Bahnverkehr auf dem Abstellgleis? Der Eisenbahnverkehr im Osten Russlands am Beispiel der Stadt Nowosibirsk


Forschungsarbeit, 2018

36 Seiten, Note: 1,0

Florian Wondratschek (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

Einführung Eisenbahn in Russland

Öffentliche Daseinsvorsorge

Russische Eisenbahn: Börsengang nach Kürzungen
Anfänge der russischen Eisenbahn
Umwandlung in Aktiengesellschaft

Die Stadt Nowosibirsk im Herzen Sibiriens
Stadtbezirke
Politische Rahmenbedingungen
Ökonomie
Umweltproblematiken

Fernverkehrsknoten Nowosibirsk
Bedeutung des Güterverkehrs
Internationale Gütermagistrale

Nowosibirsk -Innenstädtischer Nahverkehr
Sowjet-Auflösung schwächt Nahverkehr
Taktfrequenz und Fahrgastzahlen
Keine Kooperation zwischen Stadt und RŽD
Metro-Ausbau kommt nur schleppend voran
Finanzierungsstopp aus Moskau blockiert Metro-Weiterentwicklung

Quintessenz
Transsibirische Eisenbahn sanieren
Flächendeckendes ÖPNV-Netz
Straßenbahnnetz instand setzen
Doppelspurigkeit effektiv bekämpfen
RŽD stärker einbinden
Nordflughafen
Wiener Modell anwenden

Literatur

Bildnachweise

Einführung Eisenbahn in Russland

2.1. fand die Fußballweltmeisterschaft der Männer in Russland statt. Bei dem großenTurnier der FIFA versuchen sich die Gastgeber von der besten Seite zu zeigen. Ganz hochim Kurs ist eine gute Eisenbahnverkehrsinfrastruktur, die die Fans und Spieler schnell vonStadion zu Stadion bringen sollen. Doch in dem größten Land der Welt wird die WM nur imWesten stattfinden, und nicht in dem flächenmäßig größeren asiatischen Teil. Daher erfolgendie Fortschritte der Eisenbahn derzeit vornehmlich auf der europäischen Seite. Die zentraleFrage ist, wie es um die russische Eisenbahn in Ost-Russland, genauer Sibirien, steht. MitSibirien assoziieren viele Menschen unergründete Weiten Russlands, in welchen es sehr kaltist und so gut wie keine Menschen leben.

Die Forschungsarbeit hat den Anspruch, am Beispiel der Stadt Nowosibirsk denEisenbahnverkehr im Osten Russlands zu untersuchen. Diese Definition umschließtzunächst das russische Fernverkehrsnetz, der durch die Transsibirische Eisenbahn geprägtist, als auch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Notwendig ist die Beschreibungdes Verhältnisses zwischen Staatsbahn und städtischem Verkehrsbetrieb mit ihrenunterschiedlichen Wirtschaftsformen. Um die Verkehrspolitik der Stadt nachvollziehen zukönnen, soll ein Abschnitt der Arbeit über die individuellen gesellschaftlichenVoraussetzungen der Millionenstadt berichten. Dabei wird die Bedeutung des staatlichenFernverkehrs untersucht, sowie der öffentliche Personennahverkehr mit seinen zukünftigenEntwicklungsplänen verkehrspolitisch erforscht. Herauszufinden, inwieweit derEisenbahnverkehr seine Pflicht der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllt und welchepolitischen Möglichkeiten es für eine optimale Weiterentwicklung gibt, ist Ziel derwissenschaftlichen Ausarbeitung.

Öffentliche Daseinsvorsorge

Der Begriff „Öffentliche Daseinsvorsorge“ bezeichnet Tätigkeiten des Staats, welche einergrundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungendienen (Deutsches Institut für Urbanistik 2012). Er wurde in den 1930er Jahren von ErnstForsthoff geprägt (Horz 2017). Im weiteren Definitionskreis kann von der allgemeinenGrundversorgung der Zivilgesellschaft gesprochen werden. Zu der öffentlichenDaseinsvorsorge gehören die Abfallbeseitigung, die Versorgung mit Wasser, Gas und Stromsowie der Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs (ebd.). Welche Güter undDienstleistungen konkret von staatlicher Seite aus bereitgestellt werden, ist politisch umstritten. Die aus der Daseinsvorsorge entstandenen öffentlich-rechtlichen

