Ökonomische Analyse verschiedener Studien über den Einfluss der Klassengröße auf den Bildungserfolg von Kindern


Bachelorarbeit, 2016

62 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung
1.1 Problem
1.1.1 Definition Kinder
1.1.2 Definition Bildungserfolg
1.1.3 Modell
1.2 Methodik

2 Quantitative Studien
2.1 Signifikant positive Effekte einer kleinen Klassengröße
2.1.1 Projekt Prime Time in Indiana
2.1.2 Tennessee STAR
2.1.3 Langfristige Studien
2.2 Keine signifikant positiven Effekte einer kleinen Klassengröße
2.2.1 Das landesweite Mandat in Florida
2.2.2 Hoxbys Methode
2.3 Third International Mathematics and Science study (TIMSS)
2.4 Zusammenfassung des Forschungsstandes
2.4.1 Allgemeiner Überblick: Hanushek’s vote counting summaries
2.4.2 Mögliche Effekte einer kleinen Klassengröße

3 Interviewanalyse
3.1 Klassengröße aus Lehrersicht
3.2 Klassengröße aus Schülersicht

4 Zusammenfassung der Ergebnisse

5 Diskussion
5.1 Kosten-Analyse
5.1.1 Kosten-Nutzen-Analyse
5.1.2 Kosteneffektivität
5.2 Andere Unterrichtsmethoden in kleinen Klassen?
5.3 Politikimplikationen

6 Fazit und Ausblick

Anhang

Lehrerinterviews

Schülerinterviews

Möglichkeiten in kleinen Klassen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kausalität Klassengröße - Bildungseďolg

Abbildung 2: Lernerfolge von weißen Kindern und Kindern aus Minderheiten

Abbildung 3: Zusammenfassung von Hanusheks Stimmenzählung

Abbildung 4: Effektgrößen einer Meta-Analyse von Lerneinflüssen

Abbildung 5: Erweiterung des Modells um die Qualität der Lehrkraft

Abbildung 6: Erweiterung des Modells um Qualität der Lehrkraft

Abbildung 7: Unterschiede im Zeitaufwand für unterschiedliche Aufgaben in großen und kleinen Klassen

Abbildung 8: Bildungsgrad Beamtenkinder und Arbeiterkinder

Abstract

Problem der Arbeit ist die Fragestellung, ob die Klassengröße einen Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern hat und mit welchen weiteren Faktoren dies zusammenspielt. Anhand einer ökonomischen Analyse wurden verschiedene quantitative Studien, die einen signifikant positiven Einfluss auf den Bildungserfolg nachweisen können, mit Studien, die keinen signifikant positiven Erfolg finden können, miteinander verglichen. Erweitert wurden diese Erkenntnisse unter dem Einbezug strukturierter Interviews mit LehrerZ-innen und SchülerZ-innen. Obwohl die Einflüsse der Klassengröße seit Jahrzehnten untersucht werden, sind weitere Forschungen aufgrund mangelnder Erkenntnisse noch immer empirisch relevant. Die Ergebnisse zeigen eine Divergenz sowohl zwischen Studien untereinander als auch zwischen Studien und Interviews. Während sich Studien wie das Prime Time Projekt oder das Tennessee STAR Experiment klar für eine kleine Klassengröße aussprechen, fand die Mehrheit der Studien kaum signifikant positive Einflüsse der Klassengröße auf den Bildungserfolg. Die interviewten LehrerZ-innen und SchülerZ-innen zeigen eine starke Tendenz zu kleineren Klassen, da dort die individuelle Förderung besser sei. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde das Modell der Kausalität zwischen der Klassengröße und dem Bildungserfolg um die Lehrerqualität, weitere Einflüsse und externe Faktoren erweitert. Dieses Relationsmodell impliziert eine indirekte Wirkung der Klassengröße auf verschiedene Einflüsse wie Feedback, Motivation oder Gemeinschaft, die sich dann wiederum positiv auf den Bildungserfolg auswirken. Diese Wirkung kann sich allerdings nur entfalten, wenn die Lehrkraft das Potential erkennt und die Unterrichtsmethoden an eine kleine Klasse anpasst. Um den Bildungserfolg von Kindern nachhaltig zu beeinflussen, soll folglich von einer isolierten Betrachtung der Klassengröße abgewichen werden. Um dies zu beweisen sind jedoch weitere Forschungen unabdinglich.

