Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1. Soziale Kompetenzen
1.1. Allgemeine soziale Kompetenzen
1.2. Die Ausprägung sozialer Kompetenzen
2. Einzelkinder und Geschwisterkinder
2.1. Definition „Geschwisterkinder“
2.2. Definition „Einzelkinder“
2.3. Charakteristika von Geschwisterbeziehungen
2.3.1. Funktionen von Geschwisterbeziehungen
2.4. Charakteristika von Einzelkindern
2.4.1. Einzelkinder im Erwachsenenalter
3. Zielsetzung und Fragestellungen
3.1. Versuchsplan
3.1.1. Auswahl der Stichprobe
3.1.2. Erhebungsinstrument und Durchführung
4. Beschreibung der Stichprobe
4.1. Soziodemographische Daten
4.2. Daten zu Geschwistern
5. Ergebnisse der Hauptfragestellungen
5.1. Skalierung
5.2. Hypothese
5.3. Hypothese
5.4. Hypothese
5.5. Hypothese
5.6. Hypothese
6. Diskussion
6.1. Kritik
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
Abstract
In der vorliegenden Arbeit werden soziale Kompetenzen von (1) Geschwisterkindern und (2) Einzelkindern im jungen Erwachsenenalter von 18 bis 30 Jahren untersucht. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, ob es einen Unterschied in der Ausprägung von sozialen Kompetenzen zwischen Einzel- und Geschwisterkindern gibt. Außerdem wurden auch andere Aspekte wie die Anzahl der Geschwister, das Geschlecht, das Verhältnis der Geschwister untereinander und das Alter der Befragten in die Untersuchung miteinbezogen. Zu diesem Zweck wurden 140 Probanden und Probandinnen mittels Fragebogen befragt. Es konnten keine signifikanten Unterschiede in der Ausprägung sozialer Kompetenzen zwischen Einzelkindern und Kindern mit Geschwistern festgestellt werden. Es konnten lediglich signifikante Unterschiede zwischen dem Alter, beziehungsweise dem Geschlecht und den Ausprägungen der sozialen Kompetenzen geklärt werden.
Abstract
The present study examines the social skills of two groups of young adults in the age between 18 and 30 years: (1) children with siblings and (2) children without siblings. More specific, the main question is if there are any differences in the expression of social skills between those two groups. In addition, the study includes some other aspects such as the number of siblings, sex, the relationship between siblings and the age of the probands. For that purpose, 140 participants were surveyed by a questionnaire. The results reveal no significant differences in the expression of social skills between children with and children without siblings. Nonetheless, results showed significant differences between the expression of social skills, the age and the sex of the children.
Einleitung
In der heutigen Gesellschaft sind immer öfter soziale Kompetenzen erforderlich, um ein erfolgreiches Leben führen zu können. Soziale Kompetenzen sind bereits in der Schule, bei Gruppenarbeiten und auch in späteren Lebensabschnitten, wie beispielsweise bei der Arbeitssuche wichtig. Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, sowie Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit werden stets von uns allen verlangt. Aber wie entwickeln sich diese sozialen Kompetenzen? Ist jeder Mensch gleich „sozial kompetent“, oder gibt es Unterschiede?
Da die Familie als Ort der primären Sozialisation gesehen werden kann (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011, S. 463), stellt sich die Frage, ob das Aufwachsen mit oder ohne Geschwister eine Bedeutung für das spätere Leben, sowie für die Ausprägung der sozialen Kompetenzen aufweist. Der Trend zu immer kleiner werdenden Familien wird deutlich, wenn man sich die Statistiken der letzten Jahre genauer ansieht (vgl. Geserick 2012, o.S.). Geschwister verbringen die meiste Zeit ihres Alltags miteinander. Sie dienen sich gegenseitig nicht nur als Spielkameraden und -kameradinnen, oder als Zeitvertreib, sondern sie können auch sehr viel voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und einander beeinflussen. Sie halten zusammen und können sich stets aufeinander verlassen. Vielleicht ist es genau dieser Effekt, der die sozialen Kompetenzen von klein auf fördert.