Anbieterstrukturen werden unter anderem durch die Liberalisierungs- undDeregulierungsbestrebungen seit 1990 hinterfragt. Diese sind in den BereichenTelekommunikation, der Strom- und Gasversorgung sowie bei Post und Bahn entstanden.Wirtschaftsliberale Vertreter nehmen an, dass durch den Wettbewerb die Dienstleistungenimmer effizienter und preisgünstiger angeboten werden, während die politische Linke davorwarnt, die demokratische Kontrolle zu verlieren und dass individuellen Bedürfnisse hinter dieGewinnmaximierung gestellt werden (vgl. Ernst 2018; FDP Bayern 2016). In dieserAusarbeitung wird der ÖPNV in Nowosibirsk im Hinblick auf seine Arbeitsleistungenuntersucht.

Russische Eisenbahn: Börsengang nach Kürzungen

Der Eisenbahnverkehr in Russland besitzt eines der größten Schienennetze der Welt. DieBetriebslänge des momentan genutzten Gleisnetzes beträgt 85.300 km, von denen über dieHälfte elektrifiziert sind (Gupta 2014). Die Gesamtlänge aller derzeit verlegtenEisenbahnschienen beträgt 124.000 Kilometer, sodass Russland das zweitgrößteSchienennetz der Welt besitzt (ebd.). Das größte russische Industrieunternehmen istРоссийские железные дороги (deutsch: Russische Eisenbahnen), kurz RŽD.

Ein charakteristisches Merkmal des Eisenbahnverkehrs in Russland ist ein hoher Anteil an elektrifizierten Trassen (Sowjetischer Ministerrat 1956). Der Eisenbahnverkehr in Russland transportiert 27 Prozent aller Passagiere und 45 Prozent der Fracht (RŽD 2017).

Anfänge der russischen Eisenbahn

Die erste Eisenbahntrasse wurde 1830 für den Kaiser Nikolaus I. zwischen Leningrad (heuteSt. Petersburg) und Zarskoje Selo (heute Puschkin) gebaut (Kraskovsky 1994). DieFlächenbahn im großen Stile zu verbreiten, lag insbesondere an der Niederlage Russlandsim Krimkrieg in den 1850er Jahren (ebd.). Um den schnellen Einsatz von Streitkräften imganzen Land zukünftig zu ermöglichen, wurden vornehmlich im Westen Schienen verlegt.Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch zu militärischen Nutzen die TranssibirischenEisenbahn gebaut, welche endlich den weiten russischen Osten erschließt und immer nochden Titel „längste Eisenbahnstrecke der Welt“ trägt (ebd.). Zu Beginn der Sowjetzeit 1922wurden alle Eisenbahnen verstaatlicht und dem Eisenbahnministerium unterstellt. Die Blütezeit der sowjetischen Eisenbahn kam, nachdem die Kriegsschäden des zweiten Weltkrieges zügig repariert wurden. Verantwortlich dafür warder von 1948 bis 1977 im Amt gebliebener Eisenbahnbahn- minister der Kommunistischen Hochgeschwindigkeit-Elektrolokomotive ER-200auf der Fahrt von Moskau nach Nowosibirsk Partei der Sowjetunion (KPdSU) Boris Beshchev, der wichtigeeinspurige Eisenbahnstrecken zweigleisig ausbaute, elektrifizierte und durch neuwertige Gleise austauschte (Andreeva2016). Gemeinsam mit Gewerkschaften organisierte er den Wandel der Eisenbahn von derDampfmaschine über Diesel- zu Elektrolokomotiven (ebd.). Trotz knapper Kassen konnte dersozialistische Staat 1973 mit Entwicklung der Hochgeschwindigkeit-Elektrolokomotive ER-200 Fahrtzeiten über längere Strecken bedeutend reduzieren (Dymant 1974,42f.).

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Der Zusammenbruch der UdSSR führte zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichenSituation, der die Eisenbahnen Russlands direkt betraf. Die neu gegründete RŽD übernahmden in Russland gelegenen Teil der Eisenbahninfrastruktur und die Fahrzeuge derSowjetischen Eisenbahnen. Es wurden fast keine neuen Eisenbahnstrecken gebaut und derZustand von Bahnhöfen, Vorortzügen und Fernverkehrszügen verschlechterte sich. Insozialistischer Manier wurde der Personenverkehr subventioniert, allerdings auf Kosten derGüterfracht (Zaitsev/Yakovlev 2018). Die Ausgaben für den Eisenbahnverkehr wurden unterBoris Jelzin geschmälert, sodass die Präsidentschaftswahl 1994 eine Weichenstellung imEisenbahnverkehr darstellte. Die Wiederwahl Jelzins bedeutete eine Unterfinanzierung derBahn, was viele Angestellte der Eisenbahn dazu verleitete, den Kommunisten GennadiSjuganow zu wählen („Jelzins Joker im Spiel“ 1996). Jelzins Agenda setzte sich jedochdurch.