Schlüsselwörter: Klassengröße, Klassengrößenreduktion, Bildungserfolg, Lehrerqualität

1 Einleitung

überfüllte Klassen, Lärm, überforderte Lehrer, schlechte Noten - gerne verteufeln Lehrer/-innen und Eltern eine große Klassengröße und glauben, dass Kinder in kleinen Klassen einen höheren Lernerfolg erzielen als in großen. Die Argumente, die für eine kleine Klassengröße sprechen, scheinen auf den ersten Blick plausibel: Der Lärmpegel wäre geringer, die Schülerinnen könnten sich besser auf eine Aufgabe konzentrieren und interaktiver am Unterricht teilnehmen. Des Weiteren könnten sie stärker mit anderen Kindern der Klasse interagieren und auch die Beziehung zur Lehrkraft wäre persönlicher. Außerdem hätten die Lehrerinnen mehr Zeit sich den individuellen Fragen und Hausaufgaben jedes einzelnen Schülers zu widmen. Insgesamt würden Kinder in kleinen Klassen also intensiver und individueller gefördert werden als in großen und hätten dadurch bessere Noten. Bildungsforscher wie Jürgen Baumert oder Wilfried Bros vertreten die Meinung, dass dem nicht so ist. Der Bildungserfolg in kleinen Klassen wäre genauso groß, wie der in großen Klassen (vgl. Ebel, 2011). Zahlreiche Studien fanden keine Unterschiede im Lernerfolg durch eine Reduktion der Klassengröße. Trägt eine geringe Klassengröße zu einer qualitativ hochwertigen Schulbildung bei oder sind die Effekte eher als gering einzustufen? Ziel dieser Arbeit ist es anhand einer ökonomischen Analyse herauszufinden, ob die Klassengröße einen signifikanten Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern hat. Die kontroversen Meinungen werden hierfür gegenüber gestellt und weiter diskutiert.

1.1 Problem

Im Folgenden wird die Forschungsfrage ,Hat die Klassengröße einen Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern’ näher erläutert. Dazu wird die Frage in einzelne Teile zerlegt und schließlich in ihrer Relation erklärt.

1.1.1 Definition Kinder

Die Fragestellung bezieht sich explizit auf die Auswirkungen auf Kinder. Gesetzlich ist der Begriff Kind nicht geregelt, jedoch werden im juristischen Sprachgebrauch die Menschen als Kinder bezeichnet, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und somit nicht strafmündig sind. Im statistischen Sinne werden als Kinder oft jene Menschen bezeichnet, die selbst noch keine eigenen Nachkommen haben und noch bei mindestens einem Elternteil wohnen (vgl. JuraforumWiki-Redaktion, 2013). Eine weitere Definition hat die Kinderrechtskonvention geprägt. Gemäß Artikel 1 ist ein Kind im Sinne des Übereinkommens ״jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendende Recht nicht früher eintritt“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2015). Bei der Frage, ob sich die Klassengröße auf den Bildungserfolg von Kindern auswirkt, werden Kinder gemäß diesem Übereinkommen betrachtet, da eine genaue Altersdifferenzierung oftmals nicht aufgeführt ist. Es ist allerdings anzunehmen, dass Schülerinnen, die eine Grundschule oder eine weiterführende Schule besuchen unter achtzehn Jahre alt sind oder von der Definition nur geringfügig abweichen. Studien, die sich beispielsweise mit dem Zusammenhang zwischen Klassengrößen und Bildungserfolg an Universitäten oder Berufsoberschulen beschäftigen, werden folglich bei der Untersuchung ausgeschlossen, da die Teilnehmer dieser Studien üblicherweise älter als achtzehn Jahre alt sind.

