Grammatikreflexion und Sprachunterricht


Seminararbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grammatik vs. Sprachreflexion

3. Ziele und Funktionen von Grammatikunterricht

4. Bild des idealen Grammatikunterrichts

5. Resümee

6. Verwendete Literatur

1. Einleitung

Der Schüler muss im Sekundarbereich I sichere Fähigkeiten beim Produzieren und Gestalten eigener Texte zu unterschiedlichen Zwecken ausbilden. Die Erfahrung, sich anderen mündlich oder schriftlich mitzuteilen und die eigene Kreativität zu erproben, ist für die Identitätsfindung wichtig.[1]

Grammatik als eine der septem artes liberales gehörte schon in Antike[2] und Mittelalter zum Ausbildungsrepertoire des gebildeten Menschen und ist bis heute ein fester Bestandteil schulischen Lernens geblieben.[3] Die allegorischen Darstellungen des Mittelalters zeigen die Grammatik dargestellt mit einer Rute, die unter anderem die Schwierigkeiten ihrer Erlernung und des Grammatikunterrichts zeigen könnte.[4]

Die Strapazen dieses Unterrichts bestätigen auch die Befragten einer Untersuchung über grammatisches Wissen, die 1991 von Hubert Ivo und Eva Neuland durchgeführt wurde.[5] Zusammengefasst kamen sie zu folgendem Ergebnis:

„Die Befragten wissen wenig von der Grammatik ihrer Muttersprache, mögen sie nicht sonderlich und erinnern sich nicht gern an ihren Grammatikunterricht, halten aber daran fest, dass Grammatikunterricht sein muss, und geben hierfür unterschiedliche Gründe an“.[6]

Die Umfrageergebnisse werden von Sprachdidaktikern benutzt, um den traditionellen Grammatikunterricht immer wieder aufs Neue in Frage zu stellen und den Wunsch nach neuen Perspektiven zu äußern. Dass eine Patentlösung dabei noch nicht gefunden wurde und schwer zu finden ist, stellt meistens das Ergebnis der Betrachtungen dar.

Grammatik oder im aktuellen didaktischen Sprachgebrauch Sprachreflexion ist und bleibt aber ein zentraler Punkt des Deutschunterrichts. Er ist ein curricular fest etablierter Lern- und Arbeitsbereich und gehört konsensmäßig als grundsätzlicher Bestandteil in den muttersprachlichen Unterricht, was daran deutlich wird, dass der Lehrplan die Einführung in grammatische Betrachtungen vorschreibt und auch die neueste bildungspolitische Errungenschaft der Bildungsstandards Wert auf sprachliche Kompetenzen legt, die nicht ohne grammatisches Wissen auskommen.[7] So ist es das Ziel des sprachlichen Deutschunterrichts, Sprachverwendungskompetenz als Fähigkeit, eigene Intentionen in angemessener sprachlicher Form unter Einhaltung der grammatischen und orthographischen Normen zu realisieren, aufzubauen. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung sprachlich-kommunikativer Fertigkeiten, so dass der Schüler lernt, Sprache als ein geordnetes System zu erkennen, das nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten strukturiert ist, gleichzeitig aber immer bestimmten Veränderlichkeiten unterliegt, die dem System innewohnen.[8] Die Beschreibungen zum Teilbereich Sprache im Rahmenplan umfassen daher folgende Punkte:

„Die Schüler gewinnen und vertiefen Einsichten in die Strukturen der deutschen Sprache und deren Entwicklung und in den Bau und die Struktur von Wörtern und Sätzen.

Indem sie sprachlich-kommunikative Alltagserfahrungen reflektieren, sich Systemkenntnisse aneignen und diese im Rahmen verschiedener Sprech- und Schreibanlässe erproben, eignen sie sich Wissen über Regularitäten des Sprachsystems an. So werden sie sicherer im Umgang mit grammatisch-orthographischen Regeln.

