Hunde in der Schule. Inwieweit wirkt sich die hundegestützte Pädagogik auf das Sozialverhalten der Schüler und Schülerinnen aus?


Hausarbeit, 2016

48 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theorie/Stand der Forschung
1.1 Schulsozialarbeit
1.2 Formen der tiergestützten Interventionen im Bereich der Schule
1.3 Die Mensch-Tier-Beziehung
1.3.1 Die Erklärungsmodelle
1.3.2 Kommunikation
1.4 Zielsetzung und Wirksamkeit
1.5 Risiken/Kritikpunkte

2 Methodik
2.1 Feldzugang und Sample
2.2 Erhebungsmethode Experteninterview
2.3 Transkription und Auswertungsmethodik

3 Auswertung der Ergebnisse
3.1 Wirksamkeit und Erfolg
3.2 Instanzen und Hürden

4 Fazit

Litertaurverzeichnis

Anhang

Formulierung von Leitinteressen

„Kodeliste“

„Phänomenbäume“

Transkript

Einleitung

Es leben circa 6,8 Millionen Hunde als Familienmitglieder in deutschen Haushalten (vgl. ZZF 2015). Damit gehören Hunde zu den wichtigsten Tieren der heutigen Kindheit.

Die tiergestützte Pädagogik fand ihren Ursprung in den angelsächsischen Staaten. Viele wissenschaftliche Forschungen zum heilenden Einsatz von Tieren sind seither entstanden. Jedoch wurden diese nicht dokumentiert und waren folglich für die wissenschaftliche Arbeit ohne Erfolg. Erst der amerikanische Kinderpsychologe Boris M. Levinson schaffte den Durchbruch. 1961 beschrieb er in einer wissenschaftlichen Studie die positiven Wirkungen auf einen Jungen durch den Einsatz seines Hundes „Jingles“ (vgl. Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 13 ff.). Seit den 1990er Jahren zeigt Deutschland Interesse an dem „Einsatz von Tieren als Helfer und Heiler“ (ebd.). Es entstanden die Vereine „Leben mit Tieren“ und „Tiere helfen Menschen“, die Menschen über die Konzepte und Methoden des Einsatzes von Tieren informieren und beraten (vgl. ebd.). Die ersten Berichte über den Einsatz von Schulhunden stammten von Bernd Retzlaff, dessen Labradorhündin Jule mehrmals die Woche im Unterricht einer 7. Hauptschulklasse anwesend war (vgl. Beetz 2012, S. 52). Seitdem befassen sich immer mehr Schulen mit dem Gedanken Tiere in den Unterricht zu integrieren. „Denn eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Lernen ist, dass sich das Kind oder der Jugendliche wohlfühlt.“ (Enderlein et al 2008, S. 13)

In der Schule werden viele Ansprüche an die Kinder und Jugendlichen gestellt. Die Schüler_innen stehen unter einem enormen Druck, wenn Sie in eine neue Klasse eingeordnet werden, neue Lehrer_innen bekommen oder Prüfungen bevorstehen und dabei den Erwartungen der Eltern gerecht werden müssen (vgl. Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 77). Viele Schüler_innen haben Schwierigkeiten im kommunikativen Bereich, in der sozio-emotionalen Entwicklung sowie im Lern- und Arbeitsverhalten (vgl. Agsten 2009, S. 138). In all diesen Bereichen kann ein Hund unterstützend helfen. „Ein Hund erhöht die Lust am Lernen und an Leistung, er hilft mit, Teamfähigkeit ebenso zu entwickeln wie Kommunikationsfähigkeit, er fördert Verantwortungsbewusstsein, Arbeitsdisziplin und Problemlösefähigkeit, er vermittelt aber auch seelische Ausgeglichenheit und Wohlbefinden.“ (Doyle 1976, o.S. zit nach. Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 77).

