Die wundertätigen Könige - Das Geschichtsbild von Marc Bloch und der Schule der "Annales"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schule der Annales

3. Die wundertätigen Könige
3.1 Was sind Skrofeln?
3.2 Zusammenfassung von „Die wundertätigen Könige“
3.3 Wie konnten die Menschen so lange an das Wunder glauben?

4. Fazit – Welches Bild von Geschichte entwirft Bloch?

5. Literatur

1. Einleitung

Mit der Veröffentlichung ihrer Zeitung „Annales d’histoire économique et sociale“ läuteten Marc Bloch und Lucien Febvre eine völlig neue Epoche und Art der Geschichtsschreibung ein – die so genannte „Schule der Annales“. Auch wenn die spezielle Methode in der Geschichtsschreibung heute in dieser Form nicht mehr praktiziert wird, so hat diese Methode die Art der Geschichtsschreibung doch entscheidend beeinflusst und revolutioniert.

Marc Blochs Bild von Geschichte wird an seinem Buch „ Die wundertätigen Könige “ am deutlichsten. Bloch untersucht in diesem Werk, dass sich die englischen und französischen Könige fast 800 Jahre lang damit brüsteten, Skrofeln durch bloßes Handauflegen heilen zu können. Bloch fragt letztlich nicht, wie die Heilung möglich war, sondern vielmehr warum die Menschen so standhaft jahrhundertelang an das vermeintliche Wunder glauben konnten.

Die Schule der Annales mit Marc Bloch als eine Art geistigem Vater entwirft ein spezielles Bild von Geschichte, auch wenn sich dieses Bild im Lauf der Jahre etwas geändert hat. Ziel dieser Arbeit ist es, das Geschichtsbild der „Gründerjahre“ um Bloch und Febvre herauszuarbeiten und aufzuzeigen, warum es sich grundlegend vom bis dato geltenden Bild von Geschichte unterschied. Zunächst werde ich die Grundzüge der Schule der Annales darstellen, inklusive deren Grenzen.

Nach einer kurzen Zusammenfassung des Buches werde ich im nächsten Schritt Blochs Argumentation wiedergeben. Abschließend werde ich als Fazit anfügen, welches Bild von Geschichte Bloch in seinem Buch entwirft. Letztlich spiegelt dieses Bild die Ansicht der ersten Anhänger der Schule der Annales um die Gründungszeit wieder.

2. Die Schule der Annales

Die französische Schule der Annales trägt ihren Namen augrund von zwei Tatsachen. Zum einen entleiht diese Schule den Namen von einer im Jahr 1929 erstmals veröffentlichten Zeitschrift mit dem Titel „Annales d’histoire économique et sociale“ von Marc Bloch und Lucien Febvre. Zum anderen bezeichnet der Name eine Bewegung, die sich um diese Zeitschrift gebildet hat. Diese Bewegung verfolgte die Veränderungen und Erneuerungen in der Wissenschaft (Revel 23).

Das Hauptziel der Annales ist es, die sozialhistorische Konzeption grundlegend zu revolutionieren. Die Gründer der Annales erhofften sich, die bis dato eher untergeordneten Sozialwissenschaften mit der etablierten Disziplin der Geschichtswissenschaft zu verknüpfen. Man strebte nach einer problemorientierten und analytischen Geschichtsschreibung, welche auch die Geschichte des menschlichen Handelns betrachtete (Burke 7). Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese Disziplinen getrennt. In Frankreich um die Jahrhundertwende etablierten sich in den Universitäten Fachbereiche wie Geographie, Psychologie, Soziologie und Ökonomie, welche es zwar bereits gegeben hatte, jedoch nicht autark. Der Grund für die Etablierung lag nicht zuletzt daran, dass das gemeine Volk sich zusehends für diese sozialen Wissenschaften interessierte.

Die Selbstbehauptung dieser wissenschaftlichen Interessengebiete wurde durch eine starke gesellschaftliche Nachfrage und durch eine Anteilnahme am „Sozialen“ getragen, die weit über die Universität hinaus ging. (Revel 24)

Bevor die Schule der Annales die Geschichtsschreibung revolutionierte, wurde Geschichte fast ausschließlich in Berichtsform abgefasst, welche politische und militärische Ereignisse in den Vordergrund stellte. Die Annales richten sich daher in erster Linie gegen den so genannten „Historismus“ des 18. Jahrhunderts. Nach der Methode des Historismus sollen sämtliche Ereignisse für sich betrachtet und allein aus der Geschichte selbst erklärt werden. Interdisziplinarität ist ausgeschlossen.

Generell lässt sich die Schule der Annales in drei Generationen einteilen: Die erste Generation bildete sich um Bloch und Febvre in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bis etwa 1945. Diese Gruppe war noch relativ klein, eine „radikale und subversive Gruppe, die einen Guerillakrieg gegen die traditionelle Geschichtsschreibung, gegen die politische Geschichte und die Ereignisgeschichte führte“ (Burke 8). Die zweite Generation hatte Braudel als Vordenker, die dritte Generation bildete sich um Duby, Le Goff und Chartier. Jedoch werde ich mich auf die erste Generation beschränken, da das Bild von Geschichte von Marc Bloch im Vordergrund dieser Arbeit steht.

