Erwerbslosigkeit. Ursachenforschung, Auswirkungen & Lösungstheorien


Hausarbeit, 2018

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erwerbslosigkeit – eine Begriffsbestimmung

3. Ursachen der Erwerbslosigkeit
3.1 Die konjunkturell bedingte Erwerbslosigkeit
3.2 Erwerbslosigkeit infolge einer Arbeitsmarktsegmentierung

4. Ganzheitliche Folgen der Erwerbslosigkeit

5. Theoretische Lösungsansätze – Wege aus der Erwerbslosigkeit?
5.1 Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie
5.2 Die Insider-Outsider Theorie
5.3 Die Theorie des dritten Arbeitsmarktes

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Begriffe wie „Erwerbstätige“, „Erwerbslose“, „Erwerbsquote“ und „Erwerbspersonenpotential“, „Stille Reserve“ und „Humankapital“ vermitteln lediglich einen kleinen Einblick in die Fülle an Termini technici, im Kontext der gleichermaßen komplexen wie nachhaltigen, als auch uralten wie aktuellen Problematik des Phänomens Erwerbslosigkeit. Ein Phänomen, das ein bereits häufig analysiertes und kontrovers diskutiertes Thema im Rahmen vieler Diskurse auf unterschiedlichen Diskursebenen (national, europäisch, global) ist und das früher wie heute mit einer Vielzahl an gesellschafts- und sozialpolitischen Fragen einhergeht. Fragen danach, was Erwerbslosigkeit, die gesellschaftlich eher unter dem Begriff „Arbeitslosigkeit“ bekannt ist, näher betrachtet eigentlich bedeutet und beinhaltet, bzw. inwiefern ein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Termini existiert. Des Weiteren ergeben sich Fragen, in welchen Ursachen die Erwerbslosigkeit begründet ist, was aus ihr für die Betroffenen resultiert und vor allem, wie diesem Phänomen aus den Perspektiven differenzierter, lösungsorientierter Ansätze begegnet und anhand derer Erwerbslosigkeit, zumindest theoretisch, bekämpft werden kann.

Vordergründiges Ziel dieser Arbeit ist es, Antworten auf die problemorientierten Fragestellungen abzubilden und einen umfassend analytischen, wie aufschlussreichen Überblick über die Gesamtthematik Erwerbslosigkeit ermöglichen zu können. Dazu werden, neben einer vorherigen Begriffsbestimmung, im Rahmen einer Ursachenforschung zwei arbeitsmarktrelevante Systematiken näher erläutert. Dabei handelt es sich um die konjunkturell bedingte Erwerbslosigkeit, als auch jene infolge einer Arbeitsmarktsegmentierung, die einflussnehmend in der Entstehung der Erwerbslosigkeit sind.

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet dann überleitend u.a. die Darstellung der, aus der Erwerbslosigkeit resultierenden kurz- und langfristigen ganzheitlichen Folgen in finanzieller, psychischer, sozialer sowie physischer Hinsicht, wie beispielsweise der Verlust des Selbstwertgefühls, der sozialen Abkapselung und Isolation der Betroffenen, als auch das tatsächliche Empfinden körperlicher Schmerzen. Erwerbslosigkeit hat erwiesenermaßen nicht nur finanzielle Einbußen zur Folge.

Im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgt die Eruierung und Darstellung theoretischer Lösungsansätze, wie beispielsweise jene der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie, der Insider-Outsider Theorie und jener Theorie eines dritten Arbeitsmarktes vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Frage, inwiefern diese Lösungstheorien sinnvoll und der Transfer in die Praxis realisierbar sind. Sämtlichen Darstellungen und Erläuterungen liegen diesbezügliche Ergebnisse entsprechender Literaturrecherchen zugrunde.

Die Arbeit schließt mittels einer kritisch analysierenden Betrachtung der Gesamtthematik im Sinne eines rückblickend zusammenfassenden Resümees im Rahmen eines Fazits ab.