So soll anhand dieser Hausarbeit erforscht werden, inwieweit sich die hundegestützte Pädagogik auf das Sozialverhalten der Schüler_innen auswirkt. Des Weiteren soll untersucht werden, welche Kompetenzen durch die Mitwirkung des Hundes gefördert werden können. Für das Forschungsthema hundegestützte Pädagogik in Schulen wurde sich für die qualitative empirische Sozialforschung entschieden. Als Form der Datenerhebung wurde ein leitfadenorientiertes Experteninterview mit einer Lehrerin aus einer Schule in Nordrhein-Westfalen durchgeführt und mittels der Grounded Theory nach Strauss und Corbin (1996) ausgewertet. Im nachfolgenden theoretischen Teil werden unter Einbeziehung von Fachliteratur zunächst die wesentlichen Begrifflichkeiten, wie Schulsozialarbeit und die verschiedenen Formen der tiergestützten Interventionen, definiert. Da es in dieser Hausarbeit um die hundegestützte Pädagogik in der Schule geht, wird nur auf die Bereiche tiergestützte Pädagogik und tiergestützte Aktivität Bezug genommen. Anschließend geht es um die Zielsetzung und Wirksamkeit der hundegestützten Pädagogik. Im Rahmen dieser Hausarbeit können nicht alle Wirkungen von Hunden berücksichtigt werden, weshalb der Fokus auf den sozio-emotionalen Wirkungen im Bereich der Schule liegt. Damit die Möglichkeiten der Schulsozialarbeit erforscht werden können, wurden auch die Ziele und Methoden dieser Profession sowie die Kooperation mit Lehrkräften definiert. Im darauf folgenden methodischen Teil wird das Vorgehen innerhalb des qualitativen Forschungsprozesses, die Führung des offenen leitfadenorientierten Experteninterviews, die Auswahl der interviewten Person und das Auswertungsverfahren der Grounded Theory erläutert. Im weiteren Verlauf wird das Ergebnis dieser Datenauswertung dargestellt. Abschließend folgt eine Einordnung und Betrachtung der Befunde mit Rückbezug auf die theoretische Grundlage.

1 Theorie/Stand der Forschung

1.1 Schulsozialarbeit

In Deutschland hat sich die Schulsozialarbeit in den letzten Jahren auf vielfältige Weise entwickelt (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 9). In den Fachpublikationen kann man sich bis heute auf keinen einheitlichen Begriff einigen (vgl. Speck 2014, S. 35). So wird beispielsweise von „Sozialarbeit in der Schule“, „Jugendsozialarbeit“ oder von „schulbezogene Jugendhilfe“ (Gastiger/Lachat 2012, S. 15 f.) gesprochen. Laut Speck (2014, S. 36) würde der Begriff „Schulsozialarbeit“ den Einstieg in die Fachdiskussionen erleichtern, da er identisch mit dem englischen Begriff „School Social Work“ ist, welcher 1966 in einem Buchbeitrag von Maas veröffentlicht wurde. Angestellte im Handlungsfeld der Schulsozialarbeit werden als Schulsozialarbeiter_innen bezeichnet. Auch diese Möglichkeit kann kein anderer Begriff leisten. Schulsozialarbeit kann als ein Arbeitsfeld an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Schule angesehen werden (vgl. ebd., S. 11). Dadurch, dass Kinder und Jugendliche die Zielgruppe der Schulsozialarbeit sind, gelten die Rechtsgrundlagen des SGB VIII. Jedoch ist noch ungeklärt, inwieweit das SGB VIII eine ausreichende Rechtsgrundlage ist, da die Schulsozialarbeit nicht ausdrücklich erwähnt wird (vgl. Speck 2014, S. 68). Die Schulsozialarbeit „ist zu definieren als sozialpädagogische Arbeit, die unterrichtsergänzend, unterstützend, lernfördernd und sozialintegrativ die Pädagogik des Unterrichts begleitet“ (Bönsch 2004, S. 131). Somit ist die Schulsozialarbeit ein „integrativer Bestandteil von Bildung und Erziehung“ (Kastirke et al. 2013, S. 247) in Schulen.

