Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung des Firmenkundenkreditgeschäfts und dessen Kreditprozess


Masterarbeit, 2018

97 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungen

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen des digitalen Wandels von Regionalbanken
2.1 Firmenkundenkreditgeschäft
2.1.1 Begriffsdefinition des Firmenkundengeschäfts
2.1.2 Entwicklung des Firmenkundengeschäfts
2.1.3 Quantitative Bedeutung des Kreditgeschäfts
2.2 Veränderte Rahmenbedingungen für Kreditinstitute
2.2.1 Handlungsdruck durch verstärkten Wettbewerb
2.2.2 Branchenspezifische Rahmenbedingungen
2.2.3 Technologische Rahmenbedingungen
2.3 Digitalisierung
2.3.1 Der Begriff der Digitalisierung
2.3.2 Veränderungen im Zuge der Digitalisierung
2.3.3 Methode und Kriterien zur Bestimmung des digitalen Reifegrads

3. Analyse der Auswirkungen von Digitalisierung im Firmenkundenkreditgeschäft
3.1 Status quo der Kreditprozesse
3.1.1 Aufbau- und ablauforganisatorische Rahmenbedingungen
3.1.2 Darstellung des Kreditprozesses nach MaRisk
3.1.3 Bewertung des aktuellen Status quo
3.2 Potenziale der Digitalisierung
3.2.1 Allgemeine Digitalisierungspotenziale
3.2.2 Digitalisierung der Informationsverarbeitung
3.2.3 Digitalisierung im Kreditvergabeprozess
3.3 Ansätze zur Hebung der Digitalisierungspotenziale
3.3.1 Generierung und Umsetzung einer klaren Digitalisierungsstrategie
3.3.2 Verbesserungen der Kreditprozesse
3.3.3 Nutzung des digitalen Finanzberichts sowie der elektronischen Bilanzdatenauswertung

4. Kritische Würdigung der Digitalisierungsbestrebungen
4.1 Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Digitalisierung
im Firmenkundenkreditgeschäft
4.1.1 Einsatz von Smart Contracts mithilfe der Blockchain-Technologie
4.1.2 Kooperation mit FinTechs
4.1.3 IT-Architektur und offene Schnittstellen
4.2 Limitationen der Digitalisierung im Firmenkundenkreditgeschäft
4.2.1 Regulatorische Grenzen
4.2.2 Technologische Grenzen
4.2.3 Psychologische Grenzen
4.3 Handlungsempfehlungen an Regionalbanken

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ertragspotenzial der deutschen Kreditinstitute mit Firmenkunden

Abb. 2: Kreditmargen im Zeitablauf

Abb. 3: Steigende regulatorische Anforderungen im Bankengewerbe

Abb. 4: HPE DevOps Maturity Model

Abb. 5: Reifegradmodell: Digitalisierungsgrad von Kreditprozessen

Abb. 6: Votierung im Kreditgeschäft

Abb. 7: Kreditprozess nach MaRisk

Abb. 8: Kreditvergabeprozess im Firmenkundengeschäft

Abb. 9: Digitaler Reifegrad der Kreditprozesse: Status quo

Abb. 10: Beispiel eines digitalisierten gewerblichen Kreditprozesses

ohne Einbindung der Analyse

Abb. 11: Bankfachliche Rahmenbedingungen

Abb. 12: Einreichung und Auswertung von Jahresabschlüssen mit DiFin

Abb. 13: Digitaler Reifegrad der Kreditprozesse: Potenzial

Abb. 14: Kooperation als Leitlinie für erwünschte Synergien

Abb. 15: API Banking - Die Autobahn der Digitalisierung

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit mehr als einer Dekade starten alle Abhandlungen über aktuelle Entwicklungen im Banking mit der Feststellung, dass diese Branche einen fundamentalen Wandel mit enormen Herausforderungen durchläuft. Auch diese Ausarbeitung macht davon keine Ausnahme. War es zu Beginn der 2000er-Jahre eine Zunahme von Kreditausfällen, die einige Institutionen zum Teil in existenzielle Schieflagen brachte, hat die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zum Ende des letzten Jahrzehnts das Bankensystem nachhaltig verändert und Teile der beobachtbaren Geschäftspraktiken und -modelle infrage gestellt. Die von den Notenbanken als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise umgesetzte Niedrigzinspolitik hat den bereits vorhandenen Ergebnisdruck durch rückläufige Margen, die im Zuge eines verstärkten Wettbewerbs aufgetreten sind, weiter erhöht. Die ebenfalls als Krisenreaktion massiv verschärften regulatorischen Anforderungen haben zudem zu einer deutlichen Erhöhung der Liquiditäts- und Eigenkapitalanforderungen geführt. Als Ergebnis dieser Entwicklung sind viele deutsche Kreditinstitute seit geraumer Zeit nicht mehr in der Lage, ihre Eigenkapitalkosten zu verdienen. Banken generieren aus der Shareholder-Perspektive deutlich weniger Wert als andere Branchen und verzehren in Teilen sogar Aktionärsvermögen.[1]

Antony Jenkins, der damalige Chief Executive Officer (CEO) von Barclays, sah im November 2015 den Uber-Moment für Banken gekommen: „The incumbents risk becoming merely capital-providing utilities that operate in a highly regulated, less profitable environment, a situation unlikely to be tolerated by shareholders”[2]. Er fügte hinzu: “Ultimately, those forces will compel large banks to significantly automate their business”[3]. Seinen Aussagen zufolge zwingen die derzeitigen Bedingungen Banken zur Automatisierung und Digitalisierung ihrer Geschäfte.

Seit einigen Jahren deutet die zunehmende Zahl von Veröffentlichungen rund um die Digitalisierung auf die steigende Relevanz des Themas in der Wissenschaft hin. Durch die dynamische Entwicklung besteht jedoch nach wie vor umfangreicher, sich mit der hohen Geschwindigkeit eher noch vergrößernder, Forschungsbedarf zu den unterschiedlichsten Facetten der Digitalisierung. Im Bereich der Privatkunden gab es in Sachen Digitalisierung schon eine gravierende Anzahl von Veränderungen. Diese Entwicklung steht dem Firmenkundenbereich noch bevor. Durch den, aufgrund der Größe, Strahl- und Ertragskraft für das jeweilige Kreditinstitut, hohen Stellenwert des Firmenkundengeschäfts, sollte dieser Entwicklung eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Denn die vorgenannten Einflussfaktoren stellen auch für dieses Geschäftsfeld eine erhebliche geschäftspolitische Herausforderung dar und erfordern nachhaltige Anpassungen in der Kreditvergabepolitik sowie ein Neudenken der Interaktion mit dem Firmenkunden und daraus resultierend massive Investitionen in die Anpassung des Betriebsmodells und der IT.[4]

Digitalisierung und Innovation im Bankgeschäft finden (für den Kunden wahrnehmbar) hauptsächlich am Front-End und oft durch FinTechs sowie Challenger-Banken statt.[5] Dem Kunden soll das Erlebnis digitaler Produkte und Services, eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit sowie digitaler Kanäle und Ökosysteme geboten werden, welches er schon aus anderen Branchen gewohnt ist. Ein verändertes Kundenverhalten, zunehmende Regulatorik und das Aufkommen von FinTechs erhöhen zunehmend den Druck zur Digitalisierung und Innovation auf die etablierte Bankenlandschaft, bei der oftmals nur begrenzte Projektkapazitäten verfügbar sind. Eine gezielte E2E-Prozessdigitalisierung kann hierbei die Lösung des Zielkonflikts zwischen Digitalisierung, Regulatorik und Kostenreduktionsinitiativen sein.[6]

Die vorliegende Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung des Firmenkundenkreditprozesses im Bankengeschäft und konzentriert sich dabei auf regionale Finanzdienstleistungsunternehmen. Ziel der Arbeit ist es eine GAP-Analyse der aktuellen Firmenkundenkreditprozesse der Regionalbanken durchzuführen sowie Empfehlungen bezüglich deren Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung zu geben.