2. Erwerbslosigkeit – Eine Begriffsbestimmung

„In der Umgangssprache wie auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur werden Arbeit und Erwerbstätigkeit oft […] gleichbedeutend verwendet. [Arbeit ist] das innerste Wesen des Lebendigseins […] [,] Erwerbs- oder Berufstätigkeit beziehen sich auf die Arbeit unter vertraglichen Bedingungen, zu denen eine materielle Entlohnung gehört“ (Jahoda 1986: 24).

Bezugnehmend auf dieses Zitat ist im Rahmen einer differenzierten Begriffsbestimmung zu konstatieren, dass ein signifikanter Unterschied zwischen der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs „Arbeit“ und des mittlerweile damit verschmolzenen Begriffs „Erwerbslosigkeit“ besteht. Umgangssprachlich irreführender Weise als Arbeitslosigkeit bezeichnet, ist es sinngemäß eigentlich die Erwerbslosigkeit, die heutzutage seitens jener gemeint ist, die von ihr und ihren Folgen betroffen sind. Dabei ist überwiegend vielmehr eine Reaktion auf das (möglichst) temporäre Ausbleiben der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im ökonomischen Sinne gemeint und weniger ein „gehindert sein“ darin, einer Arbeit vor allem im Sinne einer Berufung nachkommen und damit einhergehend die Charakteristika der eigenen Persönlichkeit zum Ausdruck bringen zu können, so wie es die Autorin Marie Jahoda in ihrer Publikation eingangs ebenfalls darzustellen versucht ist (vgl. Jahoda 1986: 24 ff.). In der Publikation der Autoren Jeanette Zempel et al. wird darauf verwiesen, dass der Begriff Erwerbslosigkeit u.a. auch deswegen gefordert wird, da beispielsweise die seitens einer Hausfrau verrichtete Hausarbeit eindeutig als Arbeit zu bezeichnen ist, sie aber dennoch gleichzeitig erwerbslos und beim Arbeitsamt erwerbssuchend gemeldet sein kann (vgl. Zempel et al. 2001: 17). Doch im weiteren Verlauf deren Publikation wird deutlich, dass sich eine eindeutige begriffliche Differenzierung schwierig gestaltet.

So sei in dieser Arbeit fortlaufend konträr bisheriger Erfahrungswerte und entgegen typischer umgangssprachlicher Gewohnheiten abermals der Versuch unternommen, fortan den Terminus Erwerbstätigkeit anstelle Arbeit, bzw. Erwerbslosigkeit anstatt Arbeitslosigkeit zu verwenden, um nicht zuletzt bewusst der Normierung eigentlich divergierender Begriffe entgegenzuwirken.

Im Sinne einer Begriffsbestimmung ist es hinsichtlich der Erwerbslosigkeit selbst im internationalen Diskurs bisher nicht möglich gewesen, eine allgemein gültige gesetzliche Definition der Erwerbslosigkeit zu finden, da diesbezüglich landesabhängig ungleiche Grundlagen herangezogen werden. In Großbritannien beispielsweise reicht die Registrierung bei den Arbeitsämtern aus, um den Status der Erwerbslosigkeit zu erhalten, in den USA hingegen gelten jene als erwerbslos, die während einer Stichwoche für die Arbeit verfügbar und vier Wochen lang bemüht waren, eine potentielle Arbeitsstelle zu finden (vgl. Jahoda 1986: 29.). Der Autor Stefan Hradil benennt in seiner Publikation im Sinne einer Begriffsbestimmung drei Bevölkerungsgruppen und differenziert in weitere, damit einhergehende korrelierende Termini technici (vgl. Hradil 2001: 182).

So unterscheidet er u.a. in die Gruppe der „Erwerbstätigen“ (Personen, die eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit durchführen), in jene der „Erwerbslosen“ (Personen, die eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit suchen) und in die der „Nichterwerbspersonen“ (Personen, die keinerlei auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen), einhergehend u.a. mit Fachbegriffen wie der sogenannten „Erwerbsquote“ (Anteil der Erwerbspersonen an der Gesamtbevölkerung), der „Stillen Reserve“ (Personen, die sich nicht arbeitslos melden da etwaig kein Anspruch auf Lohnersatzleistung besteht) und dem „Erwerbslosenpotential“ (ein erweitertes Maß für das Arbeitskräfteangebot) (vgl. ebd.: 182 ff.). Das opulente Ausmaß an kumulativen Definitionsnotwendigkeiten, als auch die Komplexität der Thematik Erwerbslosigkeit werden deutlich.

