Brauchen Kinder Religion?


Bachelorarbeit, 2018

38 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Religionsbegriff

3. Geschichtlicher Hintergrund religiöser Erziehung
3.1 Altes Testament
3.2 Neues Testament

4. Rechtliche Rahmen für religiöse Erziehung

5. Religiosität bei Kindern

6. Kindertheologie

7. Theorien zur kindlichen Religiosität
7.1 Anthropologische Definition
7.2 Soziologische Definition
7.3 Psychologische Definition
7.4 Neurowissenschaftliche Erklärung der religiösen Erfahrung

8. Persönlichkeitsentwicklung nach Erikson und religiöses Verständnis von Kindern im Vorschulalter

9. Negative Gottesbilder und Gottesvorstellungen

10. Religion im Lebensumfeld der Kinder

11. Religiöse Erziehung und ihre Probleme

12. Wie die Kinder von religiöser Erziehung profitieren können

13. Das Ziel religiöser Erziehung

14. Brauchen Kinder Religion?

15. Schlussbetrachtung

16. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Von Kindheit an sind junge Menschen auf ihre Eltern oder Bezugspersonen angewiesen, da sie ausreichende Zuwendung, Wärme, Schutz und eine notwendige Grundversorgung benötigen. In unserer säkularisierten Gesellschaft werden sie oft mit vielen Ideologien konfrontiert und nehmen tendenziell unreflektiert vieles an, was ihnen von Erwachsenen beigebracht wird. Viele Eltern fühlen sich unsicher, was religiöse Erziehung ihrer Kinder angeht. Obwohl einige Eltern sich eine weltanschaulich neutrale Erziehung wünschen, da sie in der Religion oder religiöser Erziehung ihrer Kinder eine unzulässige Bevormundung sehen, sind andere Erziehungsberechtigte mit ihrem religiösen Hintergrund davon überzeugt, dass ihre Kinder auch ein Recht auf religiöse Erziehung haben sollten. Diese Überlegung leitet die vorliegende Arbeit zum Thema „Brauchen Kinder Religion?“.

Dabei liegt der Fokus dieser Arbeit darauf, anhand einschlägiger Literaturrecherche den LeserInnen einen Einblick in die religiöse Kindererziehung aus der Sicht einiger Religionspädagogen aus dem deutschsprachigen Raum zu verschaffen. Zuerst werde ich den Religionsbegriff erklären. Danach wird ein kurzer Blick auf den historischen Hintergrund religiöser Erziehung geworfen. Im folgenden Kapitel werde ich den rechtlichen Rahmen für religiöse Erziehung darstellen, welcher bei diesem Thema ebenso ins Gewicht fällt.

Anschließend werde ich die Persönlichkeitsentwicklung nach Erikson sowie religiöses Verständnis von Kindern im Vorschulalter aufzeigen.

Im Weiteren möchte ich negative Gottesbilder religiöser Erziehung schildern. Außerdem ist kurz auf die Hilfestellungen einzugehen, die Kinder bei ihren Lebens- und Glaubensfragen benötigen.

Zuletzt möchte ich schildern mit welchen Problemen diese in der heutigen Gesellschaft zu kämpfen hat.

Ich möchte aber auch zeigen wie Kinder von religiöser Erziehung profitieren können, dazu werde ich die sieben Perspektiven nach Friedrich Schweitzer behandeln.

Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung, in der unter anderem eine kurze Zusammenfassung gegeben werden.

2. Religionsbegriff

In diesem Kapitel möchte ich die Begriffe „Religion“ „Religiosität“ und „religiöse Erziehung“ definieren.

Es ist bekannt, dass es für den Begriff „Religion“ keine allgemein gültige Definition gibt. Jeder Mensch versteht für sich darunter etwas anderes – zum Beispiel das Führen eines spirituellen Lebens, das Einhalten religiöser Rituale/Regeln oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft. Vom lateinischen religari (zurückbinden) kann es Rückbindung an Transzendenz bedeuten (transcendere: überschreiten), also an das, was die Erfahrungswelt übersteigt. Als Phänomen ist die Religion der sichtbare Ausdruck religiöser Handlungen des Menschen und steht demnach für die objektiven Gegebenheiten. Dazu gehören Orte und Kirchen, an denen man sich zum Gebet oder zum Gottesdienst versammelt, religiös gestaltete Zeiten (Feste und Gebetszeiten), Rituale, heilige Bücher, Religionsvertreter und vieles mehr (vgl. Boschki 2008, S. 12f).

