Glaubensgewissheit und Anfechtung bei Martin Luther


Referat (Ausarbeitung), 2012

13 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Glaubensgewissheit

3. Anfechtung

4. Diskussion im Seminar: Zweifel - Gewissheit-Anfechtung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Ausarbeitung des Referats ״Glaubensgewissheit und Anfechtung bei Martin Luther“ werden vordergründig die zwei elementaren Begriffe (Glaubens-)Gewissheit und Anfechtung beleuchtet. Dazu werden zunächst allgemeine theologische, dogmatische oder auch philosophische Maßstäbe bedient, woraufhin auf die Verwendung und Bedeutung der Begriffe bei Martin Luther eingegangen wird. Hierbei stehen besonders Teile der Schrift De Servo Arbitrio[1] Luthers im Fokus. Im Anschluss folgt eine kurze Reflexion der Diskussion, welche als Teil des Referats im Seminar stattfand. Hierbei spielte neben den beiden zentralen Begriffen Gewissheit und Anfechtung auch noch der Begriff Zweifel eine Rolle. Abschließend folgt ein Fazit, welche die wichtigsten Punkte des Referatsthemas nochmals zusammenfasst und die Ausarbeitung abrundet.

2. Glaubensgewissheit

Um der Bedeutung der Glaubensgewissheit näher zu kommen, muss zunächst geklärt werden, was allgemein unter Gewissheit verstanden wird und was dieser Begriff genau impliziert. Im philosophischen Kontext wird zwischen zwei Arten der Gewissheit unterschieden: der objektiven und der subjektiven Gewissheit.[2] Die objektive Gewissheit gibt dabei allgemein geltende und feststehende Sachverhalte an: ״Es ist gewiß [sic] (sicher, steht fest), daß [sic] p“.[3] Dahingegen spielt bei der subjektiven Gewissheit lediglich die persönliche Gewissheit eines Erkenntnissubjektes eine Rolle: ״Das Erkenntnissubjekt s ist gewiß [sic] (sicher, überzeugt), daß [sic] p“.[4] Es dürfte somit klar sein, dass es sich bei der Glaubensgewissheit im christlichen Kontext (d.h. bei der christlichen Gewissheit) um eine subjektive Gewissheit handelt, da immer ein Erkenntnissubjekt (der gläubige Mensch) bei der Gewissheitsaussage eine Rolle spielt und keine objektiven, allgemeinen Aussagen getroffen werden können.

Gewissheit wird definiert als das ״Innesein von der Richtigkeit einer Wahrnehmung“[5]. Diese Definition gilt auch für die christliche Gewissheit, da hierbei die Überzeugung der Richtigkeit bestimmter Glaubensinhalte, welche in (persönlichen oder biblischen) Wahrnehmungen wurzeln, Grundvoraus­Setzung ist. Was sind allerdings die grundlegenden Glaubensinhalte, derer der gläubige Mensch sich bewusst ist? Zur Beantwortung dieser Frage bietet es sich an, die christliche Gewissheit in drei Dimensionen einzuteilen: Der Gewissheit des Schöpfungshandelns, des Versöhnungshandelns und des Erlösungshandelns. Das gläubige Erkenntnissubjekt ist sich gewiss, dass es ein gewolltes Geschöpf ist, dessen Ursprung in Gott liegt (Schöpfungs- handeln). Darüber hinaus, dass Gott ihm und allen anderen Gläubigen in seinem gekreuzigten Sohn Jesus Christus und durch den Heiligen Geist Gnade und Wahrheit zeigt (Versöhnungshandeln). Und zuletzt, dass die Geschöpfe Gottes ewig in dessen Gegenwart leben werden (Erlösungs- handeln). Das Innesein von der Richtigkeit (Wahrheit) dieser drei Handelns­dimensionen zwischen Gott und Mensch sind Inhalt der christlichen Gewissheit.[6]