3. Ursachen der Erwerbslosigkeit

Im Rahmen der Ursachenforschung zur Thematik der Erwerbslosigkeit ist festzustellen, dass bestimmte „Problemgruppen“, u.a. Frauen, Ausländer, Jugendliche und ältere Erwerbspersonen, allen voran aber gering Qualifizierte einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, erwerbslos zu werden und es langfristig zu bleiben. Außerdem ist die jeweilige Region der Ansässigkeit ebenfalls einflussnehmend, insbesondere im Osten Deutschlands (vgl. Hradil 2001: 181).

Doch auch arbeitsmarktpolitische Entwicklungen, u.a. begründet im ökonomischen wie demografischen Wandel bilden Faktoren, die einen Anstieg der Erwerbslosenanzahl nachhaltig beeinflussen. Technischer Fortschritt, zunehmende Industrialisierung und eine starke Zunahme der Bevölkerung sind diesbezügliche Beispiele und rückten bereits während des frühen 20. Jahrhunderts die Problematik der Erwerbslosigkeit und deren Konsequenz ins Zentrum der gesellschaftlichen, als auch politischen Aufmerksamkeit (vgl. Bohr 2015: 16 f.).

In der jüngeren Vergangenheit gelten insbesondere die 1970er bis 1980er Jahre als „ein Jahrzehnt der Krise“ (Neumann 2013: 177), da sich das Problem der Erwerbslosigkeit in dieser Zeit aufgrund eines Ungleichgewichts am Arbeitsmarkt (vgl. ebd.: 17), u.a. ausgelöst durch eine verhältnismäßig hohe Entlohnung niedrig qualifizierter Arbeit, verschärfte. So erfolgte ein Anstieg der Reallöhne bei gleichzeitiger Stagnation der Erwerbstätigenanzahl. Vor allem der Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen hat sich deswegen nicht positiv entwickeln können (vgl. ebd.: 23).

Trotz wirtschaftlichen Wachstums zu jener Zeit konnte dennoch keine Rückläufigkeit der Erwerbslosenquote festgestellt werden. Es folgten mehrere Energiekrisen, einhergehend mit einer zunehmenden Globalisierung (vgl. Bohr 2015: 17), sodass ein schubweiser Anstieg des Erwerbspersonenpotentials bis auf Millionenhöhe zu verzeichnen war, der aufgrund der sogenannten westdeutschen „Babyboom-Generation“ jener Zeit, als auch wegen einer tendenziell steigenden Frauenerwerbsquote (vgl. Neumann 2013: 24 f.) eine zusätzliche Steigerung erfuhr. Gepaart mit den gesellschaftlichen, wie politischen Erfahrungen aus der Zeit kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges hatten derartige Verhältnisse „aus historischen Gründen […] [sogar] das Potential, an den Grundfesten der Bundesrepublik zu rütteln und zu einer umfassenden Krise [Hervorh. i. O.] zu führen“ (ebd.: 180).

Diesbezüglich scheint es im Sinne einer Ursachenforschung neben historisch belegten Zusammenhängen auch gleichsam wichtig, unterschiedliche Typen und Ursachen der Erwerbslosigkeit zu kennen und analytisch zu betrachten.

So existiert beispielsweise neben der friktionell, strukturell und der saisonal begründeten Erwerbslosigkeit auch jene, die konjunkturell wiederkehrend ist oder infolge einer sogenannten Arbeitsmarktsegmentierung auftritt.

Für eine diesbezüglich umfassendere Erläuterung widmet sich der folgende Abschnitt vorrangig der Darstellung der konjunkturell bedingten, als auch der in einer Arbeitsmarktsegmentierung begründeten Erwerbslosigkeit.