1.1.2 Definition Bildungserfolg

Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, ob die Klassengröße einen Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern hat. Um dies genauer erörtern zu können, ist eine Definition der Fragenkomponente Bildungserfolg notwendig. Traditionell wird Bildung als erarbeitende und aneignende Auseinandersetzung mit der Welt und als Selbstverwirklichung des Menschen verstanden, die Selbstentfaltung und Emanzipation ermöglicht (vgl. Büchner, 2003). Vor allem sind es jedoch staatlich anerkannte Bildungsabschlüsse, die einen langfristigen Bildungserfolg darstellen und sich somit von punktuellen Schulleistungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmten Fächern gemessen wurden, abgrenzen (vgl. Diefenbach, 2008). Folglich bezieht sich Bildung heutzutage größtenteils auf die institutionelle Bildung an Schulen, Universitäten et cetera, was auch als formale Bildung bezeichnet wird (vgl. Rohlfs, 2011). Bildungserfolg und Bildungsmisserfolg bestimmen so letztendlich Berufschancen und sozialen Auf- und Abstieg. Jedoch gibt es auch Bildung, die parallel zu den in Schulen vermittelten Inhalten verläuft und in dieser Definition nicht einbezogen werden (vgl. Grundmann, 2003). Dies wird auch als non­formale Bildung bezeichnet und findet außerhalb der formalen Institutionen des Bildungssystems statt, beispielsweise in Sportvereinen oder im Nachhilfeunterricht. Im Vordergrund steht hierbei die freiwillige Teilnahme. Eine weitere Form der Bildung, die sich beiläufig mehr als Prozess entwickelt, ist die informelle Bildung. Lernen geht dabei spontan vom Individuum aus und vollstreckt sich ungeplant und unkritisch-reflektiert. Im informellen Kontext unterliegt Bildung folglich keiner Steuerung oder formalen Vorgaben und ist nicht zielgerichtet, sodass auch keine Zertifizierung der Bildung möglich ist (vgl. Rohlfs, 2011). In der Problemstellung der Arbeit werden non-formale und informelle Bildung vernachlässigt, da sich die Fragestellung explizit auf formale Bildung in Schulen konzentriert. Bildungserfolg wird in den vorgestellten Studien hauptsächlich durch Testergebnisse gemessen. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Ergebnisse auf andere Einflüsse zu prüfen, um mögliche Verzerrungen auszuschließen. Beispielsweise kann es Vorkommen, dass ein Schüler beziehungsweise eine Schülerin stark im non-formalen Bildungsbereich involviert ist und sich so schulische Leistungen unabhängig von der Klassengröße verbessern.

1.1.3 Modell

Die Theorie der Arbeit impliziert, dass Kinder in kleinen Klassengrößen bessere Ergebnisse erzielen als Kinder innerhalb großen Klassengrößen. In Rückbezug auf die allgemeine Forschungsfrage lautet das Flypothesenpaar folglich:

Ho: Die Klassengröße hat keinen positiven Einfluss auf den

Bildungserfolg von Kindern.

H1: Die Klassengröße hat einen positiven Einfluss auf den

Bildungserfolg von Kindern.

Die Klassengröße stellt die unabhängige Variable dar, die exogen gegeben ist und auf die abhängige, endogene Variable - den Bildungserfolg - wirkt (vgl. Abbildung 1). Geprüft wird somit, ob eine Kausalität zwischen der Klassengröße und dem Bildungserfolg besteht. Zu beachten ist, dass die abhängige und die unabhängige Variable durch andere exogene Variablen verändert werden könnten und so eine Verzerrung der Ergebnisse verursachen könnten. Der Bildungserfolg könnte, wie bereits in 1.1.2 erwähnt, durch non-formale oder informelle Bildung beeinflusst werden. Es ist also möglich, dass der höhere Erfolg nicht auf eine kleinere Klassengröße zurückzuführen ist, sondern auf eine beispielsweise aktive Beteiligung im Sportverein, in dem Disziplin und Ehrgeiz gefördert werden. Dies kann sich folglich auch auf das Lernverhalten des Kindes auswirken. Auch die Klassengröße ist beispielsweise durch staatliche Eingriffe oder Entscheidungen der Schule, extern beeinflussbar. So könnten zum Beispiel schwächere Schüler einer kleineren Klasse zugeteilt werden und stärkere größeren Klassen. Die Effekte wären so nicht mehr vergleichbar und aussagekräftig. In der folgenden Literaturanalyse ist es wichtig, auch andere exogene Beeinflussungsfaktoren zu prüfen, sofern diese in der Studie erkennbar sind. Anhand einer Literaturanalyse und Sammlung eigener Daten wird geprüft ob die Nullhypothese abgelehnt werden kann (vgl. Bryman & Bell, 2015).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kausalität Klassengröße - Bildungseďolg.