Umwandlung in Aktiengesellschaft

Unter der unter absoluter Mehrheit regierenden Partei Einiges Russland mit ihremPräsidenten Wladimir Putin wurden am 1. Oktober 2003 Teile der Eisenbahn in einebörsenorientierte Aktiengesellschaft umgewandelt. Dies geschah aufgrund derQuersubventionierung defizitärer Unternehmensbereiche, sowie der niedrigen technischenQualität und des geringen Komforts für Fahrgäste (Zaitsev; Yakovlev 2018). Durch die Ausgliederung musste das für die Entwicklung zuständige Eisenbahnministerium der Unternehmensstruktur und dem gesamten Eisenbahnvermögen weichen (ebd.).

Anschließend wurde die Wettbewerbsfähigkeit des Güterverkehrs vorbereitet, um Zuschüssezum Personenverkehr zu reduzieren. Zahlreiche Tochtergesellschaften, die separatwirtschaften, wurden gegründet und ein neues Tarifsystem eingeführt (ebd.). DieUnternehmensstruktur im schwach besiedelten Osten fällt durch den entstandenenWirtschaftlichkeitsdruck entsprechend anders aus als im Westen Russlands. DieTochtergesellschaft in Nowosibirsk ist die Westsibirische Eisenbahngesellschaft (ebd.).

2010 wurde eine Holding gebildet, in die Präsident Putin bis 2030 über 380 Milliarden EuroStaatssubventionen einzahlen möchte (ebd.). Mit diesen Mitteln sollen neue Lokomotivenund Wagen angeschafft, sowie 20.000 km Bahnstrecke gebaut werden, um abgelegenen Regionen einen Bahnanschluss zu ermöglichen (ebd.). Neben Hochgeschwindigkeitsverbindungen nach Kasan, Sotschi und St. Petersburg investiertRussland in den Ausbau der Transsibirischen Eisenbahn insgesamt 14 Milliarden Euro(Verkehrsrundschau 2013). Im Zuge des Börsengangs wurden zahlreiche Trassen wie dieins georgische Senaki-Adler stillgelegt und auch die Infrastruktur mit der Zeit marode.

Die Stadt Nowosibirsk im Herzen Sibiriens

Nowosibirsk ist der Verwaltungssitz des Föderationskreises Sibirien. Mit seinen 38 MillionenEinwohnern ist der Kreis schwach besiedelt, da die Bevölkerungsdichte im Mittel bei nur 3,8Menschen pro km² liegt (Russisches Bundesstatistikamt 2016). Flächenmäßig ist Sibiriendamit 14-mal so groß ist wie Deutschland, denn trotz Mittelpunkt Russlands erstreckt sichdas Gebiet bis zum Nördlichen Polarmeer. Die Bevölkerung konzentriert sich auf einenStreifen im Süden und Südwesten, wo die Transsibirische Eisenbahn wichtige Großstädteverbindet.

Sie ist die drittgrößte Stadt Russlands und liegt zentral im Süden in der gleichnamigenRegion Oblast Nowosibirsk. In ihr leben über 1,6 Millionen Menschen, die am 23. April 2014den Kommunisten Anatoly Lokot zum Bürgermeister gewählt haben (Graschenkow 2018).Die Stadt liegt an beiden Ufern des Flusses Ob, welcher die Stadt über ein großesWasserkraftwerk mit Strom versorgt. Die Bürger aus Nowosibirsk müssen sich auf frostigeWinter und milde Sommer einstellen. Nowosibirsk besitzt den internationalen FlughafenTolmatschowo. Der städtische Nordflughafen Sewerny, der zuletzt für Flüge in die nördlicheTaiga genutzt wurde, ist seit Februar 2011 geschlossen. Nördlich der Stadt kreuzt dietranskontinentale Autobahn R254/255, welche von Moskau nach Wladiwostok führt.Außerdem gibt es die von Stau belastete Stadtautobahn R256, die in südliche Richtung biszur mongolischen Grenze führt.

