Gerade vor einigen Tagen hat die Erde gebebt. Über hunderttausend Menschen sind in einem Moment aus der Welt verschwunden. Dreihundert Jahre hat es so eine Erderschütterung nicht gegeben. Was soll sich ein durchschnittlicher Mensch, der das alles im Fernseher erlebt, denken? Letztendlich begleiten die Naturkatastrophen den Menschen, seitdem es Leben gibt. Und die immerwährende Frage lautet: Oh, Gott, warum?! In diesem Moment machen wir uns keine Gedenken darüber, warum genau diese Frage, diejenige ist, die am häufigsten zu hören ist.
Dieses universelle Thema bewegt Heinrich von Kleist in seiner Novelle „Erdbeben in Chili“. Die Erzählung fängt mit einem Erdbeben an, das die Stadt St. Jago in Trümmern und Asche legt, aber zwei Menschen, Josephe und Jeronimo, das Leben rettet. Die Novize Josephe wird von ihrem Vater in ein Kloster geschickt, da sie mit dem Hauslehrer, Jeronimo, in Verliebtheit fällt. Somit will Asteron, Josephes Vater, die verbotene Liebe zerstören. Der Kontakt wird aber heimlich aufgenommen und zu Fronleichnamsfest wird das uneheliche Kind, Philipp, auf die Welt gebracht. Dieser Skandal führt die beiden vors Gericht. Josephe soll verbrannt werden und Jeronimo landet im Gefängnis, wo er den Selbstmord begehen will. Das Erdbeben verleiht den Verliebten die Freiheit. In dem ganzen Durcheinander finden sich die beiden und Josephe rettet den Sohn aus dem brennenden Kloster. Sie lernen Don Fernando, Donna Elvire und deren Kind kennen und schließen sich die neuen Freunde ins Herz. Um sich für das noch mal gegebene Leben bei Gott zu bedanken, geht das Liebespaar in die Kirche. Der Prediger erklärt aber das Erdbeben, als eine Strafe Gottes und spricht die Namen, den zwei Unglücklichen, aus. Die Menschenmenge erkennt Josephe und Jeronimo und schlägt sie tot. Infolge eines Fehlers wird statt Philipp, Don Fernandos Sohn ermordet.
„Ist das Erdbeben blindwütende Naturkatastrophe, die wahllos vernichtet und wahllos verschont? Oder steht es vielleicht noch in einem Zusammenhang mit einem geheimen, aber für die Menschen undurchschaubaren Willen Gottes? Ist es etwa noch als apokalyptisches Gericht über die Sünden dieser Gesellschaft gemeint, jedoch nicht ohne Erbarmen für die todgeweihten Liebenden?“ - diese Fragen muss ich stellen, weil ich mich in meiner Arbeit mit dieser Thematik auseinandersetzen will.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Der Inhalt der Novelle
- Gedanken über Erdbeben und Gottesstrafe
- Wie der Glaube die emotionalen Zustände des Menschen ausnutzt? Anhand der Novelle
- Vergleich mit Lisabonner Beben – das Erdbeben als Theophanietopos
- Kants Philosophie in Kleists Novelle
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Semesterarbeit untersucht die Darstellung des Erdbebens als Gottesstrafe in Heinrich Kleists Novelle „Erdbeben in Chili“. Sie analysiert, wie Kleist die Naturkatastrophe als Mittel zur Veranschaulichung der menschlichen Verfehlungen und des manipulativen Charakters des Glaubens nutzt. Die Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur, dem Einfluss von Religion auf das menschliche Verhalten sowie der Frage nach der Schuld und Verantwortung in Zeiten von Katastrophen.
- Die Rolle des Erdbebens als symbolische Gottesstrafe
- Die manipulative Kraft des Glaubens im Angesicht von Katastrophen
- Das Verhältnis von individueller Schuld und kollektiver Verantwortung
- Die Darstellung von Liebe, Leid und Verzweiflung in der Novelle
- Die Interpretation des Erdbebens im Kontext der damaligen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Einführung: Die Arbeit stellt die Thematik des Erdbebens als Gottesstrafe in Heinrich Kleists Novelle „Erdbeben in Chili“ vor und erläutert die Forschungsfrage.
- Der Inhalt der Novelle: Dieser Abschnitt fasst die Handlung der Novelle knapp zusammen und beschreibt die zentrale Liebesgeschichte von Josephe und Jeronimo, die durch das Erdbeben und die anschließende Verurteilung durch die Menschen ihre Tragödie erleben.
- Gedanken über Erdbeben und Gottesstrafe: Die Novelle wird in den historischen Kontext von Naturkatastrophen und religiösen Deutungen gesetzt. Der Autor beleuchtet die Frage, ob Erdbeben als willkürliche Naturkatastrophe oder als göttliche Strafe zu verstehen sind.
- Wie der Glaube die emotionalen Zustände des Menschen ausnutzt? Anhand der Novelle: Kleists Darstellung des Glaubens wird analysiert. Der Text zeigt auf, wie religiöse Dogmen und Deutungen das menschliche Verhalten und die Gefühlswelt beeinflussen, insbesondere im Angesicht von Katastrophen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Erdbeben, Gottesstrafe, Glaube, Manipulation, Liebe, Schuld, Verantwortung, Naturkatastrophe, Religion, Kleist, „Erdbeben in Chili“, Theophanie, Kants Philosophie, historische Kontext, Literaturanalyse.
- Quote paper
- Natalia Mider (Author), 2005, Das Erdbeben als eine Form der Gottesstrafe für die menschlichen Sünden in der Novelle 'Erdbeben in Chili' von Heinrich Kleist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43984