Da u. a. aufgrund der Größe und der regionalen Unterschiede eine starke Heterogenität bei diesen vorliegt und deshalb nicht alle Aussagen explizit für alle Regionalbanken gleichermaßen zutreffen, liegt der Fokus auf mittelständischen Instituten (Sparkassen und Genossenschaftsbanken), die mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme i. H. v. 3 Mrd. Euro definiert werden.[7]

Diese Arbeit soll Erkenntnis über die drei folgenden Kernfragen gewinnen: Ist der Bereich des Firmenkundenkreditgeschäfts bei Regionalbanken und somit stellvertretend deren Kreditprozesse zukunftsfähig? Können diese dem aktuell verstärkten Druck der Konkurrenz von Seiten der digitalen Ökosysteme wie Google, Apple, Amazon oder der neuen Finanztechnologieunternehmen standhalten? Gibt es Möglichkeiten um die Institute im Wettbewerb besser zu stellen?

Mit diesen einleitenden Worten wurde zunächst ein grober Überblick über die zahlreichen Veränderungen im Bankenmarkt gegeben. Im folgenden Kapitel werden diese Aussagen zum veränderten Umfeld der Finanzdienstleister vertieft und ein Bezug zum Thema Digitalisierung hergestellt. Anschließend werden einige Begriffsdefinitionen vorgenommen.

Darauf folgend wird in Kapitel drei anhand eines abgewandelten HPE DevOps Maturity Models der Status quo des Firmenkundenkreditprozesses von Regionalbanken hinsichtlich dessen Digitalisierungsgrad untersucht. Die sich aus dem Abgleich des Ist- und Soll-Digitalisierungsgrads ergebenden Digitalisierungspotenziale stellen die Grundlage für verwendete Ansätze und die in Kapitel vier untersuchten Weiterentwicklungspotenziale sowie deren Limitationen hinsichtlich Digitalisierung und Automatisierung dar. Konkrete Handlungsempfehlungen für Regionalbanken schließen dieses Kapitel.

In einer abschließenden Zusammenfassung wird die komplette Arbeit resümiert, Kritik an der Methodik geübt und ein Ausblick gewagt.

2. Theoretische Grundlagen des digitalen Wandels von Regionalbanken

2.1 Firmenkundenkreditgeschäft

„Das Firmenkundengeschäft der Banken wird traditionell vom Kredit her gedacht“[8]. Um die Wichtigkeit des Firmenkundenkreditgeschäfts zu illustrieren, befasst sich die Arbeit nun neben Begriffsdefinitionen mit dem Kreditgeschäft deutscher Regionalbanken, bezogen auf das Firmenkundengeschäft und geht dabei insbesondere auf deren quantitative Bedeutung ein.

2.1.1 Begriffsdefinition des Firmenkundengeschäfts

In der bankbetriebswirtschaftlichen Literatur gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs Firmenkunde. Eine Vielzahl von Beiträgen zum Firmenkundengeschäft von Kreditinstituten verzichtet vollständig auf eine inhaltliche Abgrenzung des Begriffs oder grenzt diesen implizit ab.[9] Jedoch soll auf den Versuch einer Definition nicht verzichtet werden. Unter Firmenkunden (FK) werden sowohl alle wirtschaftlich selbständigen Personen, wie der Inhaber einer Einzelunternehmung als auch juristische Personen, in Form einer AG oder GmbH, verstanden, die als im Handelsregister eingetragene Kaufleute ein Handelsgewerbe nach § 1 HGB betreiben. Ein wichtiges Merkmal mittelständischer Unternehmen besteht darin, dass sie von einem selbständigen Unternehmer geführt werden. Von seiner Leistungskraft, seinen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit hängen der Erfolg und damit die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens ab. Kundenbetreuung bei mittelständischen Unternehmen bedeutet daher auch systematische Betreuung des Unternehmers.[10]

Das Firmenkundengeschäft (FK-G) bezeichnet alle wirtschaftlichen Aktivitäten einer Bank mit der Kundengruppe Firmenkunden im Rahmen eines ganzheitlichen Betreuungsansatzes. Das klassische FK-G beinhaltet neben Finanzierungen und Geldanlagen auch die Abwicklung von nationalen wie internationalen Zahlungen und ist wie das Privatkundengeschäft und das Eigenanlagegeschäft ein wesentliches strategisches Geschäftsfeld der Kreditinstitute. Dabei ist das FK-G, im Vergleich zum Einzelkundengeschäft, geprägt von hohen Volumina, hohen Einzelrisiken, einer hohen Individualität sowie sich ständig ändernden Strukturen auf der Kundenseite.[11]

Abhängig von der Art und Größe des jeweiligen Kreditinstituts werden die gewerblichen Kunden unterschiedlich definiert. Bei Regionalbanken wird häufig zwischen Geschäftskunde (weniger als 0,25 Mio. Euro Umsatz), Gewerbekunde (weniger als 2,5 Mio. Euro Umsatz) und dem Firmenkunde (zumeist ab einem Umsatz i. H. v. 2,5 Mio. Euro) unterschieden. In größeren Geldhäusern erfolgt die Eingruppierung als Firmenkunde erst ab deutlich höheren Umsatzzahlen.[12]

2.1.2 Entwicklung des Firmenkundengeschäfts

Bereits Anfang der 1990er-Jahre wurde von einem strukturellen Wandel des Nachfrageverhaltens im FK-G der Kreditinstitute gesprochen. Dieser Wandel kam in einer erhöhten Preissensitivität, der Tendenz zur Mehrfachbankverbindungen sowie einer abnehmenden Kundenloyalität und damit einer sinkenden Rentabilität zum Ausdruck. Daneben bildeten die zunehmenden Ausfallquoten in diesem Bereich einen bedeutenden Kostenfaktor in der Erfolgsrechnung der Kreditinstitute. Die Anzahl der Insolvenzen von Unternehmen stieg im Zeitraum von 1991 bis 1993, einschließlich der freien Berufe, um ca. 50 % an. Die Insolvenzquote lag 1993 bei 0,61 %, verbunden mit einer erheblichen Zunahme der Schadensvolumina. Bis 1999 nahm die Anzahl der Insolvenzen um weitere 50 % zu. Die Zunahme der eigenständigen Aktivitäten der Unternehmen am Markt für Fremdkapital bewirkte im Weiteren eine geringere Inanspruchnahme von Kreditprodukten.[13]

Die nicht zufriedenstellende Rentabilität wurde u. a. mit einer zu geringen Kundendurchdringung begründet, was aufgrund einer Unausgewogenheit zwischen Aktiv-, Passiv- und Provisionsgeschäft zu einer aktivlastigen Ausrichtung des FK-Gs führte, sodass im Ergebnis bis zu 70 % der Segmenterträge aus dem Kreditgeschäft stammten. Die damalige Situation hat sich im Vergleich zu heute grundlegend geändert. Die Bonitätssituation der Unternehmen hat sich deutlich verbessert. Kreditausfälle belasten die Ergebnisrechnung deutscher Banken nur noch in geringem Maße. Das FK-G wird nicht mehr als Wertvernichter, sondern als bedeutende Ertragssäule angesehen.[14]

2.1.3 Quantitative Bedeutung des Kreditgeschäfts

In den Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise entwickelte sich das FK-G zu den Ertragssäulen der deutschen Kreditwirtschaft. Robustes Wachstum am Markt, hohe Renditen und vielfältige Möglichkeiten des Cross-Sellings führten zu wachsendem Wettbewerb und somit zu einem immer höheren Margendruck. In aktuellen Studien spricht man deshalb von einem Abwärtstrend im FK-G, doch mittelfristig bietet der Markt erhebliche Potenziale. So stellt die Kreditvergabe nach wie vor eine wesentliche, auch volkswirtschaftlich relevante Aufgabe des Bankensektors dar und generiert vergleichsweise gute Margen. Die deutschen Kreditinstitute erwirtschafteten im Jahr 2014 mit Unternehmen, die einen Jahresumsatz von mehr als einer Mio. Euro erzielten, Erträge in Höhe von 26 Mrd. Euro. Etwa 21 Mrd. Euro davon entfielen auf das Kerngeschäft mit Einlagen und Krediten, wobei das Kreditgeschäft mit über 13 Mrd. Euro für einen Großteil der Erträge steht. Für die folgenden Jahre wird zudem mit steigendem Ertragspotenzial gerechnet, welches für das Jahr 2020 auf 28,6 Mrd. Euro taxiert wird.[15]

Um diese Dimensionen besser nachvollziehen zu können, wird im Folgenden, zum besseren Verständnis, ein Schaubild abgedruckt.