„Religiosität ist demgegenüber die subjektive, die individuelle Seite von Religion, das was der und die Einzelne als seine und ihre Religion lebt, wie er oder sie religiös denkt, sich verhält, fühlt, handelt.“ (Angel 2006 in: Boschki 2008, S. 13)

Für die Kinder bedeutet dies, dass sie eigene Erfahrungen in ihrem Glaubensleben machen und sich damit intensiv und reflektiert auseinandersetzen können. Deshalb sollten Eltern und Religionspädagogen die jeweilige Religiosität des Kindes beachten und dem Kind helfen, diese selbstständig weiter zu entwickeln (vgl. Peterseil/Stadlbauer/Habringer-Hagleitner 2006, S. 9).

Laut Biesinger ist Religiosität das Ergebnis von Fremdeinflüssen und Selbsterfahrung. Sie kann zum einen unreflektiert übernommen werden, indem der Glaube des Kindes zur Familientradition wird, und zum anderen reflektiert gelebt werden, indem das Kind eine persönliche Beziehung zu Gott entwickelt (vgl. Biesinger 2005, S. 51).

„Religiöse Erziehung“ und „Religiöses Lehren“ fokussieren dagegen auf den

äußeren Vorgang, auf die Erziehenden und Lehrenden, auf deren Handeln und Intentionen. „Erziehen“ wird vor allem für die Lernorte Familie und Kindergarten verwendet, „Lehren“ für den Unterricht in Schule und Kirchengemeinde. Religiöse Erziehung nimmt die Fragen der Kinder nach Gott, nach dem Sinn im Leben, Leid und Tod ernst, greift sie auf und versucht gemeinsam mit den Kindern Antworten zu finden (vgl. Boschki 2008, S. 13f) (vgl. Peterseil/Stadlbauer/Habringer-Hagleitner 2006, S. 10).

Schon um 1920 stellte J. Leuba 48 Definitionen zusammen und in der heutigen pluralistischen Zeit gibt es sicherlich weit mehr (vgl. Fraas 1973, S. 60).

Im Zusammenhang mit dem Religionsbegriff möchte ich kurz auf Immanuel Kant (1724-1804), M.J. Langeveld und Rudolf Otto (1865-1937) eingehen. Kant siedelt Religion im Sittlichen an. Er sieht die Religion als „Erkenntnis alles unserer Pflichten als göttliche Gebote“ (Fraas 1973, S. 61).

Langeveld bezeichnet Religion als das, was dem Menschen eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt, als eine Art Orientierung in der Welt. Wenn die Antwort jedoch auf einer rationalen Evidenz aufbaut, spricht er von Philosophie statt von Religion. Man könne dort von Religion sprechen, wo das Evidenzerlebnis, d.h. das Erlebnis der überzeugenden Sicherheit nicht rational, sondern gefühlsmäßig sei und wo beispielsweise religiöse Offenbarungen, die nicht rational ableitbar sind, bewusst als integrierende Bestandteile des Ganzen bejaht werden würden (vgl. Langeveld 1959, S. 74).

Der Theologe R. Otto sagt, dass das Erlebnis des Numinosen, also des Unbegreiflichen, primär für alle Religionen sei (vgl. Langeveld 1959, S. 79). Die religiöse Erfahrung wird hier als wichtigster Wesenskern von Religion herausgestellt.

Wie unterscheidet sich nun Religion von Glaube? Man kann sagen, dass die Religion sich zum Glauben wie die Moral zur Ethik verhält. Das bedeutet, der Glaube ist nur dann mit der Religion identisch, wenn alle Inhalte der Religion als wahr anerkannt und erlebt werden (vgl. Langeveld 1959, S. 87).

Der Begriff Religiosität lässt sich als individuelle religiöse Erfahrung bezeichnen. Die religiöse Erfahrung lässt sich nicht nur wie bei R. Otto als Wesenskern der Religion, sondern auch als Voraussetzung von Glauben nennen. P. Tillich begreift die Religiosität als persönliches Ergriffensein von dem, was uns unbedingt angehe (vgl. Fraas 1973, S. 62).

3. Geschichtlicher Hintergrund religiöser Erziehung

3.1 Altes Testament

Im Deuteronomium erinnert der Prophet Mose sein Volk an ein wichtiges Gebot Gottes, in dem es sich um die Unterweisung der Kinder handelt:

„Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst... so sollst du deinem Sohn sagen: Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten, und der Herr führte uns mit starker Hand aus Ägypten... Und der Herr hat uns geboten, alle diese Satzungen zu halten, dass wir den Herrn, unseren Gott, fürchten und es uns gut geht alle Tage und er uns am Leben erhält, wie es heute der Fall ist. Und es wird uns zur Gerechtigkeit dienen, wenn wir darauf achten, alle diese Gebote vor dem Herrn, unserem Gott, zu tun, wie er es uns geboten hat“ (5.Mo 6,6-7.21.24-25).

