Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Batman Begins als post-„9/11“-Text
2 Batman Begins
2.1 Handlung
2.2 Charaktere: Batman vs. Ra’s Al Ghul
2.2.1 Batman
2.2.2 Ra’s Al Ghul
3 Als Katastrophen getarnte Terroranschläge: Die Strategie der Gesellschaft der Schatten
3.1 Furcht als Waffe?
4 Graphische Parallelen zwischen Batman Begins und den Anschlägen
4.1 Nutzung der Medienikonen
4.2 Gotham City: Eine Allegorie New Yorks
5 Medienkulturanalyse: Amerika vs. Islamismus oder Hollywood vs. Islam?
5.1 Gestaltung der Antagonisten
5.2 Amerikanische Werte der Protagonisten
6 Fazit
Bibliographie
1 Batman Begins als post-„9/11“-Text
United 93 (USA/UK/FR 2006), World Trade Center (USA 2006), Homeland (USA seit 2011): Die Liste der filmischen Adaptionen der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 und ihrer Folgen ist lang und divers. Auch in der Filmwelt der Superhelden ist der Einfluss zu spüren, etwa als das Kinopublikum gebannt auf die Leinwand blickt, auf der Spider-Man im Jahre 2002 eben nicht an der Fassade der nachträglich aus dem Film entfernten Twin Tower klettert, oder anhand der den rassistischen Terroristen Magneto bekämpfenden X-Men in X2 (USA/CAN 2003). Vernachlässigt wird in diesem Kontext allerdings die Schlüsselrolle von Christopher Nolans Batman Begins (USA/UK 2005), das bei genauerem Hinsehen deutliche Bezüge und Parallelen zu „9/11“ aufweist, mit diversen Sujets der Anschläge und ihrer Verarbeitung spielt, wie etwa Angst, Rache und Patriotismus, die sich den ganzen Film durchweg wiederfinden und bei den Rezipienten durch die „9/11“-Parallelen Emotionen erzeugen. Im Rahmen dieser Ausführungen soll die Intertextualität zwischen den Anschlägen und Batman Begins herausgearbeitet und gleichzeitig gezeigt werden, wie Nolan die mit den Anschlägen einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen dramaturgisch ausnutzt. Dabei soll die Gestaltung der Antagonisten als Terroristen in Batman Begins untersucht und darüber hinaus herausgearbeitet werden, ob und inwiefern die Anschläge des 11. Septembers eine Zäsur hinsichtlich der Antagonistengestaltung in der amerikanischen Filmwelt darstellen und ob dem Film eine politische Aussage mitschwingt.
Terrorismus wird als eine organisierte Form nichtstaatlicher Gewalt verstanden, die in der Regel in Form von Anschlägen und Attacken praktiziert wird und mit einer politischen, ethisch-moralischen oder religiösen Ideologie einhergeht. Terrorismus kann sowohl von Einzeltätern als auch von Gruppen betrieben werden; oftmals wird er auch als Kommunikationsmittel genutzt, da die Nutzung des Terrorismus, wie auch die Herkunft des Wortes aus dem Lateinischen („terrere“: erschrecken) deutlich macht, in der von ihm verbreiteten gesellschaftlichen Furcht begründet ist. Die Terroristen bezeichnen sich selbst nicht als solche, da sie sich in Anbetracht ihres Zieles eines politischen oder gesellschaftlichen Umsturzes als „Freiheitskämpfer“ betrachten.[1]
2 Batman Begins
Nach den Batman-Filmen Joel Schumachers, die nicht an den Erfolg der Filme von Tim Burton anknüpfen konnten, lag es an Christopher Nolan, den Ruf der Batman-Filme wieder in ein gutes Licht zu rücken. Batman Begins ist der erste Teil einer in sich abgeschlossenen Trilogie, 2008 folgte The Dark Knight (USA/UK 2008) und 2013 The Dark Knight Rises (USA/UK 2013). Für Batman Begins wurde Nolan mit einem Budget von 150 Millionen US-Dollar ausgestattet und arrangierte die Schauspieler Christian Bale, Michael Caine, Liam Neeson, Katie Holmes, Gary Oldman, Cilian Murphy und Morgan Freeman sowie Hans Zimmer und James Newton Howard für die musikalische Untermalung. Das Drehbuch wurde von Nolan und David S. Goyer verfasst.