Abb. 1: Ertragspotenzial der deutschen Kreditinstitute mit Firmenkunden

Der Firmenkundenkredit hat sich zum rentabelsten Produkt der Bankenbranche entwickelt und verdrängt damit die Baufinanzierung und das Depot-A-Geschäft.[16] Diese These wird in der zeb Firmenkunden-Studie 5.0 von der Mehrheit aller befragten Banken und Sparkassen gestützt. Dabei belaufen sich die Neugeschäftsmargen des Firmenkundenkredits auf 1,5 % netto, während diese im Baufinanzierungsbereich nur 1 % und im Depot-A-Geschäft nur 0,6 % netto erreichen.[17]

„Im Corporate-Banking herrscht Verdrängungswettbewerb“ erklärt Dr. Jan-Alexander Huber, Partner bei Bain & Company. „Viele Institute senken ihre Kreditmargen, um Kunden zu gewinnen“[18]. Infolgedessen verdienen Kreditinstitute mit Einlagen und Krediten erheblich weniger als in der Vergangenheit. Das Kreditvolumen erhöht sich zwar tendenziell, auf annähernd 1.000 Mrd. Euro, jedoch bei sinkenden Margen.

Die nachfolgende Abb. zur Entwicklung der Kreditmargen beruht auf Basis einer volumengewichteten Stichprobe der in Deutschland ansässigen Banken. Die Kreditmarge ist hier definiert als die Differenz zwischen dem Außenzins für neu vergebene Kredite und der Refinanzierung als gewichteter Zinssatz für neue Einlagen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sinn et al. (2015), S. 7.

Abb. 2: Kreditmargen im Zeitablauf

Im zweiten Halbjahr 2014 lag diese bei 1,5 % und damit nur noch 0,2 Prozentpunkte über den historischen Tiefständen von 2007/2008. Von den Spitzenwerten der Jahre 2009 und 2010, die damals bei 2 % lagen, ist die Kreditmarge heute weit entfernt.[19]

Vor diesem Hintergrund steigt der Handlungsdruck für die Entscheider in den Banken zunehmend an und unterstreicht die seit Jahren verkündete Notwendigkeit zur grundlegenden Transformation der Banken. Sofern also in naher Zukunft keine wesentlichen Änderungen in den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen stattfinden werden, ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die Ertragsrückgänge weiter fortsetzen werden. Daher ist es erforderlich, dass sich Banken umfassender mit der Entwicklung und Realisierung neuer Geschäftsmodelle auseinandersetzen.[20] Gemäß KfW Research hält die Tendenz zu Bankkrediten im Mittelstand weiter an und bestätigt die hohe Bedeutung des FK-Gs für die Kreditinstitute. Verglichen mit anderen Finanzierungsquellen, machen diese nämlich mit etwa einem Drittel vom Investitionsvolumen der deutschen Mittelständler, den Großteil der Unternehmensfinanzierung aus. Dabei spielen die Regionalbanken eine gewichtige Rolle. Denn die Marktpositionen im FK-G sind derzeit klar zu ihren Gunsten verteilt. Diese weisen, gänzlich im Gegensatz zu den Großbanken, ein dynamisches Wachstum in dem seit 2009 stagnierenden Gesamtmarkt auf.[21] Die hohe, positive Bedeutung des Kreditgeschäfts wird aktuell durch einen weiteren Faktor verstärkt. Zurzeit stützt das historisch niedrige Bewertungsergebnis das Betriebsergebnis der Regionalbanken. Noch im Jahr 2007 lagen die Risikokosten bei 0,43 % der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS), sanken im Jahr 2010 auf 0,33 % sowie im Jahre 2014 auf 0,01 % der DBS. Schließlich hat sich das Bewertungsergebnis mit plus 0,06 % der DBS zu einem historisch sehr seltenen, positiven Ergebnis gewendet, wobei alleine im Sparkassensektor Zuschreibungen i. H. v. 1 Mrd. Euro erfolgten. Dieser Zustand wird jedoch nicht unbegrenzt Bestand haben, denn einem wirtschaftlichen Aufschwung folgt, innerhalb eines Konjunkturzyklusses, ebenso ein wirtschaftlicher Abschwung.[22]

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Kreditprozess völlig zurecht als zentraler Geschäftsprozess eingestuft wird, da er im Rahmen des Aktivgeschäfts maßgeblichen Anteil am Ergebnis und Bilanzvolumen von Kreditinstituten hat und dementsprechend eine große geschäftspolitische Aufmerksamkeit erfährt.

2.2 Veränderte Rahmenbedingungen für Kreditinstitute

Ergänzend zur Digitalisierung sind weitere finanzdienstleistungsspezifische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, welche in Form einer Umfeldanalyse (PEST-Analyse) untersucht wurden und den grundlegenden Rahmen für diese Arbeit bilden.[23] Dazu zählen stagnierende Ertragspotenziale, ein intensiver Wettbewerb, die historische Niedrigzinsphase, ein hoher regulatorischer Druck sowie sich neuerdings erheblich verändernde Kundenanforderungen.

2.2.1 Handlungsdruck durch verstärkten Wettbewerb

„Hierzulande stürzen sich 2.000 Banken auf den Mittelstand, und ich frage mich, ob es dafür überhaupt genügend Mittelständler gibt“[24], so Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger beim ZEW Wirtschaftsforum in Mannheim. Seit einigen Jahren verfestigen sich die Wettbewerbsbedingungen im Bankenmarkt zunehmend zugunsten der Nachfrager. Die Konkurrenz zu herkömmlichen Kreditinstituten dehnt sich von den schon seit längerer Zeit vorhandenen Auslands-, Auto- und Direktbanken immer mehr auch auf die internationalen Technologiekonzerne, institutionelle Investoren, FinTechs sowie Crowdlending-Plattformen (im Privatbereich P2P- oder B2C- und bei Firmenkunden B2B-Plattformen) aus.

Gerade die Niedrigzinssituation und der Mangel an attraktiven Investitionsmöglichkeiten führen derzeit dazu, dass die Übernahme von Kreditrisiken gerade für institutionelle Investoren, die einer geringeren, anders gearteten oder keinerlei Regulierung unterliegen, zunehmend attraktiv wird. Bereits heute ist zu erkennen, dass Private-Equity-Gesellschaften, Hedge-Fonds, aber auch Versicherer zunehmend in die Übernahme von Kreditrisiken investieren. Denn diese tragen aufgrund mangelnder Anlagealternativen seit geraumer Zeit einen erheblichen Anlagenotstand mit sich herum.[25]

Ergänzend drängen die großen Internet- und Digitalkonzerne, die sogenannten GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon), vermehrt als neue Wettbewerber auf den Bankenmarkt. Diese haben diverse Zahlungsverkehrs- sowie Kreditinitiativen gestartet und bauen diese nun zunehmend aus. Bspw. hat der Amazon-Konzern jüngst verkündet ein Girokonto anbieten zu wollen und hat über seine Tochtergesellschaft amazon lending schon vor einigen Jahren ein Kreditprogramm mit sehr schnellen Vergabezusagen aufgelegt.[26] Jedoch ist der große Angriff der Digitalkonzerne auf die etablierten Kreditinstitute bisher ausgeblieben. Dies ist vorwiegend im europäischen Raum bei den aktuellen Eigenkapitalrenditen (EKR) und Aktienrenditen (englisch Total Shareholder Return, TSR)[27] sowie dem aktuellen Kurs-Buchwert-Verhältnissen (KBV) der Bankenlandschaft aus Sicht deren Managementbereiche absolut nachvollziehbar. Diese bleiben aktuell vorwiegend in deren Kerngeschäft, da sich dort deutlich höhere EKR erwirtschaften lassen.[28]