Der Vorreiter der Soziologie – Emile Durkheim – scheiterte mit seinem Versuch, diese als neue Wissenschaft zu etablieren, da zum einen die nötigen Gelder fehlten und man zum anderen nicht wusste, wie man die neue Wissenschaft organisieren sollte. Durkheim kritisierte die „Oberflächengeschichte“ der alten Geschichtsschreibung, da in keinem Fall die wahre Geschichte der einzelnen Nationen dargestellt wurde (Burke 13). Durkheim plante, sämtliche Sozialwissenschaften zu vereinigen, Henri Berr und Vidal de la Blanche hingegen schlugen vor, interdisziplinär zu arbeiten, wobei die Untersuchungsgegenstände auf gesellschaftliche Fragen und Probleme ausgeweitet werden sollten (Revel 25). Bloch und Febvre teilten die Ansicht von Berr und de la Blanche und nahmen die Soziologie und die übrigen Sozialwissenschaften als Teil der Geschichtswissenschaft, folglich als Sozialgeschichte. Bloch begründet dies folgendermaßen: „Historische Tatsachen sind wesentlich psychologische Tatsachen. Ihre Voraussetzungen haben sie also normalerweise in anderen psychologischen Tatsachen.“ (Bloch 2002: 210). Lucien Febvre war ein Spezialist für das 16. Jahrhundert, Marc Bloch für das Mittelalter. Beide Historiker hatten großes Interesse an historischer Geographie und dachten beide problemgeschichtlich und interdisziplinär.

Der Hauptgegenstand der sozialgeschichtlichen Untersuchung ist der Mensch in der Gesellschaft. In seinem Buch „ Apologie der Geschichtswissenschaft oder Der Beruf des Historikers “ benutzt Bloch hierzu einen passenden Aphorismus: „Dagegen gleicht der gute Historiker dem Menschenfresser im Märchen. Seine Beute weiß er dort, wo er Menschenfleisch wittert.“ (Bloch 2002, 30). Jedoch darf die Sozialgeschichte weder als Gesellschaftstheorie noch als Auffassung von Gesellschaft verstanden werden. Zu Beginn der Sozialgeschichte arbeiteten Bloch und Febvre eng mit der Geographie zusammen, wobei sie ihr Augenmerk gezielt auf bestimmte Landschaften und Regionen richteten (Revel 26). Man war der Ansicht, dass die Komplexität des menschlichen Daseins nur dann erforschbar sei, wenn man sich auf kleinere Landschaften oder Provinzen beschränkt, die so genannte Kleinstgruppenanalyse (Mieck 30).

Nach Meinung von Bloch und Febvre darf die Geschichte nicht als Abfolge verschiedener Ereignisse betrachtet werden, vielmehr bilden diese Ereignisse eine Einheit, da sie untereinander in Verbindung stehen. Burke führt dies wie folgt aus:

Die vorherrschende Form [der Geschichtsschreibung] ist aber schon immer der Bericht von politischen und militärischen Ereignissen gewesen, präsentiert als Geschichte der großen Taten großer Männer – der Feldherren und Könige. Diese dominierende Form wurde erstmals während der Aufklärung ernsthaft in Frage gestellt. (Burke 11)

Diese Verbindungen gilt es mittels der Sozialgeschichte herauszufinden. Die Annales sehen in der Geschichte eine Art „Globalgeschichte“ („historie globale“), in welcher nicht abstrahiert und vereinfacht werden soll, sondern ein unendliches Beziehungs- und Bedeutungsgeflecht herausgearbeitet werden soll. Laut François Simiand muss die Geschichte die Ereignisse als Ganzes betrachten, um als Disziplin ernst genommen werden zu können (Revel 29). Auch Bloch teilt diese Ansicht, er nimmt sogar an, dass man die Geschichte regelrecht rückwärts lesen müsse, um sämtliche Zusammenhänge zu verstehen. Immerhin weiß man heute mehr als noch vor etwa 300 Jahren. Bloch bezeichnet dies als die „regressive Methode“ (Burke 28).

Obwohl die Zeitschrift schon 1929 veröffentlicht wurde, wurden die Annales erst nach dem zweiten Weltkrieg bekannt. Die Zeitschrift gilt als die Fachzeitschrift für die Epoche der frühen Neuzeit schlechthin. Sie wurde 1946 umbenannt in „Annales. Économies – Sociétés – Civilisations.“ und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen wie Klimageschichte, historischer Demographie, Medizingeschichte, historischer Psychologie, Familienforschung oder Anthropologie. Einige dieser Themen wurden sogar erstmals in der Zeitschrift problematisiert, so Mieck:

Keine andere historische Fachzeitschrift weist einen vergleichbaren thematischen Reichtum auf. So gut wie alle Fragen, mit denen sich die Geschichtswissenschaft in den letzten drei bis vier Jahrzehnten auseinandergesetzt hat, sind in den „Annales“ zur Sprache gekommen, ja teilweise hier als Probleme der Geschichtswissenschaft überhaupt erst formuliert und in die wissenschaftliche Debatte geworfen worden. (Mieck 25)

Bis heute werden nach der Annales-Methodik immer noch lange Zeiträume in der Geschichte untersucht („longue durée“). Der Vorteil hierbei liegt in der standardisierbaren und wiederholbaren Vorgehensweisen für Historiker und außerdem in dem Aufzeigen kollektiver Forschungsarbeiten, die sehr umfangreich waren (Revel 34). Gerne wurden außerdem Biographien geschrieben, dabei wurden aber die wirtschaftlichen Verhältnisse und sozialen Strukturen auch in Betracht gezogen (Mieck 30).

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die wundertätigen Könige - Das Geschichtsbild von Marc Bloch und der Schule der "Annales"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für England- und Amerikastudien)
Veranstaltung
Begriffe von Geschichte
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V43885
ISBN (eBook)
9783638415811
ISBN (Buch)
9783638882750
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Doppelter Zeilenabstand
Schlagworte
Könige, Geschichtsbild, Marc, Bloch, Schule, Annales, Begriffe, Geschichte
Arbeit zitieren
Katrin Zielina (Autor:in), 2005, Die wundertätigen Könige - Das Geschichtsbild von Marc Bloch und der Schule der "Annales", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43885

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