Vollzeitpflege. Historische Entwicklung, rechtliche Grundlagen und verschiedene Formen von Pflegefamilien


Seminararbeit, 2016

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlegendes zur Vollzeitpflege
2.1 Historische Entwicklung des Pflegekinderwesens
2.2 Was ist unter Vollzeitpflege zu verstehen?
2.3 Formen von Pflegefamilien
2.3.1 Bereitschaftspflege und Kurzzeitpflege
2.3.2 Dauerpflege
2.3.3 Erziehungsstelle und/oder Heilpädagogische Pflegestellen
2.3.4 Adoptionspflege
2.3.5 Privates Pflegeverhältnis

3. Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen
3.1 Freiwilligkeit und Zwang
3.2 Pflegeerlaubnis gemäß § 44 SGB VIII und Sicherung des Kindeswohls
3.3 Pflegegeld

4. Unterbringung in einer Pflegefamilie
4.1 Aktuelle Zahlen
4.2 Gründe für die Unterbringung in einer Pflegefamilie
4.3 Faktoren, die Einfluss auf die Unterbringung nehmen
4.4 Ziele und Perspektiven der Vollzeitpflege
4.5 Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern

I Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In dieser kurzen Seminararbeit geht es um die Vollzeitpflege. Es wird von der historischen Entwicklung bis hin zum aktuellen Verständnis von der Vollzeitpflege alle wichtigen Fakten erläutert. Ebenfalls wird auf unterschiedliche Formen der Vollzeitpflege eingegangen.

2. Grundlegendes zur Vollzeitpflege

Das folgende Kapitel umfasst allgemeine Informationen rund um das Thema Pflegefamilie. Zunächst wird aufgezeigt, wie das Pflegekinderwesen entstanden ist, und was die heutige Form der Vollzeitpflege beinhaltet. Daran anschließend werden verschiedene Formen der Vollzeitpflege erläutert. Der letzte Teil dieses Kapitels nimmt inhaltlich die Rahmenbedingungen und rechtlichen Grundlagen der Vollzeitpflege ein.

2.1 Historische Entwicklung des Pflegekinderwesens

Die Ursprünge der Fremdbetreuung von Kindern und Jugendlichen lassen sich auf zwei historische Tatbestände zurückführen. So war es erstens bereits im römischen Zeitalter üblich, dass Kinder nicht von ihren leiblichen Eltern, sondern von Ammen aufgezogen wurden. Diese Kultur ist bis ins 20. Jahrhundert hinein zu finden. Die zweite Herkunft lässt sich in der Fürsorge wiederfinden. Hier nahm man sich elternlosen oder ausgesetzten Kindern an und übergab diese in die Fürsorge von Klöstern oder Familien. Die Fürsorgebewegung war auf eine christliche Grundhaltung begründet und sollte die Kinder vor dem sicheren Tod bewahren (vgl. Nienstedt/Westermann 2007, S.271).

