Ortrud Gutjahr bezeichnet Franz Grillparzers Tragödie Medea als eine „Tragödie der Interkulturalität“, welche allerdings scheitert. Zwar agieren zwei unterschiedliche Kulturen miteinander, doch es kommt nicht zur Herausbildung einer gemeinsamen Zwischenkultur. Um in Griechenland aufgenommen zu werden, unterdrückt die Titelfigur Medea ihre kolchische Identität und versucht sich vollkommen an die griechische Kultur anzupassen. Doch dieses Vorhaben scheitert: Medea gelingt es einerseits nicht ihre kolchische Identität abzulegen, andererseits wird sie zum Spielball griechischen Machtstrebens. Der versuchte Assimilationsprozess führt Medea in die Isolation und veranlasst sie zum Mord an Kreusa sowie ihren eigenen Kindern. Grillparzer entschloss sich zur Neubearbeitung des griechischen Mythos Das goldene Vlies, da ihn „der Charakter der Medea und die Art und Weise interessierte, wie sie zu der für eine neuere Anschauungsweise abscheulichen Katastrophe geführt wird.“ Dabei legte er einen besonderen Fokus auf den kulturellen Gegensatz von Griechen und Barbaren. Medea repräsentiert in der Tragödie das Barbarentum, während Jason, Kreon und Kreusa auf unterschiedliche Weise das Griechentum verkörpern. Mit dem Gegensatz dieser beiden Kulturen im dritten Teil der Trilogie, der Medea, beschäftigt sich auch die vorliegende Arbeit. Es wird untersucht, ob sie einander tatsächlich so kontrastiv gegenüber zu stellen sind, wie der kulturelle Gegensatz Medeas Integrationsversuch in Griechenland beeinflusst und schlussendlich scheitern lässt. Trotz ihrer Bemühungen gelingt es Medea nicht, in die griechische Gesellschaft aufgenommen zu werden, was sie zur tragischen Figur macht. Es stellt sich die Frage, ob Medeas Andersartigkeit, also ihre Fremdheit für die Griechen, ihre Integration verhindert. Die Arbeit steht somit unter folgender Leitfrage: Wird Medea aufgrund ihrer Andersartigkeit zur tragischen Figur? Der theoretische Teil erläutert Grillparzers Tragik-Konzept, wobei der Fokus auf dem Schicksalsbegriff und der Figurenkonzeption liegt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grillparzers Tragik-Konzept
- Barbaren und Hellenen
- Allgemeine Unterscheidung
- Gegenüberstellung bei Grillparzer
- Medea, die Kolcherin, Magierin und Mörderin
- Äußere Einflüsse
- Jason, der unbedachte Abenteurer
- Kreon, der humane König
- Kreusa, die naive Griechin
- Die Kinder, der letzte Bezugspunkt
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Franz Grillparzers Tragödie „Medea“ im Hinblick auf die Frage, ob die Titelfigur aufgrund ihrer Andersartigkeit zur tragischen Figur wird. Im Zentrum steht die Analyse des kulturellen Gegensatzes zwischen Barbaren und Hellenen, welcher den Integrationsversuch Medeas in die griechische Gesellschaft beeinflusst und letztendlich scheitern lässt. Die Arbeit beleuchtet, wie Medeas kolchische Identität im Spannungsfeld zwischen Integration und Ausgrenzung agiert.
- Grillparzers Tragik-Konzept und seine Anwendung in „Medea“
- Der kulturelle Gegensatz zwischen Barbaren und Hellenen in der Antike und bei Grillparzer
- Medeas kolchische Identität und ihre Auswirkungen auf ihre Integration in die griechische Gesellschaft
- Die Rolle von Jason, Kreon und Kreusa im Kontext von Medeas Schicksal
- Die Tragik von Medeas gescheitertem Integrationsversuch und ihre Folgen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und erläutert die These, dass Medeas Andersartigkeit als Kolcherin ihre Integration in die griechische Gesellschaft verhindert. Kapitel 2 beleuchtet Grillparzers Tragik-Konzept, insbesondere die Bedeutung des Schicksals und der Figurenkonzeption. Kapitel 3 analysiert den kulturellen Gegensatz zwischen Barbaren und Hellenen in der Literatur und im Kontext von Grillparzers „Medea“. Kapitel 4 und 5 konzentrieren sich auf die Analyse der Tragödie, wobei Kapitel 4 Medeas innere Voraussetzungen für die Integration untersucht und Kapitel 5 die Einflussnahme von Jason, Kreon, Kreusa und Medeas Kindern beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen von Franz Grillparzers „Medea“, darunter das Konzept der Tragik, der kulturelle Gegensatz zwischen Barbaren und Hellenen, Integrations- und Ausgrenzungsprozesse, sowie die Rolle der Andersartigkeit in der Konstruktion von Identität und Schicksal. Weitere relevante Begriffe sind die Kolchische Kultur, die griechische Gesellschaft, Assimilation, Isolation, Mord, und das Schicksal der Titelfigur.
- Quote paper
- Caroline Harsch (Author), 2014, Medea. Tragische Figur durch Andersartigkeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437817