Die Schüler entwickeln eine kritisch-reflektierende Sicht auf den eigenen und auf fremden Sprachgebrauch. Die Notwendigkeit korrekten Sprachgebrauchs soll in funktionalen Zusammenhängen einsichtig werden.

Die Schüler arbeiten bewusst an der Überwindung grammatisch-orthographischer und stilistischer Fehlerquellen und lernen in diesem Zusammenhang, sich selbstverständlich und jederzeit der verschiedensten Hilfsmittel zu bedienen. Zur Steigerung und Sicherung grammatisch-orthographischer Fertigkeiten nutzen sie vielfältige Übungsformen“.[9]

Durch die alte Tradition dieser Unterweisungen hat die Handhabung, der Stellenwert und die Art und Weise des Grammatikunterrichts sich im Verlauf der Zeit mehrmals geändert. Er war einmal mehr einmal weniger in der Schule gefragt.[10] Aus aktueller Position kann man ein Ja zu sprachlicher Unterweisung und zur Sensibilisierung im Umgang mit Sprache erkennen. Die einzelnen Positionen und Angebote, wie man das im Unterricht machen kann sind verschieden treffen sich aber in der Position, dass Grammatikunterricht wie jeder Unterricht vom Schüler und seinen lebensweltlichen Bezügen (Texten) ausgehen sollte. Die folgenden Ausführungen wollen daher zusammentragen, welche Funktionen Grammatikunterricht erfüllen kann und wie der ideale Grammatikunterricht aussehen sollte.

2. Grammatik vs. Sprachreflexion

In der wissenschaftlichen Diskussion teilen sich die Fronten scheinbar zwischen Grammatik und Sprachreflexion. Bevor nun die unterschiedlichen Standpunkte betrachtet werden sollen, scheint es sinnvoll zunächst die Begriffe Grammatik und Sprachreflexion zu konkretisieren beziehungsweise danach zu fragen, worin sich beide unterscheiden lassen und ob es notwendig ist sie zu unterscheiden.

Ein Blick ins Wörterbuch definiert die Grammatik als Beschreibung der Struktur einer Sprache, als Teil der Sprachwissenschaft, der sich mit den sprachlichen Formen u. deren Funktionen im Satz, mit den Gesetzmäßigkeiten und dem Bau einer Sprache beschäftigt. Grammatik ist dabei auch die Bezeichnung für die Ergebnisse der Grammatikforschung in Form eines Buches oder einer wissenschaftlichen Darstellung sowie Bezeichnung für die Gesamtheit der Regeln einer Sprache. Meist wird die Grammatik eingeteilt in Phonetik, Morphologie und Syntax.

Von dieser so genannten Buchgrammatik wird die interne Grammatik abgegrenzt, die jeder Mensch von Geburt an in sich trägt und die unser natürliches Sprachgefühl leitet.[11] An dieser Schnittstelle zwischen dem grammatischen Wissen als trägem Buchwissen[12] und der natürlichen Fähigkeit sich verständlich und grammatisch angemessen auszudrücken setzen die Überlegungen der Forscher an, die nach dem Nutzen von Regelunterweisung fragen und überlegen, ob diese überhaupt notwendig sei.[13]

Eine wesentliche Eigenschaft von grammatischen Zeichen ist ihre Unauffälligkeit. Sie treten erst in unser Bewusstsein, wenn sie fehlen oder unüblich gebraucht werden.[14] Da sie zudem metasprachlicher Natur sind und weder morphologisch noch semantisch selbständig auftreten also synsemantisch sind, ist ihr Werkzeugcharakter besonders zu beachten und durch eine Funktionsanalyse näher zu bestimmen.[15]

[...]


[1] Rahmenplan Deutsch. Gymnasium, Integrierte Gesamtschule. Jahrgangsstufe 7-10. Hrsg. vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern. 2002, S. 2.

