Hamburgs Einfluss auf Entscheidungsprozesse in der EU

Die Funktionen des Hanse-Office für Hamburg


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die Mitwirkung Hamburgs in europäischen Angelegenheiten
2.1 Die Mitwirkung auf Bundesebene
2.1.1 Die Mitwirkung über den Bundesrat
2.1.2 Die Mitwirkung über die Europaministerkonferenz
2.2 Die Mitwirkung auf EU-Ebene
2.2.1 Die Mitwirkung über den Ausschuss der Regionen (AdR)
2.2.2 Die Mitwirkung über das Europäische Parlament

3. Das Hanse-Office
3.1 Die Gründung des Hanse-Office
3.2 Kurzbeschreibung / Organisationstruktur des Hanse-Office
3.3 Die Aufgaben des Hanse-Office
3.3.1 Dienstleistungen für die Regierung und Landesbehörden
3.3.2 Lobbying für regionale Angelegenheiten bei der EU
3.3.3 Kooperation mit anderen Ländern und Regionen in der EU
3.3.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations)
3.4 Die Rolle der Ländervertretungen aus Sicht des Bundes
3.5 Zusammenfassung

4. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einführung

Die Europäische Integration schreitet seit ihrem Beginn sehr erfolgreich voran. Anfangs gegründet als ein Militärbündnis (1948) und wenige Jahre später (1952) für eine Zusammenarbeit auf Wirtschaftsebene erweitert, hat sie durch diverse Verträge ihre Zuständigkeiten kontinuierlich ausgebaut. Die deutschen Bundesländer waren dabei anfangs in keiner Weise in die Entscheidungsfindung eingebunden und mussten einen Verlust selbstständiger Gestaltungsmöglichkeiten hinnehmen. Die fortschreitende Europäische Integration erhielt durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) wiederholt starken Auftrieb und die Länder erlitten einen starken Kompetenzverlust. Handlungs- und Gestaltungsspielräume wurden zunehmend eingeengt und immer mehr Entscheidungskompetenzen in Richtung Brüssel verlagert. Zudem sahen sich die Verwaltungen der Länder mit sehr viel Arbeit konfrontiert, welche im Zuge der Einführung von Richtlinien zu erledigen war. Da sie sich schon bei den Verhandlungen zur EEA stark übergangen fühlten, reagierten sie mit der Gründung der Länderinformationsbüros in Brüssel um den fortschreitenden Kompetenzverlust einzudämmen. Das Hanse-Office machte 1985 den Anfang, die anderen Länderbüros folgten in den darauffolgenden Jahren (vgl. Schenderlein, 2015, 23 ff.).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Einflussmöglichkeiten Hamburgs auf europäische Entscheidungsprozesse. Im Kern der Arbeit steht dabei die folgende Frage: Welchen Stellenwert nimmt das Hanse-Office für Hamburg bei der Einflussnahme auf europäische Entscheidungsprozesse ein?

Dazu werden im zweiten Kapitel die formellen Mitwirkungsmöglichkeiten Hamburgs bei europäischen Entscheidungsprozessen aufgezeigt und Schwierigkeiten in diesem Bereich beleuchtet. Im Anschluss daran wird in Kapitel 3 das Hanse-Office genau beschrieben und seine Arbeitsweise sowie seine Aufgaben genauer skizziert. Hierbei soll beleuchtet werden, welche Möglichkeiten der Implementation von eigenen Interessen in europäische Entscheidungsprozesse das Hanse-Office Hamburg ermöglicht und welche weiteren Vorteile für Hamburg durch die Arbeit des Hanse-Office erwartet werden können.

In der Schlussbetrachtung soll die Forschungsfrage beantwortet werden und ein Ausblick stattfinden. Zudem sollen Schwierigkeiten bei der Erstellung dieser Arbeit ins Blickfeld gerückt werden.

2. Die Mitwirkung Hamburgs in europäischen Angelegenheiten

Die deutschen Länder waren von Beginn der Europäischen Integration darum bemüht ihre Interessen und Positionen in Europa einzubringen. Die Interessenvertretung der Länder ist auf eine Doppelstrategie angelegt, welche im folgenden Kapitel kurz skizziert werden soll.