Bildungserfolg

1.2 Methodik

Um der Forschungsfrage auf den Grund zu gehen, wurden anhand der Suchportale PRIMO und Google Scholar, Studien zum Einfluss der Klassengröße auf den Bildungserfolg von Kindern gesucht. Relevant waren hierbei lediglich quantitative Studien. Qualitative Studien wurden aufgrund mangelnder empirischer Relevanz, ausgeschlossen. Anschließend wurden diese hinsichtlich ihrer Ergebnisse unterteilt. Um Zusatzinformationen zu sammeln, wurden zusätzliche Interviews sowohl mit Lehrkräften als auch mit Schüler/-innen durchgeführt. Dabei wurden insgesamt drei Lehrkräfte einer Mittelschule, eine Lehrkraft eines Gymnasiums, drei Schülerinnen und drei Schüler einer 12. Klasse Gymnasium näher zu der Thematik über unterschiedliche Klassengrößen befragt. Grund für die Auswahl genau dieser Schülerinnen ist die Annahme, dass sie durch ihre fast abgeschlossenen Schulbildung und ihrer einhergehenden Reife ihre Erfahrungen hinsichtlich des Einfluss der Klassengröße ausreichend reflektieren können. Da es sich bei den Interviews nur um unterstützendes, qualitatives Material handelt, wurde die Zahl der Interviewten relativ klein gehalten. Die bestehende Literatur und die Ergebnisse der Interviews werden zunächst analysiert und anschließend im Hinblick auf eine Beantwortung der Forschungsfrage kritisch diskutiert. Anhand dessen werden mögliche Politikimplikationen gegeben.

2 Quantitative Studien

Im folgenden Kapitel werden Studien betrachtet, die sich auf eine quantitative Analyse anhand von Testergebnisse stützen. Dabei werden Studien, die signifikant positive Ergebnisse hervorbrachten und welche, die keine signifikant positiven Ergebnisse hervorbrachten, differenziert. Näher untersucht werden das Projekt Prime Time in Indiana, das Tennessee STAR Experiment und darauf aufbauende Studien, eine Studie aus Florida und Hoxbys Methode. Am Ende des Kapitels werden Ergebnisse verschiedener Länder verglichen und ein allgemeines Fazit zum aktuellen Forschungsstand gezogen.

2.1 Signifikant positive Effekte einer kleinen Klassengröße

2.1.1 Projekt Prime Time in Indiana

Der amerikanische Staat Indiana führte 1981 ein zweijähriges Programm ein, das den Auswirkungen reduzierter Klassengrößen nachgehen sollte. Hierbei wurde zunächst das Schüler-Lehrer Verhältnis auf 14:1 in 24 verschiedenen zweiten Klassen festgelegt. Nach zwei durchgeführten Semestern, die positive Effekte auf Lese- und Mathematikkenntnisse der Schüler/innen aufweisen konnten, wurde das Programm als Projekt Prime Time schließlich durch das Indiana state Department of Education auf den ganzen Staat ausgeweitet. Die erste Phase des Projekts begann 1984 und dauerte bis 1985 und beinhaltete ausschließlich erste Klassen mit einer durchschnittlichen Klassengröße von 18 Kindern. In der zweiten Phase, von 1985 bis 1986 wurde es auf die zweiten Klassen erweitert und 1986 bis 1987 schließlich auf die dritten Klassen (vgl. Bain & Achilles, 1986). Ziel der Studie war es Effekte des Prime Time Projekts auf Lese- und Mathematikkenntnisse von Zweitklässlern, die zwei Jahre lang in einer kleinen Klasse unterrichtet wurden, zu untersuchen (vgl. McGiverin et al., 1989).