Aber bleibt dieser Effekt Kindern, die ohne Geschwister aufwachsen vorenthalten? Können etwaige Defizite später noch aufgearbeitet werden? Gibt es auch negative Aspekte, wenn man mit Geschwistern aufwächst? Was kann das Aufwachsen als Einzelkind für die Zukunft bedeuten?
Geschwisterlose Kinder müssen in heutigen der Gesellschaft immer wieder mit Vorurteilen kämpfen. Das Fehlen von Geschwistern soll sich angeblich nur negativ auswirken und keine positive Aspekte mit sich bringen. Es wird ihnen vorgeworfen sie seien egoistisch, verwöhnt, einsam und könnten nicht mit anderen teilen (vgl. Zimmermann 2006, S. 104). Es gibt in der Gesellschaft also relativ wenig positive Verhaltensweisen, die mit Einzelkindern assoziiert werden. Aus diesem Grund hat sich für diese Arbeit folgende Forschungsfrage ergeben: Gibt es einen Unterschied in der Ausprägung von sozialen Kompetenzen im jungen Erwachsenenalter von 18 bis 30 Jahren zwischen Personen, die mit Geschwistern aufwachsen und Personen, die ohne Geschwister aufwachsen?
Außerdem sind im Zuge dieser Hauptforschungsfrage noch weitere Fragen aufgetaucht. Diese wären: Wie groß ist die Relevanz des Aufwachsens bei beiden Elternteilen, beziehungsweise bei beiden Bezugspersonen, im Vergleich zum Aufwachsen bei nur einem Elternteil, oder einer Bezugsperson? Außerdem wurden noch die Aspekte Schulbildung, Geschlecht, Alter und deren Auswirkung auf die Ausbildung von sozialen Kompetenzen untersucht. Ein eventueller Zusammenhang zwischen diesen Variablen und den Ausprägung der sozialen Kompetenzen im jungen Erwachsenenalter wird ebenfalls erwartet. Diese Fragestellungen gilt es in der vorliegenden Arbeit, sowohl durch Literaturrecherche, als auch durch eine durchgeführte Auswertung eines eigens entwickelten Fragebogens, zu beantworten.
Im ersten, theoretischen Teil, werden zunächst die grundlegenden Begriffe, wie „soziale Kompetenz“, „Einzelkind“ und „Geschwisterkind“ für den Gebrauch dieser Arbeit definiert, beziehungsweise eingegrenzt.
Der zweite, empirische Teil, beinhaltet die Auswertung einer durchgeführten quantitativen Fragebogenerhebung. Dazu wurden Fragebogenitems konstruiert und 140 Personen beiderlei Geschlechts, mit und ohne Geschwister, im Alter von 18 bis 30 Jahren, befragt. Durch statistische Analysen soll herausgefunden werden, inwieweit das Vorhandensein von Geschwistern eine relevante Bedeutung für die sozialen Kompetenzen im jungen Erwachsenenalter hat.
I. Theoretischer Teil
1. Soziale Kompetenzen
Vielfach ist im Alltag von „sozialen Kompetenzen“ die Rede. Diese Kompetenzen werden auch immer wieder von uns allen erwartet, um ein erfolgreiches Leben führen zu können. Vom frühen Kindheitsalter an wird von uns allen verlangt, sozial kompetent zu sein und spätestens bei der ersten Arbeitssuche findet man in jeglichen Stellenausschreibungen unumgängliche Anforderungen, wie beispielsweise Teamfähigkeit oder Kommunikationsfähigkeit. Aber was genau sind „soziale Kompetenzen“ und wie entwickeln sie sich?
Den Begriff der „sozialen Kompetenz“ zu definieren, oder einzugrenzen ist schwierig, da es sich um ein äußerst komplexes und schwer zu beschreibendes, multidimensionales Konstrukt handelt. Die „soziale Kompetenz“ ist ein weit gefächerter und häufig verwendeter Begriff, somit scheint es unmöglich ihn enger zu fassen. Darüber hinaus ist eine Abgrenzung zu anderen, verwandten Begriffen, wie beispielsweise zum Begriff der „sozialen Intelligenz“, in fachlicher Literatur nur schwer zu finden (vgl. Kanning 2009, S. 11). Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlich verwendeten Definitionen, was aber eine Eingrenzung des Begriffs auch nicht wirklich einfacher macht, sondern im Gegenteil es macht eine Einengung noch schwieriger. Fähigkeiten wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, sowie Hilfsbereitschaft, oder Empathie zählen bei einem Großteil der Definitionen zum Oberbegriff der „sozialen Kompetenzen“.