2.1 Die Mitwirkung auf Bundesebene

Ein Teil der Doppelstrategie der Interessenvertretung im europäischen Rahmen ist die innerstaatliche Mitwirkung auf verfassungs- und sekundärrechtlicher Grundlage (Art.23 GG, EUZBLG und die Bund-Länder-Vereinbarung). Um dies zu erläutern, soll an dieser Stelle die Mitwirkung über den Bundesrat und die Europaministerkonferenz aufgezeigt werden.

2.1.1 Die Mitwirkung über den Bundesrat

Durch den Art. 23 GG („Europaartikel“) ist die Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union im Grundgesetz verankert. Damit soll der innerstaatliche Kompetenzverlust, den die Länder durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäische Union erfahren, ausgeglichen werden. Bei allen europäischen Vorhaben, die für die Länder von Interesse sein könnten, gibt es eine Unterrichtungspflicht des Bundesrates durch die Bundesregierung. Wenn die Interessen der Länder berührt sind, ist der Bundesrat auch an der Festlegung der deutschen Verhandlungsposition aktiv zu beteiligen. Wenn ein Vorhaben die ausschließlich oder konkurrierende Gesetzgebung des Bundes betrifft, dabei aber Interessen der Länder berührt werden, wird die Stellungnahme des Bundesrates bei der Festlegung der Verhandlungsposition von der Bundesregierung berücksichtigt. Wenn im Schwerpunkt die Gesetzgebungskompetenzen der Länder betroffen sind, muss die Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich berücksichtigt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der direkten Übermittlung einer Stellungnahme des Bundesrates an die Kommission.

Bei Verhandlungen im Rat oder in der Kommission liegt die Verhandlungsführung bei der Bundesregierung. Auf Verlangen kann sie Vertreter der Länder hinzuziehen, wenn die Länder innerstaatlich zuständig wären oder ihre Interessen berührt wären. Wenn ein Vorhaben schwerpunktmäßig die Gesetzgebungskompetenz der Länder betrifft (schulische Bildung, Kultur und Rundfunk), wird die Verhandlungsführung auf einen vom Bundesrat gewählten Vertreter der Länder übertragen (vgl. Bundesrat).

Problematisch an der beschriebenen Beteiligung der Länder über den Bundesrat ist, dass der Bundesrat kein Länderrat ist und er nicht für die Koordinierung von Länderinteressen konzipiert wurde (vgl. Wolff, 2008, 74). So können Entscheidungen des Bundesrates nur über eine Abstimmungsmehrheit getroffen werden. Einzelne Länderinteressen können somit unberücksichtigt bleiben. Ein weiteres Problem ist, dass die Unterrichtungspraxis durch die Bundesregierung dem Bundesrat häufig nicht genügend Zeit lässt um noch maßgeblich Einfluss ausüben zu können (vgl. Schenderlein, 2015, 29).

2.1.2 Die Mitwirkung über die Europaministerkonferenz

Eine weitere Möglichkeit der Interessenvertretung auf Bundesebene ist die Europaministerkonferenz der deutschen Länder. Diese tagt drei- bis viermal im Jahr und wird von den Bundesländern zur horizontalen Koordination ihrer Interessen sowie zur Formulierung und Abstimmung von europapolitischen Positionen genutzt. Damit hat die Europaministerkonferenz eine wichtige Funktion zur Koordinierung der Europapolitik der Länder eingenommen und hilft den Ländern zu einer besseren Durchsetzung ihrer Positionen gegenüber der Europäischen Kommission und der Bundesregierung (vgl. Schmuck, 2010, 61 f.). Die Beschlussfassung in der Europaministerkonferenz erfolgt einstimmig, wodurch die kleinen Länder eine Art Vetomacht erhalten (vgl. Wolff, 2008, 75).

2.2 Die Mitwirkung auf EU-Ebene

Der andere Teil der Doppelstrategie der Interessenvertretung der deutschen Länder im europäischen Rahmen ist die Mitwirkung auf EU-Ebene. Dazu zählen die Mitwirkung über den Ausschuss der Regionen, die Mitwirkung über das Europäische Parlament und natürlich die Mitwirkung über die Landesvertretungen.

