eingenommen hat. 60 % davon waren zurückzuführen auf DDR-Bürger.11
2.3 Der innerdeutsche Handel
Der Ankauf von Devisen war aus staatlicher Sicht nötig, um wichtige Waren und Investitionsgüter im Westen zu kaufen.
Für die BRD und die DDR waren die Bestimmungen zu beachten, wie die Devisen zwischen beiden Staaten transferiert werden. Es wurde ein Verrechnungskonto eingeführt, welches mit dem Berliner Abkommen vom 20.09.1951 festgelegt wurde.12 Das Konto sollte möglichst immer ausgeglichen sein. Falls dies nicht der Fall war, regelte der Swing, ein Überziehungskredit, die maximale Höhe der Abweichung. Gut- und Lastschriften wurden auf dem Verrechnungskonto mit der Verrechnungseinheit VE gebucht. 1 DM und 1 DDR Mark entsprach einer VE, dies galt offiziell nicht als Wechselkurs, obwohl so der Umtauschsatz abgelesen werden konnte. Für die zentrale Planwirtschaft der DDR musste ein Wechselkurs über einen langen Zeitraum stabil bleiben, um die Kontrolle der Finanzen zu gewährleisten.13 Die Preise für den Handel wurden nach dem Wert der Waren in Westdeutschland festgesetzt.
Der Aufwand zur Erstellung von Waren in der DDR war wesentlich höher als der in der BRD, da der technische Rückstand Ostdeutschlands eine Wettbewerbsfähigkeit nicht möglich machte. So war der Erlös für die Exporte ein Minusgeschäft. Diese Ungleichheit zwischen Aufwand und Erlös wurde bis 1971 durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt ausgeglichen. Ab 1971 wurde mit Hilfe eines Richtungskoeffizienten die Ostmark in D-Mark und umgekehrt umgerechnet. Dieser Koeffizient gab den eigentlichen Wert der Ostmark an. Um die Währung aber nicht schwächer als die D- Mark darzustellen, blieb der offizielle Wechselkurs bis Anfang 1990 bei 1 zu 1. Im Jahr 1988 lag der Koeffizient bei 4,34.14 Massive Ausgleichzahlungen waren durch die Ausgleichsfonds der DDR zur Währungsunion 1990 zu leisten, um die Schulden die durch den Koeffizienten aufgelaufen sind wieder auszugleichen.15 Bis zum 01.05.1990 sind Rückstellungen in Höhe von 96,4 Mrd. Mark entstanden. Sie wurden ausgeglichen mit Neuberechnungen von Auslandsverbindlichkeiten in Höhe von 31,2 Mrd. Mark, Forderungen aus der Erstattung der Noten und Münzen vor 1948 in Höhe von 4,9 Mrd. Mark und dem Ausgleichungsfond, der von DDR eingerichtet wurde, mit 60,1 Mrd. Mark.
3. Die deutsche Währungsunion
3.1 Festlegung der Wechselkurse
Da es zum Zeitpunkt der Verhandlungen für eine Währungsunion noch keine Daten zur Realwirtschaft der DDR gab und der monetäre Status des Landes durch verschiedene Wechselkurse mit anderen Ländern verzerrt war, war eine Orientierung zur Festlegung des Wechselkurses von DDR Mark auf D-Mark schwierig.16 Es wurde eine differenzierte Betrachtung der Strom- und Bestandgrößen gewählt. Die Stromgrößen, zu denen Löhne und Gehälter zählen, sollten in einem angemessenen Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der DDR stehen. Sie entsprach ca. 40 % der Leistungsfähigkeit der BRD.
Nach der Währungsunion musste das Lohngefälle angepasst werden, um den Bürgern einen akzeptablen Lebensstandard zu ermöglichen. Dazu wurden zwei Vorgehensweisen ausgearbeitet, um das Lohngefälle anzupassen. Die erste Option bestand darin, die gröbsten Preisverzerrungen wie z.B. die staatlichen Subventionen für wichtige Konsumgüter abzuschaffen. Dies hätte einen Preisschub in diesem Bereich zur Folge, welcher wiederum zu Ausgleichzahlungen bei Löhnen, Gehältern und Renten geführt hätte. Das daraus resultierende Lohnniveau hätte einen Wechselkurs von 1 zu 1 ergeben, wäre aber für die Betriebe der DDR auf Dauer nicht tragbar gewesen. Die Bundesbank empfahl nach einer Preisentzerrung und Anpassung der Löhne einen Kurs von 2 zu 1 für die Stromgrößen. Von diesem Anfangsniveau aus hätte man, im Laufe der marktwirtschaftlichen Entwicklung, die Löhne noch weiter anpassen können.