Über den Eisenbahnverkehr soll vorweggenommen werden, dass die Stadt auchVerwaltungssitz der Westsibirischen Regionaldirektion der RŽD ist, die nicht nur alleEisenbahnlinien der RŽD samt zugehöriger Infrastruktur im Großraum Nowosibirsk betreibt,sondern auch über ein mehr als 9000 Kilometer lange Schienennetz verfügt. (Afonia 1995)

Stadtbezirke

Nowosibirsk unterteilt sich in zehn Stadtbezirke, doch die gebräuchliche Aufteilung ist dieAufteilung zwischen dem Ob. Die rechte Seite, die umgangssprachlich die östlich desFlusses gelegenen Stadtbezirke meint, umfasst das Gebiet des Bahnhofs zum Zentrum mit großen Geschäfte und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Entlang des Ufers gibtes keine Universitäten, Geschäfte undAutobahnen, weswegen das Wohnumfeldruhig und sauber ist. Das Eisenbahnquartierbesitzt kasernenähnliche Häuser, die fürärmere Bevölkerungsschichten sozialeWohnmöglichkeiten bieten. Weiter nördlich in Zaeltsovsky war früher die Rüstungsindustrie tätig, heute bleibt es ruhigund maßvoll. Der Platz des geschlossenenNordflughafens soll für den Mittelstand neueWohn- und Büroflächen geben. Dasnördliche Gebiet wird somit an Bevölkerungwachsen. Direkt daneben erstreckt sich Kalininsky, welches mit 3.000 ansässigen Unternehmen der Wirtschaftsstandort inNowosibirsk ist (Polinnikova 2018). In diesem, sowie auch in Dzerzhinsky, hat sich derMittelstand angesiedelt. Südlich davon in Oktjabrsky, Perwomajsky und im Sowjetbezirk sindpädagogische, landwirtschaftliche und militärische Hochschulen ansässig. In denGartensiedlungen konzentriert sich das Arbeitermilieu, welche bisher vorzugsweise über dieStadtautobahn in die Innenstadt gelangen. Daher gibt es bis in den Zentralbezirk, in welchemauch das Kulturzentrum sich befindet, permanent Stau. Auf der linken Seite des Obs sind dieSubkultur und das studentische Leben zuhause. Leninsky und Kirowsky ist der Wohnortvieler Studierenden und junger Familien. Der Akademisierungsgrad beträgt jedoch nur 25Prozent (Stadtmuseum Nowosibirsk 2018). Dies liegt auch daran, dass die Studierendenmeistens den Ort nach ihrem Studium wieder verlassen. Aus Zeitungsinterviews stellt manfest, dass die Bewohner der linken Obseite dem öffentlichen Nahverkehr eine großeBedeutung schenken. (Polinnikova 2018)

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Politische Rahmenbedingungen

Die politischen Sympathien der Bevölkerung in Nowosibirsk sind anders als die Präferenzen des übrigen Russlands (ebd.). Zum ersten Mal im Sibirischen Föderalen Bezirk gibt esSpannung bei den anstehenden Wahlen.

Der Bürgermeister von Nowosibirsk undder Gouverneur des Gebiets von Irkutskgehören zur Kommunistischen ParteiRusslands, welche ihren Einfluss indiesen Regionen weiter ausbauen will(ebd.). Die Kommunisten fordern hiereine dringende Agenda. Derzeiterwirtschaftet Nowosibirsk durch dieSteuerpolitik umgerechnet 1,9 MilliardenEuro, von denen weniger als 15% in derStadtkasse verbleiben. Deshalb schlug Bürgermeister Lokot vor, Bürgermeister Anatoly Lokot bei einem Pressetermin Millionenstädten ein größeres Staatsbudget zu übertragen. Jenes ist unerlässlich für die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge, sowie weitergehendenStadtentwicklungsplänen, wie der Bau neuer U-Bahn-Stationen, die seit langem von denBürgern gefordert werden (ebd.). Derzeit kann Nowosibirsk, als Geber des Regional- undBundeshaushalts, selbstständig keine Mittel für den Metroausbau auftreiben und pocht daherauf föderale Finanzierungsprogramme (ebd.). Da im Herbst 2018 nicht nurGouverneurswahlen stattfinden werden, in denen Nowosibirsk und die Region Krasnojarskwählen werden, sondern auch Wahlen zu regionalen Parlamenten - Irkutsker Region,Kemerowo-Region, Burjatien und Chakassien - erwarten Politikwissenschaftler einen Kampfum eine „lokale Agenda" (ebd.).