Des Weiteren wird seit geraumer Zeit in zahllosen Studien über die Vielzahl von neuen Finanztechnologie-Unternehmen und darauf folgend über disruptive Veränderungen im Bankenmarkt berichtet. Deshalb schließt sich nun eine detaillierte Betrachtung von FinTech-Unternehmen an. FinTechs sind junge Unternehmen (nicht älter als 10 Jahre) oder Startups im Bereich der Finanzdienstleistungen, die ihre Dienstleistungen i. d. R. über das Internet distributieren. Banken hingegen sind Unternehmen mit einer Voll- oder Teilbanklizenz nach § 32 Kreditwesengesetz (KWG). Doch diese sind nun nicht mehr die einzigen mit einer solchen Lizenz. Es gibt mittlerweile eine Reihe an FinTech-Unternehmen, die eine Voll- oder Teilbanklizenz besitzen. Hierzu zählen bspw. die Fidor-Bank sowie N26.[29]

Diese haben Ihre Geschäftsmodelle darauf ausgelegt in Nischen einzutreten oder an den veralteten Stellen der Wertschöpfungsketten etablierter Institute anzusetzen und daraus eigene, neue Geschäftsmodelle abgeleitet und etabliert. In vielen Bereichen der Finanzdienstleistungsindustrie tauchen immer mehr neue Wettbewerber mit neuem Leistungsangebot auf. Diese FinTechs bieten Leistungen im Rahmen sämtlicher Funktionen der früher vorwiegend von Kreditinstituten ausgeführten Tätigkeiten wie der Transaktion, Information und auch der Transformation an. FinTechs erbringen damit vor allem bekannte Finanzdienstleistungen wie das Bezahlen (E-Commerce, Wallet, Kryptowährungen), das Absichern (Versicherungen), das Anlegen (Crowdinvesting, Trading, RoboAdvisor) sowie das Finanzieren (Kredit-Plattformen, Unternehmenskredite). Dabei stellt die Prozessgeschwindigkeit, Flexibilität und eine hohe Bequemlichkeit für den Kunden ein wesentliches Element ihres Leistungsversprechens dar und sorgt für wachsenden Anpassungsbedarf bei Banken.[30]

Die deutsche FinTech-Branche ist jetzt nicht mehr in der Frühphase, sondern in der Expansionsphase. Bei den wichtigsten deutschen FinTechs steigen inzwischen große, strategische sowie meist ausländische Investoren ein. Hierzu zählen u. a. Blackrock (bei Scalable Capital), Paypal (bei Weltsparen), Visa (bei Solarisbank, Payworks), BBVA und Amro (beide Solarisbank) sowie Tencent und Allianz (bei N26). Dabei wurden im Jahre 2016 europaweit 2,2 Mrd. Dollar bzw. 1,86 Mrd. Euro in FinTechs investiert.[31]

Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich die erfolgreicheren unter den FinTechs allmählich der Profitabilität nähern. Auxmoney hat kürzlich kundgetan, auf 6-Monats-Sicht erstmals schwarze Zahlen geschrieben zu haben und auch N26 kann hier positive Zahlen verlauten lassen. Ähnlich verläuft diese Entwicklung bei den FinTechs Creditshelf und Compeon, die den gewerblichen Kreditmarkt als Zielmarkt betrachten. Dabei beliefen sich die verarbeiteten Finanzierungsanfragen bei Compeon schon im Jahr 2016 auf 2,5 Mrd. Euro.

Existenzbedrohend sieht die aktuelle Entwicklung für den regulären Bankenmarkt nicht aus. Jedoch nutzen derweil 47 % der weltweiten Bankkunden Finanzprodukte und -dienstleistungen von Non-Banks und bestätigen den Zugewinn an Vertrauen in die neuen Geschäftsmodelle. Es besteht somit noch erhebliches Potenzial für die junge Branche der FinTechs.[32]

Im Kreditbereich sind FinTechs anzutreffen, die auf eine vollständige Substitution des bisherigen Angebots der etablierten Finanzinstitute setzen und versuchen, die Kreditvergabe und Risikoübernahme ohne Einschaltung von Banken zu lösen. Andere FinTechs versuchen sich als Mittler zwischen Kreditnehmer und Kreditinstitut zu positionieren, um hierdurch für den Endkunden einen Mehrwert zu generieren.[33]

Fraglich bleibt in Bezug auf die am Markt erkennbaren Substitutionsversuche, ob dies im Kreditbereich gelingen mag. Es gibt im Privatkundenbereich intelligente Formen der automatisierten Bonitätsanalyse. Diese stellen allerdings nur einen Teil der Transformationsfunktion dar. Gerade im gewerblichen Kreditgeschäft sind die Erfolge dieser neuen Wettbewerber, aufgrund der höheren Komplexität und Volumina sowie der regulatorischen Rahmenbedingungen, noch gering und sprechen gegen den Erfolg von Substitutionsstrategien.[34]

Deutlich erfolgreicher dürften Kooperationsstrategien sein. Ein Beispiel dafür ist der etablierte Marktteilnehmer Interhyp, der im Kern eine Vermittlungsplattform darstellt. Dessen Pendant im gewerblichen Kreditbereich stellt bspw. das FinTech Compeon, als eine produkt- und anbieterunabhängige Vermittlungsplattform für Unternehmensfinanzierungen, dar. Allerdings kann auch von diesen Marktteilnehmern, die in Bezug auf das Kreditgeschäft eine Kooperationsstrategie suchen, eine Gefährdung für die etablierten Finanzinstitute ausgehen. Immer dann, wenn sie es schaffen dauerhaft die Kundenschnittstelle zu besetzen und mit weiteren Produkten zu versorgen, besteht für die Kreditinstitute die Gefahr einer Monopolisierung.[35]

2.2.2 Branchenspezifische Rahmenbedingungen

Die Finanzdienstleistungsindustrie gehört traditionell mit zu den am stärksten regulierten Branchen. Zudem ist der regulatorische Druck durch den Gesetzgeber seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise weiter angestiegen, sodass weitere Vorschriften für Finanzinstitute umzusetzen sind. Hierbei sind sowohl auf nationaler, auf europäischer als auch auf internationaler Ebene verschiedene Initiativen zu verzeichnen. Zu diesen gehören u. a. Basel III und IV, MiFID II, PSD II, IMD II, BCBS 239.[36]

Um die steigenden Anforderungen transparenter zu machen, wird im Folgenden eine Abb. abgedruckt, die die Entwicklung seit dem Jahre 2006 veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Lister (2015), S. 17.

Abb. 3: Steigende regulatorische Anforderungen im Bankengewerbe

Unabhängig von den einzelnen Regulierungsvorhaben lassen sich zwei quantitative Konsequenzen ableiten. Einerseits kommt es durch die erhöhte kapital- und risikogewichtete Aktiva zu einer deutlichen Reduzierung der Rentabilität auf Gesamtbankebene. Andererseits entsteht im Vertrieb durch die gestiegenen Informations- und Dokumentationspflichten ein gewisser Mehraufwand in der Kundenbetreuung und Abwicklung.[37] Die gestiegenen regulatorischen Anforderungen haben dabei speziell im Middle- und Backoffice zu Prozessverlängerungen und damit zu zusätzlichen Kosten geführt. Die steigende Komplexität erschwert die automatisierte Bearbeitung und macht manuelles Vorgehen zeitaufwendig und fehleranfällig. Dies tritt auch im FK-Bereich in Erscheinung, in welchem hochqualifizierte Mitarbeiter im Bereich der FK-Sachbearbeitung und der Kreditabteilung beschäftigt werden müssen. Diese müssen sich dabei mit manuellen Korrekturen und Datenaufbereitung beschäftigen, anstatt sich auf Kernaufgaben konzentrieren zu können. Diese Tendenzen behindern dabei den Personalabbau zur Steigerung der Gesamtbankeffizienz.[38]

