„Jesus und Maria sind in diesen tausend Jahren die häufigsten Bildmotive der Malerei“ heißt es von Erne und Schüz. In der Modernen Kunst spielen diese Motive tatsächlich noch immer eine große Rolle. Allerdings haben sich ihre neuen Deutungen häufig durch die Verarbeitung des Künstlers in einen neuen Kontext oder durch andere künstlerische Absichten weit von der ursprünglichen, traditionellen Bedeutung entfernt. Religiöse Motive werden nicht mehr nur aus reinem Interesse am Glauben genutzt, sondern dienen sogar als Provokation oder Parodie, oder um damit andere Vorsätze und Bildaussagen zu verwirklichen.
Die Künstlerin Hannah Wilke steht kurz vor ihrem Tod, als sie ihr letztes Werk „Intra-Venus“, eine Reihe von fotografischen Selbstporträts, in 1992 veröffentlicht. Sie stellt ihren vom Krebs gezeichneten Körper und den Alltag im Krankenhaus während ihrer Chemotherapie zur Schau. Für den Betrachter eröffnet sich eine Möglichkeit, an einer intimen Erfahrung teilzuhaben, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. So erzeugt Wilke Authentizität in ihren Bildern, mit denen sich Betroffene und Angehörige möglicherweise identifizieren und trösten können.
Zwei Selbstporträts aus dieser Serie beinhalten die Darstellung von Jesus Christus und der heiligen Maria, die Wilke durch bestimmte Gestiken mit ihren Händen und einer Krankenhausdecke als Kopftuch andeutet. Der kurz bevorstehende Tod sorgt zwar bei vielen Menschen dafür, einen Weg zu Gott zu finden, den sie vorher nie gegangen sind; für Wilkes Verhältnisse erscheint diese Motivwahl in Anbetracht ihrer vorangegangenen, provokanten und sehr stark feministischen Karriere jedoch irritierend. Sorgen die Erkrankung an Krebs und der bevorstehende Tod etwa für einen plötzlichen Sinneswandel bei der Künstlerin, die sich nun dem religiösen Lebensstil zuwendet und durch das Aufgreifen dieser christlichen Inhalte um Vergebung für ihre Sünden bittet? Meine These dazu lautet, dass religiöse Symbolik und Bildmotive längst aus ihrer traditionellen Deutung entankert wurden und in der modernen Kunst passend zu verschiedenen Zwecken und Bildaussagen geändert und neugedeutet werden, wie das Beispiel „Intra-Venus“ von Wilke zeigt: die Künstlerin modifiziert die Identifikation der heiligen Maria und Jesus Christus zu einer feministischen Bedeutung. Sie will damit die Rolle der Frau positiv bestärken und darstellen, dass eine Frau ebenso viel Leid ertragen kann.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Hannah Wilkes „Intra-Venus“
- 2.1 Krankheitserfahrung und Darstellung von Leid in „Intra-Venus“
- 2.2 Religiöse Motive in „Intra-Venus“
- 2.3 „Intra-Venus“ als Feministisches Werk
- 3. Wilkes Verarbeitung der Traditionellen Deutung
- 4. Fazit
- 5. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Transformation religiöser Motive in der modernen Kunst am Beispiel von Hannah Wilkes „Intra-Venus“. Sie untersucht, wie Wilkes die traditionelle Deutung religiöser Symbole aufgreift und in ihrem Werk neu interpretiert. Dabei werden insbesondere die Verbindung zur feministischen Kunstbewegung und die Darstellung von Krankheit und Leid im Kontext religiöser Symbolik beleuchtet.
- Die Rolle der Frau in der Kunst und die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen
- Die Darstellung von Krankheit und Leid in der Kunst und deren Verbindung zur spirituellen Suche
- Die Neuinterpretation religiöser Symbole in der modernen Kunst
- Die Verbindung von feministischer Kunst und religiösen Motiven
- Die Bedeutung der Körperlichkeit in Hannah Wilkes Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Transformation religiöser Motive in der modernen Kunst ein und stellt die Künstlerin Hannah Wilke und ihr Werk „Intra-Venus“ vor. Der Fokus liegt auf der These, dass religiöse Symbole in der modernen Kunst nicht länger nur aus religiösen Gründen verwendet werden, sondern auch als Mittel der Provokation, Parodie und zur Verwirklichung anderer künstlerischer Absichten dienen.
Das Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Werk „Intra-Venus“ und beleuchtet die Darstellung von Krankheitserfahrung und Leid, die Integration religiöser Motive sowie die feministische Dimension des Werkes. Es analysiert die Selbstporträts von Wilke im Kontext ihrer künstlerischen Karriere und beleuchtet die Verwendung religiöser Symbole im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper und der gesellschaftlichen Erwartung an Frauen.
Das Kapitel 3 analysiert, wie Wilke die traditionelle Deutung religiöser Symbole in ihrem Werk neu interpretiert. Es geht der Frage nach, welche neuen Bedeutungen durch die Verarbeitung entstehen und inwiefern die Künstlerin religiöse Symbolik für ihre feministischen Anliegen nutzt.
Schlüsselwörter
Moderne Kunst, Transformation, Religiöse Motive, Feministische Kunst, Hannah Wilke, Intra-Venus, Krankheit, Leid, Körperlichkeit, Traditionelle Deutung, Neuinterpretation, Symbol, Feminismus, Frauenrolle, Kunstgeschichte, Bildanalyse.
- Arbeit zitieren
- Anna Dierks (Autor:in), 2018, Transformation religiöser Motive in der Modernen Kunst in Hanna Wilkes "Intra-Venus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442120