3.1 Die konjunkturell bedingte Erwerbslosigkeit

Eine konjunkturell bedingte Erwerbslosigkeit ist auf zyklisch auftretende Schwankungen im Wirtschaftsablauf zurückzuführen. Im Rahmen dessen ist sie die Konsequenz „eines Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in der Rezessionsphase“ (Friedrich; Wiedemeyer 1994: 59). Dies bedeutet, dass gegenüber vorhandener Güter und Dienstleistungen ein Rückgang der Nachfrage zu verzeichnen ist. Dies ist Folge einer, den bisherigen Wachstumsraten nicht mehr entsprechenden Nachfrage im Rahmen der vorgelagerten Konsumgüterindustrie. Unternehmen reagieren darauf mit zurückhaltenden Investitionen, Entlassungen und der Reduzierung, bzw. dem Stopp von Einstellungen, was insbesondere Auswirkungen auf Berufseinsteiger und/oder Personen mit niedrigem Kündigungsschutz nach sich zieht (vgl. Friedrich; Wiedemeyer 1994: 59; Hradil 2001: 184).

Ein zusätzlicher Faktor ist der Rückgang der Nachfrage an Exportgütern ins Ausland, der auf die jeweilig wirtschaftlichen Entwicklungen im Ausland zurückzuführen ist und der ebenfalls für Schwankungen im Wirtschaftsablauf sorgt, sodass ein dem folgender Prozess in Gang gesetzt wird: Zunächst verschlechtert sich die Auslastung der Produktionskapazitäten, daraufhin reduzieren sich die Gewinnerwartungen, die Investitionsgüternachfrage sinkt und die Produktion wird zunehmend eingeschränkt. Das Resultat ist eine zunehmende Zahl an Erwerbslosen, die außerdem über weitaus weniger Einkommen verfügen als Erwerbstätige, sodass auch die Nachfrage nach privaten Konsumgütern sinkt. Darauf wiederum reagieren Unternehmen mit Produktionseinschränkungen, sodass sich die Krisenentwicklung fortsetzt. Dieser Kreislauf kann lediglich durch staatliche Impulse unterbrochen werden, denn einer konjunkturell bedingten Abschwungphase folgt zwar typischerweise ein Konjunkturaufschwung, dieser zieht jedoch nicht zwingend einen Anstieg der Erwerbstätigenanzahl nach sich, wie es die Krise der siebziger und achtziger Jahre bereits bewiesen hat (vgl. Friedrich; Wiedemeyer 1994: 59 f.). Ein staatlicher Impuls muss in der Form erfolgen, als dass er über „Ausgaben- und Einnahmeänderungen im Staatshaushalt […] eine Belebung der Nachfrage […] erreicht“ (ebd.: 110). Daraus resultiert eine Produktionszunahme, in der sich wiederum ein steigendes Angebot an Arbeitsplätzen begründet.

3.2 Erwerbslosigkeit infolge einer Arbeitsmarktsegmentierung

Ausgangssituation der Arbeitsmarktsegmentierung ist, dass der Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland ein durch Teilarbeitsmärkte zergliedertes Konstrukt ist, im Rahmen dessen diese Teilarbeitsmärkte durch jeweilig institutionell bedingte Vorgaben und Strukturen (z.B. Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge) autark funktionieren. Aufgrund der Vielfältigkeit kann sich der Arbeitsmarkt dem insgesamt nicht umfassend anpassen, was zum großen Nachteil für manche eben jener Teilarbeitsmärkte ist.

Die Segmentierung erfolgt dabei in zwei Richtungen (vgl. Friedrich; Wiedemeyer 1994: 106):

a) Zum einen existieren die sogenannten „fachlichen Teilarbeitsmärkte“, deren Grundlage berufs- oder branchengebundene Qualifikationsanforderungen sind. Hier wird zwischen Berufen und Branchen, als auch bzgl. der (Fach-)Arbeitskräfte zwischen einer abgeschlossenen und ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung differenziert (vgl. ebd.).

b) Des Weiteren existieren die sogenannten „betrieblichen Teilarbeitsmärkte“, die sich aus „stabilen Stammbelegschaften“ und „instabilen Randbelegschaften“ zusammensetzen. Die stabile Stammbelegschaft sind Arbeitskräfte mit „größeren spezifischen Qualifikationen […] [und einer] hohe[n] Beschäftigungssicherheit“ (ebd.: 106 f.). Die Randbelegschaft ist mit Qualifikationsanforderungen geringeren Ausmaßes konfrontiert, um einen „Arbeitsmarktpuffer [zu bilden, aus dem] […] [letztlich eine] Benachteiligung in Hinsicht auf Arbeitsplatzsicherheit und Chancen auf Eingliederung in ein stabiles Beschäftigungsverhältnis [resultiert]“ (ebd.: 107).

