Im Laufe des vorigen Jahrhunderts gewann die Biographieforschung in der Soziologie immer mehr an Bedeutung. Die Biographie der verschie-denen Individuen einer Gesellschaft gilt als zentrale Regulationsgröße, mit und in der die Individuen selbst die Kontinuitätsbrüche synthetisieren müssen, die sich aus der behaupteten Auflösung von Klassen- und Schichtenlagen, Familienformen und Normallebensläufen und den damit verbundenen Handlungs- und Orientierungsverbindlichkeiten ergeben. Anhand der Biographieforschung lassen sich das Verhalten der Mitglieder einer Gesellschaft und deren Reaktionen auf einen gesellschaftlichen Wandel aus erster Hand identifizieren und erläutern. Durch diese wichtige Rolle innerhalb der Forschung rückt also die Biographie und somit das Individuum selbst in den Mittelpunkt des Interesses. Es ist daher so, dass der Mensch aus den starren Sozialformen seines früheren Lebens herausgelöst, freigesetzt, wird, und seine Lebensführung als Aufgabe in das eigene Handeln gelegt wird. Biographie wird zum sozialen Phänomen. Im Zuge dieser Biographisierung des Lebenslaufs nehmen die Individualisierung sowie die Individualisierungssuche mehr und mehr zu. Dadurch, dass die starre Zugehörigkeit zu Klasse, Familie, Schicht und zu Geschlechtslagen von Männern und Frauen für den Menschen wegfällt, zieht das weitreichende Folgen, sowohl für das Individuum selbst, als auch für die Gesellschaft, in der es lebt, nach sich. Im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit bedeutet das, dass der Mensch immer mehr auf sich selbst und sein individuelles Arbeitsmarktschicksal verwiesen wird, mit all seinen Risiken, Chancen und Widersprüchen. Es entsteht dabei allerdings eine neue, nicht weniger schwierige Art von sozialer Ungleichheit. Beispielsweise bleiben die Abstände in der Einkommenshierarchie gleich, die Bindung an soziale Klassen rückt dagegen in den Hintergrund. Stattdessen ist eine Tendenz nach individualisierten Existenzformen sichtbar geworden. Die Verschärfung und die Individualisierung von sozialer Ungleichheit greifen ineinander; das bedeutet, am Beispiel der Massenarbeitslosigkeit, dass Systemprobleme in persönliches Versagen abgewandelt und politisch abgebaut werden. Es entsteht eine neue Unmittelbarkeit von Individuum und Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
- Individualisierung und seine Folgen für den Lebenslauf
- Institutionalisierung von Biographiemustern
- Theoretischer Ansatz
- Die Phasen der Erwerbstätigkeit
- Berufswahl
- Berufliche Sozialisation
- Das Rentenalter
- Wahlbiographien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Institutionalisierung des Lebenslaufs im Kontext der Individualisierung. Sie beleuchtet die Auswirkungen der Auflösung traditioneller Sozialstrukturen auf die Gestaltung individueller Biographien und analysiert den Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf den Lebenslauf.
- Individualisierung und ihre Folgen für den Lebenslauf
- Institutionalisierung von Biographiemustern und deren Einfluss auf individuelle Lebensführung
- Die Rolle von Bildung, Erwerbstätigkeit und Rente im institutionalisierten Lebenslauf
- Das Spannungsfeld zwischen individueller Wahlfreiheit und institutionellen Vorgaben
- Soziale Ungleichheit im Kontext des institutionalisierten Lebenslaufs
Zusammenfassung der Kapitel
Individualisierung und seine Folgen für den Lebenslauf: Der Text analysiert die zunehmende Bedeutung der Biographieforschung in der Soziologie und die Auswirkungen der Individualisierung auf den Lebenslauf. Die Auflösung traditioneller Klassen-, Schicht- und Familienstrukturen führt zu einer erhöhten Notwendigkeit individueller Syntheseleistung von Kontinuitätsbrüchen. Die zunehmende Individualisierung führt zu einer neuen Form sozialer Ungleichheit, die sich in der Einkommenshierarchie widerspiegelt, während die Klassenbindung an Bedeutung verliert. Die Arbeit hebt den Wandel in den Familienstrukturen hervor, der durch die Aufweichung von Geschlechterrollen und die Entstehung von Verhandlungsfamilien gekennzeichnet ist. Schließlich wird der Modernisierungsprozess als Übergang von zufälligen Lebensereignissen hin zu einem vorhersehbaren, institutionalisierten Lebenslauf dargestellt, der den vorläufigen Höhepunkt der Individualisierung darstellt.
