Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2.1 Definition der Work-Life-Balance
2.2 Vorzüge einer offenen Arbeitswelt
2.3 Die Kehrseite einer offenen Arbeitswelt
2.4 Ist Work-Life-Balance sinnvoll?
3. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Zeit ist das neue Geld“ (Becker, 2018, S. 5)
Beruf und Leben zu vereinen stellt vielmals eine große Herausforderung dar. Besonders oft sind junge Familien betroffen, welche in den ersten Jahren meist kein hohes Einkommen haben. Um das Wohlergehen einer Familie zu steigern, muss die Möglichkeit bestehen, Beruf und Freizeit zu vereinen. Hier können Regierungen aushelfen. Mit Unterstützung von flexiblen Arbeitsmodellen, die zur Vereinbarung von Familie und Beruf dienen sollen (OECD, 2018). Schon das DDR-Regime erkannte die Vorteile die ein familienfreundliches Angebot ergaben. Ob Mann oder Frau, jeder hatte die Möglichkeit tatkräftig seinen Beruf auszuüben, während die Kinder in staatlichen Tageseinrichtungen ihre Zeit verbrachten. Selbstverständlich diente dies auch der propagandistischen Erziehung, hatte aber auch den Vorteil einer gewissen Work-Life-Balance.
Doch nicht nur Regierungen können aushelfen, sondern der Arbeitgeber selbst kann einen großen Beitrag zum Allgemeinwohl seiner Mitarbeiter beitragen. Viele Unternehmen haben längst erkannt, dass die Bedürfnisse der Arbeitnehmer ein wesentlicher Faktor der Loyalität und auch der Produktivität darstellt. Ein grenzenloser Enthusiasmus zielstrebig dem Beruf zu dienen oder einer Überforderung der Leistungsfähigkeit können schnell psychische und körperliche Erschöpfung, Burnout, Herzerkrankungen und Vereinsamung hervorrufen (Kaiser und Ringlstetter, 2010, S. 5). Meist fallen die betroffenen Arbeitskräfte für längere Zeit aus.
Oftmals schmunzeln Workaholics, wenn die Sprache von familienverträglichen Leistungen im Betrieb ist (Kaiser und Ringlstetter, 2010, v). Das Unternehmen ist die Familie des Workaholics. Dem zum Trotz sehen viele, vor allem die Millennials, eine Work-Life-Balance als selbstverständlich an (Papmeyer, 2017, S. 8). Ist die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit nicht ein Ziel, welches jeder, der sein Leben nicht nur durch seine Arbeit definieren möchte, anstreben sollte?
Diese Ausarbeitung erarbeitet die Vorzuge und Schwächen der Work-Life-Balance. Ist sie Notwendig, welche Nachteile bringen sie mit sich?
2.1 Definition der Work-Life-Balance
„Work-Life-Balance bedeutet Ausgewogenheit zwischen Berufs- und Privatleben unter bewusstem Einbeziehen von Gesundheit und Lebensvision“ (Schnetzer, 2014, S. 5).
Der Großteil aller Menschen unterteilt ihr Leben in Beruf und Freizeit. Zwei Bereiche, die in der Vergangenheit zeitlich und auch räumlich voneinander strikt getrennt wurden (Collatz und Gudat, 2011, S. 1). Von 8:00 bis 17:00 Uhr wurde die Zeit im Büro abgesessen und nach Feierabend mit der Familie der Abend verbracht. So war es perfekt. Doch sind viele Berufe in der globalisierten Zeit anspruchsvoller geworden und mit hohem Stress verbunden. Dieser enorme Stress kann ernstzunehmende psychische (z. B. Burnout) und/oder physische (z. B. Herzinfarkt) Erkrankungen zur Folge haben. Intensivere Leistungsansprüche und strenge Termineinhaltungen führen dazu, dass Mitarbeiter längere Arbeitstage verrichten und in Folge durch eine psychische oder auch physische Erkrankung nicht arbeiten können. Mitarbeiter die diesem Druck nicht aushalten kündigen das Arbeitsverhältnis schlussendlich.
Work-Life-Balance beschreibt die Aufweichung dieser Grenzen zwischen Beruf und Freizeit, welche eine familienfreundliche und personenorientierte Arbeitsumgebung erschaffen soll (Papmeyer, 2017, S. 5). Dabei wird mehr erfasst als nur die Vereinbarkeit zwischen Familie und Erwerbstätigkeit. Die persönliche Entwicklung sowie Verwirklichung, soziale Interaktion und die Gesundheit jedes einzelnen stellen einen sehr wichtigen Aspekt im Konzept der Work-Life-Balance dar. Zudem soll sie neue, junge Arbeitnehmer davor bewahren sich selbst, zeitlich und auch physisch auszubeuten (Kaiser und Ringlstetter, 2010, S. 5).