2.2.1 Die Mitwirkung über den Ausschuss der Regionen (AdR)

Der Ausschuss der Regionen wurde 1994 im Zuge des Vertrages von Maastricht gegründet. Er hat die Aufgabe den vielen Regionen in Europa eine Stimme zu verleihen. Dem Ausschuss gehören 350 Mitglieder aus 28 EU-Staaten an. Da die AdR-Mitglieder in ihren jeweiligen Regionen arbeiten und leben, sind sie mit den Anliegen der Menschen in ihrer Heimatregion vertraut. Dadurch soll eine Annäherung der Bürger an die EU stattfinden. Der AdR ist in den Rechtsetzungsprozess der EU durch die obligatorische Anhörung in allen Phasen des Rechtsetzungsprozesses durch die Kommission, den Rat und das Europäische Parlament eingebunden. Er verfügt über das Recht Klage zu erheben, wenn das Subsidiaritätsprinzip nicht entsprechend berücksichtigt wurde oder wenn eine obligatorische Anhörung im Rechtsetzungsprozess nicht stattgefunden hat (vgl. Europäischer Ausschuss der Regionen). Hamburg wird im AdR von Barbara Duden (SPD) vertreten.

2.2.2 Die Mitwirkung über das Europäische Parlament

Auch über das Europäische Parlament findet eine unmittelbare Interessenvertretung Hamburgs in der Europäischen Union statt. Das Europäische Parlament besteht aus 751 Mitgliedern, von denen drei Abgeordnete die Stadt Hamburg vertreten: Knut Fleckenstein (SPD), Fabio de Masi (Die Linke) und Jan Phillipp Albrecht (Bündnis 90/Die Grünen).

Eine weitere Möglichkeit Hamburgs auf die Europäische Union Einfluss zu nehmen, ist über das Hanse-Office. Wie diese Einflussnahme erfolgen kann, soll im nächsten Teil der Arbeit genauer erläutert werden.

3. Das Hanse-Office

Zunächst soll auf die Entstehungsgeschichte des Hanse-Office eingegangen werden um anschließend die Aufgaben, Arbeitsweisen und Verantwortungsbereiche darzulegen.

3.1 Die Gründung des Hanse-Office

Im Jahr 1985 wurde das Hanse-Office als das erste Regionalbüro in der EU in Brüssel gegründet. Unter vorübergehender Beteiligung Niedersachsens vertritt das Hanse-Office die Interessen der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein bei der EU (Vgl. Hanse-Office). Der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi beschloss das Büro in Brüssel zu eröffnen. Vorher war Dohnanyi Staatsminister im Auswärtigen Amt, verantwortlich für Europapolitik. So konnte er die Auswirkungen der europäischen Dynamik auf Hamburg, die Entwicklungsmöglichkeiten und im Besonderen die Auswirkungen auf den Hafenstandort richtig einschätzen. Zum Aufbau des Büros wurde der ehemalige EG-Kommissar W. Haferkamp berufen. Die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein schlossen sich der Initiative an (vgl. Schreiber, 2013, 45). In den Anfangsjahren war das Hanse-Office privat-rechtlich organisiert. Ab 1991 wurde es zur Außenstelle der Senats- bzw. Staatskanzlei. Heute ist es eine Abteilung der Hamburger Senatskanzlei (vgl. Wobben/Busse, 2013, 60). Diese Entwicklung ist auf die zunehmende Bedeutung der Europapolitik zurückzuführen und wird daher von der politischen Spitze in der Staatskanzlei, die Querschnittsaufgaben für alle Landesministerien wahrnimmt, als „Chefsache“ geführt (vgl. Burgsmüller, 2003, 18).

3.2 Kurzbeschreibung / Organisationstruktur des Hanse-Office

Das Hanse-Office ist das einzige deutsche Länderinformationsbüro, welches trotz des Prozesses der Expansion und Ausdifferenzierung die gemeinsame Vertretung zweier Länder übernimmt. Damit ist das Hanse-Office eine Besonderheit unter den deutschen Länderbüros. Dies ist vermutlich auf die Nutzung von Synergieeffekten und auf Kostenersparnisse zurückzuführen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Größe der beiden Bundesländer berücksichtigt werden (vgl. Schenderlein, 2015, 52 f.). Das Hanse-Office beschäftigt zurzeit 13 Mitarbeiter (Praktikanten etc. sind an dieser Stelle nicht erfasst). Hierzu zählen auch die beiden Leiter des Hanse-Office (ein Leiter je Bundesland) sowie der stellvertretende Leiter, welcher aber auch einen Referentenposten bekleidet. Insgesamt gibt es sieben verschiedene Referentenstellen, die unterschiedliche Politikressorts abdecken. Vier weitere Personen kümmern sich um das Sekretariat, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und die Verwaltung (vgl. Hanse-Office.de). Das Hanse-Office zählt zu den kleineren Landesvertretungen der deutschen Länder in Brüssel.