Die Mitwirkung der Sozialen Arbeit in der Schule gewinnt immer mehr an Bedeutung, da Lehrkräfte den Wunsch nach mehr Unterstützung äußern. Auch auf der fachpolitischen Ebene ist man sich einig, dass ein hoher Bedarf an Schulsozialarbeit notwendig ist (vgl. Speck 2014, S. 15). „Ein Unterstützungsbedarf besteht hinsichtlich der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung, der schulischen und außerschulischen Lebensbewältigung sowie der sozialen Kompetenzentwicklung der Kinder und Jugendlichen.“ (ebd., S. 53) Die Methoden und Grundsätze der Sozialen Arbeit sollen in Form von niederschwelligen Angeboten in das System Schule integriert werden. Durch den freien Zugang zu langfristigen Angeboten kann eine Beziehung zu den Schülern und Schülerinnen aufgebaut werden (vgl. Drilling 2009, S. 12 f.). Die personellen Rahmenbedingungen sind äußerst kritisch zu betrachten, da Schulsozialarbeiter_innen meistens nur als Teilzeitkraft angestellt und ihre Arbeitsverträge oft nur mit einer 1-jährigen Laufzeit befristet sind (vgl. Speck 2014, S. 105). Schulsozialarbeiter_innen sind an der Schule eine Minderheit, deshalb fällt es ihnen schwer, sich in das Kollegium zu integrieren. Diese Arbeitsverhältnisse stellen die Wirksamkeit der Schulsozialarbeit in Frage (vgl. ebd., S. 98 f.). Die Kooperation mit anderen Professionen spielt in der Schulsozialarbeit eine wichtige Rolle. Jedoch agieren Schulsozialarbeiter_innen oft als „Einzelkämpfer“ (ebd.). Im Durschnitt sind 1,33 Schulsozialarbeiter_innen pro 1001 Schüler_innen an einer Schule tätig (vgl. Holtbrink 2013, S. 90). Oft kommt es zum „Nebeneinanderherlaufen“ (Speck 2014, S. 110) zwischen Lehrkräften und Schulsozialarbeiter_innen (vgl. ebd.). Dieses „Hierachiegefälle“ (ebd.) liegt an den Defiziten im Informationsstand über Strukturen, rechtliche Grundlagen und das Aufgabenprofil der jeweiligen anderen Profession (vgl. ebd., S. 113). Die unterschiedlichen Arbeitsweisen der beiden Berufsgruppen stellen ebenfalls ein Problem für die Kooperation dar. Lehrer_innen berücksichtigen das alltägliche Leben und das Umfeld der Schüler_innen nicht und versuchen Konflikte oder deviantes Verhalten mit Verboten zu kontrollieren (vgl. Baier 2011, S. 360). Oftmals werden Lehrer_innen als mächtigere Profession in der Schulhierachie angesehen (vgl. Speck 2014, S. 110).

Die Kernleistungen der Schulsozialarbeit bestehen aus Beratung und Begleitung, Gruppenarbeit, offene Gesprächs- und Kontaktangebote, der Mitwirkung an Unterrichtsprojekten sowie der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Erziehungsberechtigten (vgl. ebd. S. 83 f.). Die Schulsozialarbeit unterstützt die Kinder und Jugendlichen im Erwachsenwerden, bei der Lebensbewältigung und ihrer Kompetenzförderung (vgl. Drilling 2009, S. 14). In Schulen sollen vor allem die Basiskompetenzen, wie Kooperations- und Kommunikationskompetenzen vermittelt werden (vgl. Just 2004, S. 36). Durch ihr professionelles Handeln tragen Schulsozialarbeiter_innen dazu bei, dass die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung gefördert werden und sie zu einer „eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§1 SGB VIII) erzogen werden. Die Schulsozialarbeit ist dafür zuständig außerunterrichtliche Projekte zur Verfügung zu stellen, die die personale und soziale Kompetenzerweiterung der Schüler_innen unterstützt (vgl. Speck 2014, S. 51; Gastiger/Lachat 2012, S. 20). In Freizeit- und Gruppenangeboten können Schulsozialarbeiter_innen auf die Methode der hundegestützten Pädagogik zurückgreifen. Durch die positiven Auswirkungen des Hundes auf Menschen können den Kindern diverse Kompetenzen vermittelt werden, die wichtig für die Bewältigung des Alltags sind und zugleich zu einem harmonischen Miteinander beitragen. Mit Hilfe dieser Angebote kann vor allem das Sozialverhalten der Schüler_innen verbessert werden (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 71 ff.).