Wie aber wird die christliche Gewissheit in den Schriften Martin Luthers, besonders in De Servo Arbitrio, gesehen? Zunächst einmal sei gesagt, dass die Begriffe Glaubensgewissheit und Heils-/Gnadensgewissheit bei Luther sehr eng miteinander verbunden sind und häufig synonym verwendet werden. Eilert Herms vertritt die These, dass diese Gewissheiten bei Luther ״nur zwei Seiten derselben Sache sind“.[7] Es werden darum im Folgenden immer wieder beide Begriffe in synonymer Verwendung auftauchen, auch wenn sie in der derzeitigen theologischen Diskussion strikt voneinander differenziert werden.[8] Für Luther gehören Glauben und Heilsgewissheit, welche beide als Gabe des Geistes gesehen werden,[9] unverbindlich zusammen: ״Für Martin Luther ist es ein Herzstück der Theologie, daß [sic] der Glaube mit voller Gewissheit des eigenen Heils verbunden ist.“[10] Es wird in Luthers Werken aber auch klar, dass diese Gewissheit dem Gläubigen nicht selbstverständlich immer erhalten bleibt, sondern auch gegen Angriffe verteidigt werden muss. So muss der Mensch häufig gegen Versuchungen und Anfechtungen kämpfen und die Ungewissheit überwinden, um Gewissheit zu erlangen.[11] Gewissheit und Glauben hängen bei Luther so eng zusammen, dass sie sogar als identisch gesehen werden können.[12] In anderen Worten: Glauben gibt Gewissheit und verliert ein Mensch seine Gewissheit im Glauben, so verliert er auch den Glauben.[13]

Im verwendeten Abschnitt von De Servo Arbitrio spricht Luther nur sehr wenig vom gewiss sein (im Sinne von certus), bzw. der Gewissheit. Vielmehr legt Luther Wert auf die assetilo, die Wahrheitsbezeugung. Diese fungiert bei Luther als Gewissheitsaussage, da in ihr Gewissheiten des Glaubens ausdruck finden. Luther selbst gibt die Bedeutung von assetilo an: ״beständig anhängen, bekräftigen, bekennen, beachten und unerschütterlich ausharren. Nichts anderes bedeutet nach meinem Dafürhalten der Begriff im Lateinischen, jedenfalls nach unserem derzeitigen Gebrauch.“[14] Besonders in der letzten Bedeutung (unerschütterlich ausharren), wird der Zusammenhang zur Gewissheit deutlich. Luther kritisiert Erasmus' Haltung, welchem ״Wahrheitsbezeugungen so sehr missfallen, dass [er seine] Schritte leicht der Meinung der Skeptiker zuneigen“[15] würde. Luther jedoch ist überzeugt, dass ein Gläubiger aus der eigenen Gewissheit heraus, sich ״an Wahrheits­bezeugungen erfreuen“[16] muss, oder er ist kein Christ.

Erasmus hat laut seiner eigenen Schrift kein Problem damit, sich Beschlüssen der Kirche zu bestimmten Themen einfach zu unterwerfen, selbst wenn er die Vorschriften nicht versteht. Hierin sieht Luther ein großes Problem, da er der Überzeugung ist, dass sich Erasmus nicht an die Meinung der Kirche, sondern allein an die Heilige Schrift hängen sollte.[17] Allein auf der Basis des Erkennens und Verstehens kann nämlich wirkliche Glaubens­gewissheit wachsen: ״Ein Christ sei wahrhaft verflucht, wenn er nicht gewiss ist und versteht, was ihm vorgeschrieben ist! Denn wie will er glauben, was er nicht versteht?“[18]

Zuletzt greift Luther im Abschnitt auch den bereits oben genannten Sachverhalt auf: Die Gewissheit sei eine Gabe des Heiligen Geistes. Er schließt seinen Appell an Erasmus mit den Worten: ״Der Heilige Geist ist kein Skeptiker! Er hat uns keine Zweifel oder bloße Meinungen in unserer Herzen geschrieben, sondern Wahrheitsgewissheiten, gewisser und fester als das Leben selbst und alle Erfahrungen.“[19]

3. Anfechtung

Der Begriff Anfechtung ist fast ausschließlich in der religiösen Lebenswelt verankert und wird sowohl im Gebrauch der griechischen als auch der lateinischen Bibel mit demselben Wort wie Versuchung beschrieben.[20] Daher wurde im Mittelalter zusammenfassend für den Komplex von Anfechtung und Versuchung nur der Begriff tentatio verwendet,[21] welcher im eigentlichen Sinne die Bedeutung jemanden einer Prüfung unterziehen hat.[22] Anfechtungen können die Verbindung eines gläubigen Menschen mit Gott gefährden[23] und zu einer fundamentalen Infragestellung von Worten, Zusagen und Versprechen Gottes führen. Sie können durch Unrecht, Entehrung, Krankheit, aber auch scheinbar grundlos über Gläubige herfallen und in Angst und Verzweiflung stürzen.[24] Im Gegensatz zum Zweifel, welcher meist intellektueller Kultur ist (s. Punkt 4), handelt es sich bei der Anfechtung eher um eine geistliche Erfahrung.[25] Vorraussetzung für die Anfechtung ist der Glaube. Andersherum ist dieser aber auch erst durch Anfechtung wahrer Glaube.[26] Beide bedingen sich und das eine ist nicht ohne das andere.

