Guy de Maupassant folgt bei seiner literarturästhetischen Konzeption dem Prinzip des Naturalismus.
Dieser strebte ursprünglich das Ziel an, dass “[...] das Kunstwerk die zeitgenössische Wirklichkeit widerzuspiegeln [habe]“. Es ging um eine möglichst präzise, objektive und photographische Abbildung von Wirklichkeit. Das Einzigartige an Maupassant besteht nun darin, dass er sich von dieser Literaturkonzeption emanzipiert und ganz neue Elemente in den Naturalismus integriert.
Er folgt nämlich im Gegensatz zu vielen anderen Naturalisten nicht dem Prinzip der ,,Abbildung von Wirklichkeit“, sondern orientiert sich an dem aristotelischen Dichtungsprinzip der ,,Wahrscheinlichkeit“, der sogenannten ,,vraisemblance“.
Da es aber schier unmöglich ist die Wahrheit in all ihren Facetten wiederzugeben, werden Handlungen präsentiert, die wahrscheinlich sind und mit denen sich der Leser identifizieren kann. Aufgrund dieser starken Identifikation des Lesers mit der Handlung ist auch die Reinigung von negativen Affekten, die sogenannte ,,Katharsis“ tiefgreifender als bei der historischen Geschichtsschreibung.
Dabei ist entscheidend, dass der Autor Maupassant selbst nicht in Erscheinung tritt, sondern dass er sich hinter den sprechenden und handelnden Protagonisten verbirgt. Er kommentiert die Handlung nicht, es werden von seiner Seite aus keine expliziten moralischen Urteile gefällt oder psychologische Erklärungen geliefert, wie es beispielsweise für Balzacs Literaturkonzeption typisch wäre.
Bei Maupassant sind Weltanschauung und Wertekanon der Figuren aus ihrem Verhalten und ihrer Gedankenwelt ableitbar. Diese Literaturkonzeption selbstentlarvender Protagonisten lässt sich auch auf den hier zu behandelnden conte „Aux champs“ übertrtagen.
Das naive, empathielose und atypische Verhalten Frau Hubières bei der Ankunft auf dem Land gegenüber einer ihr völlig fremden, bäuerlichen Welt mit spezifischen Charakteristika fernab von jedweder romantischer Verklärung entlarvt die Figur vortrefflich und macht einen Kommentar von Seiten Maupassants völlig unnötig.
Inhaltsverzeichnis
- Die Definition des Naturalismus aus literaturwissenschaftlicher Perspektive
- Der Naturalismus aus Sicht von Guy de Maupassant und seine Romankritik
- Interpretation des contes „Aux champs“ unter naturalistischen Gesichtspunkten
- Zusammenfassung der naturalistischen Prinzipien und abschließende Reflektionen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Guy de Maupassants Naturalismus anhand seiner Novelle „Aux champs“. Das Hauptziel ist es, Maupassants Verständnis des Naturalismus im Vergleich zu den etablierten literaturwissenschaftlichen Definitionen zu analysieren und seine spezifischen literarischen Techniken aufzuzeigen. Die Arbeit beleuchtet insbesondere Maupassants Umgang mit dem Milieu, die Charakterisierung seiner Figuren und die Rolle des Autors im naturalistischen Werk.
- Maupassants Definition des Naturalismus und seine Abkehr von der bloßen Abbildung der Wirklichkeit
- Der Einfluss der Flaubertschen Ästhetik auf Maupassants Werk
- Die Darstellung des ländlichen Milieus und die Charakterisierung der Figuren in „Aux champs“
- Die Rolle der sozialen Milieus in der Gestaltung der Charaktere
- Maupassants Romankritik und seine Verteidigung des Naturalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Definition des Naturalismus aus literaturwissenschaftlicher Perspektive: Dieses Kapitel definiert den Naturalismus aus literaturwissenschaftlicher Sicht und stellt Maupassants Ansatz in Relation dazu. Es wird hervorgehoben, dass Maupassant sich von der strikten Abbildung der Wirklichkeit emanzipiert und das aristotelische Prinzip der „Wahrscheinlichkeit“ (vraisemblance) in den Vordergrund stellt. Der Fokus liegt auf der Identifikation des Lesers mit den handelnden Personen und der daraus resultierenden Katharsis. Maupassants Technik, sich hinter seinen Figuren zu verbergen und auf explizite moralische Urteile zu verzichten, wird als zentrales Element seines Naturalismus präsentiert. Das Kapitel legt den Grundstein für die Analyse von "Aux champs" indem es den theoretischen Rahmen absteckt.