Für die Meta-Analyse werden Daten von sechs zufällig ausgewählten Schulen erfasst. Diese Ergebnisse werden mit drei anderen zufällig ausgewählten Schulen, die keine Erfahrungen mit einer Klassengrößenreduktion machten, verglichen (vgl. McGiverin et al., 1989). Die zufällige Auswahl der Schulen minimiert die mögliche Verzerrung der unabhängigen Variable, die durch Externalitäten auftreten kann (vgl. Bryman & Bell, 2015). Die ausgewählten Untersuchungen stützen sich auf die erreichten Mittelwerte des ,Cognitive Abilities Tesť, der ,Iowa Tests of Basic Skills’ und des ,Stanford Achievement Tesť, welche drei unterschiedliche Leistungsprüfungen darstellen. Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen auf, dass sich die schulischen Leistungen von Kindern in Prime Time Klassen, die zwei Jahre in kleinen Klassen unterrichtet wurden, um eine Standardabweichung (SD) von 0.34 verbessert haben, was einem pädagogisch signifikanten Wert entspricht. Die Vergleichsgruppe hingegen erreicht einen nicht signifikanten Wert von -0.15 SD1. Auf Grundlage dieser Ergebnisse kommen die Autoren zum dem Schluss, dass kleinere Klassen signifikant höhere Testergebnisse erzielen als ihre Kohorten in größeren Klassen (vgl. McGiverin et al., 1989).

Da es unklar ist, ob kleine Klassen über den ganzen Schultag klein gehalten wurden, ist es fraglich, ob die verbesserten Leistungen wirklich auf die Reduktion der Klassengröße zurückzuführen ist. Des Weiteren wurde Normalerweise wird bei einem Konfidenzintervall von 95% ein Wert größer als 0.25 als signifikant angesehen. Ein Wert größer 0.33 ist allerdings auch pädagogisch signifikant (Wolf, 1986).

die eigentlich festgelegte Klassengröße von 18 Schülern pro Klasse nicht immer eingehalten, sodass die Größe einer kleinen Klasse zwischen 18 und 31 schwankte (vgl. Hattie, 2005). Auch der non-formale Hintergrund der Kinder wurde unzureichend untersucht, weswegen es unklar ist, ob der auftretende Effekt nicht auch auf andere Einflüsse zurückzuführen ist. Folglich existiert eine Notwendigkeit weiterer Forschungen über die Effekte einer Klassengrößenreduktion.

2.1.2 Tennessee STAR

Das Tennessee STAR Projekt ist die einflussreichste Studie in der Klassengrößenforschung. Es wurde inspiriert vom Projekt Prime Time, das in Punkt 2.1.1 genauer beschrieben wurde, und begann 1985 in Tennessee (vgl. Hattie, 2005). Teil der Studie sind 79 Grundschulen in 42 Distrikten. Kindergartenkinder wurden hierbei zufällig Klassen mit einer regulären Größe von 22 bis 26 Schülerinnen, kleinen Klassen mit 13 bis 17 Schüler/­innen, oder Klassen mit Vollzeithilfslehrern/-lehrerinnen zugeordnet. Die Klassen mit Hilfslehrern/-Iehrerinnen unterschieden sich hierbei nicht von regulären Klassen, es wurde lediglich beabsichtigt zu zeigen, dass Schulerfolge lehrerunabhängig seien und nur von der Klassengröße bestimmt werden. Auch Lehrerinnen wurden den verschiedenen Klassen zufällig zugeordnet. Die Einteilung in die einzelnen Klassen wurde bis zur dritten Klasse erhalten (vgl. Nye et al., 2000). Die Randomisierung minimiert hier wiederum die Verzerrung durch externe Effekte (vgl. Bryman & Bell, 2015).

Zweck der Studie ist es, Lernerfolge in Lese- und Mathematikkenntnissen der verschiedenen Klassentypen zu vergleichen und mögliche Rückschlüsse auf den Einfluss der Klassengröße auf den Erfolg der Kinder zu ziehen. Zur Analyse der Ergebnisse wird ein hierarchisches lineares Modell verwendet (vgl. Nye et al., 2000). Im Folgenden werden die wichtigsten Feststellungen genauer erläutert.