Nach den Vertragsverhandlungen der beiden deutschen Regierungen wurde jedoch die erste Option, ein Umtauschverhältnis der Stromgrößen von 1 zu 1, festgesetzt.17 Eine umfassende Preisreform war aus politscher Sicht nicht mehr rechtzeitig umzusetzen, da eine schnelle Währungsreform gewünscht war. Die Rente wurden vor der Union deutlich angehoben, mindestens auf DM-Niveau. Niedrige Renten wurden durch einen Zuschlag von 495 DM monatlich aufgestockt, finanziert aus dem Staatshaushalt der DDR. Auf vorherige Lohnanpassungen sollte verzichtet werden, um die Betriebe der DDR nicht stärker zu belasten. Die Kaufkraft der D-Mark in der DDR war höher als in der BRD, da die meisten Kosten für die Bürger niedriger waren.
Die Bevölkerung der DDR war für eine Bestandsgrößenumstellung von 1 zu 1, dies hätte die angesparten Vermögen und Schulden betroffen. Die Inflationsgefahr hätte sich so im gesamten Land erhöht, da ein noch größerer Überschuss an Geld vorhanden gewesen wäre. Eine teilweise Tilgung der Schulden der Betriebe, die durch die Planwirtschaft der DDR entstanden sind, war unumgänglich, da es nur so möglich war, die wettbewerbsschwachen Unternehmen nicht weiter zu belasten. Kombiniert mit einer Umstellung der Guthaben von 1 zu 1 hätte dies für die Kreditinstitute eine milliardenschwere Ausgleichsforderung bedeutet, um so die Bilanzlücke wieder zu schließen. Im Staatsvertrag zwischen DDR und BRD wurde die Umstellung der Bestandsgrößen mit 2 zu 1 festgehalten, bei den Spareinlagen der Bürger gab es jedoch, je nach Alter gestaffelt, eine Ausnahmeregelung.18
Ein Wechselkurs von 1 zu 1 für die Guthaben war wie folgt vorgesehen:19
- bis zu 2000 DDR Mark wurden umgetauscht bei Personen die nach dem 01.07.76 geboren waren
- bis zu 4000 DDR Mark wurden umgetauscht bei Personen die zwischen dem 02.07.31 und 01.07.76 geboren waren
- bis zu 6000 DDR Mark wurden umgetauscht bei Personen die vor dem 02.07.76 geboren waren
Mit den zusätzlichen Ausnahmeregelungen ergab sich im Durchschnitt beim den Guthaben ein Kurs von 1,6 zu 1.20
Auslandsforderungen- und Verbindlichkeiten der DDR in Fremdwährungen wurden nicht nach einem festen Umstellungssatz umgerechnet, sondern angemessen in DM bewertet.21
So wurden, nach der Bilanz der DDR vom 31.05.90, die offenen Posten der RGWLänder wie folgt umgesetzt:
Forderungen in Höhe von 17,4 Mrd. Ostmark wurden auf 8,7 Mrd. DM umgestellt und 1,1 Mrd. Ostmark Verbindlichkeiten auf 600 Mio. DM umgestellt.
[...]
1 Vgl. Deutsche Bundesbank (1990b), S. 14
2 Ebd. S 23
3 Vgl. Smeets (1989), S. 606
4 Vgl. Gawel (1994), S. 131ff, zitiert nach: Von Rüden (1991), S. 129ff
5 Ebd., S. 129, zitiert nach: Von Rüden (1991), S. 18
6 Ebd., S. 134ff, zitiert nach: Von Rüden (1991), S. 74ff und 50
7 Vgl. Wagner (2005), S. 17, zitiert nach: Gesetzblatt der DDR (1973)
8 Vgl. Gawel (1994), S. 136, zitiert nach: Deutsche Bundesbank (1988)
9 Vgl. Smeets (1989) S. 605
10 Vgl. Gawel (1994), S. 137ff, zitiert nach: Von Rüden (1991), S. 59; Deutsche Bundesbank (1990b), S. 23
11 Vgl. Gawel (1994), S. 139, zitiert nach: Von Rüden (1991), S. 82
12 Vgl. Kim (2000), S 101, zitiert nach: Haase (1990); S. 92
13 Vgl. Schwarzer (1999), S. 308ff
14 Ebd., S. 323
15 Vgl. Deutsche Bundesbank (1990b), S. 25ff
16 Ebd., S. 15ff
18 Vgl. Gawel (1994), S. 163; Deutsche Bundesbank (1990b), S. 17 und 26;
19 Vgl. Deutsche Bundesbank (1990c), S. 43
20 Vgl. Bofinger (1991), S. 152
21 Vgl. Deutsche Bundesbank (1990b), S. 25ff