3.3 Die Aufgaben des Hanse-Office

Das Hanse-Office wurde gegründet um die Interessen der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg (und in der Anfangszeit auch Niedersachsens) in die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene einzubringen, Informationen über Rechtsetzungsverfahren, Förderprogramme und aktuelle EU-Politiken zu generieren und Werbung für die heimischen Standorte in Brüssel vorzunehmen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die Bürgerinnen und Bürger der beiden Bundesländer über die Abläufe von Entscheidungsprozessen in der EU aufzuklären und Informationen über die Chancen der europäischen Integration für die beiden Länder bereitzustellen (vgl. Hanse-Office.de). Im Folgenden werden die Aufgaben des Hanse-Office genauer beschrieben.

3.3.1 Dienstleistungen für die Regierung und Landesbehörden

Eine der grundlegenden Funktionen des Hanse-Office ist die Dienstleistungsfunktion für die Regierung und die Landesbehörden. Zu dieser Dienstleistungsfunktion gehören mehrere unterschiedliche Aufgaben. Eine dieser Aufgaben ist die Informationsfunktion, bei der das Hanse-Office versucht so viele wichtige Informationen wie möglich, die für Hamburg von hoher Relevanz sind oder werden könnten, für das Land zu sammeln. Diese Arbeit ist sehr wichtig damit die EU-Gesetzgebung frühzeitig in die eigene Verwaltungspraxis einbezogen werden kann und um möglichst früh auf mögliche Vorhaben der EU reagieren zu können. Für die Informationsbeschaffung ist das Hanse-Office auf veröffentlichte Informationen sowie im Besonderen auf informelle Kontakte zu den EU-Institutionen, z.B. EU-Kommission und EU-Parlament, angewiesen. Weitere Informationen bekommt das Hanse-Office durch die regelmäßigen Treffen mit den Referenten und Leitern der anderen deutschen Ländervertretungen. Mit der Funktion der Informationsbeschaffung sind zwei weitere Funktionen sehr eng verknüpft: die Frühwarnfunktion und die Filterfunktion. Die Filterfunktion hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. War es früher für die Länder schwer an Informationen zu gelangen, so ist es heute die große Informationsflut die den Landesbehörden zu schaffen macht und vor Kapazitätsprobleme stellt. Das Hanse-Office filtert somit die Informationen für die Landesbehörden, um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Hiervon profitieren besonders die Landesministerien und die Beamten werden mit wichtigen Fachinformationen beliefert. Diese werden von den Landesvertretungen häufig in Wochenberichten zusammengefasst und an die relevanten Stellen verschickt (vgl. Knodt, Hüttmann, Kotzian, 2009, 129). Ein Schwerpunkt der Informationsbeschaffung betrifft die Rechtsetzungsverfahren der europäischen Kommission. Das Hanse-Office agiert hier als politisches „Frühwarnsystem“. Dies bedeutet, dass die neuesten Gesetzesvorhaben der Kommission an die Landesverwaltung gemeldet werden, welche dann entscheidet und beurteilt, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen das geplante Gesetzesvorhaben für das Land haben wird. Im Gegensatz zur Ländergemeinschaftseinrichtung Länderbeobachter, welcher alle länderrelevanten Informationen sammelt, beschränken sich die Ländervertretungen lediglich auf die Informationen die für ihr jeweiliges Land von Interesse sind. Dieser Umstand macht sie deutlich effizienter (vgl. Burgsmüller, 2003, 25f). Wenn die Länder nicht negativ von einer geplanten Maßnahme getroffen und die Chance wahren möchten für sie negative Maßnahmen abzuwehren oder selbst an Entscheidungen gestaltend teilzunehmen, sind frühzeitige Informationen über diese Vorhaben unerlässlich (vgl. Knodt et al., 2009, 129). Legislative Entwicklungen auf EU-Ebene sollten daher bereits erfasst sein, bevor die Europäische Kommission ihren Legislativvorschlag verabschiedet und selbstverständlich auch deutlich vor dem Bundesratsverfahren, welches erst nach dem Kommissionsbeschluss beginnt. Es fällt sehr schwer Entscheidungsprozesse im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament durch die Organisation entsprechender Mehrheiten aufzuhalten, wenn der Kommissionsvorschlag erst einmal ergangen ist (vgl. Löwe, 2013, 67).