Institutionalisierung von Biographiemustern: Dieses Kapitel untersucht den Einfluss von Institutionen auf den Lebenslauf in einer individualisierten Gesellschaft. Es wird argumentiert, dass trotz der vermeintlichen Freiheit des Individuums, sekundäre Instanzen wie Bildungssystem, Erwerbsarbeit und Rentenversicherung den Lebenslauf stark prägen und traditionelle Lebenslaufmuster überlagern. Die Institutionalisierung des Lebenslaufs bietet zwar Orientierung und Entlastung, schränkt aber gleichzeitig die individuelle Gestaltungsfreiheit ein. Der Text betont die enge Verzahnung institutioneller Prägungen mit verschiedenen Lebenslaufstationen, wodurch Lebensläufe politisch gestaltbar werden. Zentrale Prinzipien der Institutionalisierung sind Kontinuität, Sequenzialität und Biographizität. Der Text beleuchtet den Prozess, wie institutionell geprägte Kollektivschicksale im Lebenszusammenhang des Individuums wahrgenommen und verarbeitet werden.
Schlüsselwörter
Individualisierung, Lebenslauf, Institutionalisierung, Biographieforschung, Soziale Ungleichheit, Familienstrukturen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Rentenalter, Modernisierung, Verhandlungsfamilie.
Häufig gestellte Fragen zu: Institutionalisierung des Lebenslaufs im Kontext der Individualisierung
Was ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Institutionalisierung des Lebenslaufs im Kontext der Individualisierung. Sie analysiert die Auswirkungen der Auflösung traditioneller Sozialstrukturen auf die Gestaltung individueller Biographien und den Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf den Lebenslauf. Schwerpunkte sind die Folgen der Individualisierung, die Institutionalisierung von Biographiemustern, die Rolle von Bildung, Erwerbstätigkeit und Rente, das Spannungsfeld zwischen individueller Wahlfreiheit und institutionellen Vorgaben sowie soziale Ungleichheit im Kontext des institutionalisierten Lebenslaufs.
Welche Themen werden in den einzelnen Kapiteln behandelt?
Das Kapitel "Individualisierung und seine Folgen für den Lebenslauf" analysiert die zunehmende Bedeutung der Biographieforschung und die Auswirkungen der Individualisierung auf den Lebenslauf, den Wandel in den Familienstrukturen und den Übergang von zufälligen Lebensereignissen hin zu einem vorhersehbaren, institutionalisierten Lebenslauf. Das Kapitel "Institutionalisierung von Biographiemustern" untersucht den Einfluss von Institutionen wie Bildungssystem, Erwerbsarbeit und Rentenversicherung auf den Lebenslauf in einer individualisierten Gesellschaft und betont die enge Verzahnung institutioneller Prägungen mit verschiedenen Lebenslaufstationen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Individualisierung, Lebenslauf, Institutionalisierung, Biographieforschung, Soziale Ungleichheit, Familienstrukturen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Rentenalter, Modernisierung, Verhandlungsfamilie.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit beleuchtet die Auswirkungen der Auflösung traditioneller Sozialstrukturen auf die Gestaltung individueller Biographien und analysiert den Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf den Lebenslauf. Sie untersucht das Zusammenspiel von Individualisierung und Institutionalisierung im Lebenslauf.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit umfasst ein Inhaltsverzeichnis, eine Einleitung mit Zielsetzung und Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und eine Liste der Schlüsselwörter. Die Kapitel behandeln die Individualisierung und deren Folgen für den Lebenslauf sowie die Institutionalisierung von Biographiemustern mit Fokus auf Berufswahl, beruflicher Sozialisation und dem Rentenalter.
Welche zentralen Argumente werden in der Arbeit vertreten?
Die Arbeit argumentiert, dass trotz der vermeintlichen Freiheit des Individuums, Institutionen den Lebenslauf stark prägen. Sie betont das Spannungsfeld zwischen individueller Wahlfreiheit und institutionellen Vorgaben und die Entstehung neuer Formen sozialer Ungleichheit im Kontext des institutionalisierten Lebenslaufs. Die Institutionalisierung des Lebenslaufs bietet Orientierung und Entlastung, schränkt aber gleichzeitig die individuelle Gestaltungsfreiheit ein.
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- Christina Zopp (Author), 2004, Institutionalisierung des Lebenslaufs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43669