Im Durchschnitt erreichten Kinder in kleinen Klassen höhere Testergebnisse im Lesen und Rechnen als Kinder der anderen Klassen, wobei die Unterschiede zwischen allen Klassentypen statistisch signifikant sind (vgl. Finn & Achilles, 1999). Die Ergebnisse zeigen Vorteile in kleinen Klassen von 0.15-0.18 SD für Jahr 1, 0.22-0.27 SD für Jahr 2 und 0.19-0.26 SD für Jahr 3 und 4. (vgl. Hattie, 2005). Auswirkungen auf die Testergebnisse erhöhten sich monoton, je länger sich die Kinder in kleinen Klassen befanden (vgl. Nye et al., 2000). Unterschiede zwischen regulären Klassen und regulären Klassen mit Hilfskraft können nicht festgestellt werden (vgl. Finn & Achilles, 1999).

Interessant ist der Unterschied zwischen Kindern aus Minderheiten und in der Studie so genannten weißen Kindern (vgl. Abbildung 2). Die Lernerfolge von Kindern aus Minderheiten waren von Jahr 1 bis 3 wesentlich höher als die Lernerfolge weißer Kinder (vgl. Hattie, 2005). Folglich ist daraus zu schließen, dass Kinder aus Minderheiten mehr von kleinen Klassen profitieren als weiße Kinder. Grund hierfür könnte sein, dass weiße Kinder aus gebildeteren sozialen Schichten stammen und so bereits im Kleinkindalter im Rahmen des non-formalen und informellen Bildungsbereich Lese- und Rechenkenntnisse erlangen konnten, sodass eine weniger große Steigerung als bei Kindern aus Minderheiten möglich ist.

Abbildung 2: Lernerfolge von weißen Kindern und Kindern aus Minderheiten (Hattie, 2005, s. 391).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kinder, die in den ersten drei Jahren in kleinen Klassen waren, zeigen einen höheren Einsatz in der vierten Klasse - sie ergreifen öfter die Initiative oder strengen sich bei Lernaktivitäten mehr an als Kinder, die vorher in größeren Klassen waren. Weitere Analysen zeigen hierbei auf, dass diese positiven Verhaltensänderungen bestehen bleiben und dadurch in der Zukunft weniger Disziplinmaßnahmen notwendig seien (vgl. Finn & Achilles, 1999).

Diese Ergebnisse implizieren allumfassende positive Auswirkungen einer kleinen Klassengröße, die groß genug sind, um pädagogisch signifikant zu sein. Allerdings beantwortet Projekt STAR nicht alle wichtigen Fragen - beispielsweise beinhaltet die Studie keine Kosten-Nutzen Analyse und es ist zudem unklar, wie genau kleine Klassen zu größeren Lernerfolgen führen (vgl. Nye et al., 2000). Diese Aspekte werden in Punkt 5 der Arbeit genauer erörtert.

2.1.3 Langfristige Studien

Vergangene Studien wie das Prime Time und das STAR Projekt haben gezeigt, dass eine reduzierte Klassengröße zu signifikanten positiven Lernerfolgen führt. Um allerdings herauszufinden, ob diese Fortschritte nur Bestandsaufnahmen waren, ist es notwendig langfristige Studien durchzuführen. Finn et al. (2005) untersuchten dazu, ob der Besuch einer kleinen Klasse in der Grundschule die Wahrscheinlichkeit eines High School Abschlusses erhöht. Dazu haben sie die Teilnehmer des STAR Projekts weiter beobachtet, obwohl das Projekt eigentlich mit Abschluss der dritten Klassen endete. Die Ergebnisse zeigen, dass in einer kleinen Klasse unterrichtenden Kinder, auch bessere Resultate sowohl in allen folgenden Jahren als auch in allen Fächern erzielt haben, als Kinder, die eine große Klasse besucht haben. Des Weiteren erhöht sich für diese Kinder die Wahrscheinlichkeit einen Zulassungstest für das College zu machen für diese Kinder, wobei diese Effekte besonders groß für Kinder sind, die der Minderheit angehören (vgl. Whitmore, 2001). Daraus lässt sich eine starke Relevanz der formalen Bildung für diese Kinder ableiten, da anzunehmen ist, dass sie im non-formalen Bereich wie Familie und Sportverein, keine ausreichende zusätzliche Förderung genießen können. Dies bestätigt die kurzfristigen positiven Effekte von Kindern aus Minderheiten des Tennessee STAR Projekts.