2.1 Handlung
Als Kind erlebt Bruce Wayne den Mord an seinen Eltern, Martha und Thomas Wayne, dem Gründer der Firma Wayne Enterprises, durch den Kleinkriminellen Joe Chill in den Straßen Gotham Citys mit. Als Chill 14 Jahre später begnadigt wird, um gegen den Mafiaboss Carmine Falcone auszusagen, plant Wayne, ihn aus Rachsucht nach der Gerichtsverhandlung zu erschießen. Allerdings wird dieser Plan durch einen Killer Falcones durchkreuzt, der Chill vor Waynes Augen erschießt, sodass der rachsüchtige Wayne noch verbitterter wird. Durch Selbstscham und Erniedrigung angetrieben, begibt er sich auf Reisen, auf denen er sich, um die kriminelle Welt zu studieren, unter anderem als Kleinkrimineller durchschlägt und letztendlich in einem chinesischen Gefängnis landet.
Dort trifft Wayne auf Ra’s al Ghul[2], der ihn in die ominöse „Gesellschaft der Schatten“ einlädt, ihn nach seiner Freilassung in seinem Anwesen in den Bergen von Bhutan trainiert und ihm dabei die effektive Nutzung von Theatralik und Furcht („You must bask in the fear of other men. And men fear most what they cannot see“[3] ) lehrt. Da Wayne aber nicht mit der Ideologie der Organisation übereinstimmt („I will go back to Gotham and I will fight men like these, but I will not become an executioner“[4] ), und diese obendrein seine Heimatstatt Gotham statt zu retten zerstören will, ergreift er die Flucht.
Zurück im korrupten Gotham erschafft er sein Alter Ego Batman, unter dem er mithilfe hochtechnologischer Waffen wie seinem gepanzerten Wagen, dem Batmobil, einem Fledermauskostüm als Rüstung, furchteinflößender Theatralik und ohne begrenzenden Einfluss des Gesetzes die Unterwelt und die Korruption bekämpft. Jedoch entpuppt sich Falcone nur als unwissender Strohmann, der vom Psychiater Dr. Jonathan Crane, der gleichzeitig der Superschurke Scarecrow ist, benutzt wird, um Unmengen eines angstentwickelnden Halluzinogens in die Stadt zu schmuggeln und im Keller seiner psychiatrischen Anstalt unbemerkt in die Wasserleitungen der Stadt zu infiltrieren. Ebenso wie Batman nutzt Scarecrow die Erzeugung von Furcht, um so seine Gegner nicht physisch bekämpfen zu müssen, da auch er keine Superkräfte besitzt. Mithilfe der Droge macht er seine Gegner kampfunfähig oder gar geisteskrank.
Batman arbeitet nicht mit der größtenteils korrupten Polizei zusammen, sondern vertraut sich nur Sergeant Gordon an, dem er seine Hilfe anbietet. Dabei ist seine Prämisse, niemanden zu töten, um sich so moralisch von den Verbrechern zu unterscheiden. Stattdessen liefert er die Kriminellen an die Polizei aus, die ihn größtenteils allerdings selber als Feind sieht und bei der Arbeit behindert.
Scarecrow arbeitet im Auftrag Ra’s Al Ghuls als Teil dessen Planes, Gotham zu zerstören. Die Gesellschaft der Schatten hat ein Schiff der Firma Wayne Enterprises gekentert, die Besatzung ermordet und einen sich darauf befindenden Mikrowellensender gestohlen, der in der Lage ist, Wasser verdampfen zu lassen, da die im Wasser enthaltene Droge nur über die Lunge aufgenommen werden kann. Zentraler Teil dieses Planes ist, mit einen mit dem Mikrowellensender beladenen Zug in den zentralgelegenen Wayne Tower, den Firmensitz der Wayne Enterprise, zu fahren, um die dort zusammentreffenden Hauptwasserleitungen der Stadt zu sprengen. Gleichzeitig hat die Gesellschaft der Schatten - als SWAT-Team ausgegeben - die Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses befreit und diese ebenso wie die angetretenen Polizisten der Droge ausgesetzt. Durch die Zerstörung des Wayne Towers soll das Halluzinogen mithilfe des Mikrowellensenders in der kompletten Statt freigesetzt werden, was eine Zerstörung der Stadt durch eine unkontrollierte Massenpanik ihrer durch das Gift verzweifelten und paranoiden Einwohner zur Folge hätte: „Then watch Gotham tear itself apart through fear“[5]. Der Plan wird von Batman und Gordon durchkreuzt und Ra’s Al Ghul stirbt in dem entgleisenden Zug.