Seit dem Jahr 1975 hat sich beim Versuch den Begriff einzugrenzen jedoch nicht viel verändert. In diesem Jahr meinte Argyle: „ Wir wissen jedoch nicht, ob soziale Kompetenz ein allgemeiner Persönlichkeitszug ist. Alles was wir im Moment tun können, ist, die Möglichkeit offen zu lassen, dass es einen allgemeinen Faktor soziale Kompetenz geben könnte, und Kompetenz als ein Profil spezifischer Fähigkeiten zu betrachten “ (Argyle 1975, S. 323).
Trotz jahrelanger Forschung können wir immer noch nicht viel mehr sagen, als das, was Argyle vor fast 40 Jahren zu Eingrenzung des Begriffes der sozialen Kompetenz wusste. Man lässt den Begriff auch heute noch eher offen, breit gefächert und bezieht viele unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten, beziehungsweise viele Teilkompetenzen mit ein. Dies muss wohl auch so sein, um das komplexe und multidimensionale Konstrukt von sozialen Kompetenzen bestmöglich erfassen zu können.
„ Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit, persönliche Ziele in sozialen Situationen zu erreichen und gleichzeitig positive Beziehungen zu anderen aufrechtzuerhalten “ (Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011, S. 662). Diese mögliche Begriffsdefinition meint die Durchsetzungsfähigkeit für eigene Interessen mit der Rücksichtnahme auf die Interessen anderer so zu kombinieren, dass dabei keine Verluste für eine der beiden Parteien entstehen können. Es sollte immer eine Art Balance zwischen diesen beiden Fähigkeiten beziehungsweise Fertigkeiten bestehen, um als sozial kompetent zu gelten. Auch in der vorliegenden Arbeit wird versucht die Durchsetzungsfähigkeit, sowie die Rücksichtnahme auf andere Personen, für die Ausprägung der sozialen Kompetenzen, mit zu erheben.
„ Der Begriff der sozialen Kompetenz bezieht sich auf ein äußerst breites Spektrum menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten und weist dabei Überschneidungen mit zahlreichen verwandten Kompetenzen auf “ (Kanning 2009, S. 11). Auch bei diesem Versuch den Begriff zu definieren wird wieder ersichtlich, wie schwierig die Eingrenzung des Begriffes „soziale Kompetenz“ ist, da er eben sehr breit gefächert ist und viele Überschneidungen zu anderen Disziplinen aufweist.
Laut Kanning (2009, S. 11) haben soziale Kompetenzen immer etwas mit zwischenmenschlichen Interaktionen zu tun. Sozial kompetent zu sein heißt demnach auch kontaktfreudig zu sein, viele Freundschaftsbeziehungen zu Gleichaltrigen zu haben und auch die Fähigkeit zu besitzen, mit anderen Menschen gut auszukommen.
Soziale Kompetenzen gliedern sich, wie vorhin schon kurz erwähnt, in mehrere kleinere Teilkompetenzen. In der Literatur finden sich unzählige Versuche diese vielen verschiedenen Teilkompetenzen aufzuzählen beziehungsweise zusammenzufassen. Für den Gebrauch dieser Teilkompetenzen in der vorliegenden Arbeit stellte sich die Aufteilung von Kanning (2009, S. 14-15) als die Aussagekräftigste heraus. Kanning (2009, S. 14-15) gruppiert drei Ansätze für sozial kompetentes Verhalten, auf welche auch in der vorliegenden Arbeit immer wieder Bezug genommen wird:
(1) Die soziale Kompetenz als Durchsetzungsfähigkeit: In diesem Ansatz beschreibt Kanning (2009, S.14) vor allem die Fähigkeit auch einmal „nein“ zu sagen. Außerdem sollte jeder/jede seine/ihre eigenen und persönlichen Interessen bestmöglich vertreten können. Ein hohes Maß an Durchsetzungsfähigkeit ist also erforderlich, um eine hohe Ausprägung an sozialer Kompetenz aufzuweisen. Er weist aber auch darauf hin, trotz aller Durchsetzungsfähigkeit, auch auf die anderen Mitmenschen Rücksicht zu nehmen und diese nicht zu verletzen.