Die High School Abschlussraten steigen monoton mit der Dauer des Besuchs einer kleinen Klassengröße an. Allerdings sind diese Ergebnisse nur für Schüler und Schülerinnen signifikant, die vier ganze Jahre in einer kleinen Klasse waren. Bei einer kürzeren Dauer unterscheiden sich die Ergebnisse nicht von Kindern, die von Anfang an reguläre Klassengrößen besucht haben. Um einen positiven akademischen Effekt zu erzielen, müssen Kinder also für vier volle Grundschuljahre in einer kleinen Klasse lernen (vgl. Finn et al., 2005).

Wilde et al. (2011) beobachteten die Teilnehmern des Projekts bis ins Jahr 2010. Dabei betrachteten sie den Einfluss einer kleinen Klassengröße auf den Besuch einer Hochschule, den Hochschulabschluss und das gewählte Studienfach. Das Resultat der Studie zeigt, dass es für Teilnehmer, die eine kleine Klasse in der Grundschule besucht haben, um 2.7 Prozentpunkte wahrscheinlicher ist, eine Hochschule zu besuchen. Die Wahrscheinlichkeit die Hochschule abzuschließen erhöht sich hierbei um 1.6 Prozentpunkte. Des Weiteren ist es für die Teilnehmer um 1.3 Prozentpunkte wahrscheinlicher, einen Abschluss in einem gut bezahlten Fachgebiet zu erlangen. Diese positiven Effekte sind wiederum stark bei Teilnehmern zu finden, die aus Minderheiten stammten. Dies bestätigt die Relevanz von formaler Bildung für diese Kinder bestätigt wird.

Fredriksson et al. (2013) gingen noch einen Schritt weiter und untersuchten den Einfluss von kleinen Grundschulklassen in Schweden auf das spätere Einkommen. Ergebnisse zeigen, dass sich das Einkommen um 1.2 Prozentpunkte relativ zum Durchschnitt erhöht, wenn die Klassengröße reduziert wird. Der Lohn erhöht sich hierbei um 0.6 Prozentpunkte. Weitere Ergebnisse zeigen, dass der Besuch einer kleinen Klasse allerdings die Wahrscheinlichkeit eine Arbeitsstelle zu finden nicht erhöht. Das erhöhte Einkommen hängt folglich nicht von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit ab, eine Stelle zu finden. Alle Ergebnisse sind hierbei signifikant. Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich das höhere Potential bei Bewerbungen nicht ausreichend signalisieren lässt und so erst im Berufsalltag ersichtlich wird, worauf mit häufigeren Lohnerhöhungen reagiert werden kann. Das Kosten­Nutzen-Verhältnis dieser Studie wird in Punkt 5.1.1 weiter diskutiert.

2.2 Keine signifikant positiven Effekte einer kleinen Klassengröße

2.2.1 Das landesweite Mandat in Florida

Im November 2002 stimmten die Einwohner Floridas in absoluter Mehrheit für eine Änderung ihrer Landesverfassung und forderten so eine universelle Obergrenze für Klassengrößen in Grund- und Sekundarschulen. Ab 2010/2011 sollen nicht mehr als 18 Kinder in Kleinkindergartengruppen und in den ersten drei Klassenstufen der Grundschule sein und nicht mehr als 22 Kinder von der vierten bis zur achten Klasse. Von der neunten bis zur zwölften Klasse soll eine Klasse aus höchstens 25 Schüler und Schülerinnen bestehen. Die durch das Mandat resultierenden Änderungen wurden von der Regierung als kontrovers betrachtet, da es Mehrkosten von etwa vier Milliarden US-Dollar pro Jahr verursachte. 2009 befanden sich nach Durchführung der Florida Klassenreduzierungspolitik im Durchschnitt 18.6 Kinder in einer Klasse, was einer Reduktion seit 2003 von etwa 23.2 Prozentpunkten entspricht (vgl. Chingos, 2012).