1.2 Formen der tiergestützten Interventionen im Bereich der Schule

Nach Heyer/Kloke (2011, S. 17) wird mit dem Begriff der hundegestützten Pädagogik „der systematische Einsatz von ausgebildeten Hunden in der Schule zur Verbesserung der Lernatmosphäre und individuellen Leistungsfähigkeit sowie des Sozialverhaltens der Schüler_innen“ bezeichnet. Ziel der hundegestützten Pädagogik ist es, die allgemeine Erziehung und Bildung zu unterstützten (vgl. Agsten 2009, S. 147). Des Weiteren sollen die Kompetenzen im „kognitiven, köperlich-motorischen und besonders im sozio-emotionalen Bereich“ (Waschulewski/Igna- towicz 2014, S. 14) gefördert werden. Die hundegestützte Pädagogik lässt sich in die Bereiche Förderung und Didaktik unterteilen. „Förderung meint in einem allgemeinen Sinn ein unterstützendes, helfendes (pädagogisches) Einwirken auf Weiterentwicklung und Fortschritt.“ (Vernooij/Schneider 2013, S. 36) Hierbei werden die vorhandenen Ressourcen des Kindes oder Jugendlichen gestärkt und die Fähigkeiten, durch den Einbezug eines ausgebildeten Tieres verbessert (vgl. ebd., S. 37). Unter tiergestützter Didaktik werden Formen der tiergestützten Interventionen in der Schule gefasst, deren Ziel es ist, die Lernprozesse der Schüler_innen anzuregen und dadurch die emotionalen und sozialen Kompetenzen der Schüler_innen zu verbessern (vgl. ebd., S. 40). Jedoch wirkt sich die tiergestützte Didaktik auch auf die sachlich-fachlichen Kompetenzen, wie Fachkenntnisse und Anwendungswissen sowie die methodischen Kompetenzen, wie beispielsweise Selbstständigkeit und Problemlösungsfähigkeit aus (vgl. Waschulewski/Ignato- wicz 2104, S. 12). Sie werden von „Experten aus dem (sonder)-pädagogischen Bereich“ meistens Lehrpersonen, unter Einbezug eines ausgebildeten Tieres, durchgeführt. „Im weitesten Sinne umfasst die Didaktik den Gesamtkomplex des Lehrens und Lernens.“ (Vernooij/Schneider 2013, S. 40)

Der Schulhund auch Präsenzhund genannt, begleitet eine Lehrperson regelmäßig in den Unterricht. Mit der Unterstützung des Hundes wird den Schülerinnen und Schülern allgemeines Wissen über den Hund vermittelt und richtiges Verhalten gegenüber dem Hund eingeübt. Hierzu gehören beispielsweise die Bereiche adäquate Haltung, Pflege und Körpersprache des Hundes (vgl. Beetz 2012, S. 16 f.). Der Begriff Schulhund ist kaum verbreitet, da es keine klare Abgrenzung zum Begriff tiergestützte Aktivität gibt (vgl. Agsten 2009. S. 37).

„Unter tiergestützter Aktivität sind Interventionen im Zusammenhang mit Tieren zu verstehen, welche die Möglichkeit bieten, erzieherische, rehabilitative und soziale Prozesse zu unterstützten.“ (Vernooij/Schneider 2013, S. 34) Ziel der tiergestützten Aktivität ist es, dass allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität des Menschen zu verbessern (vgl. ebd.). Es werden jedoch auch weitere Effekte, wie beispielsweise Lernerfolge, erzielt (ebd.). Das Zusammentreffen des Tieres mit einzelnen oder mehreren Personen in einer Gruppe wird auch als „Meet and Greet Activities“ (Pichot/Coulter 2007, S. 15) bezeichnet.

1.3 Die Mensch-Tier-Beziehung

1.3.1 Die Erklärungsmodelle

Die Mensch-Tier-Beziehung ist die Grundlage für alle tiergestützten Interventionen. Jedoch gibt es kaum zuverlässige Instrumente zur Messung von Beziehungen zwischen Menschen und Tieren (vgl. Vernooij/Schneider 2013, S. XVI). Die folgende Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Auf viele andere Aspekte, die ebenfalls für die Mensch-Tier-Beziehung von Bedeutung sind, kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Zur Erklärung positiver Effekte von Tieren auf Menschen führt Olbrich zusätzlich Ansätze aus Tiefenpsychologie, humanistischer Psychologie, Lerntheorie und Psychosomatik an (vgl. Olbrich 2003a, S. 68). Vernooij/Schneider (2013, S. 14) nennen des Weiteren die Anthropomorphisierung und die Aspekte der Spiegelneurone.

Eines der am häufigsten genannten Erklärungsmodelle der Mensch-Tier-Beziehung ist die Biophilie-Theorie nach Wilson (1984) (vgl. Wohlfarth et al. 2014, S. 183). Die Biophilie-Hypothese geht davon aus, dass die Menschen zu Tieren und zur Natur, also zu allem Lebendigen, verbunden sind und ihr Interesse angeboren ist (vgl. Schwartze 2012, S. 373). Tiere stärken Beziehungen und „tragen dazu bei, dass auch psychisch, also gleichsam innerhalb der Person, eine Verbundenheit zwischen bewussten und unbewussten, zwischen kognitiven und emotionalen, zwischen implizit-erfahrungsgeleiteten und explizit-kontrollierenden Prozessen verbessert wird“ (Olbrich 2003a, S. 69). Tiere vervollständigen oder ergänzen die Situationen des Lebens (vgl. ebd., S. 76).

