Zwischen Freigebigkeit und Korruption: Die städtischen Oberschichten zur Zeit Trajans in Bithynien. Das Beispiel Prusa
Die Römer konnten ihr riesiges Reich nur regieren, weil sie sich auf die Städte als lokale Selbstverwaltungseinheiten stützen konnten. Innerhalb den vielen Stadtstaaten des Imperium wurden die leitenden Funktionen meist unentgeltlich von sog. Honoratioren wahrgenommen, d.h. Leute, die genug Vermögen hatten, um für die Politik leben zu können, ohne von ihr leben zu müssen. Damit hätte der Bestand der Städte - so ein älterer Forschungsansatz - weitgehend von der Wohltätigkeit (Euergetismus) ihrer Honoratiorenschicht abgehangen. Denn wegen der an den römischen Staat zu zahlenden Steuern hätten den Städten kaum kommunale Einnahmen in ausreichender Höhe zu Verfügung gestanden. Zwar bestätigen die Inschriften auf den ersten Blick die überragende Bedeutung der privaten Wohltätigkeit. So berichten sie häufig von freigebigen Honoratioren, die z.B. auf eigene Kosten Getreide unter die Bürger verteilten, Gebäude errichteten usw. Jedoch stellen die Inschriften nur die Schauseite des Phänomens dar.
Für Bithynien aber verfügen wir auch über literarische Quellen, nämlich das Corpus der Reden Dions von Prusa (* um 40 n. Chr., gest. nach 112 n. Chr.) und die Briefe des jüngeren Plinius als Statthalter von Pontus et Bithynia (110 - 112 n. Chr.) an Kaiser Trajan. Vor allem im Bereich des öffentlichen Bauwesens lassen diese Zeugnisse erkennen, dass die Städte sehr wohl über hohe Einnahmen verfügten. Zudem gewähren diese literarischen Zeugnisse auch Einblick in die dunklen Seiten der Honoratiorenverwaltung: Missmanagement und Unterschlagung öffentlicher Gelder. Schließlich wurde Plinius als Legat Kaiser Trajans nach Bithynien gesandt, um diesen Mißständen abzuhelfen. Der Grund der Entsendung der Plinius war aber nicht eine „Finanzmisere“ der bithynischen Städte im Sinne einer Überschuldung der kommunalen Haushalte, wie man es gelegentlich in der älteren Literatur findet. Vielmehr sollte Plinius u.a. der Unterschlagung und Vergeudung öffentlicher Mittel Einhalt gebieten, um Unruhen vorzubeugen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die städtischen Oberschichten
- Grundsätzliches zu den Honoratioren
- Die städtische „Finanzmisere“ und das sog. Decurionenproblem
- Das Ziel dieser Arbeit
- Getreideknappheit und sozialer Konflikt
- Die städtische Getreideversorgung
- Dion Chrysostomos und der Aufruhr von Prusa
- Das Bauprojekt Dions
- Dions Versprechen
- Der innerstädtische Konflikt um das Bauprojekt
- Dions „Lösungsvorschlag“: alles bleibt beim alten
- Die Fertigstellung des Bauwerkes
- Die Mission des Plinius
- Aufgabe: Die Überprüfung der städtischen Kassen
- Bestand ein Zusammenhang mit dem Partherkrieg?
- Der Auftrag: Ruhe und Ordnung in der Provinz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die städtischen Oberschichten in der römischen Provinz Bithynien am Beispiel der Stadt Prusa im 2. Jahrhundert n. Chr. Der Fokus liegt auf der Rolle der Honoratioren, ihren Herausforderungen und den Spannungen, die zwischen ihnen und der römischen Verwaltung bestanden.
- Die Rolle der Honoratioren in der städtischen Selbstverwaltung
- Die finanzielle Situation der Städte und das „Decurionenproblem“
- Soziale Konflikte und ihre Bewältigung
- Die Beziehung zwischen römischen Provinzverwaltern und städtischen Oberschichten
- Das Beispiel des Plinius und seine Mission in Bithynien
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die städtischen Oberschichten: Dieses Kapitel legt den Grundstein für die weitere Untersuchung, indem es den Begriff der Honoratioren in den Städten des römischen Reiches definiert und die Herausforderungen ihrer Rolle beleuchtet. Es werden auch die Unterschiede zwischen den Städten des Westens und des Ostens hervorgehoben, sowie die Besonderheiten der bithynischen Städte im Kontext des römischen Einflusses.
- Kapitel 2: Getreideknappheit und sozialer Konflikt: Dieses Kapitel beschreibt die städtische Getreideversorgung und ihre Bedeutung für die soziale Stabilität. Der Fokus liegt auf dem Aufruhr in Prusa und der Rolle des Rhetorikers Dion Chrysostomos als Vermittler.
- Kapitel 3: Das Bauprojekt Dions: Dieses Kapitel analysiert das Bauprojekt Dions in Prusa, die mit ihm verbundenen Konflikte und die „Lösung“ durch Dion selbst, die letztlich zur Beibehaltung des Status quo führt. Es wird die Komplexität der politischen und sozialen Verhältnisse in der Stadt deutlich.
- Kapitel 4: Die Mission des Plinius: Dieses Kapitel beleuchtet die Rolle des römischen Provinzverwalters Plinius in Bithynien. Es wird seine Aufgabe der Überprüfung der städtischen Kassen und seine Mission zur Wahrung von Ruhe und Ordnung in der Provinz dargestellt.
Schlüsselwörter
Honoratioren, städtische Selbstverwaltung, Provinzverwaltung, römisches Reich, Bithynien, Prusa, Getreideversorgung, soziale Konflikte, Bauprojekt, Plinius, Partherkrieg, Liturgien, Decurionenproblem, Finanzmisere, timokratisches Prinzip.
- Quote paper
- Georg Schäfer (Author), 2005, Zwischen Freigebigkeit und Korruption: Die städtischen Oberschichten zur Zeit Trajans in Bithynien - Das Beispiel Prusa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43978