Der Autor Stefan Hradil differenziert in seiner Publikation sogar in drei Teilbereiche: in einen „berufsfachlichen, einen betrieblichen und einen Jedermannsarbeitsmarkt“ (Hradil 2001: 207). Auf dem Jedermannsarbeitsmarkt finden sich jene Erwerbskräfte, die u.a. aufgrund von Diskriminierung und / oder geringem Humankapitals (Investition der Unternehmen in Bildung und Ausbildung eines Menschen) sogenannten „Problemgruppen“ angehören.

Zum berufsfachlichen Arbeitsmarkt zählen jene mit höherer Qualifikation. Kommt es nun beispielsweise aufgrund eines konjunkturbedingten Wirtschaftsabschwungs zu Arbeitsmarktkrisen, befinden sich sämtliche Erwerbskräfte auf dem Jedermannsarbeitsmarkt in ständiger Konkurrenz untereinander, hingegen bleiben die Erwerbschancen auf dem berufsfachlichen Arbeitsmarkt positiv. Auf dem betrieblichen Arbeitsmarkt halten die Unternehmen an ihren Erwerbskräften fest, da sie in deren Ausbildung investiert haben und keine weiteren/zusätzlichen Kosten in neues/ungelerntes Personal investieren wollen. Neueinstellungen finden zögerlich und auch erst dann statt, wenn sich die Arbeitsmarktentwicklung positiv abzeichnet und stabilisiert. Die Erwerbslosigkeit verlängert sich infolge dessen (vgl. Hradil 2001: 207 f.).

Die Erwerbslosigkeit im Sinne einer Arbeitsmarktsegmentierung ist also begründet in fehlenden beruflichen/fachlichen Qualifikationen, wie sie beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung wäre. Bezüglich einer nachhaltigen Bekämpfung der Erwerbslosigkeit und einer anzustrebenden Stabilisierung der Arbeitsmärkte ist es notwendig, die segmentierte Struktur zwischen den autark funktionierenden Teilarbeitsmärkten aufzuheben, indem ihr vor allem mittels Höherqualifizierungen begegnet wird (vgl. Friedrich; Wiedemeyer 1994: 107).