Zudem hat sich durch die aufsichtsrechtlichen Regelungen in den letzten Jahren der Spielraum zur freien Organisation des Kreditgeschäfts deutlich eingeschränkt. Aus dieser Einschränkung resultiert eine deutliche Formalisierung und Strukturierung der Institute in Bezug auf Prozesse, Strukturen und (Mitarbeiter-) Verantwortungen. Neben dem deutlichen Mehraufwand schränkt dies die organisatorische Gestaltungsfreiheit deutlich ein. Durch die zahllosen Initiativen greift der Regulator in den gesamten Prozess von Kundenberatung bis zur Kreditentscheidung steuernd ein. Bezüglich der Effizienz der Kreditorganisation kann aus Sicht der Banken ggf. die Gefahr eines regulatorischen Übersteuerns konstatiert werden. So griff und greift der Regulator sowohl hinsichtlich Breite (Anzahl und Wirkweite von Initiativen) als auch Tiefe (Detailierungsgrad der einzelnen Initiativen) immer stärker in das Geschäft von Finanzinstituten ein und senkt damit möglicherweise die Profitabilität des Kreditgeschäfts.[39]

Neben die erhöhten regulatorischen Anforderungen tritt das etwa seit einem Jahrzehnt anhaltend niedrige Zinsniveau, als zusätzlicher Belastungsfaktor, hervor. Weltweit haben die Zentralbanken ein Niedrigzinsumfeld geschaffen, mit dem Ziel das Wirtschaftswachstum zu beleben. Diese Strategie wirkt sich jedoch negativ auf die Geschäftsmodelle der Bankenwelt aus. Das Niedrigzinsszenario beeinflusst zum einen die Erträge im Einlagengeschäft der Banken. So führen Negativzinsen auf Guthaben bei der Zentralbank, die nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden können, zu Belastungen der Gewinn- und Verlustrechnung von Banken. Zum anderen ist die Kreditseite betroffen, da sich die Kreditinstitute mit einer verflachenden Zinskurve konfrontiert sehen. Denn aufgrund der flachen Zinsstrukturkurve funktioniert die Fristentransformation nur unzureichend und senkt den hieraus erzielbaren Gewinn. Damit kommt das Niedrigzinsumfeld nicht nur im Einlagen-, sondern auch im Kreditgeschäft mit seiner dämpfenden Wirkung auf die Ertragsaussichten der Banken an.[40]

Der Zinsüberschuss macht mit ca. 80 % den wesentlichen Teil am Ertrag der Regionalbanken aus. Durch die andauernde Niedrigzinsphase sinkt dieser Überschuss bis 2021 um ein Drittel und setzt die Kreditinstitute aufgrund der einbrechenden Erträge unter Druck. Seit dem Jahre 2007 sind die Zinserträge bei den etablierten Banken von 4,79 % auf 2,6 % der DBS gesunken – und dies mit weiterhin negativer Tendenz. Im gleichen Zeitraum fiel der Zinsaufwand nur von 0,75 % auf 0,63 % der DBS. Die Provisionserträge konnten und können diese Lücke nicht vollumfänglich auffangen und von der Kostenseite ist keine Entlastung absehbar. Dauerhaft niedrige Zinsen führen somit zu deutlichen Rentabilitätsproblemen und setzen das Geschäftsmodell der Regionalbanken unter Druck. Die zeb.Regionalbankenstudie zeigt, dass diese sogar ein negatives Ergebnis aufweisen werden, sollten sie keine deutlichen Gegenmaßnahmen auf der Kosten- und Ertragsseite einleiten.[41]

Diese Entwicklung preist auch der Markt ein. Die Entwicklung des TSR für die fünfzig größten Banken in Europa, der sich im Zeitraum 2002-2006 noch auf 9,1 % p. a. belief, hat sich im Zeitraum 2007-2016 auf durchschnittlich minus 5 % p. a. reduziert. Dies zeigt die grundsätzlichen Probleme der mangelnden Ertragskraft sowie die Herausforderung der Beschaffung zusätzlichen externen Eigenkapitals auf. Dabei sagen die Prognosen auch in den kommenden Jahren einen weiteren deutlichen Rückgang der Jahresüberschüsse voraus.[42]

Diesen Rückgang können auch die verschiedensten Kostensenkungsmaßnahmen nicht vollumfänglich auffangen. Dazu zählen u. a. die Schließung von zahlreichen Filialen sowie Personalabbau. So führte der langjährige Aufbau personal- und raumintensiver Filialsysteme, insbesondere bei den Regionalbanken, zu den heutigen Distributionsstrukturen, die kurzfristig kaum rückgängig gemacht werden können. Dies verlangt eine langwierige Prozedur zur Reduzierung der Vertriebskosten, die bereits vor einigen Jahren begonnen hat und sich in der näheren Vergangenheit deutlich verstärkt hat.[43]

Eine weitere branchenspezifische Rahmenbedingung setzt am Verhalten der Kunden an. Das Kundenverhalten und deren Anforderungen an die Finanzbranche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Kunden haben aus anderen Lebensbereichen wie dem Musikkonsum, dem Büchermarkt oder dem Einzelhandel gelernt, dass Leistungen ortsunabhängig, 24/7 und nahezu in Echtzeit verfügbar sind und übertragen diese Leistungserwartungen aus dem Privatleben zunehmend auch auf Bankdienstleistungen. Dabei bestehen auch keinerlei Unterschiede der Erwartungen hinsichtlich Privat- und Firmenkunden. Die FK welche ebenfalls durch die jeweiligen Menschen als Entscheider vertreten werden, erwarten diese Qualität und Individualität auch für das FK-G, welches derzeit deutlich geringer digitalisiert ist.[44]

Inzwischen nutzen mehr als 50 % der deutschen Bürger Onlinebanking für ihre Bankgeschäfte. Dabei liegt der Anteil in Nordeuropa mit fast 90 % noch deutlich höher.[45] Dies trifft in erster Linie für die jüngeren Generationen wie die Generation Y und Z zu. Die Gruppe der Digital Natives, der Definition folgend Personen, die nach 1980 geboren wurden und somit mit digitalen Technologien wie dem Internet aufgewachsen sind, steigt stetig an. Für Digital Natives ist die physische mit der virtuellen Welt verbunden. Dabei ist eine hybride Lebensweise in ständiger Vernetzung zur Selbstverständlichkeit geworden. Gleichzeitig verändert sich das Nutzungsverhalten auch bei den älteren Generationen immer mehr hin zur Onlinenutzung.[46]

Dabei war der Einzelne noch nie zuvor in der Lage, einen so großen Einfluss auf die Gesellschaft, die Politik, die Unternehmen und damit das Wirtschaftsgeschehen zu nehmen wie heute. Über Social Media wie Facebook, Twitter, YouTube usw. ist jeder in der Lage, seiner Stimme Gehör zu verleihen und erzeugt somit zusätzlichen Druck auf die Kreditinstitute.[47]

Dieser Zugewinn an Macht geht einher mit steigenden Erwartungen hinsichtlich der Serviceleistungen, der Einhaltung von Versprechen und einer adäquaten Kommunikation und Reaktion. So werden immer bessere und schnellere Prozesse der Bank bei absoluter Prozesssicherheit begleitet von neuen innovativen Produkten und Lösungen zu einem Muss für die etablierten Institute.[48]

Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch die Transparenz über Preise und Leistungen der Finanzdienstleister. Bankprodukte lassen sich mit einem geringen Aufwand über das Internet vergleichen. Für Kreditprodukte heißt das, dass Kunden im ersten Schritt nicht zwingend zu ihrem Berater gehen müssen, um ein Finanzierungsanliegen zu besprechen, sondern im Internet nach Finanzierungsoptionen suchen können. Dabei stehen, auch für den gewerblichen Bereich, immer häufiger Aggregatorenportale als Mittler zwischen Kunde und Bank zur Verfügung, auf die später genauer eingegangen wird. Im Kreditbereich zeigt sich zudem besonders stark der Kundenwunsch nach Einfachheit. So erwarten Kunden heute, deutlich mehr als früher, dass sich Produktkonditionen flexibel an ihre individuelle Bedarfssituation anpassen. Dies drückt sich dann im gewerblichen Bereich z. B. in Produkten aus, die einen zeitlich und konditionell flexiblen Finanzierungsrahmen zur Verfügung stellen.[49]