(2) Die soziale Kompetenz als Anpassungsfähigkeit: Hier wird vor allem auf die Anpassung des Individuums an die Umwelt eingegangen. Eine erfolgreiche Anpassung soll vor allem durch Lernprozesse und eigene Erfahrungen erfolgen.
(3) Die soziale Kompetenz als Kompromiss zwischen Anpassung und Durchsetzung: Kanning (2009, S.15) beschreibt in diesem Ansatz einen sozial kompetenten Menschen, als jemanden, der seine eigenen Interessen verwirklicht, dabei aber die Interessen seiner Interaktionspartner nicht verletzt.
„ Jede einzelne Fähigkeit oder Fertigkeit beziehungsweise jeder Aspekt des Wissens, der im Sinne unserer Definition die Qualität sozialen Verhaltens erhöht, kann als eine eigenständige soziale Kompetenz definiert werden. Der Begriff „soziale Kompetenz“ versteht sich daher als ein Oberbegriff hinter dem sich mehrere soziale Teilkompetenzen verbergen. Die Diagnostik muss dem entsprechend auch multidimensional erfolgen “ (Kanning 2009, S. 17).
Es müssen also möglichst viele dieser Teilkompetenzen in das komplexe Konstrukt miteinbezogen werden, um eine umfassende Aussage über die Ausprägung der sozialen Kompetenzen eines Menschen machen zu können. Weiters bestimmt auch der Kontext über die angemessenen Verhaltensweisen einer Person in der jeweiligen sozialen Situation (vgl. Seyfried 1995, S. 80). Es kommt also auch darauf an mit wem wir sprechen, wie die Beziehung zwischen uns und dem Interaktionspartner, oder der Interaktionspartnerin ist, wo wir uns begegnen, wie die Bedeutung der sozialen Interaktion ist und auf noch vieles mehr.
Außerdem ist erwähnenswert, dass nicht alle sozialen Kompetenzen in allen Situationen dieselbe Bedeutung haben (vgl. Seyfried 1995, S.80). Als Beispiel könnte hier genannt werden, Gespräche mit Freunden/Freundinnen oder Bekannten im Vergleich zu Gesprächen mit Fremden. Die Interaktionspartner und -partnerinnen werden sich in jeder Situation individuell Verhalten und somit auch unterschiedlich sozial kompetent sein. Einem Freund/einer Freundin wird man beispielsweise auch eher einen Gefallen tun, als einem Fremden/einer Fremden.
Kanning (2009, S. 18-19) differenziert zudem zwischen zwei Arten sozialer Kompetenzen. Zum ersten erwähnt er die „allgemeinen sozialen Kompetenzen“, welche er beschreibt als jene, „die keinerlei Spezifizierung im Hinblick auf bestimmte Situationen aufweisen“ (Kanning 2009, S. 19). Hierzu könnte man beispielsweise Fertigkeiten wie Hilfsbereitschaft oder Kommunikationsfähigkeit zählen. Diese Fähigkeiten bleiben über viele Gegebenheiten hinweg relativ konstant und brauchen keine Spezifizierung für die jeweilige Situation.
Als zweite Art beschreibt Kanning (2009, S. 19) „spezifische soziale Kompetenzen“. Nur Personen mit langer Lernerfahrung besitzen diese. Als Beispiel nennt Kanning hierfür einen Manager der durch seine jahrelange Erfahrung andere spezifische soziale Kompetenzen aufweist, als eine Altenpflegerin.
1.1. Allgemeine soziale Kompetenzen
Für die vorliegende Arbeit sind vor allem die allgemeinen sozialen Kompetenzen von Interesse. Da auch zu den allgemeinen sozialen Kompetenzen eine Vielzahl von Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen gezählt werden können, ist es sinnvoll diese in mehrere Untergruppen aufzuteilen. Kanning (2009, S. 21) unternimmt den Versuch allgemeine soziale Kompetenzen zu bündeln und in drei große Gruppen zu trennen. Auf diese wird im Folgenden näher eingegangen:
(1) Den ersten Bereich nennt er „perzeptiv-kognitiver Bereich“. Dazu zählen Selbstaufmerksamkeit, Personenwahrnehmung, Perspektivenübernahme, Kontrollüberzeugung, Entscheidungsfreudigkeit und Wissen.