[2] Abgeleitet von griechisch gramma = der Buchstabe, war Grammatikunterricht im griechischen Lehrplan zunächst Lese- und Schreibunterricht und dann Unterricht über guten Sprachgebrauch, den man sich bei vorbildlichen Schriftstellern und Gelehrten abschaute. Eichler, Wolfgang: Grammatikunterricht. In: Lange, Günter; Neumann, Karl; Ziesenis, Werner (Hrsg.): Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach- und Literaturdidaktik. Bd. 1: Grundlagen – Sprachdidaktik – Mediendidaktik. 5. vollst. überarb. Aufl. Hohengehren 1994, S. 253.

[3] Steinig, Wolfgang; Huneke, Hans-Werner: Sprachdidaktik Deutsch. Eine Einführung. Berlin 2002 (Grundlagen der Germanistik 38), S. 145.

[4] Vgl.: Sucharowski, Wolfgang: Zusammenbringen, was zusammenstrebt. Kann Sprache sich selbst erklären? In: Deutsch Didaktik Rostock Heft 2, 1999, S. 19f.

[5] Auf diese Studie beziehen sich fast alle Autoren, deren Äußerungen für die Betrachtungen dieser Arbeit herangezogen wurden. Beispielsweise: [5] Ingendahl, Werner: Sprachreflexion statt Grammatik. Ein didaktisches Konzept für alle Schulstufen. Tübingen 1999 (Reihe Germanistische Linguistik; 2111; Kollegbuch), S. 1f. – Ulrich, Winfried: Wie und wozu Grammatikunterricht? In: Deutschunterricht 1 (2001), S. 4. – Klotz, Peter: Sprachreflexionskompetenz und kompetenter Sprachgebrauch. In: Kämper-van den Boogaart, Michael (Hrsg.): Deutschunterricht nach der PISA-Studie. Reaktionen der Deutschdidaktik. Frankfurt a. M. 2004 (Beiträge zur Literatur- und Mediendidaktik, 6), S. 155.

[6] Ivo/Neuland: Grammatisches Wissen. In: Diskussion Deutsch 22 (1991), S. 437. Zitiert nach: Ingendahl, Sprachreflexion statt Grammatik 1999, S. 1.

[7] Vgl. den Abschnitt zu den Standards im Kompetenzbereich Deutsch: Sprache und Sprachgebrauch untersuchen. Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Bildungsstandards im Fach Deutsch für den mittleren Schulabschluss. S. 20f. http://www.kmk.org/schul/Bildungsstandards/Deutsch_MSA_BS_04-12-03.pdf.

[8] Rahmenplan, S. 13.

[9] Rahmenplan, S. 15.

[10] Zu Angaben zur Geschichte des Grammatikunterrichts vgl.: Diegritz, Theodor: Wohin steuert die Grammatikdidaktik? „Diskussion Grammatikunterricht“ um 1980 und zu Beginn der 90er Jahre im Vergleich. In: Der Deutschunterricht 48(4) 1996, S. 87-95. – Eichler, S. 252-261. – Steinig/Huneke, S. 139-144.

[11] Steinig/Huneke, S. 137.

[12] Ingendahl, Sprachreflexion statt Grammatik 1999, S. 5.

[13] Gegen das Regel- und Terminipauken sprechen sich besonders aus: Ingendahl, Werner: Sprachreflexion statt Grammatikunterricht. Wirkendes Wort 47-2 (1997), S. 272-291. – Und für den Grundschulbereich Diegritz, Theodor: Wohin steuert die Grammatikdidaktik? „Diskussion Grammatikunterricht“ um 1980 und zu Beginn der 90er Jahre im Vergleich. In: Der Deutschunterricht 48(4) 1996, S. 87-95.

[14] Köller, Wilhelm: Funktionaler Grammatikunterricht. Tempus, Genus, Modus: Wozu wurde das erfunden? Hohengehren 1997, S. 11.

[15] Köller, S. 12-14. – Klotz, S. 155.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Grammatikreflexion und Sprachunterricht
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V44285
ISBN (eBook)
9783638419147
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grammatikreflexion, Sprachunterricht
Arbeit zitieren
Katja Böttche (Autor:in), 2005, Grammatikreflexion und Sprachunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44285

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