Die Work-Life-Balance besteht aus zwei Aspekten: Individualisierung und Ökonomie.
Die Individualisierung betrachtet die Individualität der einzelnen Personen, deren unterschiedliche und individuelle Strategien gefördert werden. Hierdurch entsteht ein Pool von vielen unterschiedlichen Charakteren, welche durch diesen Aspekt eine große Menge an verschiedensten Knowhow zusammenstellen.
Der Ökonomie Aspekt spielgelt die Work-Life-Balance aus Sicht der Unternehmen wieder. Bei einer Implementierung eines Work-Life-Balance Konzeptes, geht das Unternehmen zweckorientiert davon aus, durch dieses auf längere Zeit einen ökonomisch nachhaltigen Mehrwert zu erzielen (Kaiser und Ringlstetter, 2010, S. 17).
Oft ändert sich nicht nur die angebotenen Leistungen eines Unternehmens, sondern auch das Unternehmen innerhalb dessen Strukturen selbst. Der Vorgesetzte erscheint nicht mehr als gefürchtete Führungskraft, sondern stellt sich als normaler Arbeitskollege dar, der seinen Mitarbeitern Kaffee kocht und immer ein offenes Ohr für kreative Anmerkungen hat. Das Unternehmen erscheint nicht mehr als wahrzunehmender Arbeitsplatz sondern als Großfamilie in der jeder Mitarbeiter durch seine Tätigkeit sich selbst erfüllt (Evernote Corporation, 2018).
Das konservative Rollenbild, dass der Mann sein Augenmerk auf das Arbeitsleben und die Frau ihres auf das Familienleben richtet hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Frauen investieren heute mehr Zeit in ihre Qualifikationen und Berufsausbildungen, um aktiv am Arbeitsmarkt Teilzunehmen und dies zumeist auch mit großem Erfolg. Im Westen tragen 30,4 Prozent der Frauen ein vergleichbaren oder höheren Anteil zum Haushaltseinkommen bei (Collatz und Gudat, 2011, S. 1).
Auch in der Hinsicht, für karriereorientierten Frauen einen Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten, steigt aktuell das Interesse Work-Life-Balance Leistungen anzubieten. Ein zunehmender Rivalitätskampf am Arbeitsmarkt und veränderte Wertvorstellungen lassen darauf schließen, dass Unternehmen verschiedenste Leistungen anbieten müssen, um junges, qualitatives Personal zu rekrutieren und verstärkt an das Unternehmen zu binden. Hierbei wird immer häufiger junges Personal ausgewählt, Führungspositionen einzunehmen (Kaiser und Ringlstetter, 2010, S. 16).
In den Vereinigten Staaten ist das Konzept der Work-Life-Balance ein verbreitetes personalwirtschaftliches Instrument. Dieses wird im Unternehmen als mitarbeiterunterstützende Dienstleistung (Employee Assistance Programs) tituliert. Ziel ist es persönliche Krisen und Problemsituationen gemeinsam zu bewältigen, um „gesundheitsgefährdenden Dysbalancen aus Sicht der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters abzubauen (oder zumindest zu reduzieren) und zugleich dem Unternehmen die konzentrierte Arbeitskraft der Person alsbald wieder zur Verfügung zu stellen“ (Papmeyer, 2017, S. 6).
Bei der Work-Life-Balance ist es nicht das Ziel, die gleichen Stunden Arbeit mit genau den gleichen Stunden Freizeit aufzuwiegen oder auszugleichen. Das Ziel ist es ausgeglichen zu leben, wobei der Beruf als Zweck der persönlichen Weiterentwicklung und Verwirklichung seiner selbst dienen sollte. Dieses Ziel wird vor allem durch eine offene und familienfreundliche Arbeitsumgebung geschaffen (Bechtel et al., 2018, S. 226).
2.2 Vorzüge einer offenen Arbeitswelt
Viele Unternehmen locken neue Mitarbeiter mit den idealen Aussichten, Beruf und Privatleben in Harmonie zusammenzuführen. Vorreiter im Bereich Work-Life-Balance ist das Silicon Valley, Kalifornien USA. Neben der bekannten Stanford University entstand im Laufe der Jahre die weltweit führende Metropole in den Bereichen Informationstechnik und High-Tech-Software.