4. Ganzheitliche Folgen der Erwerbslosigkeit

Der Verlust der Erwerbstätigkeit bedeutet für die Mehrheit der Betroffenen ein massives, negativ geprägtes Ereignis im Rahmen ihrer Lebenssituation, dass mitunter gravierende Folgen für eben jene nach sich zieht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verlust der Erwerbstätigkeit selbst- oder unverschuldet eingetreten ist. Betroffene stehen nicht nur vor der prekären Aufgabe, erhebliche finanzielle Einbußen verkraften und zukünftig einkalkulieren zu müssen, sondern sie sind insbesondere im Zuge langanhaltender Erwerbslosigkeit zunehmend mit Auswirkungen in psychischer, sozialer und physischer Hinsicht konfrontiert. Folgen, die häufig kumulativ wirken und sich zudem im Laufe der anhaltenden Erwerbslosigkeit verselbstständigen und manifestieren. Eingangs ist die finanzielle Situation zunächst dahinhegend zu beschreiben, als dass sich Betroffene nach spätestens 12 Monaten der Erwerbslosigkeit mit dem Mindestbedarf der ALG-II-Sätze arrangieren müssen, die kaum noch den „gesetzlich festgelegten Mindestbedarf des täglichen Lebens abdecken“ (Bohr 2015: 66). So erhielten Erwerbslose mit Kindern im Jahr 2001 beispielsweise 57% des monatl. Nettoeinkommens, jene ohne Kinder 53% (vgl. Hradil 2001: 209). Dieser finanzielle Zustand kommt dem Abrutsch unter die Armutsgrenze gleich, denn das Kalkül der benannten Zahlen unterstreicht die Aussage, dass derjenige arm ist, der über weniger als 60% des Durchschnittseinkommens verfügt (vgl. Bohr 2015: 64). Da eine Erwerbstätigkeit aber nicht nur auf der Notwendigkeit finanzieller Absicherung basiert, sondern eben auch eine „Möglichkeit der persönlichen Entfaltung“ (Friedrich; Wiedemeyer 1994: 13) darstellt, geht der Verlust eben jener überwiegend zunächst mit der Minderung des eigenen Selbstwertgefühls einher. Denn eine regelmäßige Erwerbstätigkeit bedeutet neben den aus einem geregelten Tagesablauf resultierenden, gesellschaftlich anerkannten Aufgaben auch die Möglichkeit, soziale Kontakte, beispielsweise zu Kollegen und Vorgesetzten pflegen zu können (vgl. Bohr 2015: 60). Ein soziales Netzwerk, dass einem Menschen nicht zuletzt im beruflichen Sinne das Gefühl gibt, ein „nützliches Glied der Gesellschaft [zu sein] […] [und zudem] durch sein tätiges Wirken den eigenen Lebensunterhalt und gegebenenfalls auch den seiner Angehörigen bestreiten zu können“ (ebd.: 60 f.). Was zu Beginn von den Betroffenen aufgrund dessen, da nun wegen der ausbleibenden beruflichen Verpflichtungen vermehrt Freizeit zur Verfügung steht, häufig noch als positiv wahrgenommen wird, führt im weiter anhaltenden Zustand dazu, dass sich jene vermehrt ausgegrenzt fühlen. Dem ist der Wegfall gesellschaftlicher Anerkennung auch seitens des eigenen sozialen Umfeldes (Familie, Freunde, Nachbarn) besonders zuträglich und der Rückzug, bzw. die soziale Isolation der Betroffenen schreitet voran. Eine anfänglich etwaig noch hohe Motivation im Rahmen der Suche einer neuen Erwerbstätigkeit weicht alsbald aufkommender Frustration und Pessimismus, da Absagen und daraus resultierende Misserfolge zunehmen. Gerade im Alter zwischen 40 und 50 scheint die Chance, eine neue Erwerbstätigkeit zu finden erschwert, nicht zuletzt deswegen, da der ursprünglich erlernte Beruf häufig nicht mehr „zeitgemäß“ und etwaig aufgrund des technischen Fortschritts demnach kaum noch gefragt ist. Nicht selten sind Betroffene auch klischeetypischen Diskriminierungen und Stigmatisierungen ausgesetzt, derer sie sich nicht erwehren können, da gesellschaftlich bezüglich der Nachfrage nach den Umständen und des ursprünglichen Hergangs der Erwerbslosigkeit eher Zurückhaltung vorherrscht. Es folgen für die Betroffenen neben einer destruktiv erlebten Situation u.a. Lethargie, Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit, soziale Kontakte und Freundschaften gehen verloren. Oftmals endet diese Spirale in Suchtproblemen, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Forschungsergebnisse des Instituts für Arbeitsmarktforschung ergaben zudem, dass psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit Erwerbslosigkeit stehen (vgl. ebd.: 60 ff.). Etwa bei 50% der Betroffenen, die bereits seit 18 Monaten erwerbslos sind, treten erhöhte Depressionssymptome auf, bei 12% ergeben sich sogar schwere Depressionen, zuzüglich Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Nervosität (vgl. ebd.: 76; Hradil 2001: 209). Dem nicht genug ergeben sich neben dem Gefühl des persönlichen Versagens mitunter auch physische Auffälligkeiten, wie u.a. Kopf- und Rückenschmerzen, die sich in der Suche nach einer neuen Erwerbstätigkeit abermals hinderlich erweisen und somit zur Fortsetzung der gegenwärtigen Situation führen (vgl. Bohr 2015: 74). Außerdem verzeichnen die Statistiken, dass insbesondere Langzeiterwerbslose ein drei- bis viermal höheres Sterberisiko haben, als jene, die einer geregelten Erwerbstätigkeit nachkommen (vgl. ebd.: 75). Des Weiteren ist eine deutlich erhöhte Selbstmordrate aufgrund der psychischen Belastung durch Erwerbslosigkeit zu verzeichnen (vgl. Hradil 2001: 209). So ist es nicht verwunderlich, dass mit anhaltender Erwerbslosigkeit die ganzheitlichen Belastungen steigen und sich die negativen Auswirkungen des Verlustes der Erwerbstätigkeit zunehmend drastischer wiederspiegeln.