2.2 Charaktere: Batman vs. Ra’s Al Ghul
Wie bei allen filmischen Batman-Adaption sind bei Batman Begins die Handlungsträger Charaktere, die schon seit Jahrzehnten existieren, deren Rechte bei Time Warner liegen und in den verschiedenen Adaptionen stets ein fast identisches Aussehen und ähnliche Charakterzüge aufweisen, ihre letztendliche Erscheinung aber durch den jeweiligen Regisseur bestimmt wird. Die Trilogie von Christopher Nolan hat keinen direkten Bezug auf die Chronologie der Comics oder der vorhergehenden Filme, sodass Nolan gewisse Freiheiten in der Charaktergestaltung, etwa bezüglich ihrer Herkunft und Motivation, hat. Ein klassisches Motiv der Publikationen ist es ohnehin, dass die Charaktere je nach Medium variieren.
In Batman Begins hat Batman (hier dargestellt von Christian Bale) mit Falcone und Scarecrow gleich mehrere Antagonisten, doch letztendlich handeln all diese unter dem Einfluss Ra’s al Ghuls (Liam Neeson). Im Folgenden sollen die Charakterzüge und Motivationen Batmans und Ra’s Al Ghuls erläutert werden.
2.2.1 Batman
Bruce Wayne hat Angst vor Fledermäusen und sieht sich schuldig für den Tod seiner Eltern, weil er sie bat, die Opernvorstellung früher zu verlassen, da in der Vorstellung Fledermäuse auftraten, sodass die Familie die Oper durch einen Seitenausgang verlassen musste, wo sie auf Chill traf. So ist die Ursache für seine Verbrechensbekämpfung ein persönliches Trauma, das sich anfangs unreflektiert in blinde Rachsucht („My anger outweighs my guilt“[6] ) gegen Chill und Falcone und in pauschale Wut gegen Kriminalität entwickelt hat. Während seiner Reisen und Studien der Unterwelt hat er seine Ansichten geändert, sodass er nicht mehr den Tod für Verbrecher herbeisehnt, sondern sie mit der Prämisse, nicht zu töten, bekämpft, an das Gute in den Menschen glaubt und bereit ist, sich für seine Heimatstadt zu opfern.
Batman hat den Vorteil, die klassischen Restriktionen des Gesetzes missachten zu können, die der Polizei bei ihren Ermittlungen auferlegt werden; dabei verzichtet er auf Schusswaffen, jedoch nicht auf Foltermethoden. Er besitzt keine Superkräfte, sondern beherrscht diverse Kampfkünste und verfügt über enorme finanzielle Mittel und hochentwickelte Technologien.
2.2.2 Ra’s Al Ghul
Ra’s Al Ghul (im Arabischen: Kopf des Dämons) erschien zum ersten Mal in dem Comic Batman #232: Tochter des Dämons im Jahre 1971. In Batman Begins wird elegant angedeutet („But is Ra's al Ghul immortal?“[7] ), aber nicht direkt erwähnt, dass er schon seit etwa 600 Jahren lebt und sein Leben durch Alchemie verlängert, also weder unsterblich per se ist; ebenso wenig besitzt er anderweitige Superkräfte. Im Kontext der Comics wird deutlich, dass er Batman eigentlich als seinen Nachfolger aufbauen will. Sowohl in den Comics als auch in Batman Begins verfügt er über ein enormes theoretisches und praktisches Wissen über Kampfkünste und die menschliche Psyche. Er sieht sich als Weltverbesserer und führt eine Armee von Gleichgesinnten an, die sich terroristischer Methoden[8] bedient. Dabei handelt er weder profitorientiert noch aus Wahnsinn, wie es klassische Batman-Antagonisten tun, sondern richtet sich primär gegen kriminelles und moralisch verwerfliches Handeln.
Als Anführer der ihm unterstehenden Organisation aus Kämpfern, der Gesellschaft der Schatten (im Englischen: League of Shadows), nutzt er seine Macht, um Verbrecher zu bestrafen, ohne dabei jegliche Gesetze zu achten, aber in der Absicht, die kriminelle Welt zu beseitigen. Dabei befürwortet er die Todesstrafe für Kriminelle, ohne sie der ihm zufolge korrupten Justiz vorzuführen, und nimmt es in Kauf, Unschuldige zu töten, um sein Ziel zu erreichen: „Death is not considerate or fair“[9]. Beispielsweise wurde die komplette Besatzung des Wayne-Enterprise-Schiffes getötet, um an den Mikrowellensender zu gelangen. Leidende Menschen sieht er nicht als gleichwertig an und nimmt ihren Tod zum Zwecke der Weltbesserung in Kauf, wenn nicht sogar gerade die leidenden Menschen ein oder der für ihn zu vernichtende Teil sind, der die Welt aus der Balance bringt.