Ein allgemeiner Trend in der Wirtschaftswelt geht von der Industrie- hin zur Wissensgesellschaft. An die Stelle des Wettbewerbs um Kapital und Rohstoffe sind heute das Werben um die richtigen Mitarbeiter und Kunden, das erforderliche spezifische Wissen und die immateriellen Ressourcen getreten. Ebenso wie kostenlose Waren anstelle physischer Produkte einen immer größeren Anteil am Konsum ausmachen, entfällt das Kapitalvermögen der Wirtschaft verstärkt auf immaterielle Werte. Die Produktion hängt nicht mehr so sehr von physischen Werten, sondern mehr von immateriellen Vermögenswerten, wie geistiges Eigentum, Organisationskapital, nutzergenerierte Inhalte und Humankapital, ab. Dieser Trend obliegt dynamischen Veränderungen und verschärft sich derzeit zusehends. Übertragen auf die Kreditwirtschaft wird das entscheidende Potenzial zum Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile darin gesehen, diese Ressourcen über eine intensive Pflege zu den Mitarbeitern und Kunden für die Bank nutzbar zu machen. Somit tritt das Sozialkapital als Ressource verstärkt in den Vordergrund. Investitionen in Humankapital werden insbesondere in der wissensintensiven Bankenbranche in Zukunft immer wichtiger, wenn Routinearbeiten zum größten Teil automatisiert werden und verstärkt menschliche Kreativität gefragt sein wird.[50]

Zusammenfassend besteht für die Banken aufgrund der genannten Entwicklungen ein erhöhter Handlungsbedarf. Diesem soll, neben vielen weiteren Maßnahmen, im Besonderen durch die Forcierung der Digitalisierung Rechnung getragen werden, welche durch die neuen technologischen Rahmenbedingungen begünstigt wird. Dabei ist das einzige was beständig ist, der technologische Wandel.

2.2.3 Technologische Rahmenbedingungen

Um dem Leser einen Eindruck von der Entwicklungsgeschichte der Technologien zu gewähren, soll nachfolgend die Einordnung der Digitalisierung im historischen Kontext stattfinden. Mit dem Jahr 1785 startete die Entwicklung mit mechanischen Produktionsanlagen mit Wasser- und Dampfkraft, wie bspw. dem mechanischen Webstuhl von Edmond Cartwright, unter dem Begriff Industrie 1.0. Diese Phase ging ab dem Jahre 1870 mit der arbeitsteiligen Massenproduktion, wie u. a. der Schlachthofproduktion in Cincinnati, über zu Industrie 2.0. Im dritten Teil der industriellen Revolution startete der Einsatz von (Mikro-)Elektronik, so dass die analogen Mechanismen durch erste programmierbare Steuerungen ersetzt werden konnten. Die beschriebene voranschreitende Automatisierung und Technologisierung weitet sich nun, mit der Digitalisierung und Vernetzung auf Basis von intelligenten und selbstlernenden cyber-physischen Systemen, zur vierten industriellen Revolution aus. Diese Vernetzung findet zwischen Mensch und Maschine, unter Maschinen, unter verschiedenen Unternehmen sowie mit dem Kunden statt und nimmt immer größere Strukturen an. Dabei wird die Anzahl der vernetzten Geräte Prognosen zufolge bereits im Jahr 2020 auf 25 Mrd. ansteigen. In cyber-physische Systeme sind Geräte, Objekte, Produktionsanlagen, Logistikkomponenten uvm. eingebettet, die Kommunikations- und internetfähige Module enthalten, um mittels spezieller Sensorik ihre Umwelt erfassen, speichern und dadurch auf die physikalische Welt einwirken zu können.[51]

Diese als vierte industrielle Revolution deklarierte Entwicklung hat sehr unterschiedliche Ausprägungen und revolutioniert bspw. die Automatisierung der Fertigung (Smart Factories) durch Verfahren der künstlichen Intelligenz. Dabei werden die betrieblichen Funktionalbereiche, von der Forschung über Einkauf und Fertigung bis zum Absatz, in vertikaler Hinsicht vernetzt. Zudem verändert sich das Zusammenspiel der Unternehmen, sowohl mit Lieferanten oder anderen Kooperationspartnern als auch Kunden, durch die horizontale Vernetzung. Ebenso findet eine Vernetzung von Haushalten (Smart Home) oder Energienetzen (Smart Grids) bis hin zu intelligenten Fahrzeugen und Moblitätssystemen (Smart Mobility) sowie Gesundheitsleistungen (Smart Health) statt.[52]

Die Entwicklungen im Rahmen von Industrie 4.0 sind dabei stark finanzierungsrelevant und beeinflussen die Werthaltigkeit und Arten von Sicherheiten, die Einschätzung des Kreditrisikos sowie Laufzeiten und Kreditvolumina der Unternehmensfinanzierung. Aufgrund des großen Umfangs wird für weiterführende Literatur zu diesem Themengebiet auf Paul verwiesen.[53]

Als Finanzintermediäre sind Kreditinstitute unmittelbar von den genannten Veränderungen der Realwirtschaft betroffen und müssen ihre Potenziale, Produkte und Prozesse an sich wandelnde Nachfragestrukturen anpassen.[54] Dabei können ihnen u. a. Methoden der künstlichen Intelligenz, der virtuellen oder erweiterten Realität sowie deutlich ausgebaute Speicher- und Analysetechnologien behilflich sein. Ebenso spielen Themenfelder wie Cloud Computing, robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) oder die Blockchain-Technologie eine bedeutende Rolle.[55]

RPA bedient sich der Fähigkeit von Softwarerobotern, d. h. durch künstliche Intelligenz getriebene Arbeiter, um eine menschliche Interaktion mit Benutzerschnittstellen von Softwaresystemen nachzuahmen.

Die Blockchain-Technologie wurde ursprünglich als Plattform für die Einführung von sogenannten virtuellen Währungen, wie bspw. Bitcoin, entwickelt. Die zugrundeliegende Technologie ermöglicht über ein verteiltes Rechnernetzwerk (dezentral; sogenanntes Peer-to-Peer-Netzwerk) sichere und kostengünstige Transaktionen ohne einen Finanzintermediär abwickeln zu können. Auf die zwei letztgenannten Technologien wird im Laufe dieser Arbeit näher eingegangen.[56]

Die genannten Entwicklungen und Technologien bieten den Finanzinstituten, bei adäquatem Einsatz sowie ausreichendem Know-how, vollkommen neue Handlungsoptionen. Erst durch diese neuen technologischen Entwicklungen wird überhaupt die Möglichkeit dazu geschaffen, die Digitalisierung, egal ob in der Industrie, Verwaltung oder dem Bankengewerbe, voranzutreiben. So wäre bspw. das autonome Fahren ohne Sensoren, schnelle Breitbandnetze usw. überhaupt nicht möglich. Ebenso haben sich bei den Finanzdienstleistern erst durch die erheblichen Leistungssprünge in der Datenverarbeitung eine Reihe von Möglichkeiten ergeben. Gleichzeitig verschieben sich die technischen Grenzen so schnell, dass sie faktisch keine Einschränkung mehr sind. Ein Ende dieser Entwicklung ist bis dato nicht in Sicht.[57]

Kreditinstitute dürfen nicht den Fehler machen, diese Entwicklung zu unterschätzen. Gerade im Bereich der Computertechnik neigen bisweilen selbst Fachleute dazu, falsche Prognosen zu treffen. So schätzte der damalige CEO von IBM im Jahr 1943, dass es weltweit einen Markt für etwa fünf Computer gebe. Im Geschäftsleben gilt also unverändert der Grundsatz: Wer den Trend verpasst, wird schnell abgehängt.[58]

Nach der Darstellung der technischen Rahmenbedingungen soll nun näher in das Kernthema Digitalisierung eingestiegen werden und darin der Begriff definiert, die Entwicklungsstufen genannt und eine Methode zur Bestimmung des digitalen Reifegrads von Kreditinstituten beschrieben werden.

2.3 Digitalisierung

Mit seinem berühmten Satz aus dem Jahre 1994 „Banking is necessary, banks are not“ spielte Bill Gates auf die sich zukünftig stark verändernden Strukturen im Finanzbereich an. Dabei verändert sich das „banking“ aufgrund der Digitalisierung mit immer höherer Geschwindigkeit. Jedoch spielen Banken auch ein Vierteljahrhundert später noch eine tragende Rolle im weltweiten Finanzwesen.