Eine weitere wichtige Aufgabe ist das Informieren und die Hilfe für potenzielle Antragsteller über die Möglichkeiten der finanziellen Förderung durch die EU. Hierbei werden Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen über Ausschreibungen in Kenntnis gesetzt und auf dem Weg zur Antragstellung begleitet und beraten. In den letzten Jahren fand mit großem Erfolg in diesem Bereich eine zunehmende Professionalisierung in den Ländern statt. So konnten nicht nur universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen von der zunehmenden Europäisierung der Forschungs- und Technologiepolitik profitieren, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen. Der Erfolg ist hier in starkem Ausmaß davon abhängig, ob in den Landesvertretungen Ansprechpartner sitzen, welche Kontakte in die Kommission herstellen können. Dies ist für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes von großer Bedeutung (vgl. Knodt et al., 2009, 129 f.).

Die Hanse-Office kann auch als ein „Übersetzer“ und „Brückenbauer“ zwischen Brüssel und Hamburg betrachtet werden. Es hilft dabei Prozesse und Entscheidungen auf EU-Ebene transparent zu machen und erläutert dabei mögliche Wege der Einflussnahme auf diese Prozesse. Damit regt das Hanse-Office zur aktiven Beteiligung am europäischen Willensbildungsprozess an. Durch die Organisation von Kabinettsitzungen der Landesregierung in Brüssel, Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte und Mitarbeiter der Landesressorts und deren nachgeordneten Einrichtungen, sowie durch Hospitationen und Ausbildung von Nachwuchskräften, kann die Europakompetenz in den Landesverwaltungen gestärkt werden und aufzeigen warum europäische Entscheidungen für das tägliche Verwaltungshandeln von Relevanz sind (vgl. Löwe, 2013, 69.).

3.3.2 Lobbying für regionale Angelegenheiten bei der EU

Eine weitere zentrale Aufgabe des Hanse-Office ist, Einfluss auf europäische Entscheidungsprozesse zu nehmen. Da eine Einflussnahme auf Entscheidungen unwahrscheinlich ist, wenn keine aktuellen Informationen zum Verhandlungsstand und den Kompromissmöglichkeiten vorliegen, hängt die Informationsfunktion eng mit den Chancen der Einflussnahme zusammen (vgl. Knodt et al., 2009, 130). Um auf europäische Entscheidungsprozesse einwirken zu können, hat das Hanse-Office ein großes Netzwerk an Kontakten weit in die europäischen Institutionen, besonders in die Kommission und das EU-Parlament, aufgebaut. Auf diese Weise können die Interessen Hamburgs in die EU getragen werden (vgl. Hanse-Office). Die Kommission stellt dabei den ersten Anlaufpunkt für das Hanse-Office dar. Dies ist vorrangig auf das vertraglich zugesicherte Initiativmonopol der Kommission zurückzuführen, mit dem sie einen starken Einfluss auf die zentrale Phase des Entscheidungsprozesses nimmt (vgl. Schenderlein, 2015, 73). Es werden vier Phasen von Entscheidungsprozessen unterschieden: 1. policy initiation, 2. decision making, 3. implementation und 4. adjudication (vgl. Knodt / Große Hüttmann, 2005, 230). Das Hanse-Office versucht so früh wie möglich in den Entscheidungsprozess einzugreifen um Einfluss nehmen zu können. Dies gilt bis zur Phase des decision making. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Kommissionsvorschläge noch variabel und beeinflussbar (vgl. Schenderlein, 2015, 75). Im Idealfall setzt die Einflussnahme schon früh in der Vorphase des Entscheidungsprozesses auf europäischer Ebene an. Das ist darin begründet, dass viele Länder Landesbeamte in die Kommission entsenden und dadurch über ein ausgebautes Netzwerk an Informationsquellen und direkten Ansprechpartnern verfügen (vgl. Knodt et al., 2009, 131). Zu diesen direkten Ansprechpartnern sind alle Dienststellen zu zählen, welche für die Länderbelange von großer Bedeutung sind. Dazu zählen Mitarbeiter die für das jeweilige Bundesland zuständig sind, Mitarbeiter in den Kabinetten und die nationalen Experten, die aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten in die Kommission geschickt werden (vgl. Schenderlein, 2015, 108). Doch auch die Kommission profitiert von der Zusammenarbeit mit den Landesvertretungen. So bekommt die Kommission im Informationsaustausch mit den Landesvertretungen Fachinformationen zugespielt, welche sie gut gebrauchen kann, da es für die Kommission nahezu unmöglich ist die Verhältnisse in den 27 Mietgliedstaaten mit seinen 350 Millionen Einwohnern und seinen regionalen Besonderheiten rechtlicher und wirtschaftlicher Art im Detail zu kennen. Noch wichtiger erscheint aber der Umstand, dass die Länder in Deutschland mit ihren Verwaltungen für die Umsetzung von EU-Recht verantwortlich sind und daher ihr Spezialwissen über Implementationsfragen zur Verfügung stellen können. Oft versucht die Kommission sich in diesen Fragen direkt an die Landesverwaltungen zu wenden. Dies ist allerdings häufig mit Kommunikationsschwierigkeiten verbunden. In diesen Fällen nehmen die Landesvertretungen die Rolle des Mediators zwischen Kommission und Landesverwaltung ein, da sie beide Seiten gut kennen (vgl. ebd., 108). Zusammenfassend für die Einflussnahme auf die Kommission kann festgehalten werden, dass die Landesvertretungen grundsätzlich zwei Strategien verfolgen: Sie geben der Kommission Anregungen zum Tätigwerden und zum anderen werden sie vorstellig, wenn in den Kommissionsdienststellen erste Anzeichen für eine neue Kommissionsinitiative erkennbar werden, bei der die Berührung von Interessen des eigenen Landes erkennbar ist. Für die Kommission ist der Informationsaustausch interessant und hilfreich, da sie so externen Sachverstand zu Rate ziehen kann (vgl. Burgsmüller, 2003, 27).