Die Pflegekinder im historischen Kontext waren häufig uneheliche Kinder oder stammten aus armen Verhältnissen. So gehörte auch das frühe Pflegekinderwesen der Armenfürsorge an (vgl. Blandow/Ristau-Grzebelko 2010, S. 31). Vor dem 13. Jahrhundert wurden verwaiste Kinder in Hospitälern aufgenommen, etwas später baute die Kirche sogenannte Findel- und Waisenhäuser auf, gleichzeitig entstanden Anstalten für die Unterbringung aus-gesetzter Kinder. Die Kinder wurden von den Hospitälern zum Betteln geschickt und waren sich selbst überlassen, sobald sie alt genug waren ihren „Lebensunterhalt“ durch Almosen zu erbetteln. Im 17. Jahrhundert wurden Kinder in Zuchthäusern untergebracht, in denen sie täglich harte Arbeit verrichten mussten (vgl. Jordan et al. 2012, S. 25 ff.). Im 18. Jahr-hundert sorgten schlechte hygienische Bedingungen und eine daraus resultierende hohe Kindersterblichkeit in den Waisenhäusern für Aufsehen. Auch im 19. Jahrhundert waren die Unterbringungsorte für Kinder geprägt von einer hohen Sterblichkeitsrate, schlechter gesundheitlicher Versorgung, Ausbeutung und harter Arbeit. Erste Änderungen des Pflegekinderwesens erfolgten im 19. Jahrhundert, als der Kinderarzt Taube Ende forderte, für alle unehelichen Kinder einen amtlichen Vormund zu bestellen, was Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Einführung der Amtsvormundschaft umgesetzt wurde (vgl. Faltermeier 2001, S. S. 17 f.). Eine einheitliche Regelung des Pflegekinderwesens entstand 1922 durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Unter anderem wurden die Jugendämter zur Aufsicht der Pflegekinderhilfe bestellt. Ab den 70er Jahren folgten Leistungen für Pflegeeltern und eine Spezialisierung der Pflegekinderdienste. Erst in den 80er Jahren wurde der Herkunftsfamilie eine wichtige Bedeutung zugeschrieben und es wurde begonnen diese ebenfalls zu unterstützen. Im selben Zeitintervall wurden die sogenannten Bereitschaftspflegefamilien geschaffen. Mit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (KJHG) 1991 gewann die Herkunftsfamilie weiter an Bedeutung, weshalb nun bei den Hilfen zur Erziehung vermehrt bei den Kindeseltern angesetzt wurde. Daraus entwickelte sich das heutige Verständnis einer Fremdunterbringung als ultima ratio. Nach Blandow und Ristau-Grzebelko (2010, S. 31 ff.) ergibt sich daraus in der Praxis folgendes Bild: Werden Kinder erst dann fremdunter-gebracht, wenn ambulante Hilfen scheitern, hat dies zur Folge, dass die Kinder zum Zeit-punkt der Unterbringung immer älter sind, sie bereits Erfahrungen aus der Jugendhilfe mit-bringen und häufiger Bindungs- und Verhaltensstörungen aufweisen, wenn der Versuch die Herkunftsfamilie zu unterstützen gescheitert ist. Nachdem dieser Abschnitt aufzeigt, wie sich die Vollzeitpflege bis zur heutigen Zeit entwickelt hat, wird im folgenden Unterpunkt die Hilfeform genauer beschrieben.

2.2 Was ist unter Vollzeitpflege zu verstehen?

Die Vollzeitpflege gemäß § 33 i. V. m. § 27 SGB VIII ist eine Leistung der Jugendhilfe und zählt neben der Heimerziehung zu den stationären Hilfen zur Erziehung (vgl. Jordan et al. 2012, S. 229; vgl. Trede 2009, S.21). Es handelt sich hierbei um eine „Unterbringung, Betreuung und Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses in einer anderen Familie“ (Struck/Trenczek 2013, S.362). Die sorgeberechtigten Eltern haben einen Rechtsanspruch auf diese Hilfe, sofern eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Vollzeitpflege als notwendige und geeignete Hilfe angesehen wird (vgl. Santen/Pluto 2014, S. 530; vgl. Wabnitz 2011, S. 39 f.). Diverse Situationen können dazu führen, dass ein Kind oder Jugendlicher nicht mehr bei seinen leiblichen Eltern leben kann. Explizit werden diese im Kapitel 3.2 aufgeführt. Die Vollzeitpflege bietet Kindern und Jugendlichen einen familiären Rahmen mit Vertrautheit, Normalität, Informalität und beständigen Bezugspersonen. Die Nähe, die dieser familiäre Rahmen bietet, kann jedoch auch Nachteile mit sich bringen, wie beispielsweise „emotio-nale Verstrickungen, die Isolation, die geringen Ressourcen zum Krisenmanagement“ (Trede 2009, S. 22).