Diese allgemeinen Annahmen zur begrifflichen und wirksamen Bedeutung von Anfechtung sind weitgehend von Luther beeinflusst, weshalb sich seine Position nicht bedeutsam von ihnen unterscheidet. Auch bei Luther gilt frei nach seinem Wort Nulla tentatio, omnis tentatio, dass Anfechtungen zum Glauben gehören, ja sogar Voraussetzung für ihn sind, und der Gläubige sich mit ״bleibende[n] Anfechtungen“[27] abfinden muss: ״Außer dem Kreuz und ohne Anfechtungen weiß niemand, was Glaube ist und wie kräftig er sei. Allein in Anfechtungen versteht man's.“[28]

[...]


[1] Verwendeter Abschnitt aus der Ausgabe: Härle, Wilfried: Martin Luther. Lateinisch­Deutsche Studienausgabe, Band 1, Leipzig 2006, s. 227-232.

[2] Vgl. a.a.o., 908.

[3] Ebd. Anm.: Mit ״p“ wird hier eine unbestimmte Annahme bezeichnet.

[4] Ebd.

[5] A.a.o., 910.

[6] Vgl. Kühne/Herms, Gewissheit, 913.

[7] Herms, Eilert: Gewißheit in Martin Luthers De servo arbitrio, in: Junghans, Helmar (Hrsg.): Lutherjahrbuch 67, Göttingen 2010, s. 24.

[8] Vgl. Hägglund, Bengt: Art. »Heilsgewißheit«, in: TRE 14, Berlin/New York 2004, s. 759.

[9] Vgl. die Aussagen Luthers in dessen kleinem Katechismus: ״Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch's Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten“.

[10] Hägglund, Heilsgewißheit, 760.

[11] VgL Luther, Martin: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe 40/1, Weimar 1911, s. 579f.

[12] Vgl. Hägglund, Heilsgewißheit, 760.

[13] Vgl. Beintker, Horst: Die Überwindung der Anfechtung bei Luther. Eine Studie zu seiner Theologie nach den Operationes in Psalmos 1519-21, Berlin 1954, s. 122.

[14] Härle, LDST, 227.

[15] Ebd.

[16] Ebd.

[17] Vgl. a.a.o., 231 : ״Du unterwirfst dich dazu noch den Lehrentscheidungen der Kirche? Was kann die bestimmen, was nicht In der Schrift schon bestimmt wäre?“.

[18] A.a.o., 233.

[19] Ebd.

[20] Vgl. Bayer, Oswald: Art. »Anfechtung«, In: RGG 1, Tübingen 42005, Sp. 478.

[21] Obwohl diese nicht glelchzusetzen sind. Vgl. Belntker, Horst: Art. »Anfechtung«, In: TRE 2, Berlln/New York 2004, s. 705.

[22] Vgl. Schwarz, Reinhard: Art. »Anfechtung«, In: TRE 2, Berlln/New York 2004, s. 691.

[23] Vgl. Appel, Helmut: Anfechtung und Trost Im Spätmittelalter und bei Luther, Leipzig 1938, s. 3.

[24] Vgl. Bayer, Anfechtung, 478f.

[25] Vgl. Belntker, Anfechtung, 705.

[26] Vgl. ebd.

[27] Belntker, Luther, 181.

[28] Aland, Kurt (Hrsg.): Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers In neuer Auswahl für die Gegenwart, Tischreden, Band 9, Göttingen 1983, s. 34.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Glaubensgewissheit und Anfechtung bei Martin Luther
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
Der Mensch vor Gott. Von der Freiheit eines Christenmenschen.
Note
1,5
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V439402
ISBN (eBook)
9783668791428
ISBN (Buch)
9783668791435
Sprache
Deutsch
Schlagworte
glaubensgewissheit, anfechtung, martin, luther
Arbeit zitieren
Marius Maurer (Autor:in), 2012, Glaubensgewissheit und Anfechtung bei Martin Luther, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439402

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