Der Naturalismus aus Sicht von Guy de Maupassant und seine Romankritik: Dieses Kapitel beleuchtet Maupassants eigene Sichtweise auf den Naturalismus und seine Auseinandersetzung mit der Definition des Romans. Maupassant kritisiert die gängigen Definitionen des Romans und verteidigt seine eigene Vorgehensweise, die sich durch die Darstellung wahrscheinlicher Handlungen und die implizite Vermittlung seiner Weltsicht auszeichnet. Er betont die Notwendigkeit, komplexe und moralisch ambivalente Themen zu behandeln, ohne in romantische Verklärung zu verfallen. Seine Romankritik unterstreicht seine Ablehnung von vorschnellen Urteilen und die Notwendigkeit, jedem Autor seine kompositorischen Freiheiten zuzugestehen. Der Abschnitt bereitet die Interpretation von "Aux champs" vor, indem er die theoretischen Grundlagen von Maupassants Ansatz detailliert darstellt.
Interpretation des contes „Aux champs“ unter naturalistischen Gesichtspunkten: Dieses Kapitel analysiert Maupassants Novelle „Aux champs“ unter naturalistischen Gesichtspunkten. Es werden die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Protagonisten im ländlichen Milieu, sowie ihre eingeschränkten Möglichkeiten herausgestellt. Die Austauschbarkeit der Figuren und das Fehlen individueller Charakteristika werden als zentrale Aspekte der naturalistischen Darstellung interpretiert. Maupassants animalisierende Beschreibung der Hausfrau, die ihre Kinder wie Masttiere behandelt, verdeutlicht die Härte des Lebens und die fehlende Individualität in diesem Umfeld. Die Beschreibung des alltäglichen Lebens und der Arbeit der Bauernfamilien wird als zentraler Bestandteil der naturalistischen Darstellung der Wirklichkeit angesehen.
Schlüsselwörter
Naturalismus, Guy de Maupassant, „Aux champs“, Realismus, vraisemblance, Katharsis, Flaubertsche Ästhetik, ländliches Milieu, Figurencharakterisierung, Romankritik.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse von Guy de Maupassants Naturalismus in „Aux champs“
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert den Naturalismus von Guy de Maupassant, insbesondere anhand seiner Novelle „Aux champs“. Sie vergleicht Maupassants Verständnis des Naturalismus mit etablierten literaturwissenschaftlichen Definitionen und untersucht seine spezifischen literarischen Techniken im Umgang mit Milieu, Figurencharakterisierung und der Rolle des Autors.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet Maupassants Definition des Naturalismus und seine Abkehr von der bloßen Abbildung der Wirklichkeit. Sie untersucht den Einfluss der Flaubertschen Ästhetik, die Darstellung des ländlichen Milieus und die Charakterisierung der Figuren in „Aux champs“, die Rolle sozialer Milieus in der Figurengestaltung und Maupassants Romankritik sowie seine Verteidigung des Naturalismus.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel, die den Naturalismus aus literaturwissenschaftlicher Perspektive definieren, Maupassants Sichtweise und Romankritik darstellen und schließlich eine Interpretation von „Aux champs“ unter naturalistischen Gesichtspunkten bieten. Ein Inhaltsverzeichnis und eine Zusammenfassung der Kapitel erleichtern die Orientierung.
Wie definiert die Arbeit den Naturalismus?
Die Arbeit definiert den Naturalismus aus literaturwissenschaftlicher Sicht und stellt Maupassants Ansatz in Relation dazu. Sie hebt hervor, dass Maupassant sich von der strikten Abbildung der Wirklichkeit emanzipiert und das Prinzip der „Wahrscheinlichkeit“ (vraisemblance) betont. Der Fokus liegt auf der Identifikation des Lesers mit den Figuren und der daraus resultierenden Katharsis. Maupassants Technik, sich hinter seinen Figuren zu verbergen und auf explizite moralische Urteile zu verzichten, wird als zentrales Element seines Naturalismus betrachtet.
Welche Rolle spielt Maupassants Romankritik?
Maupassants Romankritik zeigt seine Auseinandersetzung mit gängigen Romandefinitionen und seine Verteidigung seiner eigenen Vorgehensweise. Er betont die Darstellung wahrscheinlicher Handlungen, die implizite Vermittlung seiner Weltsicht, die Behandlung komplexer und moralisch ambivalenter Themen ohne romantische Verklärung und die Notwendigkeit, jedem Autor kompositorische Freiheiten zuzugestehen.
Wie wird „Aux champs“ interpretiert?
Die Interpretation von „Aux champs“ analysiert die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Protagonisten, ihre eingeschränkten Möglichkeiten, die Austauschbarkeit der Figuren und das Fehlen individueller Charakteristika. Maupassants animalisierende Beschreibungen werden als Ausdruck der Härte des Lebens und des Mangels an Individualität interpretiert. Die Beschreibung des alltäglichen Lebens und der Arbeit der Bauernfamilien wird als zentraler Bestandteil der naturalistischen Darstellung der Wirklichkeit angesehen.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Schlüsselwörter sind: Naturalismus, Guy de Maupassant, „Aux champs“, Realismus, vraisemblance, Katharsis, Flaubertsche Ästhetik, ländliches Milieu, Figurencharakterisierung, Romankritik.
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- Christoph Ervens (Author), 2012, Maupassants Naturalismus am Beispiel von "Aux champs", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436759