Ökonomie

Durch eine starke Zentralisierung der Industriewirtschaft gibt es für Menschen aus denVorstädten einen Anziehungseffekt, die sogenannte Agglomeration. Nowosibirsk ist einesder größten Industriezentren Sibiriens und zeichnet sich durch einen extrem hohensekundären Sektor aus (Sozialer Atlas russischer Regionen 2018). Führende Industrien sindstaatliche und kommunale Energie-, Gasversorgungsnetze, sowie Metallurgie, Metallverarbeitung und Maschinenbau, was insgesamt 94 Prozent der gesamten Industrieproduktion der Stadt ausmacht (ebd.). Das größte ansässige Unternehmen ist dieauffällig wachsende Fluggesellschaft S7 Airlines, welches mit einem Jahresumsatz von108,1 Milliarden Rubel (1,5 Mrd. Euro) eine der größten Airlines Russlands ist (Forbes 2017).

Umweltproblematiken

In Sibirien befinden sich die meisten der umweltbelasteten Städte in Russland. Sechs Städtein der Region, Nowokusnezk, Angarsk, Omsk, Krasnojarsk, Bratsk und Nowosibirsk,produzieren mehr klimaschädliche Emissionen als Moskau (Polycia 2017). Der Hauptgrundfür Umweltprobleme ist die Auslagerung der „schmutzigen" Produktionen in sibirische Städte zwischen 1950 und 1960, welche der Soziologe Thomas Lessenich als Externalisierungseffekte bezeichnet (Greffrath 2016). Bis heute hat dies Folgen für Nowosibirsk:

Die erhöhte Radioaktivität im Boden der Stadt resultiert aus dem nuklearindustriellenGroßunternehmen NCCP. Bis heute existiert das Werk im nördlichen Kalininsky, welchesradioaktive Brennelemente für Kernkraftwerke herstellt. Die momentanen Überprüfungen derUmweltbehörden sprechen von über 217 Zonen in der Stadt mit erhöhter Radioaktivität,wobei die höchste Kontamination auf dem Gelände von NCCP liegt. Die Strahlenwertewerden allerdings von Jahr zu Jahr geringer. Ähnlich verbessern sich die Belastungswerte des Ob. (Greenologia 2018) Die festgelegten russischenGrenzwerte für Stickoxide,Ammoniak und Feinstaub sindgenauso hoch wie inDeutschland. In Nowosibirskgibt es Tage, an denen dreifach so viel Stickstoffmonoxid in der Luftist, als erlaubt (ebd.). Bei denFeinstaubwerten PM10 liegtNowosibirsk im Durchschnitt Stau auf der Stadtautobahn R256 zur Rush Hour über 20 Prozent des zugelassenen Grenzwertes, was der Politik Sorgen bereitet (ebd.). Laut Umweltorganisationen macht über zwei Drittel davon der umweltbelastende, motorisierte Individualverkehr aus (ebd.). Ein Vergleich zu Stuttgart weist alarmierende Ähnlichkeiten auf. Auch in der baden-württembergischen Hauptstadt wurden 2017 Grenzwerte des tödlichen Stickstoffmonoxids um das Dreifache und an 45 Tagen im Jahr der Feinstaublimes überschritten (LUBW 2018). Bedenkt man, dass die WHO die NO2-Grenzwerte von 40 auf 20µg/m³ herabsetzen will, da beim heutigen Grenzwert der Gesundheitsschutz auf dem Spiel steht, wird die Luft für die Städte im wahrsten Sinne des Wortes enger (Kerler 2017).

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Details

Titel
Bahnverkehr auf dem Abstellgleis? Der Eisenbahnverkehr im Osten Russlands am Beispiel der Stadt Nowosibirsk
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
36
Katalognummer
V443925
ISBN (eBook)
9783668811270
ISBN (Buch)
9783668811287
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bahnverkehr, abstellgleis, eisenbahnverkehr, osten, russlands, beispiel, stadt, nowosibirsk
Arbeit zitieren
Florian Wondratschek (Autor:in), 2018, Bahnverkehr auf dem Abstellgleis? Der Eisenbahnverkehr im Osten Russlands am Beispiel der Stadt Nowosibirsk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443925

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