(2) Die zweite Gruppe bezeichnet er als den „motivationalen-emotionalen Bereich“. Hierzu gehören emotionale Stabilität, Prosozialität und Wertepluralismus.
(3) Als „behavioraler Bereich“ bezeichnet Kanning die dritte Untergruppe sozialer Kompetenzen. Zu dieser Kategorie zählen unter anderem Fähigkeiten wie beispielsweise Extraversion, Durchsetzungsfähigkeit, Handlungsflexibilität, Kommunikationsstil, Konfliktverhalten und Selbststeuerung.
Diese Annahme wurde nicht empirisch überprüft, sie stellt lediglich eine „auf qualitativem Wege generierte Quintessenz“ (Kanning 2009, S. 22) dar. In der vorliegenden Arbeit wurde dennoch versucht den Oberbegriff der sozialen Kompetenzen in mehrere Teilgruppen aufzugliedern. Dabei wurde auch immer wieder auf diese Einteilung von Kanning (2009, S. 22) Rücksicht genommen.
1.2. Die Ausprägung sozialer Kompetenzen
Soziale Kompetenzen können durch eine Vielzahl von Faktoren und Einflüssen sowie verschiedenen und individuellen Erfahrungen, sowohl in die positive, als auch in die negative Richtung, gelenkt werden.
Da die Familie als Ort der primären Sozialisation gesehen werden kann, gibt es vor allem hier viele Unterschiede für die spätere Ausprägung der sozialen Kompetenzen (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011, S. 463). Wichtig ist es die sozialen Kompetenzen jeder Person individuell zu beurteilen, da es in jeder Familie andere Wertvorstellungen, sowie verschiedene Normen, oder ähnliches gibt.
Die Beziehung zu beiden Elternteilen ist wohl eine der wichtigsten Faktoren für die spätere Ausprägung der sozialen Kompetenzen. „ Die Eltern von sozial kompetenten und beliebten Kindern verwenden bei den Interaktionen mit ihren Kindern häufiger, als die Eltern weniger kompetenter Kinder, warmherzige Kontrolle, positive Verbalisierungen, logische Argumente und Erklärungen. Sie besitzen positivere Überzeugungen zu den Fähigkeiten ihrer Kinder “ (Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011, S. 535). Zudem spielen umweltbedingte und biologische Faktoren, sowie die Beziehung zu Gleichaltrigen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen (vgl. Siegler/DeLoache/Eisenberg 2011, S. 535). Wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung und die Entwicklung sozialer Kompetenzen sind also Erziehung und die Gesellschaft, sowie im Allgemeinen das soziale Umfeld, mit denen Einzelkinder und Geschwisterkinder täglich zu tun haben.
Zur Erfassung der individuellen Ausprägungen von sozialen Kompetenzen gibt es laut Kanning (2009, S. 31ff.) drei verschiedene Möglichkeiten:
Zum ersten können soziale Kompetenzen direkt über Leistungstests erfasst werden, diese beschränken sich dann jedoch auf die Messung sozialer Intelligenz, sprich auf die kognitiven Fähigkeiten der getesteten Personen. Für jede Frage gibt es hierbei richtige und falsche Antworten. Hier geht es also vor allem um Wissen, wie etwa das Wissen über Normen und Werte in unserer Gesellschaft.
Eine weitere Art der Messung befasst sich mit dem generellen Verhalten von Personen in den verschiedensten Situationen. Dies nennt sich Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbeschreibung. In diesem Verfahren wird durch das Verhalten in den unterschiedlichen Situationen auf die Ausprägung der sozialen Kompetenzen geschlossen. Diese Methode kann durch Fremd- oder durch Selbstbeobachtung stattfinden.
Die dritte Methode ist die Messung komplexer Kompetenzindikatoren. Die soziale Kompetenz wird hierbei über die Konsequenzen des Sozialverhaltens einer Person verstanden. Die Konsequenzen des Verhaltens sollen die sozialen Kompetenzen der Menschen beeinflussen.