Vergeblich wird in dieser mächtigen Metropole nach Hochhäusern oder anderen klassischen Büroräumen gesucht, wie es in anderen umsatzähnlichen Branchen üblich ist. Die Mitarbeiter sind verstreut auf dem Gelände aufzufinden. Oft verbringen sie ihre Arbeitszeit an speziell errichteten Kreativplätzen, welche durch ihre abstrakten, ungewohnten Arbeitsverhältnisse neue Denkansätze anstoßen sollen. Es fällt schwer diese riesen Unternehmen, die wie Spielplätze für Erwachsene aussehen, Seriosität zuzusprechen (Piscione, 2013, S. 5). Dennoch, oder gerade deshalb sind viele Unternehmen aus Silicon Valley in verschiedensten Sparten unantastbare Marktführer.
Das Silicon Valley ist ein Ort an dem keine sichtbaren Hierarchien herrschen, jeder zu jeglicher Information freien Zugang hat und genau Bescheid weiß, wie weit fortgeschritten die verschiedenen Abteilungen sind (Keese, 2014, S. 40). Dieser offene Umgang mit Informationen und die geringe Bürokratie faszinieren die Mitarbeiter und motiviert sie bereitwilliger engagiert und motiviert zur Tat zur schreiten (Keese, 2014, S. 49). Xavier Damman der Gründer von Storify beschreibt es als ,,(…) Florenz während der Renaissance. Talent und Kapital sitzen dicht nebeneinander in einer Metropole, und ihre Wege kreuzen sich ständig.“ (Keese, 2014, S. 39). Wie in Florenz der Renaissance, strömen neue, innovative Produkte aus der Hauptstadt der Technik in die ganze Welt hinein.
Große Vertreter im Silicon Valley sind Facebook, Google und Evernote. Diese drei Unternehmen folgen dem Leitbild der mitarbeiterunterstützenden Leistungen. Der Social-Media Gigant Facebook wirbt um neue Mitarbeiter, auf ihrer Karriereseite mit einer großen Aufzählung, all jener mitarbeiterunterstützenden Leistungen, die auf den jeweiligen Kontinenten angeboten werden. Dieses Angebot umfasst medizinische Versorg für die ganze Familie, eine kostenlose Zweitmeinung eines Arztes, verschiedene Wellness und Sport Aktivitäten, kostenlose Verpflegung sowie viele weitere Leistungen die bei einem klassischer Arbeitgeber nicht zu finden sind (Facebook Inc, 2018). Bei dem Softwareentwickler Evernote ist es möglich, so viele Urlaubstage zu nehmen wie es für angemessen empfunden wird. Zudem wird der Urlaub durch ein „Urlaubs-Stipendium“ in Höhe von 1.000 $ von Evernote mitfinanziert. (Evernote Corporation, 2018).
Selbst bei der Familienplanung unterstützen diese Unternehmen seine Mitarbeiter in fast jeder Situation. So werden Kosten für Kinderwagen und andere Materialien, die für die ersten Jahre einer neuen Familie wichtig sind vom Arbeitgeber mitfinanziert oder vollkommen bezahlt. Facebook bietet Hilfen bei Adoptionen und Leihmutterschaft an, um seine Mitarbeiter in jeglicher Hinsicht zu unterstützen (Facebook Inc, 2018).
Nicht nur im fernen Amerika sind Unternehmen anzutreffen, die Arbeit und Leben einander annähern möchten. Auch im Kreis Soest sind einige Unternehmen zu finden die auf das Konzept Work-Life-Balance setzen. Der Automobilzulieferer HELLA verweist auf deren Karriereseite darauf, die besten Voraussetzungen zu bieten, um engagierte Mitarbeiter jeden Tag neu zu motivieren, nach innovativen Produktlösungen zu suchen (HELLA GmbH & Co. KGaA, 2018). Hierzu werden diverse Leistungen angeboten; das Hauptaugenmerk liegt hierbei stark auf Gesundheit und Familie. Neben Sport und ganztags Kinderbetreuung, wird an verschiedenen Standorten ein Ferienangebot für Kinder zur Verfügung gestellt. Auch ein Wäscheservice wird angeboten, bei welchem nach wenigen Tagen die zuvor dreckige Wäsche nun gereinigt und gebügelt abholbereit steht (HELLA GmbH & Co. KGaA, 2018).