Ein weiteres Erklärungsmodell der Mensch-Tier-Beziehung ist die Du-Evidenz. Sie ist die Voraussetzung für die tiergestützte Pädagogik. „Mit Du-Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich beziehungsweise Tiere unter sich kennen.“ (Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 22) Die Beziehung zwischen Mensch und Tier unterscheidet sich kaum noch von der zwischen Menschen untereinander (vgl. ebd., S. 24). Die Du-Evidenz stellt die Fähigkeit dar, im Gegenüber, also auch gegenüber einem Tier, ein „Du“ wahrzunehmen (vgl. Wohlfahrth et al. 2014, S. 188). Menschen entscheiden sich bewusst dafür, mit Hunden eine solche Du-Beziehung einzugehen, da diese ähnliche Grundbedürfnisse und Verhaltensweisen aufzeigen (vgl. Vernooij/Schneider 2013, S. 8). Mit der individuellen Namensgebung wird das Tier als Genosse angesehen (vgl. Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 23). „Die Namensgebung macht das Tier zum Teil der Familie, zum Adressaten von Ansprache und Zuwendung, zum Subjekt, mit Bedürfnissen und Rechten, denen ebenso entsprochen wird wie im Falle der menschlichen Mitglieder.“ (ebd.) Auch in Filmen wie „Flipper“ oder „Charly“ lässt sich eine solche Du-Evidenz zwischen Mensch und Tier erkennen (vgl. Vernooij/Schneider 2013, S. 9).

Andrea Beetz versuchte Aspekte der Bindungstheorie zur Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung heranzuziehen. Die Bindungstheorie entstand in den 40er- und 50er- Jahren des 20. Jahrhunderts infolge der Auseinandersetzung des englischen Psychoanalytikers John Bowlby mit der Psychoanalyse (vgl. Grossmann/Grossmann 2015, S. 7). Grossmann/Grossmann (ebd.) machen deutlich, dass Bindungen ein „fundamentales, menschliches Bedürfnis“ sind. Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kindheit sind die Bindungen an Bezugspersonen. Dies sind zum einen die Eltern, aber zum anderen können es auch Beziehungen zu Erwachsenen und zu Gleichaltrigen sein (vgl. Ettrich/Ettrich 2006, S. 25). Wonach das Bedürfnis von Bindung „von der Wiege bis zum Grab“ (Grossmann/Grossmann 2015, S. 23) existiert. So unterscheidet Beetz (2012, S. 84) zwischen 4 verschiedenen Formen des Bindungsverhaltens: sichere, unsicher-vermeidende, unsicher-ambivalente und desorganisierte/desorientierte Bindung. Bei einer sicheren Bindung werden positive, aber auch negative Gefühle offen mit der Bezugsperson kommuniziert. Auch gegenüber Fremden zeigen Kinder mit einer sicheren Bindung ein „offenes, aufgeschlossenes Interaktionsverhalten“ (Ettrich/Ettrich 2006, S. 26). Kinder mit einer unsicher-vermeidenden Bindung zeigen meist nur positive Gefühle gegenüber der Bindungsperson. Die negativen Gefühle werden unterdrückt, da die Kinder Angst haben zurückgewiesen zu werden (vgl. ebd.). Kinder, die unsicher-vermeidend gebunden sind, fühlen sich von der Bezugsperson wenig unterstützt. „Die Zuwendung von Fremden wird bei diesen Kindern genutzt, um ihr Bedürfnis nach Kommunikation, Beachtung und Anerkennung zu befriedigen.“ (ebd., S. 27) Als drittes Bindungsverhalten zeigt sich das unsicher-ambivalente bei Kindern, auf deren Bezugsperson keinen Verlass ist. Mal kümmert sich die Bindungsperson um die Bedürfnisse des Kindes, manchmal aber auch nicht. Eine permanente Befürchtung der Kinder ist der Verlust ihrer Bezugsperson (vgl. ebd., S. 28). Auch im Verhalten anderer sind sie ängstlich und zurückhaltend. Kinder mit einer desorganisierten Bindung suchen weder Nähe noch vermeiden sie sie. Die Kinder haben Zweifel, dass ihnen die erforderliche Sicherheit der Bindungsfigur nicht gegeben wird (vgl. Beetz 2012, S. 84). „Die Art der Bindungsverfahren bildet die Grundlage für das spätere sozio-emotionale Verhalten des Menschen.“ (Vernooij/Schneider 2013, S. 10) Vielen Kindern fehlt heutzutage eine Bezugsperson, die immer für sie da ist und mit denen die Kinder sich austauschen können. Somit unterstützt die Schulsozialarbeit Schüler_innen, Eltern, aber auch Lehrkräfte, um eine Beziehung aufzubauen. Auch beim Aufbau einer Beziehung kann der Hund als Hilfestellung herangezogen werden.

