Wilhelm von Ockham ist einer der großen Denker des Spätmittelalters und Autor zahlreicher Schriften zum Armutsstreit, zum Papsttum, zum Verhältnis von Kirche und Kaiser. Mit seiner Flucht vom Papsthof in Avignon an den kaiserlichen Hof zu Ludwig dem Bayern, wo er als Berater tätig wird, enden jedoch die theoretischen und beginnen Ockhams sozial-politische Texte. Allerdings setzt keine prinzipielle Veränderung, sondern vielmehr eine Wende in der Zielsetzung der Schriften ein. Die theoretischen Thesen, für ein gelehrtes Publikum bestimmt, werden übertragen auf praktisch-politische Fragen sowohl kirchenrechtlicher als auch sozialer Natur.
Ein Gutachten aus dieser Zeit ist die „Consultatio de causa matrimoniali", mit der Ockham auf die sogenannte „Maultaschaffäre“ am Hofe Ludwigs des Bayern reagiert. Es behandelt die Frage, ob der Sohn des Kaisers mit der Herzogin Margarethe von Tirol vermählt werden darf. Der Text bietet ein exzellentes Beispiel für die Beratertätigkeit des Franziskaners am Hofe Ludwig des Bayern, auch wenn der Vorschlag letztendlich nicht umgesetzt wird. Eine Analyse dieser Schrift zeigt, wie sehr Ockham auch in sozialpolitischen Texten seinen Thesen treu bleibt und wie es ihm gelingt, Theorie in die Praxis zu übertragen. Mit der „Maultaschaffäre“ eröffnet sich dem Forscher ein konkret belegbarer, tagespolitischer Fall, der relativ gut dokumentiert ist – abgesehen davon, dass sein Ende nicht wirklich bekannt ist –, an dem sich die Vermischung von politischer Theorie und Praxis ablesen lassen. Sie stellt beispielhaft dar, wie das Bedürfnis des Spätmittelalters, Legitimität zu konstruieren, umgesetzt worden ist.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine angemessene Darstellung des Gutachtens von Ockham zu erarbeiten. Nachdem die Ausgangssituation um die „Maultaschaffäre“ genauer erläutert worden ist, wird die "Consultatio" ausführlich besprochen, da sich in der Forschung bislang keine wirklich intensive Textanalyse findet. Daran anschließend ist zu untersuchen, inwieweit die verbreitete Deutung dem eigentlichen Schriftstück gerecht wird, denn in den meisten Fällen erfolgt keine eingehende Auseinandersetzung mit dem Original. Ockhams Lösungsvorschlag, den er in seinem Gutachten entwickelt, verdient eine eingehendere Betrachtung, als sie ihm bislang widerfahren ist, zumal die von ihm unterbreitete Antwort nicht so eindeutig ist, wie sie meist dargestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Die Eheaffäre der Margarete „Maultasch“.
- Die Gutachten über die „Maultaschaffäre“.
- Wilhelm von Ockham: Consultatio de causa matrimoniali
- Ockhams Gutachten: Consultatio de causa matrimoniali
- Einordnung der Consultatio in die Theorie Ockhams
- Ergebnis der Consultatio.
- Die „Lösung“ der Ehefrage durch Kaiser Ludwig den Bayern…
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Consultatio de causa matrimoniali von Wilhelm von Ockham, einem Gutachten, das der Philosoph für Ludwig den Bayern im Zusammenhang mit dem Ehestreit zwischen Margarete von Tirol und Johann Heinrich von Böhmen-Luxemburg verfasste. Ziel ist es, das Gutachten von Ockham im Kontext der „Maultaschaffäre“ zu analysieren und seine theoretischen Grundlagen aufzuzeigen.
- Die „Maultaschaffäre“ und ihre Hintergründe
- Die Consultatio de causa matrimoniali als Beispiel für Ockhams sozialpolitisches Denken
- Die Einordnung der Consultatio in Ockhams Gesamtwerk
- Die Rolle von Ockham als kaiserlicher Gutachter
- Die Deutung des Gutachtens in der Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Wilhelm von Ockham und sein Werk im Kontext der politischen und kirchenrechtlichen Auseinandersetzungen seiner Zeit vor. Sie führt in die Thematik der „Maultaschaffäre“ ein, wobei die schwierige Situation von Margarete von Tirol als Landeshauptmann und die Probleme ihrer Ehe mit Johann Heinrich von Böhmen-Luxemburg beleuchtet werden.
Das zweite Kapitel geht detailliert auf die „Maultaschaffäre“ selbst ein und beschreibt die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen des Ehestreits. Die Quellenlage und die verschiedenen Perspektiven der Zeitzeugen werden analysiert, um ein umfassendes Bild des Skandals zu zeichnen.
Kapitel drei analysiert Ockhams Consultatio de causa matrimoniali. Es werden die Argumentationslinien des Gutachtens beleuchtet und der theoretische Kontext, in dem Ockham seine Ausführungen verortet, dargestellt. Der Fokus liegt auf der Frage, wie Ockham seine philosophischen und politischen Thesen in die konkrete Situation des Ehekonflikts überträgt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Themen wie mittelalterliche Rechtsphilosophie, Eherecht, Kirchenrecht, politische Theorie, Wilhelm von Ockham, Ludwig der Bayer, Margarete von Tirol, „Maultaschaffäre“, Consultatio de causa matrimoniali, sozialpolitische Schriften und Gutachten.
- Arbeit zitieren
- M. A. Simone Kraft (Autor:in), 2003, Die "Maultaschaffäre" - Wilhelm von Ockham als Gutachter am Hofe Ludwigs des Bayern. Ockhams Schrift "Consultatio de causa matrimoniali", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43774