Prägnant mit Work-Life-Balance lockt ebenfalls der Halbleiterhersteller Infineon auf deren Karriereseite. In gleicher Weise wird auf ein familienfreundliches Arbeitsumfeld hingewiesen, bei dem ,,private Pflichten und Wünsche gut mit dem Job verinbar[t] [werden] können“ (Infineon Technologies AG, 2018). Zur Verstärkung dieser Aussage wird ein Bild einer Frau gezeigt, das den Untertitel trägt: „Da mein Vater an einer degenerativen Gehirnerkrankung leidet und meine Mutter Dialysepatientin ist, kam ich zu dem Punkt, wo Stressabbau oberste Priorität hatte. Ein verständnisvoller Vorgesetzter und die Möglichkeit, zuhause zu arbeiten, haben mir sehr geholfen.“ (Infineon Technologies AG, 2018). Durch diesen Aspekt zeigt Infineon die Nähe zu jedem einzelnen Mitarbeiter. Ein Sabbatical ist bei Infineon möglich, um seine privaten Ziele zu erreichen oder, wie zuvor schon beschrieben, Angehörigen helfen und pflegen zu können. Mit flexiblen Arbeitszeiten oder Home-Office wird es den Mitarbeitern leichter gestaltet, Leben und Privates zu vereinen. Genau wie bei HELLA wird eine nahe Kinderbetreuung angeboten sowie Gleitarbeitszeiten, um morgens beispielsweise die Kinder zur Schule fahren zu können (Infineon Technologies AG, 2018).
Eins der teuersten und mächtigsten Unternehmen weltweit, möchte potentielle Mitarbeiter mit dem Titel „Your family matters to you, so they’re important to us, too“ (Google LLC, 2018) überzeugen. Mit dieser Aussage bekräftigt der Softwaregigant Google ihr Programm zur Work-Life-Balance. Mit diesem neuen innovativen Lebensstil, Sportangeboten, finanzieller Unterstützung oder anderer Leistungen, möchten Google, wie auch alle anderen Firmen, „(…) die offenbar immer rarer werdenden ‚Talente‘ (…) gewinnen und an das Unternehmen (…) binden“ (Papmeyer, 2017, V).
2.3 Die Kehrseite einer offenen Arbeitswelt
Unter den großen Konzernen zählt Google zu den Pionieren der Work-Life-Balance Leistungen. Inspiriert durch die ,,The Framingham Heart Study“, einer amerikanischen Langzeitstudie zum Thema Herzerkrankungen, Gewicht, Genetik und Lebensglück, führte Google unter der Leitung von Brian Well und Jennifer Kurkoski eine eigene Langzeitstudie namens „gDNA“ durch.
Die Studie untersuchte die Zufriedenheit zwischen Arbeitsplatz und privatem Leben. Nach zwei Jahren wurden die ersten Ergebnisse der gDNA analysiert. Der zuvor sich selbst preisende Work-Life-Balance Pionier musste erstaunt feststellen, dass nur 31 Prozent der Mitarbeiter sich abends von der Arbeit lösen konnten. Diese wurden als „Segmentors“ bezeichnet, da sie eine klare psychologische Abgrenzung zwischen Arbeit und privaten Leben schaffen. Sobald sie zuhause angekommen sind, lassen sie sich bei annähernden Abgaben nicht beunruhigen und ignorieren jegliche E-Mails, die mit der Arbeit verbunden sind.
Genau entgegengesetzt fällt es bei dem größten Teil der Google Mitarbeiter aus. Diese wurden als „Integrators“ bezeichnet. Auch nach Feierabend zeichnet sich eine ständige Präsenz der Arbeit ab. Den ganzen Abend schauen sie nach, ob eine neue wichtige E-Mail mit aktuellen Aufgaben im Postfach wartet. ,,It is often difficult to tell where my work life ends and my non-work life begins” (Bock, 2014) ist eine Aussage der gDNA, die zumeist auf Integrators zutrifft.
,,Ob Erreichbarkeit als belastend empfunden wird, hängt davon ab, ob sie für die Beschäftigten planbar ist. (…) Je zufriedener jemand im Job ist, desto höher ist die Bereitschaft, immer erreichbar zu sein“ (Becker, 2018, S. 6). Doch oft hört der Zwang ständig erreichbar zu sein auch im Urlaub nicht auf. ,,(…) [L]aut einer aktuellen Umfrage von Bitkom planen (…) mehr als zwei Drittel der erwerbstätigen Sommerurlauber auch in den Ferien beruflich erreichbar zu sein.“ (Richter, 2017). Meist sind es Arbeitskollegen die anrufen, um nach einigen Information zu gewissen Abläufen zu fragen.
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