Laut Greiffenhagen/Buck-Werner (2007, S. 172 f.) ist der plausibelste Ansatz der des Hundes als „sozialer Katalysator“, „Eisbrecher“ oder auch „Brückenbauer“. Auch Julius et al. (2014, S. 184 f.) sehen Tiere als ein „soziales Schmiermittel“. Hunde gehen offen auf jeden Menschen zu und erlauben oftmals direkt körperliche Nähe. Ein Hund passt sich seinem Gegenüber an, nimmt keine Bewertungen vor, handelt ohne Vorurteile und stellt keine Bedingungen. Durch sein authentisches Verhalten wird der Hund als geduldiger Partner erlebt (vgl. Wohlfahrth et al. 2014, S. 195; Vernoij/Schneider 2013, S. 21). „Der Hund ist anders als ein Mensch, der hinterfragt nicht.“ (Fuhs/Naumann 2012b, S. 94) Dem Hund können jegliche Gefühle anvertraut werden. Ob Leid oder Freude der Hund achtet auf Körpersignale und weiß, ob sein Gegenüber fröhlich oder traurig ist. Er agiert als „stiller Psychiater, weil er geduldig und scheinbar teilnahmslos zuhört, ohne dazwischenzureden.“ (Greiffenhagen/Buck-Werner 2007, S. 45) Das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier kann auf die Beziehung zwischen Kind und Pädagoge bzw. Kind und Schulsozialarbeiter_innen übertragen werden (vgl. Vernooij/Schneider 2013, S. 21 f.). Daher können Hunde zum einen zum Aufbau einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung beitragen, welche eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Unterricht und eine erfolgreiche Erziehung darstellt. Zum anderen kann der Hund aber auch zum Aufbau einer Beziehung zwischen Schüler_innen und Schulsozialarbeiter_innen genutzt werden.

1.3.2 Kommunikation

Kommunikation bedeutet „sich mitteilen“ (Otterstedt 2003, S. 90). In der Interaktion mit dem Hund kommt es vor allem auf die Kommunikation von Gedanken und Gefühlen an. Zur nonverbalen Kommunikation gehören Mimik, Gestik, Körperhaltung und -bewegung, Stimmmodulation, aber auch Berührungen, Geruch und Geschmack (vgl. Otterstedt 2003, S. 98; Vernooij/Schneider 2013, S. 19). Analoge Kommunikation ist die Sprache, die auch schon Babys mit ihrer Mutter sprechen (vgl. Olbrich 2003b, S. 85). Sie wird auch als „ehrliche“ Kommunikation bezeichnet, die den Zugang zu unbewussten Prozessen ermöglicht und den wahren emotionalen Zustand eines Menschen wiederspiegelt (vgl. ebd., S. 82 ff.). „Eine Geste oder eine Miene sagt uns mehr [...] als hundert Worte.“ (Watzlawick et al. 1969, S. 64) Studien belegen, dass Menschen sich gegenüber Tieren eher emotional öffnen als gegenüber Menschen (vgl. Otterstedt 2003, S. 95).

[...]

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Hunde in der Schule. Inwieweit wirkt sich die hundegestützte Pädagogik auf das Sozialverhalten der Schüler und Schülerinnen aus?
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Veranstaltung
Wissenschaftliches Arbeiten
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
48
Katalognummer
V442565
ISBN (eBook)
9783668827462
ISBN (Buch)
9783668827479
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hunde, schule, lösung, inwieweit, pädagogik, sozialverhalten, schüler_innen
Arbeit zitieren
Jessica Voet (Autor:in), 2016, Hunde in der Schule. Inwieweit wirkt sich die hundegestützte Pädagogik auf das Sozialverhalten der Schüler und Schülerinnen aus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442565

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