Als höchste Priorität des jüdischen Volkes stand unbegrenzte Hingabe mit ganzem Herzen an Gott. Diese liebevolle Beziehung zu Gott musste im täglichen Leben durch den Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen ausgedrückt und gelebt werden. Die Kinder sollten sich ihren Eltern unterordnen und später gleichwohl den nachfolgenden Generationen erzählen, was sie selbst mit Gott erlebten und wie dieser Schöpfergott ihr ganzes Volk aus der ägyptischen Sklaverei befreite. Die (soziale) Identität der neuen Generation bildete sich vor allem durch Entdecken, Erlernen und Übernehmen der Identität der Vorfahren sowie durch die mündliche und persönliche Überlieferung der Thora (wörtlich Weisung). Hieraus entstand die jüdische Pädagogik, die das gesamte menschliche Leben durchdringen und Herzenstief verinnerlicht werden sollte. Das Judentum hat seine Tradition bis in die Gegenwart bewahrt, so dass auch heute kein jüdischer Gottesdienst und kein privates Gebet ohne dieses Sch'ma Jisrael, das „Höre Israel“ denkbar wäre (vgl. Boschki 2008, S. 18f).

3.2 Neues Testament

In den Schriften des Neuen Testaments ist zwar nur gelegentlich von Kindern die Rede. Sie begegnen uns vor allem in der Kindersegnung Jesu (Mk 10,13-16), in den Wundergeschichten (Mt 8,5-13; Mt 15,21-28; Mk 9,14-29; Mk 5,21-43), darüber hinaus noch in manchen Gleichnissen und Erzählungen von Jesus Christus (vgl. Franke/ Hanisch 2000, S. 19f).

In diesem Zusammenhang bringt Jesus seinen ZuhörerInnen jedoch bei, dass gerade den Kindern seine Hochschätzung, Anerkennung, sein Lob und das Reich Gottes gehört. Von dieser Gesellschaft sollen sie nicht ausgeschlossen sein, was damals eigentlich nicht selbstverständlich war, weil Kinder von vielen Erwachsenen als „minderwertig“ betrachtet wurden und beispielsweise die körperliche Züchtigung als das übliche Mittel der Erziehung galt. (vgl. Franke/ Hanisch 2000, S. 18)

Die Weitergabe der Botschaft Jesu, die Verkündigung des Gekreuzigten und Auferstandenen sowie die Sendung zur Verbreitung der frohen Botschaft (Evangelium), nach dem Willen Jesu gleichwohl auch an die Kinder, sind bis heute zentrale Anliegen des Neuen Testaments. Die Grundbotschaft des Neuen Testament, die Botschaft vom Kreuz und der Auferstehung Jesu, in der die Hoffnung auf ewiges Leben zu finden ist, war nicht nur damals ein Ärgernis für viele Menschen, sondern erscheint auch heute den meisten Zeitgenossen fremd und unattraktiv (vgl. Boschki 2008, S. 21).

4. Rechtliche Rahmen für religiöse Erziehung

In Deutschland gelten zu Fragen der Religion, Bekenntnis oder Weltanschauung des Kindes im Verhältnis der Eltern untereinander sowie im Eltern-Kind-Verhältnis die Regeln des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RKEG), welches bereits am 15.07.1921 in Kraft getreten ist und durch §31 des Betreuungsgesetzes vom 12.09.1990 geändert wurde (vgl. Raack W./ Doffing/Raack M. 2003, S. 164).

Es ist bekannt, dass der Staat in allen Glaubensfragen neutral bleibt, wenn das Wohl des Kindes nicht gefährdet ist, und den Eltern die Hauptverantwortung für die religiöse Erziehung ihres Kindes überlässt. In § 5 RKEG wird die Religionsmündigkeit des Kindes definiert und seine Religionsfreiheit betont:

„Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.“ (Raack W./ Doffing/Raack M. 2003, S. 221)

Letztendlich gehört die Religionsfreiheit des Kindes zu den wichtigsten Anliegen der Kinderrechte und wird in Art.14 der Kinderrechtskonvention einem jeden Kind gewährleistet. Inhaltlich besagt jener Artikel 14,1 „Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“ (Schweitzer 2013, S. 33).

Daraus lässt sich schließen, dass jedes Kind vom deutschen Staat ein Recht auf religiöse Erziehung haben darf und bei all seinen Glaubensfragen nicht behindert, sondern eher unterstützt werden soll.