In seiner Weltanschauung hält er die Angst für die machtvollste und effektivste Waffe. Angst und Theatralik machen für ihn im Nahkampf den entscheidenden Unterschied, da sie den Gegner verwirren und einschüchtern, und „was sie nicht kennen, fürchten sie“[10]. Auch nutzt er die angsteinflößende Droge, um Gotham zu zerstören, nachdem sich die von ihm dort Jahre zuvor initiierte Wirtschaftskrise, welche die Angst um die eigene Existenz beinhaltet, kontraproduktiv ausgewirkt hat und die Stadt dank sozialem Engagement kurzfristig sogar gestärkt hat. Allerdings hat dieser Wandel ihn nicht davon überzeugt, dass Gotham zu retten ist.
Laut Drehbuchautor Goyer ist Ra’s Al Ghul ein perfekter Antagonist, da er - anders als die klassischen Antagonisten - nicht verrückt sei und nur versuche, die Welt zu heilen, dieses allerdings mit fragwürdigen Mitteln. Tatsächlich galt sogar Osama bin Laden selbst als Inspiration für die letztendliche Erscheinung.[11] Neben ihrer arabischen Herkunft und ihrem sachlich nüchternem Auftreten sind auch ihre Anschläge auf das Zentrum einer Weltstadt eine Parallele, jedoch aus komplett anderen Motiven, aber im Glauben, das Richtige zu tun und die Welt durch ihr Handeln zu verbessern. Osama Bin Laden und Ra’s Al Ghul beklagen in ihren Reden die in der Welt herrschende Ungerechtigkeit und das Leid der Menschen; beide reagieren laut eigener Aussage in ihrem Handeln auf vom Menschen verursachtes Leid.[12] Jedoch lässt sich die Ideologie hinter Bin Laden recht leicht erklären. Bei Ra’s Al Ghul sieht dies anders aus. Seine Taten sind nicht politisch motiviert, ebenso wenig religiös.
Fest steht, dass Ra’s Al Ghul dafür den Tod von Millionen Unschuldigen in Kauf nimmt und die Ausgewogenheit der Welt dem Wohl der Menschen vorzieht. Er richtet sich gegen Leid, Ungerechtigkeit, Korruption oder Dekadenz, also gegen kausale Folgen aus schlechtem menschlichen Handeln. Jedoch kann in dieser Sichtweise theoretisch auch ein Vergleich zwischen diesen Zuständen und dem Kapitalismus gezogen werden, der Ressourcen ungleichmäßig verteilt und bei den Benachteiligten Leid verursacht. Trotzdem sollte sein Handeln ebenso wenig linksextremistisch wie islamistisch eingestuft werden; es hat hingegen fast den Anschein, dass er unter einer narzisstischen Störung leidet und sich selbst für einen Gott hält, was sich auch in der Form und dem Ausmaß seiner Aktionen widerspiegelt und in der von ihm selbst betonten Stellung innerhalb der Gesellschaft der Schatten deutlich wird; „Ra’s al Ghul rescued us from the darkest corners of our own hearts“[13] „[...] Ra’s al Ghul [...] a man who can offer you a path“[14] und „[...] if you make yourself more than just a man [...]“[15] sind von ihm selbst getroffene Aussagen, die seinen gottgleichen Status in Anbetracht der Betonung seiner eigenen Unsterblichkeit und seiner Überlegenheit gegenüber „normalen“ Menschen und seine Wirkung auf seine Anhänger betonen. Sein abgeschottetes Anwesen kann als „training camp“[16] bezeichnet werden, in dem er Elite-Terroristen ausbildet, die bereit sind, bis zum Tod zu kämpfen.
[...]
[1] Vgl. Zywietz (2016, S. 32ff.).
[2] Der Plot-Twist bezüglich Ra’s Al Ghuls Tarnung als Henri Ducard soll hier unerwähnt bleiben.
[3] Batman Begins, 00:31:50.
[4] Batman Begins, 00:36:28.
[5] Batman Begins, 01:41:21.
[6] Batman Begins, 00:16:20.
[7] Batman Begins, 01:38:59.
[8] Der Begriff Terrorismus wird in Batman Begins angesichts seiner Etymologie sehr wörtlich interpretiert, da schon die erste Instanz des Anschlags der Gesellschaft der Schatten die Verbreitung von Furcht ist, und diese nicht erst aus Anschlägen entsteht.
[9] Batman Begins, 00:08:54.
[10] Batman Begins, 00:28:40.
[11] Vgl. McSweeney (2005, S. 117).
[12] Vgl. McSweeney (2005, S. 133).
[13] Batman Begins, 00:36:19.
[14] Batman Begins, 00:04:06.
[15] Batman Begins, 01:17:25.
[16] McSweeney (2016, S. 117).