Daten für diese Studie stellt das K-20 Education Data Warehouse (EDW) bereit. Diese Daten beinhalten Ergebnisse verschiedener Tests. Die Analyse zeigt, dass vor einer Klassengrößenreduktion die Anzahl der Kinder in Versuchs- und Kontrollgruppe über die Jahre hinweg konstant sind. Nach der Änderung des Mandats ging die durchschnittliche Anzahl von Kindern in einer Klasse in der Versuchsgruppe wie erwartet zurück. Zur weiteren Analyse werden die Testergebnisse des Florida’s Comprehensive Assessment Tests (FCAT) herangezogen. Ergebnisse der Distrikt- und Schulanalysen zeigen einen bestenfalls kleinen positiven Effekt, jedoch gehen die Testergebnisverbesserungen gegen Null. Drei Jahre nach Einführung der neuen Klassengrößenpolitik veränderten sich Mathematikkenntnisse von Kindern in der Mittelstufe gegenüber Vergleichsgruppen nicht, während die Lesekenntnisse sogar nicht signifikant sanken. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Kindern in der Grundschule - Mathematik- und Lesekenntnisse blieben gleich oder waren leicht geringer als die der Vergleichsgruppe. Es ist allerdings problematisch, diese Ergebnisse mit anderen Studien zu vergleichen, da diese den Effekt

der Klassenreduktion nicht mit dem Effekt der Bereitstellung zusätzlicher äquivalenter Mittel vergleichen. Beispielsweise wurden beim Projekt STAR, das in Punkt 3.1.2 erläutert wurde, den Kindern in kleineren Klassen mehr zusätzliche Ressourcen zugesprochen wie den Kindern in großen Klassen. Es ist dadurch unmöglich den Effekt der Klassengrößenreduktion und den Effekt von zusätzlichen Mitteln zu unterscheiden (vgl. Chingos, 2012). Eine Reduktion der Klassengröße führt folglich nicht zu einer Verbesserung von Testergebnissen, jedoch wurden auf Schulbasis positive Veränderungen der nicht-kognitiven Fähigkeiten, wie beispielsweise die Kriminalitäts- und Gewaltrate, festgestellt (vgl. Chingos, 2013).

2.2.2 Hoxbys Methode

Im Rahmen einer quasi-experimentellen Studie untersuchte Hoxby (2000) Klassen in Connecticut, deren Größenvariation auf natürliche Bevölkerungsveränderungen zurückzuführen ist. Die Studie impliziert zwei verschiedene Methoden, die beide ähnliche Ergebnisse lieferten. Die erste Methode betrachtete Veränderungen in der Klassengröße, die auf idiosynkratische Bevölkerungsunterschiede zurückzuführen sind. Die zweite Methode nutzt große Sprünge in Klassengrößen aus, die durch Maximalregelungen ausgelöst wurden. Beispielsweise gäbe es hier bei einer Schülerzahl von 25 nur eine Klasse, während es jedoch zwei bei 26 Kindern gäbe. Anhand dieser beiden Methoden kann keine Beziehung zwischen Erfolg und Klassengröße festgestellt werden. Sowohl kleinste Effekte als auch Effekte, bei denen Kinder aus Minderheiten profitierten, können im Gegensatz zu bereits erläuterten Studien nicht nachgewiesen werden. Ein Vorteil dieser Studie ist, dass Lehrer/-innen und Kinder nicht wussten, dass sie Teil einer Studie sind, sodass ein Bias aufgrund eines veränderten Verhaltens ausgeschlossen werden kann (vgl. Hoxby, 2000). Allerdings zeigt die Studie auch Grenzen auf. Die Prüfungen wurden im Herbst durchgeführt, sodass sich die Schüler/-innen von denen im folgendem Herbst unterschieden. Dies hat zur Folge, dass Hoxbys Ergebnisse auf Null verzerrt werden (vgl. Jepsen & Rivkin, 2009). Dem ist entgegenzuhalten, dass Schulwechsel in Connecticut relativ selten sind, sodass 93% der Kinder im Laufe der Studie auch im nächsten Jahr in derselben Klasse blieben (vgl. Hoxby, 2000).

[...]

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Ökonomische Analyse verschiedener Studien über den Einfluss der Klassengröße auf den Bildungserfolg von Kindern
Hochschule
Universität Passau
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
62
Katalognummer
V438754
ISBN (eBook)
9783668786264
ISBN (Buch)
9783668786271
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klassengröße, Bildungserfolg, Klassengrößenreduktion, Lehrerqualität
Arbeit zitieren
Lisa König (Autor:in), 2016, Ökonomische Analyse verschiedener Studien über den Einfluss der Klassengröße auf den Bildungserfolg von Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438754

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