In der Praxis kann es jedoch zu Schwierigkeiten kommen, den Kindern und ihren Eltern, welche die eigentlichen Rechte beziehungsweise Aufgaben im Hinblick auf religiöse Erziehung ihrer Kinder wahrnehmen und für sie unvermeidlich Entscheidungen treffen müssen, gerecht zu werden. Dazu kann beispielsweise die Auswahl der Muttersprache oder der Nationalität gehören, aber auch sehr komplizierte Fragen Befürwortung oder Ablehnung der Beschneidung der Jungen (bei jüdischen und muslimischen Kindern) (vgl. Schweitzer 2013, S. 33).

Bei manchen religiösen Gemeinschaften wird auf die Bluttransfusion sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern verzichtet, was diese in Lebensgefahr bringen kann. Hieraus ergibt sich, dass Traditionen und religiöse Überzeugungen nicht dazu führen dürfen, dass Kindern eine bestimmte medizinische Behandlung vorenthalten wird. Deshalb soll und muss religiöse Erziehung gerade auch im Namen des Kindeswohls praktiziert werden (vgl. Schweitzer 2013, S. 34).

5. Religiosität bei Kindern

„denn das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohns vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh, 1, 14, Bibel, Die, nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1985).

So wie Gott durch Jesus Christus Fleisch wurde und auf die Erde kam um das Wort zu lehren, versucht das Christentum durch das Erbe der Taten Jesu Halt, Trost, Hoffnung zu geben und die Wunder Jesu Christi ideologisierend in den Vordergrund zu stellen. Es ist eine Lehre des Respekts, der Anerkennung und der Liebe, sie gibt Milliarden Menschen in allen Teilen unserer Erde Halt. Junge und alte Menschen finden Geborgenheit darin. Doch gerade für Kinder ist das Christentum eine gehaltvolle Sache. Sie finden darin Festigkeit, die sie benötigen, um in dieser sich schnell verändernden Welt einen Anker zu haben, an dem sie ihren Sinn und Verstand sowie ihr Herz und ihre Seele festmachen können (vgl. Kammeyer, Katharina 2009, S. 57.).

Kindliche Religiosität folgt nicht selten ganz eigenen Mustern. Hauptsächlich geprägt durch den Religionsunterricht in den Schulen entwickeln Kinder sehr schnell ein Gespür dafür, dass "dieser Mann aus Galileä" etwas ganz Besonderes gewesen sein musste. Er war stets freundlich, hilfsbereit und hatte scheinbar immer eine Lösung für Probleme jedweder Art parat. Demnach verwundert es nicht, dass Jesus Christus bei Kindern beliebt ist. Aus heutiger Sicht würde man sagen "Der erste Superstar im Leben der Kinder". Er stellt die personifizierte Lösung des Unerklärlichen dar, weil seine Geschichten selbst so unerklärlich sind. Dies passt in die Welt der Kinder, denn auch darin sind so viele Dinge noch unerklärt und sie suchen für alles eine Lösung. So stehen die Kinder nicht selten vor Problemen die scheinbar von niemandem erhört werden, die für alle anderen so unverständlich sind, dass scheinbar nichts und niemand eine Ahnung hat von dem, was gerade im Kopf der Kinder vor sich geht. Oftmals fühlen sich Kinder gerade von Erwachsenen in ihrem direkten Umfeld Mutter, Vater, Großelternunverstanden, denn diese scheinen nie in einer vergleichbaren Lage gewesen zu sein. So die Logik der Kinder, basierend auf der Kommunikation zwischen ihnen und ihren Verwandten. (vgl. Kammeyer, Katharina 2009, S. 57.)

Kinder stecken in dieser Zeit des Heranwachsens in Mitten ihrer eigenen Sozialisation im Sinne von produktiver Verarbeitung von Realität nach Hurrelmann, der betont, dass die Aktivität des Individuums sich mit seinen Anlagen und der seiner Umwelt auseinandersetzt, um so seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Jesus dient dabei als Identifikationsfigur. Er ist Vorbild. Dieses Jesusbild, das Bild des Menschen, der offen und voller Nächstenliebe durch die Welt geht wird stark geprägt von der Wertevermittlung des Religionsunterrichts. Dabei entwickeln Kinder ihre ganz eigenen Theorien (vgl. Kammeyer, Katharina 2009, S. 57).