5. Theoretische Lösungsansätze – Wege aus der Erwerbslosigkeit?

Neben einer Vielzahl an Erklärungen, welche allesamt versucht sind Erwerbslosigkeit und ihre Ursachen u.a. aus ökonomischer und individualistischer Perspektive zu begründen, existieren Theorien, die der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit dienlich sein sollen. Die Autoren Horst Friedrich und Michael Wiedemeyer erläutern diesbezüglich in ihrer Publikation, dass „die Auffassungen über die Ursachen des komplexen Phänomens [Erwerbs]losigkeit kontrovers sind […] [und damit] auch die […] Strategien kontrovers diskutiert werden“ (Friedrich; Wiedemeyer 1994: 109). So stehen sich beispielsweise die Meinungen hinsichtlich des „Versagens des marktwirtschaftlichen Systems“ und der „Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft“ gegenüber (vgl. ebd.).

So werden in Anlehnung an die Vielfältigkeit der diesbezüglichen Diskussionen im weiteren Verlauf diesen Kapitels drei theoretische Lösungsansätze vorgestellt.

5.1 Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie

Die Verfechter der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie vertreten die Meinung, dass die Erwerbslosigkeit letztlich eine Störung des Arbeitsmarktes ist. So sei die Ausgewogenheit aus Angebot und Nachfrage an Arbeitskräften voraussetzende Grundlage dieses Modells. Ist diese Ausgewogenheit gestört, beispielsweise da mehr Arbeitskräfte als nötig zur Verfügung stehen, führten beispielsweise flexible Löhne ins Gleichgewicht zurück (vgl. Hradil 2001: 203). Dies geschehe aufgrund dessen, da „Lohnreduzierungen […] in der Lage [sind], Arbeit billiger, rentabler und konkurrenzfähiger zu machen“ (ebd.). Des Weiteren behaupten die Vertreter dieser Theorie, die Maßnahmen zur Vermeidung der Erwerbslosigkeit vorhersagend bestimmen zu können. So bedürften Teilnehmer des Arbeitsmarktes beispielsweise einer frühzeitigen Information über das jeweilige Marktgeschehen. Außerdem müssen sie mobil sein, einer Änderung oder Weiterbildung ihrer Qualifikation, als auch einem Austausch möglichst offen gegenüberstehen, es bedarf der Chancengleichheit im Wettbewerb, als auch flexibler Arbeitszeiten und Löhne. All dies müsse im Rahmen einer Störung wiederhergestellt werden. Der Autor Richard Reichel beschreibt diesbezüglich in seinem Beitrag zur Publikation der Autoren J. Zempel et al., dass, je höher die Kapitalintensität (also das Pro-Kopf-Einkommen) ist, desto höher sei der Reallohn, da „eine hohe Kapitalausstattung pro Beschäftigten/Arbeitsplatz die Produktivität […] der eingesetzten Arbeit erhöht und damit die Zahlung höherer Löhne ermöglicht“. Eine Störung des Gleichgewichts hätte demnach den Rückgang der Kapitalintensität, der Reallöhne und einen Anstieg des Zinsniveaus zur Folge. Die Lohnflexibilität würde dann das Auftreten der Erwerbslosigkeit verhindern (vgl. Reichel 2001: 41 f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Erwerbslosigkeit. Ursachenforschung, Auswirkungen & Lösungstheorien
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V437381
ISBN (eBook)
9783668776432
ISBN (Buch)
9783668776449
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erwerbslosigkeit, Arbeitsmarktsegmentierung, Konjunkturellbedingte Erwerbslosigkeit, Neoklassische Arbeitsmarkttheorie, Insider Outsinder Theorie, Dritter Arbeitsmarkt, Soziale Arbeit
Arbeit zitieren
Ron Thelen (Autor:in), 2018, Erwerbslosigkeit. Ursachenforschung, Auswirkungen & Lösungstheorien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437381

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