2. Einzelkinder und Geschwisterkinder
Im Jahr 2013 lag die Gesamtfertilitätsrate bei 1.44 Kindern pro Frau (vgl. Statistik Austria 2014b, o.S.). Der Anteil an Kindern, die ohne Geschwister aufwachsen beträgt in den letzten 50 Jahren in Österreich immer in etwa gleichbleibend um die 50 Prozent, während die Anzahl der Haushalte mit drei oder mehr Kindern deutlich gesunken ist (vgl. Geserick 2012, o.S.). Dadurch lässt sich wiederrum erklären, warum die durchschnittliche Kinderanzahl in der Familie stätig sinkt. Es bedeutet nicht, dass Paare keine Kinder mehr bekommen, aber der Trend geht zunehmend in Richtung ein bis zwei Kinder pro Familie und somit gibt es auch vermehrt kleinere Haushalte in Österreich (vgl. Statistik Austria 2013, o.S.).
Einzelkinder wachsen seltener in “regulären Familienverhältnissen”, das heißt zusammen mit beiden leiblichen Eltern in einem, gemeinsamen Haushalt, auf, als Geschwisterkinder (vgl. Kasten 2012, o.S.). Einzelkinder leben häufiger als Geschwisterkinder mit nur einem Elternteil, meist mit der Mutter, in einem Haushalt. Geschwisterlose Kinder leben auch häufiger in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, in Adoptiv- oder Pflegefamilien, beziehungsweise nicht bei ihren leiblichen Eltern, als Geschwisterkinder (vgl. Kasten 2012, o.S.).
In den nachfolgenden Kapiteln werden die Begriffe „Geschwisterkinder“ und „Einzelkinder“ näher beschrieben und es wird erklärt, wie diese in der vorliegenden Arbeit verwendet werden. Weiters wird eine Reihe von Unterschieden, sowie eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten zwischen Einzelkindern und Kindern mit Geschwistern genauer erläutert.
Wichtig zu erwähnen ist aber, dass sich keine dieser Aussagen verallgemeinern lässt, da jede Beziehung zwischen den Geschwistern, jedes Einzelkind, sowie jede Familie individuell ist.
2.1. Definition „Geschwisterkinder“
Geschwisterkinder machen in ihrer Kindheit sehr schöne Erfahrungen, die sie für ihr restliches Leben prägen können. In den meisten Kulturen herrscht eine enge Definition des Begriffs „Geschwister“ vor (vgl. Pint 2000, S. 95). „ Diese besagt, daß (sic!) Geschwister Individuen sind, die über eine zumindest teilweise identische genetische Ausstattung verfügen, daß (sic!) sie denselben Vater, dieselbe Mutter, oder, im Idealfall, dieselben Eltern haben “ (Pint 2000, S. 95). Zu dieser Definition zählen leibliche Geschwister und Halbgeschwister, jedoch keine Stiefgeschwister (vgl. Pint 2000, S. 95). Außerdem zählen zu dieser Definition auch keine Adoptivgeschwister.
In dieser Arbeit wird auf jegliche Unterscheidungen zwischen Stief-, Halb-, Adoptiv- oder leiblichen Geschwistern verzichtet.
Es wird in der vorliegenden Arbeit nur Bezug darauf genommen, ob die Kinder bei beiden Elternteilen/Bezugspersonen oder bei nur einem, beziehungsweise bei keinem leiblichen Elternteil/Bezugsperson großgeworden sind. Außerdem wurde in der Befragung miterhoben, wie das Verhältnis zwischen den Geschwistern ist. Diese beiden Bedingungen können möglicherweise auch Auswirkungen auf die Ausprägungen der sozialen Kompetenzen im jungen Erwachsenenalter haben.
2.2. Definition „Einzelkinder“
Mit der Bezeichnung „Einzelkind“ werden meistens eher negativ ausgerichtete Annahmen geknüpft. Der Begriff „einzeln“ wird im täglichen Sprachgebrauch mit Bedeutungen wie einsam sowie mit dem Begriff „Einzelgänger/Einzelgängerin“ assoziiert. Eine positivere Bezeichnung für Einzelkinder wäre zum Beispiel „geschwisterlose Kinder“ (vgl. Kasten 2007, S. 9).
