Das Inzestverbot hat als universelles Phänomen menschlicher Gesellschaften die Kulturanthropologie, Ethnologie und Soziologie seit dem 19. Jahrhundert bis heute beschäftigt. Es existiert eine ungeheure Bandbreite an Ansätzen bis hin zu komplexen Theorien, die dieses vielschichtige und vielgestaltige Phänomen erklären sollen. Einige Denker haben versucht, aus dem Inzestverbot ganze Gesellschaftsmodelle oder sogar die menschliche Kultur als solche abzuleiten. Gerade bei Sigmund Freud, der in seinem umstrittenen Werk "Totem und Tabu" eine weitreichende Erklärung des berühmten Tabus versucht hat, ist das Thema eng verknüpft mit Fragen der Gewalt und Herrschaftsordnung in einer Gesellschaft. Genau diesen Zusammenhang habe ich bei vielen anderen Autoren ebenso gefunden, und ihm möchte ich in dieser Arbeit nachgehen.
Ich habe drei klassische Texte ausgewählt, die das Inzestverbot aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, sich aber auch überschneiden und sich teilweise aufeinander beziehen: "Totem und Tabu", Claude Lévi-Strauss’ "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaf"t und "Das Heilige und die Gewalt" von René Girard. Den drei Autoren ist gemein, dass sie im weitesten Sinne soziologische Thesen vertreten, biologische Ansätze zurückweisen. Die vorliegende Arbeit nimmt demgegenüber eine Zwischenposition ein und geht davon aus, dass sich im Inzestverbot ein kulturell produziertes Tabu wie auch ein genetisch präformierter Instinkt überlagern. Nach dem ich die in den drei Texten vertretenen Thesen kurz zusammenfassend beschrieben habe, untersuche ich ihre Implikationen auf mögliche Erklärungen von gesellschaftlichen Machtstrukturen und mache mich daran, herausarbeiten, inwiefern man sie lesen kann als Schritte oder Versuche zu einer umfassenden Kulturtheorie der Herrschaft.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sigmund Freud: „Totem und Tabu“
- Claude Lévi-Strauss: “Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft”
- René Girard: „Das Heilige und die Gewalt“
- Patriarchat und Über-Ich
- Gewalt und Gewaltkontrolle des Inzestverbotes
- Familie
- Allianz und kulturelle Prozessualität
- Kulturelle, göttliche und natürliche Ordnung
- Das Tabu und die souveräne Macht
- Biopolitik
- Weniger Gewalt, weniger Herrschaft?
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, das Inzestverbot aus der Perspektive der Kulturanthropologie zu beleuchten und mögliche Verknüpfungen mit einer Kulturtheorie der Herrschaft aufzuzeigen. Sie analysiert drei klassische Texte – "Totem und Tabu", "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft" und "Das Heilige und die Gewalt" – die sich mit dem Inzestverbot aus unterschiedlichen Perspektiven befassen.
- Das Inzestverbot als universelles Phänomen menschlicher Gesellschaften
- Die Rolle von Gewalt und Herrschaft in der Entstehung und Aufrechterhaltung des Inzestverbots
- Die Beziehung zwischen biologischen Instinkten und kulturellen Konstruktionen im Zusammenhang mit dem Inzestverbot
- Die Möglichkeit einer Kulturtheorie der Herrschaft, abgeleitet aus der Analyse des Inzestverbots
- Die Relevanz von soziologischen Thesen im Vergleich zu biologischen Ansätzen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert den Hintergrund des Inzestverbots als universelles Phänomen und skizziert den Ansatz der Arbeit. Sie stellt die drei ausgewählten Texte von Freud, Lévi-Strauss und Girard vor und hebt deren soziologische Perspektiven sowie die gemeinsame Ablehnung biologischer Ansätze hervor.
Das Kapitel "Sigmund Freud: „Totem und Tabu“" analysiert Freuds Theorie des Inzestverbots, die auf der Annahme einer uranfänglichen Vaterhorde basiert. Freud argumentiert, dass die Tötung des Urvaters durch seine Söhne zum ersten Inzesttabu führte, das die Stabilität der Gemeinschaft sicherstellte.
Schlüsselwörter
Inzestverbot, Kulturanthropologie, Herrschaft, Gewalt, Kulturtheorie, Totem und Tabu, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Das Heilige und die Gewalt, Sigmund Freud, Claude Lévi-Strauss, René Girard, Biopolitik, Soziologische Thesen, Biologische Ansätze, Familie, Allianz, Prozessualität, Kulturelle Ordnung, Göttliche Ordnung, Natürliche Ordnung, Souveränität, Gesetze.
- Arbeit zitieren
- Simon Brückner (Autor:in), 2005, Drei kulturanthropologische Erklärungen des Inzesttabus und Verknüpfungen mit einer möglichen Kulturtheorie der Herrschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43706