Die Unterbringung in einer Pflegefamilie kann laut Gesetzestext (§ 33 SGB VIII) befristet oder auf Dauer erfolgen. Der Übergang von einem befristeten Pflegeverhältnis in ein dauerhaftes kann fließend sein. So kann ein Kind z.B. befristet in einer Bereitschaftspflege oder einer Kurzzeitpflege untergebracht sein und währenddessen ergibt sich der Bedarf eines dauerhaften Pflegeverhältnisses. Andersherum kann ein Kind mit langfristiger Perspektive untergebracht werden und aufgrund verschiedener Bedingungen doch frühzeitig zur Herkunftsfamilie zurückkehren (vgl. Struck/Trenczek 2013, S. 364). Nach dieser ersten Einführung werden im Folgenden unterschiedliche Formen der Vollzeitpflege erläutert.

2.3 Formen von Pflegefamilien

Die Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere das Jugendamt, kann heutzutage auf diverse Formen der Familienpflege zurückgreifen. Sie unterscheiden sich teils in Bezug auf die Unterbringungsdauer, teils in Bezug auf die Zielgruppe oder die Qualifizierung der Pflegeeltern. Ein Kind oder Jugendlicher kann regulär gemäß § 33 i. V. m. §27 SGB VIII untergebracht werden. Es gibt jedoch auch einige andere Paragraphen, unter welchen die Hilfe zur Erziehung durchgeführt werden kann. Zu nennen wäre hier beispielsweise die Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder gemäß § 35a SGB VIII in stationärer Form und eine vorläufige Unterbringung bei einer Pflegefamilie im Rahmen einer Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII (vgl. Kindler 2014, S.123 f.).

Struck (2013, S. 363) verweist darauf, dass mehrere Konstellationen bei der Form einer Pflegefamilie zu berücksichtigen sind. Demnach muss die Jugendhilfe auch unverheiratete Paare oder Einzelpersonen als Pflegepersonen in Betracht ziehen und nicht nur „das klassische Familienmodell“ bevorzugen. Welche Formen der Vollzeitpflege es generell gibt, wird in den folgenden Unterpunkten erläutert.

2.3.1 Bereitschaftspflege und Kurzzeitpflege

Die Bereitschaftspflege übernimmt in Not- und Krisensituation kurzfristig die Betreuung eines Kindes. Dies kann sowohl im Rahmen einer Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII geschehen, als auch regulär gemäß § 33 SGB VIII oder für seelisch behinderte Kinder gemäß

- 35a SGB VIII. Bei der Bereitschaftspflege handelt es sich um eine zeitlich befristete, nur vorübergehende Versorgung des Kindes (vgl. Küfner/Schönecker 2010, S. 54 f.; vgl. Jordan et al. 2012, S. 237). Die Kurzzeitpflegestelle nimmt Kinder auf, wenn die leiblichen Eltern für eine bestimmte Zeit ausfallen, beispielsweise aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes. Die Kinder werden dann für einen Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen in der Kurz-zeitpflege betreut und versorgt (vgl. Ebel 2009, S. 21). Die Kurzzeitpflege wird auch Übergangspflege genannt (vgl. Jordan et al. 2012, S. 238).

2.3.2 Dauerpflege

Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine auf Dauer angelegte Form der Vollzeitpflege. Die Unterbringung von Kindern erfolgt hier mit oder ohne eine kontinuierliche Mitwirkung ihrer leiblichen Eltern (vgl. Jordan et al. 2012, S. 238; vgl. Struck/ Trenczek 2013, S. 364). Jordan et al. (2012, S. 238) zählen auch die Sonderformen der sozialpädagogischen Pflegestellen sowie die Erziehungsstellen zu den Typen der Dauerpflege.