2.3.1 Der Begriff der Digitalisierung

Unter Digitalisierung kann in der engen Bedeutungsebene, gemäß der Online-Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik, sowohl die „Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherform“, also die Überführung analoger Daten in Nullen und Einsen, als auch die „Übertragung von Aufgaben, die bisher vom Menschen übernommen wurden, auf den Computer“[59] verstanden werden.

In der weiten Bedeutungsebene verstehen u. a. Becker et al. unter Digitalisierung die „Transformation von Geschäftsmodellen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Reduktion von Schnittstellen, zur funktionsübergreifenden Vernetzung und zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz“[60]. Für Eisert und Pratz ist Digitalisierung die „Nutzung aller technologischen Möglichkeiten für ein neues Kundenerlebnis, erweiterte Geschäftsmodelle und einen Effizienzsprung in der Abwicklung“[61]. Kirmße versteht unter „[Digitalisierung aus operativer Sicht] die technische Abbildung von Geschäftsmodellen, Prozessen und Produkten in einer digitalen Anwendungsarchitektur“[62]. Das Verständnis von Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen ist hingegen prozessual geprägt. KPMG versteht unter Digitalisierung „[…] alle Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistern die zur Steigerung der Effizienz bzw. Qualität führen oder die Optimierung des Interaktionsspektrums unterstützen“[63]. Für Lünendonk hingegen bedeutet Digitalisierung „[…] Geschäfts- und IT-Prozesse mithilfe relevanter Daten und geeigneter IT-Systeme über alle Kundenkanäle hinweg zu unterstützen und zu automatisieren“[64].

Wie die obige Auswahl von Definitionen zeigt, existiert keine eindeutige Begriffsbestimmung für Digitalisierung. Dies ist vor allem auf die Veränderung des Verständnisses von Digitalisierung im Zeitablauf und den Kontext in dem Digitalisierung genutzt wird zurückzuführen. Nach Meinung des Autors trifft jedoch die Definition von Becker et al. am ehesten zu und wird im Rahmen dieser Arbeit verwendet.[65]

Nicht nur aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive ist die Digitalisierung in den vergangenen Jahren einer der bestimmenden Veränderungstreiber. Auch und gerade in der Finanzwirtschaft hat der Megatrend der Digitalisierung bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung sowohl des Betriebs- als auch des Geschäftsmodells. In den vergangenen Jahren haben sich die Kreditorganisationen, unter den Einflüssen der Digitalisierung, bereits tiefgreifend verändert. Diese Veränderungen betreffen sowohl die Schnittstelle zum Kunden über einfache und mobile Interaktionsmöglichkeiten, wie auch die prozessuale Bearbeitung in der Bank von der Beantragung über die Kreditentscheidungen sowie der Auszahlung und Bestandsbearbeitung. Nachfolgend werden diese Veränderungen strukturiert.[66]

2.3.2 Veränderungen im Zuge der Digitalisierung

Die durch Digitalisierung stattfindenden Veränderungen lassen sich in drei Cluster einteilen. Zuerst sei die Digitalisierung im Sinne der Reduktion von physischer Informationsaufbewahrung genannt. Dies führte bereits dazu, dass bspw. Kreditanträge digital in der Filiale oder online in einem digitalen Formular erfasst und nicht mehr physisch an die bearbeitende Stelle weitergeleitet werden. Noch Anfang des 21. Jahrhunderts wurde der überwiegende Teil der Anträge tatsächlich physisch von Berater und Kunde gemeinsam ausgefüllt und dann mit einer oftmals aufwendigen Filiallogistik in die Kreditsachbearbeitung transportiert. Diese Veränderungen beziehen sich selbstverständlich auch auf die Bestandsakten, die noch in einem platzraubenden Archiv aufbewahrt werden mussten. Gleichzeitig führten sie zu einer Reduktion von unproduktiven Transportzeiten sowie zu einer deutlich höheren Prozesssicherheit und Transparenz, da der Ort der Akte sowie der zurückgelegte Weg stets einwandfrei nachvollzogen werden kann.[67]

Das zweite relevante Cluster ist unter dem Schlagwort der Automatisierung zu fassen. Hierunter ist das Ersetzen der Aufgabenbearbeitung von Menschen durch Algorithmen zu verstehen.[68] Die Digitalisierung und Automatisierung stehen in enger Verbindung zueinander und begünstigen sich gegenseitig. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Automation erläuterungsbedürftig.

Der vom griechischen Wort „auto“ abgeleitete Begriff der Automation ist das Synonym für Automatisierung. Unter der Veränderung oder Anpassung notwendiger Antriebskräfte, Bestandteile und Fakten beschreibt Automatisierung die eigenständige Funktionalität eines Vorganges ohne Einfluss des Menschen. Die Voraussetzung für Automatisierung ist i. d. R. der technische Fortschritt.[69]

Rückblickend auf die Vergangenheit können drei Abschnitte der Automatisierung festgestellt werden. Während sich der erste Abschnitt mit der Mechanisierung befasste und der zweite Abschnitt mit intensivierter Verwendung diverser Energietechniken, befasst sich der dritte Abschnitt mit dem erhöhten Einsatz von Informationstechnologie. Jeder beliebige Prozess im Unternehmen kann automatisiert werden. Abhängig vom Umfang des Anwendungsbereiches automatisierter Prozesse handelt es sich um eine Teil- bzw. Vollautomation.[70]

Für das Kreditgeschäft bedeutet dies heute u. a. einfache Plausibilitätsuntersuchungen der vom Kunden angegeben Daten, das Anreichern des Kreditantrags mit Bonitätsinformationen durch eine automatisierte Abfrage (unter Einbezug eines Rating-Verfahrens) oder auch umfangreichere Aufgabencluster, wie bspw. eine vollautomatisierte Kreditentscheidung. Mit deutlich geringeren Durchlaufzeiten können dem Kunden somit Entscheidungen binnen Minuten geboten werden. Dies gilt zumindest im kleinteiligen und wenig komplexen Privat- und Geschäftskundensegment. Doch auch im größeren gewerblichen Kreditbereich sind deutlich verkürzte Bearbeitungszeiten möglich, worauf in Abschnitt 3.2 näher eingegangen wird.[71]

Daraus leitet sich folglich ab, dass immer weniger einfache Aufgaben durch Mitarbeiter erledigt werden müssen, dafür konzentrieren sich die Mitarbeiter auf Aufgaben, die nach heutigem Stand der Technologie nicht oder nicht ökonomisch sinnvoll automatisiert werden können. Das führte und führt weiterhin zu einem kapazitativen wie qualifikatorischen Veränderungsbedarf in Finanzinstituten.

Das dritte relevante Cluster kann unter dem Begriff Workflow-Management gefasst werden. Es verbindet digitalisierte Informationen (Digitalisierung) sowie automatisierte und manuelle Bearbeitungsschritte (Automatisierung) und legt eine Steuerungs- und Kontrollsicht darüber. Dessen Bedeutung ist in den vergangenen Jahren im Zuge der verstärkten Effizienzbestrebungen deutlich gestiegen. Ein modernes Workflow-Management steuert für das Kreditgeschäft sämtliche Bearbeitungsströme sowohl im Neu- als auch im Bestandsgeschäft. Alle Prozesse, egal ob diese manuell, teilautomatisiert oder vollständig automatisiert sind, werden hierüber erfasst, bearbeitet und gesteuert. Konkret wird z. B. ein digitaler Kreditantrag durch sämtliche automatische Bearbeitungsschritte geleitet, im Bedarfsfall einem Mitarbeiter für manuelle Schritte und Kontrollvorgänge zugeleitet und anschließend archiviert.[72]