Auch die Einflussnahme der Landesvertretungen auf das Europäische Parlament hat in den letzten Jahren, bedingt durch die wachsenden Entscheidungsbefugnisse des Europäischen Parlaments, stark zugenommen (vgl. ebd., 29). Naturgemäß kommt der Kontaktpflege zu den Europaabgeordneten des eigenen Landes eine besondere Bedeutung zu. Hier findet ein gegenseitiger Informationsaustausch statt, bei dem die Landesvertretungen über aktuelle Entwicklungen im Europäischen Parlament mit seinen Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Fraktionen unterrichtet werden. Im Gegenzug werden die Parlamentarier über aktuelle Sachstände und Positionen des Landes, der Fachministerkonferenz und des Bundesrates informiert. Dies ist für die Abgeordneten sehr hilfreich, da sie selbst über keinen größeren Verwaltungsapparat für ihre Informationsbeschaffung verfügen (vgl. Löwe, 2013, 67). Da jedoch mit den Europaparlamentariern des eigenen Landes schwer eine Mehrheit gewonnen werden kann, ist der gezielte Kontakt zu Europaabgeordneten, welche für ein bestimmtes Rechtsetzungsverfahren die Rolle des Berichterstatters innehaben, von großer Bedeutung. Häufig beeinflussen diese Berichterstatter mit ihren Empfehlungen das Abstimmungsverhalten in ihren Ausschüssen und später auch in der Plenarversammlung (vgl. Burgsmüller, 2003, 29). Auch bei der Einflussnahme auf das Europäische Parlament greifen die Landesvertretungen ein, wenn die Programmformulierung im Willensbildungs- und Entscheidungsprozess noch nicht fertig abgeschlossen ist. Auch hier gilt, je früher auf den Entscheidungsprozess Einfluss ausgeübt werden kann, desto größer sind die Erfolgsaussichten (vgl. Schenderlein, 2015, 74).

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Hamburgs Einfluss auf Entscheidungsprozesse in der EU
Untertitel
Die Funktionen des Hanse-Office für Hamburg
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Hamburg: Kommune und Stadtstaat im deutschen und europäischen Mehrebenensystem
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V437491
ISBN (eBook)
9783668777118
ISBN (Buch)
9783668777125
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hanse-Office, EU-Politik, Mehrebensystem, Länderpolitik EU
Arbeit zitieren
Bachelor of Science Björn Arne Schnurr (Autor:in), 2018, Hamburgs Einfluss auf Entscheidungsprozesse in der EU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437491

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