6. Kindertheologie

Kinder haben ihre ganz eigene Sichtweise auf Religion und Gottesverständnis. Dieses kindlich naive Gebilde ist teilweise komplett losgelöst von christlich biblisch überlieferten Traditionen und wird durch den ganz eigenen Sozialisationsrahmen (mit)gestaltet. Diese naive, kindliche Sichtweise der Religion bietet eine Menge Potential kindliche Religiosität in den Mittelpunkt ihrer Entwicklung zu stellen sowie Sozialisation und religiöse Denkweisen miteinander zu verknüpfen und in Relation zu setzen. Die Kindertheologie bietet demnach einen subjektorientierten Forschungsansatz zur Initiierung, Dokumentation und Interpretation von Glaubensreflexionen von Kindern als theologische Deutung ihrer Lebenswelt. (vgl. Kammeyer, Katharina, 2009, S. 26).

Laut dem norwegischen Theologen Jan-Olav Henriksen entsteht Religionsempfinden in erster Linie aus der Natur: „Die Spiritualität im menschlichen Leben ist, paradoxerweise, in der Natur verankert und aus ihr entstanden.“ (Sagberg, Sturla, 2010, S.29).

Theologie der Kinder bezieht sich auf zwei Ebenen. Zum Einen auf die lebensweltliche Praxis der Kinder, die durch die Beschreibungskategorie zur Sprache gebracht - und zum Anderen auf die Ebene der Deutungskategorie, welche den Pädagogen eine ausreichende Deutung der theoretischen Zusammenhänge ermöglichen soll (vgl. Kammeyer, Katharina 2009, S. 26).

Kinder sind ebenso wie Erwachsene „theologisch kompetente Subjekte“, die sich „ihre Kompetenz in der theologischen Deutung ihrer Lebenswelt immer weiter aneignen“ (Kammeyer, Katharina 2009, S. 27).

Damit wird verdeutlicht, dass Kinder sehr wohl in der Lage sind, Religiosität und christliches oder allgemein formuliert religiöses Leben zu deuten. Sie sind nicht „bloße Empfänger“. Gerade durch die kindliche Naivität, die Kinder in manchen Bereichen des Lebens begleitet und anhaftet, liegt deren Besonderheit. Sie sind diejenigen, welche „im Zusammenleben mit anderen Kindern und Erwachsenen und in einer Umgebung, zu der z.B. im evangelischen Kindergarten auch die christliche Hoffnung in Gestalt ihrer Kommunikation unter den Glaubenden gehört, selbsttätig mit religiösem Glauben umgehen und Erfahrungen machen, die ihre Auseinandersetzung mit Glaubensaussagen und Praxis prägen.“ (Kammeyer, Katharina 2009, S. 27).

Anders formuliert hat der Religionsunterricht, der Gang in die Kirche oder die religiöse Erziehung im Elternhaus seinen Anteil an der Theologieempfindung der Kinder. Die wahre Auseinandersetzung mit Jesus, Gott, der Schöpfung und der Welt, findet allerdings in größerem Umfang woanders statt, nämlich in ihrer Lebenswelt und dem Austausch mit Gleichaltrigen. Was für Schlussfolgerungen bei Kindern entstehen, worin der größte Einflussfaktor bei Kindern z.B. im Gebet herrührt. Denn gerade unbewusst werden vielerlei lebensweltliche Probleme und Fragen der Kinder theologisch angegangen. Das heißt, sie versuchen all das neue, unerklärliche dieser Welt in irgendeiner Weise begreifbar zu machen. Deshalb spricht die Kindertheologie auch von theologisch kompetenten Subjekten, die theologisch relevante Fragen und Antworten aufwerfen (vgl. Kammeyer, Katharina, 2009, S. 27).

Die Theologie der Kinder bekommt eine entsprechende Signifikanz, wenn sie als vom Kind heraus wahrgenommen wird. Denn es geht nicht darum Kinder als wissenschaftliche Theologen zu sehen, sondern auf ihr theologisieren aufmerksam zu machen (vgl. Hanisch, Helmut 2001, S.8).

Kinder bilden bestimmte Verstehenskategorien, welche mythisch und symbolisch beladen sind und sich von wissenschaftlicher Theologie grundlegend unterscheiden. Kinder verknüpfen und deuten Erlebnisse auf ihre eigene Art und Weise, oftmals für den Erwachsenen nicht nachvollziehbar, doch dieser Spielraum ist wichtig, denn nur so entfalten Kinder ihre ganz eigene Sichtweise auf Religion (vgl. Hanisch, Helmut 2001, S.13).

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Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Brauchen Kinder Religion?
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Autor
Jahr
2018
Seiten
38
Katalognummer
V437139
ISBN (eBook)
9783668805743
ISBN (Buch)
9783668805750
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religion Kinder Erziehung
Arbeit zitieren
Esma Dursun (Autor:in), 2018, Brauchen Kinder Religion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437139

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