Somit ermöglichen die beschriebenen technologischen Möglichkeiten der Banken wesentliche Veränderungen ihrer Wertschöpfungskette. Im Kern geht es dabei stets um die Frage, wie bestehende Produktionsverfahren (z. B. Prozessketten in der Kreditbearbeitung oder bestandsführende Systeme) verändert oder ersetzt werden können, dass sie deutliche Steigerungen bzgl. der Effizienz als auch der Erfüllung von Kundenerwartungen machen. Insgesamt führten diese Veränderungen in den vergangenen Jahren bereits zu einer deutlich höheren Verarbeitungsgeschwindigkeit, einer Reduktion von manuellen Tätigkeiten und dadurch zu einer höheren Transparenz sowie einer deutlich gestiegenen Effektivität sowie Effizienz im Kreditgeschäft.[73]

Die Beispiele aus der Medien-, Bücher- oder Einzelhandelsbranche zeigen, dass der Prozess der Digitalisierung nach den ersten digitalen Veränderungen keine Geschwindigkeit verlieren muss. Vielmehr ist es so, dass sich nach der ersten digitalen Transformation weitere Veränderungswellen anschließen. Als ein Beispiel hierfür kann die Medienbranche herangezogen werden, die Anfang der 2000er-Jahre klassisch erstellte Inhalte online gestellt hat. Mittlerweile hat diese aber in Bezug auf Nutzerinteraktion (Kommentierung, Verlinkung mit Facebook o. ä.), Konvergenz der Formate (Text, Foto, Video) oder auch Ablösung menschlicher durch nicht menschliche Autoren (z. B. in der Sportberichterstattung) weitere Digitalisierungsfortschritte vollzogen.[74]

In Zeiten zunehmender Beschleunigung der Veränderungen kommt der ständigen Weiterentwicklung bisheriger Bestrebungen, dem Entdecken neuer Möglichkeiten, der unternehmerischen Flexibilität, der Wahrung des Handlungsspielraums und somit der strategischen Führung wesentliche Bedeutung zu. Um Digitalisierungsbestrebungen voranzutreiben und somit das FK-Kreditgeschäft zu verbessern, stellt es eine Notwendigkeit dar, zuerst den aktuellen digitalen Reifegrad des jeweiligen Kreditinstituts zu bestimmen. Dazu soll nachfolgend eine Methode vorgestellt werden, welche im dritten Kapitel Anwendung findet.

[...]


[1] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 874.

[2] Williams-Grut (2015), S. 1.

[3] Ebenda, S. 2.

[4] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 875; Vgl. Gimpel/ Röglinger (2015), S. 5.

[5] Vgl. Finance-Research (2017), S. 4; Finanztechnologie bzw. FinTech ist eine neue Finanzindustrie, welche

Technologie verwendet, um finanzielle Aktivitäten zu verbessern.

[6] Vgl. Knecht et al. (2017), S. 3; E2E-Prozesse sind Prozesse mit einer durchgängigen, automatisierten Daten- verarbeitung, d. h. insbesondere ohne manuelle Arbeiten oder Medienbrüche.

[7] Vgl. Kühnelt (2018), S. 3.

[8] Börner et al. (2005), S. 18.

[9] Vgl. Raddao (2008), S. 2 ff. und Schmoll (2006), S. 4 als Beispiele für Beiträge ohne Abgrenzung des Begriffs Firmenkunde.

[10] Vgl. Krauß (2003), S. 8; Vgl. Schmoll (2006), S. 4.

[11] Vgl. Krauß (2003), S. 8.

[12] Vgl. Renker (2005), S. 96; Vgl. Bäumker (2011), S. 106.

[13] Vgl. Kirmße (2017b), S. 384 f.

[14] Vgl. ebenda, S. 382 f.

[15] Vgl. Sinn et al (2015), S. 4; Vgl. Sträter et al. (2015), S. 9.

[16] Unter Depot-A-Geschäft werden Wertpapiere aus dem Eigenhandel der Bank verstanden.

[17] Vgl. Sträter et al. (2015), S. 10.

[18] Vgl. Sinn et al (2015), S. 6.

[19] Vgl. Sinn et al (2015), S. 6.

[20] Vgl. Praeg et al (2015), S. 6.

[21] Vgl. Schwartz (2015), S. 7; Vgl. Stickling et al. (2016), S. 25.

[22] Vgl. ebenda, S.23.

[23] Die PEST-Analyse beinhaltet, als ein Modell zur Analyse der Unternehmensumwelt, die Komponenten political, economy, social und technological.

[24] Henk/ Holthaus. (2015), S. 65.

[25] Vgl. Kirmße (2017b), S. 392.

[26] Vgl. Hahn (2018), S. 1.

[27] Der TSR ist definiert als Veränderung der Marktkapitalisierung unter Berücksichtigung von Kapital- maßnahmen und zzgl. Dividenden.

[28] Vgl. Ehlerding et al. (2017), S. 4.

[29] Vgl. Deutscher Bundestag (2015), S. 1.

[30] Vgl. Prystav (2014), S. 1 f.

[31] Vgl. Dohms (2018), S. 1 f; Vgl. Thiesmeyer (2017), S. 7; Umrechnungskurs EUR/USD 1/1,18.

[32] Vgl. Compeon (2017), S. 1; Vgl. Dohms (2018), S. 1 f; Vgl. Thiesmeyer (2017), S. 7.

[33] Vgl. Kirmße (2017b), S. 394.

[34] Vgl. ebenda.

[35] Vgl. ebenda.

[36] Vgl. Henk/ Holthaus (2015), S. 65.

[37] Vgl. Henk/ Holthaus (2015), S. 65.

[38] Vgl. Kirmße (2017b), S. 383.

[39] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 883 ff.

[40] Vgl. Stickling et al. (2016), S. 5.

[41] Vgl. Stickling et al. (2016), S. 5; Vgl. Thiesmeyer et al (2017), S. 1.

[42] Vgl. Kirmße (2017b), S. 383 f; Vgl. Ehlerding et al. (2017), S. 4.

[43] Vgl. Bieberstein (2015), S. 11.

[44] Vgl. Eickbusch (2017), S. 936.

[45] Vgl. Eickbusch (2017), S. 936.

[46] Vgl. Brenner/ Herrmann (2015), S. 23.

[47] Vgl. ebenda, S. 15.

[48] Vgl. ebenda.

[49] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 877.

[50] Vgl. Brynjolfsson/ Mcafee (2015), S. 147-149; Vgl. Kring (2005), S. 103.

[51] Vgl. Mi Cao (2016), S. 6 f; Vgl. Paul (2017), S. 225; Vgl. Gimpel/ Röglinger (2015), S. 6.

[52] Vgl. Paul (2017), S. 225.

[53] Vgl. ebenda, S. 224 ff.

[54] Vgl. Paul (2017), S. 224.

[55] Vgl. Brühl (2017), S. 19; Cloud Computing beschreibt die Bereitstellung von IT-Infrastruktur über das Internet.

[56] Vgl. ebenda, S. 22.

[57] Vgl. Deutsche Bundesbank (2015), S. 2.

[58] Vgl. Deutsche Bundesbank (2015), S. 3 f.

[59] Hess (2016), S. 1.

[60] Becker et al. (2015), S. 265.

[61] Eisert/ Pratz (2014), S. 22.

[62] Kirmße (2017a), S. 299.

[63] KPMG (2017), S. 1.

[64] Lünendonk (2015), S. 5.

[65] Vgl. Mi Cao (2017), S. 6 f.

[66] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 881-883.

[67] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 881-883.

[68] Vgl. ebenda.

[69] Vgl. Langmann (2010), S. 19.

[70] Vgl. ebenda.

[71] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 882.

[72] Vgl. ebenda, S. 882 f.

[73] Vgl. ebenda, S. 878-882.

[74] Vgl. Ehlerding/ Liesenkötter (2017), S. 877.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung des Firmenkundenkreditgeschäfts und dessen Kreditprozess
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
97
Katalognummer
V442767
ISBN (eBook)
9783668809697
ISBN (Buch)
9783668809703
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitalisierung, Firmenkundengeschäft, Kreditgeschäft, Kreditprozess, Regionalbanken, Möglichkeiten und Grenzen
Arbeit zitieren
Bachelor of Science Sebastian Bergmann (Autor:in), 2018, Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung des Firmenkundenkreditgeschäfts und dessen Kreditprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442767

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