Bei der Definition zum Begriff „Einzelkind“ ergeben sich einige Probleme, da Erstgeborene vorerst alle Einzelkinder sind (vgl. Pinquart/Silbereisen 2009, S. 260). Kasten definiert aus diesem Grund geschwisterlose Kinder als Kinder, „ die lange Jahre, oder ihre gesamte Kindheit und Jugend ohne Geschwister aufwachsen “ (Kasten 2007, S. 9). Weiters bezeichnet er Einzelkinder als Kinder, „ die eine Zeitdauer von mindestens sechs Jahren in einem – wie auch immer beschaffenen – Haushalt ohne Geschwister aufgewachsen waren “ (Kasten 2007, S. 25). Im Gegensatz dazu bezieht sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf junge, erwachsene Einzelkinder, die bis zum Zeitpunkt der Befragung geschwisterlos sind. Als junge Erwachsene sind hierbei Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren gemeint.
2.3. Charakteristika von Geschwisterbeziehungen
Die ein Leben lang andauernde Beziehung zwischen Geschwistern ist eine individuelle, die von anderen Beziehungen, wie beispielsweise der Beziehung zwischen Gleichaltrigen, zu unterscheiden ist (vgl. Kasten 1993, S. 8-9). Geschwisterbeziehungen sind schicksalhafte, nicht freiwillig eingegangene Verbindungen. Diese sind klar von Freundschaftsbeziehungen abzugrenzen, da Geschwister ein Leben lang miteinander verbunden sind (vgl. Kasten 1993, S. 8-9), während Freundschaften zu jederzeit wieder getrennt werden können und neue Freundschaften immer wieder geknüpft werden können.
Kasten (1994) hebt drei grundlegende Charakteristika für Geschwisterbeziehungen hervor:
· Zum ersten, haben sich Geschwister nicht gesucht und gefunden, sie wurden lediglich in die gleiche Familie hineingeboren, oft aber nicht einmal das. Geschwister teilen die Eltern, die Wohnumgebung und oft noch vieles mehr. Ihre Beziehung hält meist nur, weil sie eben Geschwister sind. Aber genau aus diesem Grund sind diese Verbindungen oft tiefer und enger, im Vergleich zu anderen Sozialbeziehungen. Dies lässt sich vor allem auch dadurch erklären, dass die Geschwister eine Familie sind und die meiste Zeit des Alltags miteinander verbringen. Geschwister halten meist zusammen, vor allem wenn es darum geht, sich gegen die Eltern durchzusetzen (vgl. Kasten 1994, S. 109-110).
· Zum zweiten ist es für Geschwister unmöglich ihre Beziehung zu beenden. Sie sind praktisch darauf angewiesen, sich einigermaßen gut zu verstehen, vor allem im Kindheitsalter. Dies ändert sich dann später im jungen Erwachsenenalter. In diesem Alter werden die Geschwister unabhängig voneinander, der Kontakt könnte abgebrochen werden, dies passiert aber nur in den seltensten Fällen. Geschwisterbeziehungen existieren also in der Regel ein Leben lang, es kann sich jedoch die Intensität sowie die Qualität ständig verändern (vgl. Kasten 1993, S. 162).
· Das letzte typische Merkmal für Geschwisterbeziehungen laut Kasten ist, dass häufig gegensätzliche Emotionen zwischen den Geschwistern vorherrschen. Als Beispiel könnte man hier gegenseitige Unterstützung und Rivalität nennen (vgl. Kasten 1994, S. 173). Rivalitäten sowie anschließende Versöhnungen zwischen Geschwistern gehören wohl auch zum Familienalltag.
Obwohl Geschwister zu circa 50 Prozent die gleichen Gene haben, unterscheiden sie sich doch meist sehr stark in geistigen Fähigkeiten und in ihren Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Stangl, o.J., o.S.). Die unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmale können sich auch durch die Geschwisterreihe auszeichnen. Laut Brock (2007, o.S.) seien Erstgeborene konservativer, gewissenhafter und leistungsorientierter als die jüngeren Geschwister. Nachgeborene seien verantwortungsbewusster, wissbegieriger und weniger aggressiv. Letztgeborene seien offener und zugänglicher gegenüber anderen und fremden Personen (vgl. Brock 2007, o.S.).
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