2.3.3 Erziehungsstelle und/oder Heilpädagogische Pflegestellen

Diese Formen der Erziehung außerhalb der Herkunftsfamilie richten sich besonders an Kin-der mit erhöhtem Förderbedarf. Kinder mit auffälligem Verhalten oder starken Entwicklungsbeeinträchtigungen werden seltener in einer „normalen Pflegefamilie“ aufgenommen, sondern aufgrund von zusätzlichen therapeutischen Leistungen meist in eine professionelle Erziehungsstelle oder in eine sozial-, heil- oder sonderpädagogische Pflegefamilie vermittelt (vgl. Struck/Trenczek 2013, S. 365; vgl. Ebel 2009, S. 29 ff). Besonderheit dieser Pflegeformen ist zudem, dass von mindestens einem Pflegeelternteil eine pädagogische oder psychologische Qualifikation gefordert wird (vgl. Ebel 2009, S. 29), welche jedoch „keine zwingende Voraussetzung“ (Struck/Trenczek 2013, S. 365) ist. Die Pflegeeltern erhalten bei diesen Formen der Vollzeitpflege zudem ein höheres Pflegegeld als „normale Pflegefamilien“. Die Unterbringung von Kindern in Erziehungsstellen erfolgt meist nach § 34 SGB VIII. Heilpädagogische Pflegefamilien werden hingegen meist nach § 33 SGB VIII (= Voll-zeitpflege) oder § 35a SGB VIII (= Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) belegt. Die Erziehungsstellen bieten zudem nur Platz für etwa zwei bis drei Kinder. Da die Erziehungsstellen meist in Zusammenarbeit mit freien Trägern oder Träger-vereinen stehen, erfolgt die Belegung über die jeweiligen Träger (vgl. Ebel 2009, S. 30 ff.).

2.3.4 Adoptionspflege

Bei einer Adoptionspflege wird ein Kind von einer Pflegefamilie aufgenommen, die das Kind gerne adoptieren möchte. Rechtlich geregelt ist dieses Pflegeverhältnis im § 8 AdVermG. Es handelt sich hierbei gemäß §1744 BGB um eine rechtlich besonders bestimmte Form eines Pflegeverhältnisses (vgl. Jordan et al. 2012, S.238 f.) und zählt somit nicht zu den Pflegeverhältnissen im Rahmen einer HzE (vgl. Küfner/Schönecker 2010, S. 56). Ziel der Adoptionspflege ist, dass sich das Kind bei seinen potentiellen Adoptionseltern eingewöhnen kann und das Vormundschaftsgericht eine Aussage darüber treffen kann, ob eine Adoption in genau diese Familie dem Kindeswohl entspricht. Das Sorgerecht hat während dieser Pflegeform das Jugendamt inne (vgl. Ebel 2009, S. 23 f.). Näheres zum Thema Adoption wird im zweiten Teil dieser Ausarbeitung behandelt.

2.3.5 Privates Pflegeverhältnis

Das private Pflegeverhältnis meint die Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen bei Ver-wandten – auch Verwandtschaftspflege genannt. Diese Form kann sowohl als Hilfe zur Er-ziehung, als auch unabhängig vom Jugendhilfekontext bestehen (vgl. Struck/Trenczek 2013, S. 363). Damit die Verwandtenpflege als HzE gewährt werden kann, muss vom Jugendamt ein erzieherischer Bedarf festgestellt werden und diese Hilfeform als geeignet und notwendig angesehen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können auch die Ver-wandten gemäß § 39 SGB VIII Leistungen zum Unterhalt erhalten (vgl. ebd.; vgl. Jordan et al. 2012, S. 230).

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Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Vollzeitpflege. Historische Entwicklung, rechtliche Grundlagen und verschiedene Formen von Pflegefamilien
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V439116
ISBN (eBook)
9783668788336
ISBN (Buch)
9783668788343
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vollzeitpflege, Historische Vollzeitpflege, Pflegeeltern, Formen der Familienhilfe, Unterbringen in einer Pflegefamilie, Privates Pflegeverhältnis
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Soziale Arbeit Marimilian Kerber (Autor:in), 2016, Vollzeitpflege. Historische Entwicklung, rechtliche Grundlagen und verschiedene Formen von Pflegefamilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439116

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